Zweimal haben wir uns hier im Blog mit der Frage beschäftigt, ob der Bundestagsabgeordnete Gregor Gysi „Reichsbürger“-Positionen vertritt und die Souveränität der Bundesrepublik Deutschland in Abrede stellt.
Das konnten wir eindeutig verneinen – allerdings ist ein Video mit einem erklärenden Statement des Linken-Politikers nicht mehr verfügbar.
Dafür gibt es jetzt ein neues.
In der aktuellen Folge des Podcasts Gysi gegen Guttenberg kommt Gysi noch einmal auf das Thema zurück:
Als Beleg für die Souveränität führt er (bei Minute 17:00) an, dass
… Schröder zum Krieg gegen den Irak nein gesagt hat, und da war George W. Bush sauer, sehr sauer, aber er konnte es nicht verhindern, und das konnten wir ja nur, weil wir doch souverän sind.
Allerdings spricht Gysi davor (bei 14:38) von einem „Geheimvertrag“ mit den USA, und
… so etwas unterstützt natürlich immer alle Verschwörungstheoretikerinnen und -theoretiker.
Somit sei (15:48) deren „Theorie nicht ganz falsch – zwar überzogen, aber nicht ganz falsch“.
Wovon genau ist hier die Rede?
Das erklärte Gysi bereits 2014, was der Eisenfraß-Blog damals dokumentierte:
Konkret geht es um den sogenannten Überwachungsvorbehalt.
Dieser räumte den drei westlichen Siegermächten auch nach der Aufhebung des Besatzungsstatuts 1955 durch die Pariser Verträge das Recht ein, den in- und ausländischen Post- und Fernmeldeverkehr in der Bundesrepublik weiterhin zu überwachen.
In einem Gutachten des Wissenschaftlichen Dienstes des Deutschen Bundestags vom November 2013 heißt es:
1968 wurden der Vorrang des Staatsschutzes und der „Schutz der Sicherheit der alliierten Truppen“ vor dem Grundrecht auf Unverletzlichkeit des Post- und Fernmeldegeheimnisses schließlich sogar dauerhaft gesetzlich geregelt.
Gewissermaßen als „Erbmasse“ (Das Parlament) wurde dieser Teil des alliierten Vorbehaltsrechts in die deutsch-deutsche Vereinigung eingebracht. Erst im Zuge der NSA-Affäre 2013 setzte eine öffentliche Debatte darüber ein, in deren Verlauf Gregor Gysi bei einem phoenix-Interview jene missverständliche Bemerkung machte („die Besatzung Deutschlands beenden“), die von „Reichsbürgern“ heute noch instrumentalisiert wird.
Am 13. August 2013 erklärte die Bundesregierung in ihrem Fortschritssbericht „Maßnahmen für einen besseren Schutz der Privatsphäre“, dass diese Regelungen aus den Hochzeiten des Kalten Krieges „durch Notenaustausch“ mit den Vereinigten Staaten von Amerika, Großbritannien und Frankreich aufgehoben worden seien.
Kurioserweise schützt das die Bundesrepublik Deutschland mitnichten vor „Überwachungstätigkeiten“ amerikanischer Geheimdienste, wie der Wissenschaftliche Dienst herausarbeitet:
Nur mit einer „Fortgeltung von Besatzungsrecht“ hat das nichts zu tun.
Trotzdem, erklärt Gysi im Guttenberg-Podcast zu den Verschwörungstheorien der „Reichsbürger“:
Wenn du an eine bestimmte Theorie glaubst, dann lässt du dich nicht korrigieren. Also auch durch die Tatsache, dass jetzt zwischen den Regierungen es diesen Notenaustausch gab: Das überzeugt die nicht.
Zum Weiterlesen:
- Politiker-Aussagen falsch eingeordnet, dpa am 22. Dezember 2022
- Deutschland ist keine GmbH und nicht besetzt – und Gregor Gysi hat nichts dergleichen behauptet, GWUP-Blog am 3. Mai 2015
- Deutschland ist ein souveräner Staat, sagt sogar Gregor Gysi, GWUP-Blog am 23. Mai 2015
- Gregor Gysi und das Besatzungsstatut, eisenfraß am 2. Februar 2014
- Deutsche wurden dreimal souverän, das-parlament am 25. November 2013
- Verfassung, Friedensvertrag, Souveränität: Reichsbürger-Behauptungen im Faktencheck, GWUP-Blog am 7. Mai 2023
- Besatzungsstatut ungültig: Gysi bezog sich auf NSA-Abhörskandal, dpa am 12. April 2023
- Die Souveränität Deutschlands steht außer Frage, dpa am 27. März 2023