Man hatte schon das Schlimmste befürchtet.
In der aktuellen Februar-Vogue antwortet Clint Eastwood auf die Frage „Glauben Sie, dass es Menschen gibt, die über die Gabe verfügen, mit dem Jenseits Kontakt aufzunehmen?“ Folgendes:
Jeder Menschen spürt irgendwann ein bisschen von diesen Fähigkeiten in sich. Man hebt das Telefon ab, und jemand ist am anderen Ende, den man genau in dieser Sekunde anrufen wollte. Es gibt diese übersinnlichen Phänomene.
Ich habe einmal Uri Geller zugeschaut, wie er Schlüssel verbogen hat. Ich hätte es nicht geglaubt, wenn ich es nicht mit eigenen Augen gesehen hätte. Ich bin fest überzeugt, dass es eine Energie gibt, die man nicht mit physikalischen Gesetzen erklären kann.“
Das ist wenig mehr als naiv-kenntnisloses Geschwurbel, wie man es allenfalls einem Bullshit-Regisseur à la Peter Straubinger zutrauen würde. Aber Clint Eastwood? Kein Wunder, dass zunächst auch dem Spiegel ob Eastwoods neuer Regiearbeit „Hereafter“ düster schwante:
Wovor sollte man mehr Angst haben? Vor der Vorstellung, dass Clint Eastwood, wie unlängst gemeldet, die Regie bei einem Remake des Hollywood-Dramoletts ,A Star Is Born‘ übernimmt, dessen Hauptrolle Soul-Hupfdohle Beyoncé Knowles spielen soll?
Oder vor einem Film des als härtester aller harten Knochen geltenden Regisseurs, der von Nahtod-Erfahrungen, Geisterbeschwörung und Jenseits handelt? Wird Eastwood, bald 81 Jahre alt, etwa langsam sentimental? Verliert er auf seine alten Tage doch noch die über Jahrzehnte mit viel knurrigem Sarkasmus verteidigte Bodenhaftung?“
Seit Donnerstag kann man „Hereafter – Das Leben danach“ nun auch bei uns sehen.
Die Chicago Tribune hatte zur US-Premiere angemerkt, dass der 128-Minuten-Streifen zwar „not a Clint Eastwood Masterwork“ sei, die Macher aber immerhin gewissenhaft darauf achten, ihre Idee vom Jenseits so allgemein und friedfertig wie möglich zu halten:
Sie haben keine religiöse oder spirituelle Weltsicht zu verkaufen.“
Ob „Hereafter“ nun ein Meisterwerk ist oder nicht, sei an dieser Stelle mal offen gelassen.
Für den Spiegel ist es eins („Grandioses, meisterhaft meditatives Alterswerk“), für die Deutsche Film- und Medienbewertung FBW ebenfalls („Wunderschöne filmische Gratwanderung zwischen Diesseits und Jenseits“). Auch die Los Angeles Times entdeckt hinter Eastwoods Regieführung „ruhige, aber umso kraftvollere Filmkunst, die überzeugt davon ist, dass nichts wichtiger ist, als die Geschichte, die erzählt wird“. Und die Süddeutsche urteilt schlicht: „Alles perfekt.“
Andere hingegen sehen bloß die „ziemlich dröge Verfilmung eines unausgereiften Drehbuchs“ beziehungsweise „gepflegte Langeweile“.
Interessanter als dieser Cineasten-Streit ist für uns Skeptiker natürlich die oben aufgeworfene Frage nach der „religiösen oder spirituellen Weltsicht“ von „Hereafter“. Im Vorfeld hatte Clint Eastwood also ziemliches Geseiche über „nicht-physikalische Energien“ und Geller-Tricks zum Besten gegeben – nicht nur in der Frauen-Presse, sondern auch zum Beispiel gegenüber Cinema.
Und im Film selbst?
Überraschenderweise wollen die meisten Mainstream-Medien nichts dergleichen in „Hereafter“ entdeckt haben. So schreibt etwa die FAZ von einer „vollkommenen No-Nonsense-Annäherung an ein Thema, das so voller Falltüren ins Unsägliche ist […], frei auch von übernatürlichem Stuss“.
Nun ja, sicher verheddert sich Clint Eastwood „nicht in einen obskuren Mysterythriller, wie es schon so viele gibt“ (Süddeutsche, Print-Ausgabe vom 27. Januar). Und gewiss entlarvt der Film auch „allerhand Scharlatane, die nur Geld mit dem Jenseits machen“ (Die Welt).
Wie gesagt: auch.
Denn was der überwiegenden Mehrzahl der Profi-Kritiker entgangen ist, bringt beispielsweise der Blog Filmsprung zur Sprache:
Regisseur Clint Eastwood und Drehbuchautor Peter Morgan haben […] einen Zugang zur Erfahrung mit dem Jenseits gewählt, der irgendwie sowohl Gläubige wie auch Skeptiker ansprechen soll. Durch diese Unbestimmtheit im Ansatz ist der Film aber höchst unbefriedigend ausgefallen.“
„Unbefriedigend“ mag man das noch nicht einmal unbedingt nennen. Als „Liebesfilm mit festlich leuchtenden Totenrändern“ (Die Zeit) ist „Hereafter“ allemal eine Empfehlung wert. Und gewiss hat Eastwood es sich „nicht leicht gemacht“ (Welt) mit seinem Thema.
Aber warum muss das Buch der Protagonistin (eine ehemalige Star-Journalistin, die sich seit einem Nahtod-Erlebnis voll und ganz dem Thema Near Death Experiences verschrieben hat) den Untertitel „Verschwörung des Schweigens“ tragen? Was soll der Zuschauer mit pseudowissenschaftlichem Geraune und Verschwörungstheorien anfangen, wonach die Nahtod-Forschung angeblich „von der religiösen Lobby“ unterdrückt werde? Und selbst Nobelpreisträger sich dem unterwerfen müssten?
Dieser Punkt ist immerhin auch dem Rezensenten von Welt-Online aufgefallen:
Allein: Was der Film nicht verrät, ist eben der Fakt, wie gespalten die Forschung in diesem Punkt ist. Sind das wirklich Nahtod-Erlebnisse, von denen Menschen, die klinisch tot waren, berichten? Oder nicht doch rein evolutive Hormonausschüttungen? Reaktionen aufgrund von Sauerstoffdefiziten im Hirn? Die Erfahrungen sind sich zu ähnlich, sagt die Professorin im Film, also können sie nicht erfunden sein. Ist aber nicht gerade diese große Ähnlichkeit ein Indiz dafür, dass es sich doch nur um rein physikalische Prozesse handelt?“
Und auch das von seiner „Gabe“ schwer gebeutelte Medium (Matt Damon als Totenflüsterer) bleibt bei aller Sympathie eine zwielichtige Figur, die letztendlich das Klischee vom „seriösen“ Psychic unter lauter Schwindlern und Scharlatanen bedient. Und nicht nur das:
Damons Figur ist ein Hellseher, der seine Gabe hasst und vor ihr flieht. Mit ihm sollen sich auch alle Skeptiker identifizieren, die nichts mit Esoterik und Heilslehren zu tun haben wollen. Doch gerade wenn Damon die Hände ausstreckt [um Kontakt mit dem Jenseits aufzunehmen; Anm. d. Autors], werden viele aussteigen“,
merkt Welt-Online zu Recht an.
Was lässt sich also abschließend zu „Hereafter“ sagen?
Der Film ist zunächst durchaus „realistisch, glaubwürdig, analytisch“ und bietet „kaum Angriffsfläche für zynisches Gelächter“, das ist sicherlich richtig – auch wenn das Totenreich sogar bei Eastwood „als der Hollywood-übliche, unscharf gefilmte Aftershow-Bereich der Welt erscheint“ (Die Zeit). Dennoch kommt am Ende das Filmsprung-Fazit dem Ganzen wohl am nächsten:
Wer bereits an ein Leben nach dem Tod glaubt, wird an ,Hereafter‘ womöglich gefallen finden. Wer diesem Thema hingegen eher kritisch eingestellt ist, wird sich davon sicherlich nicht überzeugen lassen, sondern sich eher langweilen oder ärgern.“
Oder resümieren wir mal so: Gut gemacht, unterhaltsam, manchmal anrührend – aber gewiss nicht „skeptisch“.
Zum Weiterlesen:
- Is There Evidence for an Afterlife? Skeptical Inquirer Vol. 20.2, June 2010
- Pam Reynolds: Ein Nahtoderlebnis aus der Sicht eines Anästhesisten, Skeptiker 4/2004 (Online bei Telepolis)
- Nahtod-Erfahrungen: Entzaubert die Gehirnforschung einen Mythos? GWUP-News am 3. Juni 2003
- Matt Damon glaubt nicht an Medium, ShowBiz-Blog am 22. Januar 2011
- Eben nach dem Tod, Weltwoche am 8. Juni 2005
- „Nahtoderlebnis“ im Esowatch-Wiki
- Das Medium – Fischen im Drüben, GWUP-Blog am 31. Oktober 2010
- Quoten-Beschwörung bei RTL: „Das Medium“, GWUP-Blog am 29. September 2010
- Bernd Harder: Warum die Uhr stehenblieb, als Opa starb. Knaur, München 2010
30. Januar 2011 um 12:59
Ich habs gestern Abend gesehen: Schön romantischer Schmacht-Schluss (mit passend anhebenden Violinen), insgesamt hundertmal besser als das dämliche Eso-Gedöns in „Eat, Pray, Love“.
Wenn man sich einfach un-skeptisch unterhalten will, ohne groß Action, Grusel oder sonstwas, ist es ok. Klar, der Film erklärt nix, ist aber in der Tat auch nicht völlig „neutral“, wie oft geschrieben wird. Es ist im Film völlig eindeutig, dass die Fähigkeiten des „Mediums“ echt sind und dass es ein Jenseits im Sinne der NDE-Vorstellungen gibt.
Am besten mit Freund/Freundin anschauen und anschließend schön diskutieren.
14. Februar 2011 um 14:31
Ich verwahre mich gegen den Ausdruck „Frauen-Presse“, mit dem ein ganzes Geschlecht (dem ich angehöre) verunglimpft wird. Diese Klatsch-Heul-und-Schmink-Erzeugnisse verdienen allenfalls die Bezeichnung „Weiberschinken“ (auch weil sie so schön glänzen).
Danke für die Eastwood-Werbung, ohne die ich den Film wahrscheinlich frühestens in einem Jahr als DVD im Wühltisch bemerkt hätte. Ich frage mich bloß: Was ist so UNGLAUBLICH an Clint Eastwoods erbaulicher Einstellung zum Nachleben? Der Mann ist eher dem linken Spektrum zuzurechnen und eben nicht der Bill O’Reilly unter den Regisseuren. Der weniger sachliche Teil der Gorch Fock-Diskussion hat wesentlich mehr zum chauvinistischen Diskurs beigetragen als Eastwoods Boxerinnen-Film von 2004. Sorry, Rambo- und Dirty Harry-Fans, inzwischen müßte das doch klar sein – spätenstens seit dem Arbeiterklassen-Western „Erbarmungslos“. :D
Die Uri Geller-Geschichte ist immerhin schon ein paar Jährchen her und wurde seinerzeit z.B. von James Randi in der „Tonight“-Show bloßgestellt (das Video gibt’s auf Youtube oder Google). Entweder hat Eastwood seit 1972 nichts dazugelernt, oder Alter macht weicher – und vergeßlich. Wahrscheinlich die letzteren beiden.
Interessant war die Presseschau für Leute, die nur IMDB lesen – zu denen ich mich auch zähle. Warum soviel Wortgebrechen und -gedrechsel über etwas so Lächerliches wie Film, außer weil Leute den Quatsch eben ernstnehmen. In diesem Sinne, bitte weiter so lustiges Gehöhne und Gespotte unter Verwendung der Originaltöne!
13. Mai 2011 um 15:31
Ein neues Erklärungsmodell für das Wesen der sogenannten ´Nahtod-Erfahrungen´ (NTEs) kann unter http://www.spektrumverlag.de/artikel/1058259 als Kurzfassung gelesen werden.
Ich gehe davon aus, dass es sich dabei um Erinnerungsvorgänge handelt:
A) ein Schlüsselreiz startet NDEs
B) das Gehirn durchsucht sein episodisches Gedächtnis, in zeitlicher Abfolge, wobei erinnerte Inhalte bewusst werden
C) manchmal erstellt das Gehirn eine virtuelle Simulation der als aktuell empfundenen Situation
D) ein Schlüsselreiz beendet NTE (oder man wird bewusstlos oder schläft ein)
Das Erklärungsmodell verweist ausdrücklich auf das 1975 erschienene Buch von Dr. Moody ´Leben nach dem Tod´ um zu demonstrieren, dass diese Sichtweise schon damals möglich gewesen wäre.
3. Dezember 2012 um 16:50
Dazu wurde in Skeptiker 4/04 doch schon der kluge Artikel von Dr. Gerald M. Woerlee veröffentlicht.
Den Artikel nochmals zu lesen und zu verbreiten kann ebenfalls hilfreich sein, denn Dr. Woerlee legt sehr gut an Hand seiner medizinischen Praxis und wissenschaftlichen Kenntnisse dar, auf welchen Grundlagen solche Berichte fußen,
vorausgesetzt es äußert sich der Nahtod-Erlebthabende „wahrheits- getreu“ und schwafelt nicht effekthaschend daher.
Gruß aus BS,
Wolfgang Maeser