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Die Denkfehler der taz, wenn sie versucht, sich wieder bei den Globuli-Fans einzuschleimen

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Mit geradezu übermenschlicher Anstrengung versucht die taz, sich in die Gunst der Homöopathie-Gläubigen zurückzuschreiben, mit denen sich das grün-linksliberale Blatt im März angelegt hatte.

Auf den Heuler „Wahlfreiheit muss bleiben!“ am 12. Juli (eine ausführliche kritische Erwiderung gibt’s beim hpd) folgte jetzt die Kolumne „Ecce Homöopathie“ mit dem bereits grauenahnungsvollen Motto:

Ich schreibe Menschen nicht vor, wie sie mit ihren Körpern umgehen sollen. Warum soll ich mich also über Globuli empören?

Nun ja, muss man ja nicht – aber kompletten Bullshit sollte man vielleicht auch nicht unbedingt dazu verzapfen.

Die Denkfehler des Artikelchens fasst Natalie Grams in einem Twitter-Thread zusammen. Kann man sicher noch öfter brauchen, diese kleine Sammlung:

Denkfehler 1: Irgendjemand würde Homöopathie verbieten wollen. Nee. Wir klären auf, was sie wirklich ist. Wer sie dann für sich nutzen möchte – gerne. Auf eigene Kosten und am besten in jedem Supermarkt ganz frei erhältlich.

Denkfehler 2: Aufklärung heißt nicht Einschränkung der Therapiefreiheit, sondern echte freie Wahl.

Denkfehler 3: Homöopathie ist nicht ungefährlich. Vor allem dann, wenn eine richtige Therapie verzögert oder unterlassen wird. Von Begriff der Kindesmisshandlung oder Körperverletzung haben wir uns immer wieder distanziert.

Denkfehler 4: Das Recht auf selbstbestimmte Behandlung bleibt nur dann erhalten, wenn man die richtigen Fakten für eine freie Wahl kennt. Lässt man sich von den Verheißungen der Homöopathie verblenden, wählt man weder selbst noch frei.

Denkfehler 5: Die Fehler und Missstände der normalen Medizin machen die Homöopathie nicht wirksamer. Die Tatsache, dass wirkliche Medikamente als manchmal als schädlich erkannt werden, ist ein Hinweis, wie selbstreflektiert die Medizin ist. Im Gegensatz zur Homöopathie.

Denkfehler 6: Bei Kindern wirkt die Homöopathie über den Placebo by Proxy Effekt, bei Pflanzen ist es meist einfach nur eine verzerrte Wahrnehmung oder die vergehende Zeit. Kein Wunder (oder fehlendes Wissen) in Sicht.

Denkfehler 7: Wirkung der Homöopathie ist nicht umstritten, die gesamte Studienlage zeigt, dass sie nicht sicher besser als Placebo wirkt und das ist bei dem postulierten Wirkmechanismus auch nicht anders zu erwarten. Ein Stoff in Abwesenheit wirkt nicht – außer durch den Glauben.

Denkfehler 8: Man muss nicht Arzt sein, um vor den Denkfehlern der Homöopathie gefeit zu sein. Man muss auch nicht Arzt sein, um sie zu begreifen. Eigentlich reicht der gesunde Menschenverstand und etwas kritischer Geist. Und sonst ein Blick ins @homeopathy inh.

Denkfehler 9: Nur weil viele Menschen die Homöopathie immer noch gut finden, was meist auf Unwissen, Missverständnissen und der Verwechslung mit Naturheilkunde beruht, muss sie noch lange nicht gut sein oder gar die bessere Alternative.

Denkfehler 10: Meinungsfreiheit bedeutet nicht Faktenfreiheit. Und nur weil jeder eine Meinung zur Homöopathie haben kann und darf, ändern sich die Fakten nicht. Auch nicht für die Kolumnistin.

Sind noch einige Klopper mehr drin, aber das war’s fürs Erste.

Zum Weiterlesen:

  • Wenn die TAZ eine Plattform für Bullshit wird: Homöopathie als Kassenleistung? hpd am 15. Juli 2019
  • „Ein homöopathiekritischer Artikel provoziert eine Debatte bei den Grünen“: das „taz“-Nachbeben, GWUP-Blog am 8. März 2019
  • Mit Copy & Paste gegen Schwurbelei, medium am 6. Juli 2019
  • Brandenburgs Ärzte sprechen sich gegen Homöopathie aus, Märkische Allgemeine am 24. Juli 2019
  • Warum ich Kritik an der Homöopathie wichtig finde – Heute: Der Kinderdok, Onkel Michaels kleine Welt am 22. Juli 2019

13 Kommentare

  1. Was die taz reitet, solche wirklichen extrem danebenschießenden Beiträge zu veröffentlichen, ist nicht nachvollziehbar.

    Hält das die Redaktion – oder die Autorin – wirklich für einen diskussionsfähigen Sachbeitrag? Dann ist aber eine Menge im eigenen Hause an ihnen vorbeigegangen…

    Man kann doch nicht ernsthaft davon ausgehen, dass dieser Beitrag tatsächlich den Wissensstand einer Journalistin widerspiegelt. Oder doch? Dann gilt: Berlin, wir haben ein Problem…

    Die „offizielle“ Begründung der Gesundheitspolitik, die Leute wollten es doch (Beliebtheitsbias) und wüssten im Übrigen als mündige und eigenverantwortliche Patienten bestens Bescheid, annihiliert angesichts solcher „Artikel“ wie Materie beim Zusammentreffen mit Antimaterie.

    Mein heutiges Fazit: Es ist ein Trauerspiel.

  2. „Was die taz reitet“?

    Zunächst mal die taz-eigene Agenda von Beginn an („alternativ…“).

    Dann ihre Gründungsmütterväter samt Wurmfortsätzen in Verlag, Redaktion und schreibendem Dunstkreis – viel „grün“, viel „irgendwie links“, wenig „liberal“, reichlich „anthropo…“ etc. Und besonders: die übriggebliebene Zielgruppe – also diejenigen, die tatsächlich für so ein Produkt etwas *bezahlen* (was schon immer und ewig nur eine sehr geringe Menge war und genauso wegbröckelt wie bei allen anderen).

    Die Haltung des Blattes und seiner Gesamtausrichtung war immer schon strikt „Science nur dann und dort, wo es in unsere Agenda passt“ (was natürlich und zugegebenermassen praktisch auf alle Verlagsmedien zutrifft).

    Nur weil mal gelegentlich ein Artikelchen erscheint, in dem gegen den Strich der eigenen Agenda gebürstet wird, darf niemand vermuten, dass sich die Genoss*_Innen in irgendeiner Hinsicht von ihren Glaubensgrundsätzen verabschiedet hätten. Wie bei wohl vielen anderen Verlagsmedien auch ist das immer nur ein Feigenblatt der Unvoreingenommenheit, der den stählernen Beibehalt des Wegsehens von jeder Evidenz in *jedem Ressort* ein bisschen bemänteln soll.

    Außerdem gibts dann üblicherweise ein paar Kommentare und Leser*_Innen-Briefe mit wutschnaubenden Farmamafia-Inhalten – das belebt die öde Kommentarwüste (das war ein taz-eigenes Verdikt).

  3. @Udo Endruscheit

    „Die Kolumne […] bezeichnet in der Presse einen kurzen Meinungsbeitrag als journalistische Kleinform. Der Autor einer regelmäßig erscheinenden Kolumne wird Kolumnist genannt. “

    https://de.wikipedia.org/wiki/Kolumne

    Meinungsbeitrag, das sagt eigentlich alles. Die Meinungen können von brillant und lesenswert auf der einen Seite bis hin zu Schrott und Unsinn auf der anderen reichen. Frau Sanyal hat sich in diesem Fall eindeutig für letzteres entschieden.

    Dass die taz dieses Teil durchgewunken hat, ist allerdings logisch kaum zu verstehen.

    Letztendlich ist es wohl tatsächlich so, dass die Redaktion glaubte, nach der Empörung der homöopathieaffinen Leserschaft auf den sehr guten kritischen Artikel von Bernd Kramer im März Absolution leisten zu müssen. Dazu wurden in kurzer Zeit zwei „neutral ausgewogene“ Beiträge zur Homöopathie veröffentlicht, um sich diesen Personenkreis wieder gewogen zu machen.

  4. Mehr als 10 Denkfehler in einem so kurzen Artikel? Respekt! Das ist halt echte grüne Tradition.

  5. Der von crazyfrog verlinkte offene Brief des INH an Frau Maag ist angenehm sachlich und unaufgeregt, wie man es vom INH kennt. Und er kommt auch noch ohne Denkfehler aus. Was will man mehr.

  6. @Joseph Kuhn

    Ja, der offene Brief ist wirklich gut. Sachlich und kurz. Wenn Esoteriker so etwas schreiben würden, wäre es ein Buch mit 900 Seiten geworden und hätte dennoch kein Kännchen Inhalt ;)

  7. Was soll man denn davon halten? Kolumnistin Mitha Sanyal beendet ihren Blog „Mithulogie“, weil sie auf Twitter hasserfüllte Kommentare von Kritikern auf ihre Homöopathie-Eloge „Ecce Homöopathie“ erhalten haben will.

    https://taz.de/Hasskommentare-und-Homoeopathie/!5614623/

    Da ich kein Twitter nutze, kann ich die Aussage nicht verfizieren. Weiß ein Mitkommentator eventuell mehr über diese Geschichte?

  8. OMG, was für eine Heulsuse.

    Ich übersetze mal ihren „Text“, so wie das rüberkommt: „Ich kann nix, weiß nix und habe auch gar keine Ahnung, was ich mit dieser Kolumne eigentlich je wollte und warum jemand überhaupt meinen Quatsch liest.“

    Während die Homöopathie-Kritiker bei jeder Gelegenheit z.B. wegen ihres Blicks oder wegen ihrer Ohren beleidigt oder mit „Nazis“ verglichen oder als „Terroristen“ beschimpft werden, flippt dieses Persönchen aus, wenn sie nur nach Belegen für ihren steilen Kommentar gefragt wird.

    Von einem Twitter-Shitstorm nach dem 24. Juli ist auf ihrem Profil jedenfalls nichts zu sehen.

  9. @Bernd Harder

    Oha, das klingt ja ganz bitter. Und zwar ausschließlich für Frau Sanyal.

    Die Dame war es anscheinend nicht gewohnt, fundierten Widerspruch zu erhalten, der auf Fakten beruht. Wahrscheinlich wurde ihr als Antwort auf die Kolumnen bisher immer nur Honig um den Mund geschmiert.

    Ganz ganz großes Kino von Frau Sanyal. Dafür hat dann sie auch die Krokodilsträne in Gold verdient.

  10. Auf ihrem Twitteraccount https://twitter.com/@MSanyal ist nichts zu sehen. Vielleicht war die Kritik homöopathisch dosiert, aber trotzdem wirksam?

  11. Hier finden sich ein paar wenige Invektive wie „dumm“ oder „blödsinniges Geschwurbel“.

    Also für jeden, der umgekehrt Kommentarspalten zum Thema Homöopathiekritik betreuen muss und ganz anderes gewohnt ist, lachhafte Kleinigkeiten.

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