Soso, er gewann also „mit seiner sanften Stimme das Vertrauen von Millionen Fernsehzuschauern“.
Nun ja, jedenfalls nicht das der GWUP, die den ehemaligen ARD-Schwatzmeister schon 1998 mit einem Negativpreis für die peinlichste esoterische Simpelei bedachte.
Auch nicht das der Esowatcher, die Flieges „Fähigkeit, auch den größten Scheiß an den Mann beziehungsweise die Frau bringen zu können“, trefflich illustrierten.
Henryk M. Broder sah in dem TV-Pfarrer bloß einen „nachmittäglichen Schmierlappen“, und von Hans Meiser wurde dereinst das Bonmot kolportiert: „Fliege? Da hilft nur die Klatsche.“
Die hat der eitle Schwarmgeist nun bekommen, und zwar von der Sekten-Expertin Ursula Caberta.
Sogar Bild kann da nicht mehr an sich halten und titelt sinnfällig:
Hat Fliege einen an der Klatsche?“
Zitat:
Jetzt gerät der 64-Jährige ins Fadenkreuz der Sekten-Expertin Ursula Caberta. In ihrem jetzt erschienenen „Schwarzbuch Esoterik“* beschreibt die Autorin dubiose Tricks und Geschäfte der Esoterik-Branche – und erhebt schwere Vorwürfe gegen den Moderator.
Caberta: „Er scheint seine Prominenz zu nutzen, um die Esoterik-Scharlatane hoffähig zu machen, ihnen einen Anstrich von Seriosität zu geben.“
Tatsächlich ist Fliege im Esoterik-Business sehr aktiv. Auf seiner Homepage verkauft er die „Fliege Essenz“.
Besonderheit laut Jürgen Fliege: „Ich habe über sie gebetet wie über Weihwasser. Ich habe immer wieder meine Hände aufgelegt, um den Trost und die Kraft in die Essenz zu senden.“
Auch den dubiosen „Bad Wörishofener Herbst“ streift der Artikel:
Flieges Kasse klingelt auch beim „Wörishofener Herbst“, einem fünftägigen Kongress im Allgäu, den sein eigener Verlag im Oktober zum dritten Mal veranstaltet und den Fliege als „spirituelles Woodstock“ bezeichnet.“
Wir haben das „spirituelle Woodstock“ schon letztes Jahr als Spinner-Treffen und Hirnfraß-Veranstaltung beschrieben – aber schön, wenn auch die großen Publikumsmedien mal Zustimmung signalisieren (die Wörishofener Lokalpresse war dazu übrigens, wie berichtet, nicht in der Lage).
Mittlerweile haben auch andere Blätter Cabertas Kritik aufgegriffen. So schreibt das Hamburger Abendblatt:
Pfarrer Jürgen Fliege macht Reibach im Esoterik-Business.“
Und der NDR berichtet heute:
Die Hamburger Sektenexpertin Ursula Caberta hat die Esoterik-Bewegung ins Visier genommen.
In ihrem neuen Buch „Schwarzbuch Esoterik“ warnt sie eindringlich vor selbsternannten Heilern, Gurus oder Therapeuten und nimmt zudem die christlichen Fundamentalisten ins Visier. Auch Prominente wie der bekannte TV-Pfarrer Jürgen Fliege, Nena oder Hape Kerkeling kommen in ihrem Buch nicht ungeschoren davon.
Fliege stehe symptomatisch für die gefährliche Entwicklung des Esoterikmarktes zu einer Mischung aus käuflicher Spiritualität und Ideologie, sagte Caberta am Dienstag in Hamburg bei der Vorstellung ihres Buches.“
Nachdem es bislang keine Stellungnahme von Fliege gab, will nun ausgerechnet eine – überaus wohlmeinende – Autorin des Journalistenportals suite101 den Oberschwurbler selbst dazu befragt haben. Mutmaßlich sind die Antworten tatsächlich authentisch – denn so einen Unsinn kann auch der phantasievollste Schreiberling sich unmöglich ausdenken:
Dass gesegnete Mahlzeiten und gesegnetes Wasser qualitativ besser sind, wurde längst in Studien belegt. Nichts anderes verkauft die katholische Kirche als Weihwasser. Auch die Homöopathie lebt von Informationen, die auf einem Trägermaterial vermittelt werden.“
- Ursula Caberta: Schwarzbuch Esoterik. Gütersloher Verlagshaus 2011
- Promis am Esoterik-Pranger, Stern-Online am 11. August 2011
9. August 2011 um 20:15
Bei solchen Veröffentlichungen drängen sich mir immer unvermeidlich die folgenden Fragen auf: Was genau ist der qualitative Unterschied zwischen Fliege’s Produkten und dem, was die offiziellen Kirchen anbieten? Warum ist z.B. die katholische Kirche nicht ebenso im Fadenkreuz von Caberta? Fliege verkauft Wunderwasser für 39,95, die Kirchen das gleiche für 8 bis 9% der Einkommensteuer.
9. August 2011 um 20:20
Das Interview mit Fliege ist ja klasse, unbedingt durchlesen, der kleine Auszug oben ist nur ein Teil. Köstlich.
Bernd Harder: Du bist doch früher auch öfter mal in FLIEGES TV SHOW als Alibi-Skeptiker gewesen oder?
Aber auch klasse, dass die GWUP Fliege schon seit den 1990er Jahren kritisiert und das Massenblatt BILD das dann im 2011 als News darstellt hahaha. Für alte Skeptiker ist das schon seit vielen Jahren das Bild von Eso-Fan Fliege.
9. August 2011 um 20:25
@ Skeptikus:
Nicht nur ich, auch Dr. Bachter u.a.
Das waren Zeiten, wunderbare Feldstudien in Sachen televisionärer Irrsinn. Seitdem kann ich First Hand begründen, warum ich Herrn Fliege nicht mag, und könnte auch darlegen, wie das so zuging hinter den Kulissen seiner Sendung.
Aber das ist eine andere Geschichte …
10. August 2011 um 00:01
Der Mann bettelt doch schon um das Goldene Brett 2012.
10. August 2011 um 07:31
@Michael
Der Unterschied ist: Die staatlich anerkannten Religionen dürfen Unsinn und sogar Heilsversprechen, in Form von Heilgottesdiensten und exemplarisch Lourdes-Wunder, erzählen und geben. Ebenso dürfen sie stuerlich begünstig ihr Unwesen treiben, dahinter steckt das Konkordat.
Grundsätzlich ist da ohnehin kein Unterschied, alles geschieht zum Zweck, dass Abhängigkeiten geschaffen werden, die handelnden Geistwesen sind ja ohnehin die gleichen.
Trotz allem gebührt Frau Caberte großer Dank,
hoffentlich werden viele Exemplare an die PolitikerInnen gegeben, damit die auch eine Ahnung haben, was so los ist. Ganz besonders den Grünen und der FDP, alle anderen sind offensichtlich ohnehin blind und fördern die Esoterik mit Ausbildungsunerstützung!
Doch würde es mich nicht verwundern, wenn die PolitikerInnen einen Zusammenhang mit der derzeitigen Situation bei uns nicht erkennen würden.Das ist die übliche Verweigerungshaltung.
10. August 2011 um 12:54
@trixi:
Klar doch – absolut niemand kann diesen selbstgefälligen Fatzke ausstehen, nur seine bescheuerten Esos und über 70-Jährige Talkshow-Fans, die die widerlichen Grapschereien dieses Herrn gegenüber seinen Gästen tatsächlich für so etwas wie Zuwendung hielten.
Es gibt eben Arme, Irre und arme Irre – und nur die finden Schmeiß-Fliege noch toll.
10. August 2011 um 22:10
Hier noch ein Interview mit Ursula Caberta aus der SZ: http://www.sueddeutsche.de/leben/sekten-expertin-ursula-caberta-guru-aus-dem-gully-1.1130064-2
11. August 2011 um 20:16
Auch wenn man Herrn Fliege nicht lieben muss, so hat er die niveauvollste Talk-Show moderiert. Zumindest wurde nicht versucht, auf Kosten der Gäste, Quote zu machen. Aber auch wenn man die Sendungen nicht sah, hat man nichts versäumt.
14. August 2011 um 13:42
@michael
Frau Caberta ist ja eingeschriebene Evangelische, die auch nur lästige Konkurrenz auf dem Markt des Übersinnlichen bekämpfen will. Wo schreibt Frau Caberta zB etwas gegen das unerträgliche „Engel“-Geschwafel von ihrem Vereinsmitglied Käßmann in deren letzten Buch?
14. August 2011 um 13:47
@kajo:
„Denken ist überflüssig – man muss ihr [Frau Käßmann] einfach glauben“:
http://www.welt.de/kultur/literarischewelt/article13448502/Kaessmann-ist-die-Feldbusch-des-Protestantismus.html
15. August 2011 um 15:00
Und es geht weiter, jetzt will Fliege am liebsten Geistheiler in allen Arztpraxen angestellt sehen:
http://www.welt.de/gesundheit/article13545540/Juergen-Fliege-wuenscht-sich-Geistheiler-in-Arztpraxen.html
22. August 2011 um 16:04
Natürlich war und ist Fliege ein unerträglicher nebelwerfender Esoterik-Schwadroneur. Die ARD hat den nachmittäglichen Obskuranten-Talk irgendwann endlich abgesetzt; freilich gibt es gleichwohl im öffentlich-rechtlichen Programm genusam Unsinn, von Anthroposophie-Propaganda bis hin zu dem legendären UFO-Gequatsche bei Maischberger, dem Joachim Bublath schließlich genervt entfloh. Am obigen Artikel sei nur folgendes korrigiert: Henryk M. Broders Attacke auf Fliege bezog sich nicht auf dessen esoterische Verkündigungen, sondern auf seine kritischen Anmerkungen zum Irak-Krieg.
Die Frau Caberta sehe ich im übrigen ähnlich skeptisch, wie es in anderen Beiträgen bereits zum Ausdruck gekommen ist.
15. Dezember 2012 um 10:44
Lebt der Herr noch?? Er ist nur ein Beweis dafür, dass sich nur Qualität langfristig durchsetzt. Eintagsfliegen wird es auch weiterhin geben aber die Präsenz wird zum glück immer kürzer.