Achtung! Gleich poltert es wieder gehörig ganzheitlich in den esoterischen Foren und pseudomedizinischen Blogs: Zetermordio! Verrat! Schande! Protest! Hysterie! – Aber warum?! Nun, da stellt sich doch tatsächlich dieser Edzard Ernst, ein richtig waschechter Professor für Alternativmedizin, vor die Redaktion der Technology Review und antwortet rotzfrech auf die Frage nach seinen Forschungsergebnissen:
„Bei der Homöopathie glauben wir, dass keine Evidenz dafür besteht, dass sie mehr als ein Placebo ist.„
Darauf erst mal einen dunkelschwarzen Kaffee, liebe Homöopathen! Trotzdem müsst ihr jetzt ganz stark sein, denn der fiese Professor lässt noch nicht locker – oh nein! Eiskalter Dogmatiker der er ist, prügelt er jetzt auf euer altes, wertvolles, tausendundeinfältiges Erfahrungswissen ein:
„Die persönliche Erfahrung ist sehr schwer zu entkräften. Aber man muss sich verdeutlichen, dass es neben dem spezifischen Effekt einer Therapie auch unspezifische Effekte gibt, wie den Placebo-Effekt, die Therapeuten-Arzt-Beziehung, Selbstheilungskräfte des Körpers und so weiter. Aus wissenschaftlicher Sicht ist ganz klar, dass diese unspezifischen Effekte auch ohne spezifische Wirksamkeit eine Besserung bringen können. Deshalb besteht man ja auf kontrollierten klinische Studien als Beweis für die Wirksamkeit einer Therapie. Seit über 150 Jahren ist man überzeugt, dass Anekdoten keine Aussage über die Effizienz liefern.“
Da hat er es verwendet, das böse Wort: Evidenz! Oh, Blutsturz und Ohrenschmerz! Was für ein Verräter, dabei war er doch selbst einst einer von euch! Und jetzt? Ein Spindoctor der Pharma-Industrie ist er geworden, ein hinterhältiger Demagoge, vom Paulus zum Saulus gewandelt! Und er sagt mit Engelszungen:
„Von der Homöopathie war ich als Kliniker ja mal ganz beeindruckt. Und als ich dann zur Wissenschaft gewechselt bin, war das Bild für mich zunächst auch nicht schwarz oder weiß. Dann aber hat sich in den letzten zehn Jahren sehr eindeutig herausgestellt: Homöopathika sind Placebos. Für mich war das kein Aha-Erlebnis, sondern ein langer, mühsamer Weg der Erkenntnisgewinnung.“
Und dann tritt er auch noch heftig nach:
„Man kann natürlich sagen, klinische Studien seien nicht das Maß der Dinge. Genauso kann man sagen, der Mond ist eigentlich aus Käse. […] Das ist nun einmal die ganz einfache wissenschaftliche Logik, der sich eigentlich jeder anschließen kann, es sei denn, er betrachtet die Homöopathie nicht als Heilkunde, sondern als Religion. Und da beißt es sich eben fest. Es gibt Leute, die sich nur minimal von religiösen Fanatikern unterscheiden.“
Ok, das war’s, hören wir hier lieber auf, bevor sich noch jemand im Tobsuchtsanfall verletzt oder die Zähne an der Tischplatte ausbeißt. Ihr könnt wieder rauskommen, der wilde Mann ist weg!
Wer sich trotzdem traut, das ganze Interview mit Prof. Edzard Ernst zu lesen oder gar sein neues Buch zu kaufen, der kann beides unten ja mal ganz vorsichtig anklicken, während er zwischen den Fingerchen durchspitzt. Tut auch nicht weh, echt!
Links zum Thema:
- „Homöopathika sind Placebos“
Technology Review, 23.07.2008 - Alternative Heilverfahren: „Homöopathika sind Placebos“
DerWesten.de, 27.07.2008 (Zweitverwertung des Interviews) - Simon Singh & Edzard Ernst (2008): Trick or Treatment: The Undeniable Facts about Alternative Medicine
- Aberglaube Homöopathie
Kritisch Gedacht, 04.06.2008 - Carl-Sagan-Preis 2008 für Dr. Joachim Bublath
gwup | die skeptiker, 26.04.2008 - Homöopathie-Kritik: Fit trotz Globuli
gwup | die skeptiker, 17.05.2007 - Rainer Wolf & Jürgen Windeler: Erfolge der Homöopathie – nur ein Placebo-Effekt? Im Kreuzfeuer der Meinungen
GWUP-Berichte - Homöopathie
GWUP-Themenseite
30. Juli 2008 um 20:39
Kein Platz für Andersdenkende …
30. Juli 2008 um 22:11
@ Monika Armand: „Kein Platz für Andersdenkende“, fragen Sie hier und verweisen auf einen Artikel in Ihrem Blog.
Nun, die Gedanken sind frei, ergo mag jeder denken, was er möchte. Wer denken will, dass Schweine fliegen können – bitte sehr, von mir aus gerne! Auch wer sich einen Mond aus Käse denken möchte, mag sich dafür m.E. jeden Platz herausnehmen, den er braucht – solange er das alles in seinem eigenen Keller macht.
Sobald er jedoch draußen auf den Marktplätzen mit seinem Denken öffentlich hausieren geht, muss er damit rechnen, dass sein Denken ebenso öffentlich hinterfragt wird: „Der Mond ist aus Käse? Ok, aber dann bring mir bitte einen Eimer Gouda mit, wenn du mal wieder oben bist!“
Kein Gouda, kein Käsemond. So einfach ist das. Wer trotzdem den Käsemond propagiert, muss sich m.E. gefallen lassen, als fanatischer Käsemond-Gläubiger tituliert zu werden. Oder eben als Wissenschafts-Analphabet.
Zitat von Prof. Ernst bzgl. der Homöopathie & Empirie: „Man kann natürlich sagen, klinische Studien seien nicht das Maß der Dinge. Genauso kann man sagen, der Mond ist eigentlich aus Käse. […] Und da beißt es sich eben fest. Es gibt Leute, die sich nur minimal von religiösen Fanatikern unterscheiden.“
2. August 2008 um 20:19
Nein, sorry, kein Platz wenn man in Homöopathie-Blogs lesen muss, dass Eltern ihre Kinder leiden lassen, weil sie dumm-gläubig eine eitrige Ohrenentzündung mit Zwiebelsäckchen und Globuli behandeln.
8. August 2008 um 17:01
Und wieder ein angeblicher Beweis für die Wirksamkeit von Homöopathie. Was ist davon zu halten? Es ist doch äußerst unwahrscheinlich, dass in der Placebogruppe nach 7 Tagen mit Schnupfen so gut wie keine Besserung eingetreten ist, bei Homöopathie jedoch extrem hohe Verbesserung. Wurde auch in der Deutschen Ärztezeitung veröffentlicht.
9. August 2008 um 14:56
@ Roland K:
Zuerst einmal zeigt sich wieder, was von der Ärzte-Zeitung zu halten ist:
„Es gibt wenige doppelblinde, Placebo-kontrollierte Studien zur Homöopathie. Das System, das Gedankengebäude der Homöopathie eignet sich schlecht für solche Tests.“
Was für ein Unsinn! Gerade für Komplexmittel (wie in dieser Studie) ist ein RCT eine Routineangelegenheit.
Zur Studie selbst:
1) Das Komplexmittel enthielt die „Komponenten Cinnabaris D3, Echinacea D1, Hydrastis D3 und Kalium bichromicum D3“. Das sind sehr tiefe Potenzen, die im Prinzip molekular wirken können.
Zur Komponente „Cinnabaris D3“ schreibt der „Kompass Komplementärmedizin“ bereits 2002:
„Cinnabaris D3 ist rotes Quecksilbersulfid (Zinnober) und wird mittlerweile aus Vorsichtsgründen (Angst vor einer Überdosierung mit Vergiftungsfolgen) nicht mehr angeboten.“
2) Wenn die Studie wirklich methodisch sauber ist und so klare Effekte zeigt, warum wurde sie dann in einer international unbekannten deutschsprachigen HNO-Zeitschrift publiziert?
3) Die Randomisierung von 144 Patienten resultierte angeblich in einer Aufteilung von exakt halbe-halbe (je 72). Wäre interessant, wie hier genau randomisiert wurde? Habe leider keinen Zugang zum Volltext.
4) D.I. Zabolotnyi hat parallel auch folgendes publiziert:
„Efficacy of a complex homeopathic medication (Sinfrontal) in patients with acute maxillary sinusitis: a prospective, randomized, double-blind, placebo-controlled, multicenter clinical trial.“
Die Ergebnisse zeigen auch hier deutliche Überlegenheit der Homöopathie vs Placebo. Der erste Satz des Abstracts lautet:
„There is a demand for clinical trials that demonstrate homeopathic medications to be effective and safe in the treatment of acute maxillary sinusitis (AMS).“
Klingt mir nicht gerade nach ergebnisoffener Forschung!
Mein Gesamteindruck: dubios.
10. August 2008 um 09:51
In der Medizin gilt ein Studienergebnis erst als aussagekräftig, wenn es durch zwei weitere unabhängige Forscherteams bestätigt wurde. Das wäre umso dringlicher, als sich die Ergebnisse dieses Autors auffallend von anderen Untersuchungen zur Homöopathie abheben.
Dazu kommt, dass die angewendeten Medikamente Tiefstpotenzen (= schlicht: Komplexmittel) sind, die von Homöopathen ja kaum eingesetzt werden. Viel häufiger werden bei homöopathischen Behandlungen Präparate in einer Verdünnung von D30 und darüber angewendet. Als „Beweis für Homöopathie“ kann diese Studie keinesfalls gelten.
22. August 2008 um 10:22
lieber Herr Kirsch!
eigentlich habe ich keine Lust mich auf eine Disskusion zum Thema „fehlende Beweise für die Wirksamkeit der Homöopathie“ einzulassen. Indizien (keine Beweise)für einen eventuell möglichen Wirkungsmechanismus der Hochpotenzen gibt es freilich: quantenmechanische Effekte , Epitaxie, die Thermoluminescenzversuche mit „potenzierten“ (freilich weit unter d. Avogadrozahl) Lithiumchlorid , ikosaedrische strukturen des Wassers (Martin Chaplin)… u.s.w. lassen wir das, mir geht es einzig und alleine um den T O N Ihres Statements, der IMHO ,eher zum Streit zweier Minderjährigen im Sandkasten , als zum wissenschaftlichen Disput passen würde… positives Gegenbeispiel aus Ihren Reihen? -Pof. Martin Lambeck!!
22. August 2008 um 11:35
@ pischinger wojciech: Es geht im obigen Artikel nicht um die Teilnahme am wissenschaftlichen Diskurs, sondern um den Verweis auf die (satirisch überzeichnete) Rezeption dieses Diskurses bei fanatisch Homöopathie-Gläubigen. Auf hohem Niveau nähern wir uns dem Diskurs in der nächsten Ausgabe des SKEPTIKER, der im September erscheint. Mehr dazu unter: SKEPTIKER 3/2008: Homöopathie an der Charité.
29. August 2008 um 18:15
Leider gerät bei der Diskussion um die (Un-)Wirksamkeit homöopathischer Medikamente völlig aus dem Blick, dass gesundheitspolitisch diese mit Sicherheit keine Rolle spielen werden, es sei denn man möchte sie für „billigere“ Placebobehandlungen nutzen. Ob sie ihre Wirksamkeit beweisen oder nicht beweisen wird dabei vermutlich kaum eine Rolle spielen.
Denn bereits schon jetzt, werden „belegte“ Wirkungen von bereits bewährten Medikamenten schlicht geleugnet, nur damit die Krankenkassen die etwas höheren Kosten nicht tragen müssen. Das sind Dinge, welche Patienten bereits unmittelbar und teilweise auch sehr schmerzhaft betreffen (Eigenbeteiligungen für Medikamente, welche manche Betroffene aus eigener Tasche gar nicht bezahlen können – Stichwort „Zweiklassenmedizin“). Dass hier wissenschaftlich gesehen, äußerst schlampig vorgegangen wird, scheint trotz Aktualität recht wenig zu interessieren. Denn das Thema „Festbeträge“ und „Eigenbeteiligungen“ ist leider ein Thema, welches zum Nachteil der Betroffenen wenig öffentlich diskutiert wird: G-BA trickst bei Festbeträgen für patentgeschützte Arzneimittel