Während in Deutschland die Krankenkassen der jungen, vorwiegend gesunden und einkommensstarken „Alternativ“-Klientel hinterherhecheln, findet der Chefarzt der Salzburger Gebietskrankenkasse (GKK) deutliche Worte für den Mumpitz.
In einem Gespräch mit den Salzburger Nachrichten erklärt der Kardiologe Peter Grüner:
Wir haben ein Solidarprinzip. Alle zahlen ein, damit jene behandelt werden, die krank sind. Eine Luxusversorgung ist nicht Aufgabe der Krankenversicherung. Das würde sich in deutlich höheren Beiträgen ausdrücken.“
Homöopathie wird vom Arzt verschrieben. Die Leute sagen, es wirkt. Wieso zahlt das die Kasse nicht?
Weil wir nur für Behandlungen Kosten übernehmen dürfen, deren Wirkung sich beweisen lässt. Diese Medikamente sind von der Versicherung auf Wirksamkeit, Risiko und Nutzen überprüft worden. Genau das ist aber der Hasenfuß bei der Homöopathie.
Bei homöopathischen Medikamenten haben sich Effekte in großen Studien nicht zeigen lassen. Die Daten sind derzeit nicht einmal so weit, dass wir überhaupt zu einer Antragstellung kommen.“
Homöopathen sagen oft, dass diese Studien nicht geeignet sind, um die Wirkung von Homöopathie zu zeigen.
Man muss dazu sagen: Homöopathie ist von der Universität Marburg als Irrlehre anerkannt worden. In Studien lässt sich sehr gut zeigen, dass es einen anderen Hintergrund für die Wirkung gibt.
Der homöopathisch tätige Arzt gibt dem Patienten das Wichtigste, was man ihm geben kann: Zeit und Empathie. Und damit ist dieser Placebo-Effekt gegeben. Wenn Sie das auch noch auf eigene Kosten gemacht haben, dann wären Sie ja ein Idiot, wenn’s nicht hilft.“
Sie sagen also: Ein Placebo, die Kugerl wirken nicht?
Gott sei Dank wirken die Kugerl nicht. Das Prinzip von Hahnemann sagt ja, dass die Substanz etwas mit dem Wasser verändert, während sie immer weiter verdünnt wird. Am Ende ist der Wirkstoff selbst ja nicht mehr nachweisbar, aber das Wassergedächtnis hat sich das gemerkt.
Stellen Sie sich vor, was das bedeutet: Wir müssen jede Kläranlage auf der ganzen Welt zusperren, weil sonst dürften Sie nie wieder Wasser zu sich nehmen. Soll ich noch deutlicher werden?“
Zu der Nonsens-Methode ist gerade ein interessantes Buch erschienen:
Homöopathie neu gedacht – Was Patienten wirklich hilft“
von der Ärztin Natalie Grams, die ihre homöopathische Tätigkeit aufgegeben hat und eine in weiten Teilen realistische Einschätzung der Homöopathie abliefert.
Ute Parsch hat das Buch bei amazon ausführlich rezensiert.
Ein Auszug:
Im letzten Kapitel schlägt die Autorin folgerichtig vor, die Homöopathie ganz anders als bisher nicht mehr als Arzneimittellehre, sondern als Gesprächstherapie zu integrieren. Entsprechend schlägt sie vor, Studien nur noch durchzuführen, um einordnen zu können, welchen Nutzen die Anamnesegespräche für den Patienten auf der emotionalen und geistigen Ebene haben.
Die jetzt Millionen an Forschungsgeldern verschlingenden sinnlosen Bemühungen, eine Überlegenheit der Globuli über Placebo nachzuweisen, sind dagegen einzustellen.
Trotz einiger Schnitzer gerade im letzten Kapitel, wenn es um neue Forschungsfragen geht, dürften Naturwissenschaftler mit der von Frau Grams neu gedachten Variante der Homöopathie weit weniger Schwierigkeiten haben, als Homöopathen selbst.
Mit ihrer Bewertung der Homöopathie als Methode der Gesprächsführung, mit der man unter Umständen auch Patienten erreicht, die eine psychologische Therapie nicht durchführen würden, mit ihrem Hinweis auf die bestehende Geringschätzung dieses Gesprächs innerhalb der Medizin, legt Nathalie Grams die Finger in eine tatsächlich bestehende (und auch von Kritikern der Homöopathie oft betonte) Wunde des Gesundheitswesens.
Und ich stimme ihr zu, dass es überdenkenswert ist, viele Patienten in einer Art „aktiven Zuhörens“, wie sie es beschreibt, dort abzuholen, wo sie stehen […]
Im Fazit lässt sich sagen, dass Nathalie Grams einen interessanten Blick auf die Homöopathie wirft, der nicht in allen Punkten der homöopathischen Praxis bis zum Ende gedacht ist. Die homöopathischen Arzneien bewertet sie allerdings sehr realistisch.
So realistisch, dass ihre Kollegen das Buch wohl nach Herzenslust ignorieren werden, um weiterhin die Homöopathie als Arzneimittellehre betreiben und bewerben zu können. Es ist zu hoffen, dass zumindest viele Patienten das Buch lesen. Von mir trotz der genannten Kritikpunkte eine klare Leseempfehlung.“
Zum Weiterlesen:
- Homöopathie: Ein Luxus, der nicht bezahlt wird, Salzburger Nachrichten am 15. Mai 2015
- Die Krankenkassen und die Paramed… äh, Alternativmedizin (1) – Wo kommt das her und wie wird man das los? Psiram am 4. November 2014
- Die Krankenkassen und die Paramed… äh, Alternativmedizin (2) – Dürfen die das? Psiram am 4. November 2014
- Krankenkassenvoodoo und Voodookrankenkassen: eine kleine Auswertung, Wahrsagerchecks-Blog am 4. Februar 2014
- Homöopathie-freie Krankenkasse gesucht! Christian Buggischs Blog am 8. April 2015
- Kranke Kassen und Voodoo, GWUP-Blog am 11. November 2014
- Zum Beispiel TK: Was die Kassen so alles unterstützen, GWUP-Blog am 2. Februar 2014
- Nachweislich wirkungslose Medikamente und Krankenkassen, FSMoSophica am 2. August 2014
- Kann mir jemand eine esoterikfreie Krankenkasse empfehlen? BlooDNAcid am 14. Dezember 2011
- Homöopathie – Hilft auch bei Schockzuständen, GWUP-Blog am 26. Februar 201
- Prof. Frass hält meine Rechnungen für falsch – ich die Seinen, Beweisaufnahme in Sachen Homöopathie am 8. Mai 2015
- Homöopathie neu gedacht (zum ersten Mal), FSMoSophica am 19. Mai 2015
- Mr. MIR und die Klassischen Homöopathen, FSMoSophica am 19. Mai 2015
- Natalie Grams: Homöopathie neu gedacht – Was Patienten wirklich hilft. Springer Spektrum, Wiesbaden 2015
20. Mai 2015 um 07:49
Ramen, ich danke und bete für Euch :)
20. Mai 2015 um 08:03
Bald kommt er, der Placebo Blocker: http://xkcd.com/1526/
20. Mai 2015 um 08:05
aus dem Textausschnitt von Ute Parsch
Das war auch meine Auffassung in ein paar Kommentar-Gesprächen in den Scienceblogs vor einigen Jahren. Homöopathie eignet sich durchaus zur Erforschung von Placeboeffekten. Sie ist dafür ziemlich gut geeignet.
Es gibt sicherlich auch andere Phänomene die dafür geeignet wären aber die Homöopathie hat von allen den größten Bekanntheitsgrad.
20. Mai 2015 um 21:44
Ja, es gibt ein wirklich einfaches Argument, das die Homöopathie und „Wassergedächtnis“ ad absurdum führt und welches in dem Artikel auch gebracht wurde:
Die ganzen „potenzierten“ Informationen, die in dem Wasser wären, wenn das „Prinzip“ von Hahnemann wahr wäre…es gibt „hochpotenzierte Wirkstoffe“ – in dem Wasser sind viele Medikamentenausscheidungen, welche natürlich durch ihre Verdünnung und Verschüttelung (Spülung des WCs verschüttelt zu D600, ist wissenschaftlich nachgewiesen ;-)) hochpotenziert sind.
Oder merkt sich das Wasser keine Sch …?
Eine wirklich ernstgemeinte Frage an alle Homöopathen, um etwas deutlicher zu werden :-)
21. Mai 2015 um 03:12
@Ralf:
Von HP-Jüngern, denen ich genau dieses Argument entgegnete, erhielt ich bisher immer nur zwei Reaktionen:
1. Es wird überhaupt nicht reagiert oder nur ausgewichen.
2. Es wird einfach behauptet, ein selektives Wassergedächtnis gäbe es tatsächlich, man könne es aber noch nicht erklären (teilweise garniert mit jenem unsäglichen Faust-Zitat und/oder Herrn Emoto…).
Punkt. So einfach ist das. Mehr kommt da nicht. Never ever. :P
21. Mai 2015 um 07:43
Wie naiv, Ralf. Du hast anscheinend noch nicht mit Homöopathen diskutiert.
Natürlich ist auch eine Klospülung so etwas wie ein ritueller Vorgang, hat aber mit dem Schlagen auf ein Buch mit Ledereinband nichts zu tun. Denn nur auf diese Art wird die geistartige Erinnerungsinformation der Ursubstanz auf sie nächste Verdünnungsstufe transformiert.
22. Mai 2015 um 09:31
@vincent: Das habe ich bislang immer links liegen gelassen. Aber stimmt: Warum eigentlich Leder? Da muß es doch eine explizite Erklärung geben!?
22. Mai 2015 um 10:15
@ Michael Fischer:
Weil, mein Freund ist aus Leder…
Sorry, den Scherz konnte ich nicht auslassen. Nein, die einfachste Antwort dürfte sein: weil es zu Hahnemanns Zeiten noch kein Plastik gab und er von teuren Phiolen nicht jedesmal so viele zerdeppern wollte.
22. Mai 2015 um 10:17
@ M. Fischer
Leder scheint die richtige Konsistenz zu haben, um den richtigen Verschüttelungseffekt zu erhalten.
Das hier habe ich gerade gefunden:
„Durch mindestens 10-maliges, kräftiges Schlagen des Mischungsglases gegen eine Unterlage, „die so hart wie ein Buch mit Lederrücken ist“, wird die Verdünnung gründlich durchgeschüttelt.“
Man könnte jetzt natürlich auch neuzeitlichere Unterlagen gegentesten, vielleicht wird durch andere Unterlagen ja ein besseres Ergebnis erzielt… – ach nee, bei Placebowirkung kann man wohl kaum graduelle Unterschiede in der Effektivität machen – mist.
23. Mai 2015 um 13:52
Die logischen Fortführungen der unlogischen Annahmen aus der H. finde ich immer wieder amüsant… Gegen was hilft dieses hochpotenzierte Kläranlagenwasser eigentlich? (Um diese Frage zu beantworten, müsste man Sch. essen – mein Hund kann mir da keine zufriedenstellende Auskunft über sein Befinden geben.)
Und was ist eigentlich mit dem Dinosaurierurin, das einmal um die Welt geflossen ist?
Und jetzt mal eine ernstgemeinte Frage: Warum soll während einer h. „Therapie“ kein Menthol eingenommen werden? Also richtiges, unverdünntes Menthol?
Das hat doch eh keine Wirkung, ist ja schließlich unverdünnt?