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Hogwarts und seine Professoren

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Sage bloß keiner, die Skeptiker verstünden nichts vom Hellsehen und Wahrsagen.

Vor fünf Wochen haben wir hier über das vernichtende Urteil der Hochschulstrukturkommission des Landes Brandenburg  zur Viadrina-Universität berichtet. Die private Hochschule in Frankfurt/Oder hat sich mit teils grotesken esoterischen Umtrieben am Institut für transkulturelle Gesundheitswissenschaftenden (IntraG) den Spottnamen „Hogwarts an der Oder“ eingehandelt.

Professor Ulrich Berger vom GWUP-Wissenschaftsrat griff das Thema bei Kritisch gedacht auf und traf die Vorhersage:

Wie Pleuger, Walach und das IntraG darauf reagieren werden, darauf darf man gespannt sein. Eines wage ich jetzt schon zu prophezeihen: Schuld werden aus deren Sicht wohl wieder „dogmatische Skeptiker“ und eine „mediale Hetzjagd“ sein. Gaudeamus igitur!“

Und genau so ist es gekommen.

In einem taz-Interview stilisiert Prof. Walach sich selbst allen Ernstes zur „Speerspitze der Aufklärung“ und greint:

Wir bieten einer postmodernen Inquisition Angriffsfläche. Einer Definition von Wissenschaftlichkeit, die nur bestimmte Inhalte akzeptiert. Und andere Inhalte, wie zum Beispiel Komplementäre Medizin und Homöopathie, Spiritualität und Achtsamkeit, als nicht wissenschaftlich betrachtet.“

Klar, so wird’s wohl sein.

Da fällt einem eigentlich nur noch die geniale Schlagzeile aus der Augsburger Allgemeinen ein:

Geisterfahrer behauptet, die anderen seien falsch gefahren.“

Zu den „anderen“ zählt Walach den Spiegel, die Süddeutsche, die Potsdamer Neueste Nachrichten und viele andere Medien – und natürlich Science-Blogs und Skeptiker.

Psiram/Esowatch hat das Wissenschaftsverständnis des Herrn Professor bereits ausführlich kommentiert, Astrodicticum simplex ebenfalls:

Sehr geehrter Herr Walach,

die Leute kritisieren diese Masterarbeit nicht deswegen, weil sie sich mit „seltsamen“ Themen beschäftigt (obwohl es schon SEHR seltsam ist, wenn an ihrem Institut Maschinen erforscht werden sollen, die Wurmlöcher in der Raumzeit öffnen …).

Die Arbeit wird kritisiert, weil sie komplett unwissenschaftlich durchgeführt wurde.

Das fängt damit an, dass man nicht einfach „Zeitwellen“, „Raum-Zeit-Tunnel“ und ähnliches erforschen kann, ohne dabei auch die Erkenntnisse der theoretischen Physik zu berücksichtigen.

Es geht weiter mit der Verwendung von „Theorien“, die längst falsifiziert sind. Und es endet mit der Tatsache, dass die Ergebnisse von Experimenten einfach ignoriert werden, weil sie nicht zu dem passen, was man gerne hätte.

Deswegen wird die Arbeit kritisiert. Und deswegen werden auch sie kritisiert – weil sie das alles verteidigen und anscheinend nicht verstehen, warum Arbeiten dieser Art nichts mit Wissenschaft zu tun haben.“

Nein, das scheint Prof. Walach wirklich nicht zu verstehen, weshalb Psiram das Thema heute noch einmal aufgreift:

Zusätzlich spricht Walach davon, dass viele Krankheiten als „Netzwerkstörungen” zu verstehen sind und wir „den Körper oder den Organismus als ein komplexes Netzwerk begreifen müssen”.

Klar doch, wir brauchen eine offene Wissenschaft, die ganzheitlich die zahlreichen „Netzwerkstörungen” erforscht, und dazu gehört natürlich und sowas von selbstverständlich Homöopathie, Spiritualität, Achtsamkeit, Kaffeesatzlesen, Schamanen, Druiden und das Lesen in Eingeweiden von Tieren, vielleicht auch Fern- und Geistheilen, womit sich der Professor nun ja auch schon beschäftigt hat.

Damit lassen sich ganz sicher alle Arten von Netzwerkstörungen heilen, falls mal ein Draht ab ist.“

Dr. Martin Mahner vom Zentrum für Wissenschaft und kritisches Denken der GWUP fasst das Ganze so zusammen:

Das Statement von Walach geht davon aus, dass etwas dann wissenschaftlich ist, wenn wissenschaftliche Methoden korrekt angewendet werden. Diesen Ansatz könnte man Methodololatrie nennen. Es handelt sich um einen monofaktoriellen Wissenschaftsbegriff, der meint, korrekte Methodik sei notwendig und hinreichend zur Charakterisierung von Wissenschaft.

Das ist aber nicht der Fall.

Korrekte Methoden mögen notwendig sein, sie sind aber nicht hinreichend. Vor jeder empirischen Prüfung steht eine Plausibilitätsprüfung, bei der geschaut wird, wie sich die Theorie hinter der Behauptung in das wohlbestätigte (oder etablierte) Gesamtbild einbindet.

Wenn die Theorie schon gegen bekannte Naturgesetze verstößt oder Dinge voraussetzt, die zur Folge hätten, dass ein großer Teil der Physik, Chemie oder Biologie falsch wären, dann wird der Behauptung eine sehr geringe Plausibilität zugemessen. Behauptungen mit quasi Nullplausibilität werden von der Wissenschaft dann aber als testunwürdig aussortiert.

Die theoretische Prüfung stützt sich also auf ein weiteres Wissenschaftlichkeitskriterium: die externe Konsistenz, d.h. die Vereinbarkeit mit bzw. Anbindungsfähigkeit der gegebenen Behauptung an wohlbestätigtes Wissen.

Die Vertreter von Parawissenschaften wie Walach müssen natürlich das Kriterium der externen Konsistenz ablehnen, denn sie wollen ja Beliebiges testen und revolutionäre Ergebnisse hervorbringen. Das geht nicht, wenn man das meiste vorher als testunwürdig aussortieren müsste. Der Walachsche Wissenschaftsbegriff hat mit der wissenschaftlichen Realität also nichts zu tun, sondern ist ein auf die eigenen Zwecke zugeschnittener „idealer“ Wissenschaftsbegriff im Sinne eines naiven Empirismus, der sich dümmer stellt, als wir eigentlich sind.“

 Zum Weiterlesen:

  • Viadrina: Hogwarts an der Oder – eine Übersicht, Psiram am 18. Juni 2012

 

7 Kommentare

  1. Weil das psychologisch außerordentlich interessante und in vieler Hinsicht wichtige Thema “Achtsamkeit” erwähnt wird, kurz folgende Hinweise:

    – Ich weiß bis heute nicht, wie Prof. Walach Achtsamkeit versteht. Auf dem Kongress “Meditation und Wissenschaft“, der 2010 in Berlin stattfand und hier komplett, also einschließlich des freihändigen Vortrags von Herrn Walach dort dokumentiert ist, hat er mir auf meine Frage danach angegeben, an einer Definition von Achtsamkeit werde an seinem Institut “gearbeitet“.

    – Meine eigenen Kenntnisse vom Gebrauch des Begriffes “Achtsamkeit“, der zunächst ja aus der deutschen Umgangssprache stammt, gehen dahin, dass damit unterschiedliche Aufmerksamkeitseinstellungen oder anders ausgedrückt: verschiedene “Formen” von Aufmerksamkeit gemeint sein können. In den hier verlinkten Texte habe ich sie zusammen mit relevanter Hintergrundliteratur angegeben und kurr zu erläutern versucht.

  2. Das ist ja alles richtig und ich stimme all diesen Ausführungen vollinhaltlich zu.
    Was mich irritiert ist allerdings, dass der taz-Artikel über einen Monat alt ist. Oder habe ich was übersehen und die einschlägigen Experten drohen irgendwo mit Neugründung ihrer Wunderbude?
    Btw: gab es da nicht sogar mal eine Diskussion mit Walach(?) über seine eigentümliche Erweiterung der Quantentheorie im Skeptiker?
    Verwechsle ich da was?

  3. @Karsten Hoffmann:

    Das taz-Interview ist am 15.6. erschienen, der Bericht der Hochschulkommission gut eine Woche vorher – man kann also davon ausgehen, dass Walach die Beurteilung kannte und in seinem Interview sich um eine explizite Stellungnahme herumdrückt, dafür aber implizit die Kritiker als „moderne Inquisition“ beschimpft.

    Der Artikel über die Schwache Quantentheorie war hier:

    http://www.gwup.org/zeitschrift/skeptiker-archiv/151-skeptiker-2006-3

  4. @Karsten Hoffmann

    Der letzte aktuelle Bericht zu Prof. Walach erschien am Sonntag im TAGESSPIEGEL:

    http://www.tagesspiegel.de/berlin/grenze-der-wissenschaft/6879752.html

    Demnach gibt es eigentlich nichts Neues.

  5. @Ralf:

    Nicht neu, aber trotzdem interessant und vielleicht nicht jedem bekannt:

    „Seine [Walachs] eigene Professur … werde von einer Firma aus Baden- Baden gesponsert, die homöopathische Präparate herstellt.“

  6. @Bernd Harder
    Jetzt bin ich fast etwas erschrocken…ich habe doch überhaupt nichts geschrieben…es ist schon interessant, wie viele Ralfs hier kommentieren; doch Niemand wird sich nur „Ralf“ nennen, es will ja Niemand mit mir in einem Topf geworfen werden…ich bin aber wie ein Fettauge und schwimme immer oben im Suppen-Topf…;-)

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