Kennen Sie „Siebenwind“?
Das ist ein Fantasy-Online-Rollenspiel – und wie jedem RS gibt es natürlich auch die Figur des „Heilers“.
Dazu lesen wir in der Charakter-Beschreibung:
Nortravische Heiler sind sonderbare Zeitgenossen. Ihr Wesen ist schwer zu erklären, und wenn überhaupt, am ehesten mit dem der Schamanen zu vergleichen.
Meist fallen sie zuerst durch ihr manchmal leicht schrulliges Verhalten auf.
Für jede Krankheit oder Verletzung haben sie ein Heilmittel parat, dessen Zusammensetzung und Anwendung streng gehütet wird. Die Herstellung ihrer Tränke, Pulver, Salben und Tinkturen ist aufwändig und für Außenstehende kaum nachzuvollziehen.
Bei jedem Schritt, auch bei der Anwendung ihrer Medizin und der Behandlung der Patienten, haben die nortravischen Heiler eigene Bräuche und Rituale. Unter anderem spielen dabei Kräuter, Feuer und Gebete zu Eydis oder Gea eine große Rolle.“
Ich kann mir nicht helfen, aber wenn wir „nortravische“ einfach mal durch „homöopathische“ ersetzen, dann sind wir ziemlich nah dran an der Realität des 21. Jahrhunderts in Deutschland.
Wer bei „Siebenwind“ als „nortravischer Heiler“ wirklich reüssieren will, der kann ab März 2014 an der neu gegründeten „Homöo-Akademie“ in Traunstein studieren. Dort werden exakt die benötigten Fähigkeiten fürs Reich der Phantasie vermitttelt.
Leider ist das Ganze bitterer Ernst.
Wie das Reichenhaller Tagblatt berichtet, soll in Traunstein …
… die klassische Homöopathie in Verbindung mit der Schulmedizin auf Hochschulniveau unterrichtet werden.“
Man könnte freilich auch sagen:
In Traunstein eröffnet die erste Kfz-Werkstatt, die Gremlin-Kunde mit Mechatronik auf Hochschulniveau verbindet.“
Der dreijährige Studiengang schließt allen Ernstes mit dem „Bachelor of Science in Complementary Medicine and Management, Vertiefungsrichtung Homöopathie EUH“.
Das ist indes nichts weiter als ein lupenreiner „Master of Esoterics“, wie der Blog Chiemgau Gemseneier schreibt. Und der Gesundheitswissenschaftler Joseph Kuhn macht sich bereits weitergehende Gedanken über unsere künftige Bildungslandschaft:
Angesichts der Nachfrage nach astrologischer Beratung könnte man auch dazu einen Studiengang „auf wissenschaftlichem Niveau“ anbieten, mit dem Abschluss „Bachelor of Science in Complementary Astronomy and Money Management“. Vielleicht spendiert die Tabakindustrie dann noch einen Studiengang „Bachelor of Science in Healthy Smoking“.
Der „Homöopath mit Hochschulabschluss“ soll …
… das höchstmögliche Qualitätsniveau“
haben, kommentiert dagegen ungerührt das Traunsteiner wochenblatt.
Das klingt erst einmal sehr löblich – aber die entscheidende Frage dabei bleibt völlig offen:
Wer bestimmt das?
Genauso wenig wie es „seriöse“ Astrologen gibt, kann es „seriöse“ Homöopathen geben, weil das zugrunde gelegte Wissen falsch ist.
Zum Vergleich: Das Jodel-Diplom bleibt auch dann Nonsens, wenn „Dö dudl dö” im Binnenkonsens das zweite Futur bei Sonnenaufgang ist.
Wenn die homöopathischen Interessenverbände nicht einmal bei ans Verbrecherische grenzendem Unfug Laut geben (etwa bei „Notfallhomöopathie“ für Babys oder Homöopathie bei Vergewaltigung) – wer soll dann bitte wie und wo für eine „Qualitätssicherung“ in der Homöopathie sorgen?
Vielleicht die Carstens-Stiftung, die sich die …
… Förderung der wissenschaftlichen Durchdringung von Naturheilkunde und Homöopathie sowie unkonventioneller Methoden in der Medizin“
auf die Fahnen geschrieben hat?
Wie weit es damit her ist, beschreiben Ute Parsch und Dr. Norbert Aust in einem aktuellen Beitrag für den Blog Beweisaufnahme in Sachen Homöopathie.
Es geht um das sensible Thema „Unerfüllter Kinderwunsch“, und die Carstens-Stiftung behauptet, Homöopathie sei auch hier eine erfolgreiche Behandlungsmethode.
Ja mehr noch:
Auf der Grundlage dieser Forschungsergebnisse erscheint es unverantwortlich, Frauen mit unerfülltem Kinderwunsch eine homöopathische Therapie vorzuenthalten.“
Dass das pure Schaumschlägerei ist, weisen Parsch/Aust mit der gewohnten Akribie nach.
Aber dabei soll es diesmal nicht bleiben.
Die Angaben der Carstens-Stiftung sind derartig desinformativ, dass Parsch/Aust das Ergebnis ihrer Analyse der Carstens-Stiftung in einem Offenen Brief mitteilen und sie zur Korrektur der nicht zutreffenden Aussagen auffordern:
Wir gehen davon aus, dass die Carstens-Stiftung auch das Wohl der Patientinnen und Patienten im Auge hat und es sicher nicht in ihrem Sinne ist, dass eine so weitreichende Empfehlung auf einem derartig dürftigen Fundament ruht wie in diesem Fall.“
Mal sehen, wie der finanzkräftige und einflussreiche „Lobbyverein“ (Spiegel) der Homöopathen mit diesem Prüfstein in Sachen Qualitätskontrolle umgeht.
Zum Weiterlesen:
- Kinderwunsch, Homöopathie und die Carstens-Stiftung, Beweisaufnahme in Sachen Homöopathie am 23. November 2013
- Hogwarts bald auch in Traunstein, Gesundheits-Check am 23. November 2013
- Master of Esoterics in Traunstein – die “Homöo-Akademie”, Chiemgau Gemseneier am 15. November 2013
- Homöopathie-Hochschule – Über Traunstein lacht die Republik, Chiemgau Gemseneier am 6. Oktober 2012
- Hochschule für Homöopathie Traunstein – Ökumene gescheitert, dieausrufer am 21. November 2013
- Hat Recht, wer heilt? GWUP-Blog am 2. August 2013
- Hogwarts an der Donau? GWUP-Blog am 30. Juni 2013
- Hogwarts ist überall, GWUP-Blog am 4. November 2012
- Seriöse und unseriöse Astrologie, GWUP-Blog am 31. Januar 2011
- Homöopathie ist Irrtum, GWUP-Blog am 22. Januar 2012
- Medizin: Rückfall ins Mittelalter, Spiegel-Online am 22. November 2010
- Alternativmedizin: Diese Deutschen geben sich die Kügelchen, Spiegel-Online am 23. November 2013
- Was hat die GWUP gegen Homöopathie? Teil I
- Was hat die GWUP gegen Homöopathie? Teil II
- Was hat die GWUP gegen Homöopathie? Teil III
- Was hat die GWUP gegen Homöopathie? Teil IV
- “Die Homöopathie-Lüge” – ein Interview (Teil 1), GWUP-Blog am 23. Dezember 2012
- “Die Homöopathie-Lüge” – ein Interview (Teil 2), GWUP-Blog am 23. Dezember 2012
- Skeptiker als Pharma-Söldner? GWUP-Blog am 21. April 2013
- Homöopathie: Wenn Skeptiker Hoffnungen zerstören, GWUP-Blog am 18. April 2013
24. November 2013 um 14:52
Ach lieber Bernd, wo wird uns das wohl noch alles hinführen, dieser ganze Homöodingsbumsquatsch?
Innerlich hoffe ich doch, dass die Institutialisierung einer Homöodingensakademie aus der Perspektive der Homöopathen sowas wie ein letztes aufbäumen, einen Endsieg, gegen den Verstand darstellen soll. Oder wird es als nächstes eine homöopathische Nation, ein Homöoschalalaland geben?
Nun hat es auch mich erwischt, ich leide unter akuter Homöopathie, mit allen Symptomen wie Brechreiz, Sodbrennen, Alpträumen, ….
Jetzt überlege ich ernsthaft mal zu einem Homöopathen zu gehen und mich einer homöopathischen Behandlung zu unterziehen. Schließlich gibt es, nach homöopathischer Allmachtsphantasie, gegen alles ein Globuli (siehe z.B. Luna – Mondlicht).
Meine Frage wäre, ob es noch weitere Probanten wie mich gibt die sich gerne einer Behandlung zu Studienzwecken unterziehen würden. Natürlich bei verschiedenen Homöopathen als die eine Grupppe und einer Vergleichsgruppe, welche nur vorgeben Homöopathen zu sein.
Harder, übernehmen Sie und arbeiten Sie doch bitte hierzu ein Studiendesign heraus.
24. November 2013 um 15:27
@BSR:
<< Harder, übernehmen Sie und arbeiten Sie doch bitte hierzu ein Studiendesign heraus. << Vielleicht als Gag beim nächsten "Publikumstag" ...
24. November 2013 um 17:12
Super, dann wird der Homunculus bald wissenschaftlich rehabilitiert ;-)
24. November 2013 um 17:37
„…wenn wir “nortravische” einfach mal durch “homöopathische” ersetzen, dann sind wir ziemlich nah dran an der Realität des 21. Jahrhunderts in Deutschland.“
Dieser Sarkasmus geht wohl im Deutschland des 21. Jhds leider sowohl in den Fantasyspielen als auch im Eigenverständnis der Esoten nach hinten los.
Die vielen kleinen und noch mehr großen „Hexen“ und „Gandalfs“ in Harry-Potter-Deutschland (immer noch 21. Jhdt) wissen ganz genau, dass solche Spiele nur mithilfe der enormen „healing power“ hoch-gegradeter MagierInnen gewonnen werden – von der gewaltigen „mass destruction force“, die jeden noch so aufgeblasenen Superhelden wegbläst wie ein Blättchen im Wind mal ganz abgesehen.
Deshalb sind diese Rollenbilder ja auch so verlockend für viele – das Schrullige meint im 21.-Jhdt-Fantasy-Schland zu gewinnen.
24. November 2013 um 17:40
@ajki:
Wo genau haben Sie denn den Eindruck, ich würde Fantasy-Spiele kritisieren?
24. November 2013 um 18:00
wobei noch anzumerken ist, das man in Bergen bei Traunstein tatsächlich ein echtes Jodeldiplom machen kann: Und zwar wie man echt jodelt!
http://www.jodelseminar.de/
…gibt also eh schon eine Hochschule in Traunstein, mit handfester fundierter Ausbildung!
(Ich kann nur mutmaßen, wer der Entscheidungsträger in Traunstein hier seinen Abschluß her hat…)
24. November 2013 um 18:06
@Bernd Harder:
Wo genau haben Sie denn den Eindruck her, ich würde glauben, Sie kritisierten Fantasyspiele? ;-)
24. November 2013 um 18:11
@ajki:
Stimmt, hab ich mich wohl geirrt.
24. November 2013 um 18:23
Heute Bachelor, morgen der Master und dann die ganze Welt?
Aber ich hab Hoffnung. Diese Wunderheiler werden sich selbst ein Bein stellen.
24. November 2013 um 18:27
Gehören Markt und Moral zusammen? Über ein historisches Dilemma
>> http://www.urania.de/programm/2013/s414/
reflektiert auf den homöopathiemarkt eine interessante frage ;-)
der patient als recurce der alternativmedizin ….
24. November 2013 um 21:24
Wobei “Unerfüllter Kinderwunsch” einige Fragen hinsichtlich der Methode aufwirft.
Wenn man dem Wortlaut „Gleiches mit Gleichem heilen“ folgt, stelle ich mir sofort die Frage, wie man einen “Unerfüllten Kinderwunsch” genügend verdünnen kann, damit er potent wird.
Wenn man umgekehrt annimmt, dass es der Verdünnung der Mittel zur Erfüllung des Kinderwunsches benötigt, kommen eher hygienische Fragen ins Spiel, wie z.B. es zur Entnahme der möglichst bereits befruchteten Ei-Zelle kommt. und wie man diese noch potenzieren könnte. Ev. hilft gefriertrocknen, zerreiben und in Alkohol verdünnen.
Oder muss man etwa ein Kind verdünnen bzw. potenzieren? Das dürfte einige rechtliche Fragen aufwerfen.
Und zu guter Letzt wären da noch Mittel die unfruchtbar machen: „Alkohol, Nikotin, Drogen oder Umweltgifte“ [1]. Klingt nach einer (homöopatischen) Party.
next
[1] http://www.frauenaerzte-im-netz.de/de_unfruchtbarkeit-ursachen_833.html
25. November 2013 um 19:31
@next
Nee, in der Homöopathie ist es doch das Ähnlichkeitsprinzip, „Ähnliches mit Ähnlichem heilen“, nach dem man das „richtige“ Mittel wählt. Was Du meinst ist „Isopathie“ (die natürlich genauso unsinnig ist).
29. November 2013 um 16:12
Kennen Sie den Spruch „Wer heilt hat Recht“ ?
Ich würde einen Homöopathen nicht als Kollegen bezeichnen und viele nutzen Gutglaube aus.
Aber Scharlatanerei ist nur eine Seite der Medaille.
Ein Master der Homöopathie hat trotzdem noch lange nicht die Befugnis eines Arztes.
Lirum, larum – lieber ein Studiengang der Homöopathie – hoffentlich in Verbindung mit wissenschaftlicher Evidenz der Schulmedizin. Als weitere Resourcen für Orchideenfächer und andere Zeitvertreibungen aufzuwenden. Natürlich interessiert es sonst niemanden, ob in Traunstein Homöopathie gelehrt wird oder eine Kfz-Werkstatt in Betrieb ist, außer Traunstein selbst.
Viel Polemik. Um Belanglosigkeiten. Das ist der moderne Skeptiker.
29. November 2013 um 16:16
@J.D.:
<< Viel Polemik. Um Belanglosigkeiten. Das ist der moderne Skeptiker. << Nö, das ist der moderne Kommentarschreiber. << Natürlich interessiert es sonst niemanden, ob in Traunstein Homöopathie gelehrt wird. << Das sollte *jeden* interessieren, der an guter Medizin und an einem gewissen akademischen Niveau in einem hochindustrialisierten Land des 21. Jahrhunderts interessiert ist. Offenbar gehören Sie da nicht dazu. << Kennen Sie den Spruch: Wer heilt hat Recht"? << Hmmmmm, mal nachdenken.... - Nö, noch nie gehört: https://blog.gwup.net/2013/08/02/wer-heilt-hat-nicht-recht/
29. November 2013 um 16:29
@ J.D.
„Ich würde einen Homöopathen nicht als Kollegen bezeichnen…!“
Was wollen Sie damit andeuten?
30. November 2013 um 15:12
@Bernd Harder
1. Ein Hochschulstudiengang der die Lehre von Homöopathie beinhaltet, kommt guter (evidenzbasierter) Schulmedizin nicht in die Quere. Woher ich das weiß? Ich bin Arzt. Zu meiner Zeit sah die Studienordnung der Humanmedizin in ihrem Curriculum auch die Lehre homöopathischer Prinzipien im Zuge der Ausbildung im Fachgebiet Allgemeinmedizin vor. Trotzdem therapiert keiner meiner bekannten Kollegen den „unerfüllten Kinderwunsch“ mit Globuli.
2. Ihr Kommentarstil beweist doch – wenn nicht schon die formlosen und völlig „unwissenschaftliche“, da nicht vorhandenen Quellenangabe Ihrer Zitate, dass Sie die Polemik und Bedeutungslosigkeit gemeistert haben – ob bewusst oder nicht. Wenn nämlich irgendetwas anderes hinter Ihrem Beitrag sich verbergen soll, dann bin ich bisher vergeblich auf der Suche.
@Pierre Castell
Als Mediziner begegnet man alltäglich homöopatischen Therapieempfehlungen. Von Menschen, die tatsächlich nicht ausschließlich das Geldscheffeln im Sinn haben, sondern eine heilende Intention. Aber eben auch keine Ärzte (in dem Sinn „Kollegen“) sind. Unabhängig von Erfolg vs. Scharlatanerei.
30. November 2013 um 15:21
@J.D.:
<< wenn nicht schon die formlosen und völlig "unwissenschaftliche", da nicht vorhandenen Quellenangabe Ihrer Zitate. << Alle "Zitate" sind unmittelbar im Text verlinkt, vielleicht einfach mal anklicken. Möglicherweise verwechseln Sie aber auch einen "Blog" mit einer medizinischen Fachzeitschrift. Außerdem haben Sie bislang nicht "gesucht": Sie stellen mir zum Beispiel eine Frage ("Wer heilt, hat Recht"), über die es in diesem Blog bereits mehrere Beiträge gibt - findet man ganz simpel mit der Suchfunktion. Auch alle anderen Fragen, die Sie andeuten, sind hier schon x-mal behandelt und beantwortet worden - vielleicht erklärt das meinen leicht gelangweilten "Kommentarstil".
1. Dezember 2013 um 13:45
@ trixi:
Seine Aussage, dass er Arzt ist, stößt bei mir auf großes Misstrauen!
Irgendwie werde ich das Gefühl nicht los, dass dies nicht der Wahrheit entspricht.
1. Dezember 2013 um 14:31
@J.D.:
Hier können Sie sich gerne über den neuen „Studiengang“ informieren:
http://www.beweisaufnahme-homoeopathie.de/?p=1275
1. Dezember 2013 um 18:18
Zitat J.D.
Den hab‘ ich schon so oft gehört, daß ich ihn wirklich nicht mehr hören kann…der Spruch ist schlecht für meinen Blutdruck…