Leonie lebt mit 27 seit über zwei Jahren in einem Pflegeheim.
Ihre Geschichte ist damit auserzählt – aber ein weiterer Betroffener tritt zu Beginn der dritten Folge in den Fokus: Michael Bartel, dessen erwachsener Sohn Thomas ihn unvermittelt damit konfrontiert, Missbrauchserinnerungen aus frühester Kindheit wiedererlangt zu haben.
An dieser Stelle wird es seltsam,
erklärt Olga Herschel, die Hostin von „Geteiltes Leid“,
… denn viele Namen, die wir bei Leonies Geschichte gehört haben, begegnen uns auch hier wieder. Da ist zum Beispiel die Freikirche in Bonn, zu der Michael Bartel gehört. Es ist dieselbe, die Leonie unter ihre Fittiche nimmt. Die Traumatherapeutin, die Bartels Sohn geholfen hat, an die verschütteten Kindheitserinnerungen ranzukommen, ist die, die Leonie die starken Beruhigungsmittel verschreibt.
Und auch Eva Lauer-von Lüpke von der Emanuelstiftung ist dort aktiv.
Wirklich seltsam, das alles.
Interviews mit Eva Lauer-von Lüpke und der Psychotherapeutin Silke Birgitta Gahleitner verlaufen „unbefriedigend“, stellt Herschel schnell fest. Beide üben sich im „Schlagwortslalom“, Gahleitner ergeht sich darüber hinaus mal wieder in dem Standardvorwurf der „pauschalisierten Diskreditierung von Fachleuten oder den Betroffenen“.
Vom „UKE-Team“ in Hamburg wollte überhaupt niemand mit den Machern von „Geteiltes Leid“ reden – auch nicht der Psychiater Peer Briken, der im Mai so etwas wie Selbstkritik zeigte und den „respektvolle Austausch von Wissen, Erfahrungen und Perspektiven“ in Sachen Rituelle Gewalt-Mind Control anmahnte.
Jetzt hätte er dazu Gelegenheit gehabt – warum er sie nicht nutzt, bleibt sein Geheimnis.
Vielleicht weil er dann auch zu diesem Vorhalt von Olga Herschel und Sören Musyal hätte Stellung beziehen müssen:
Am Beispiel der UKE-Studien wird deutlich:
Irgendwie ist da bei der UKASK [Unabhängige Kommission zur Aufarbeitung sexuellen Kindesmissbrauchs] ein Kurzschluss in der Argumentationsleitung, eine Art gedanklicher Kreisverkehr. Denn der Forschungsauftrag [zu „Ritueller Gewalt“], der hat ein Problem: Die Menschen, die ihn vergeben haben, sind zum Teil diesselben, die die Forschung ausführen. Oder in wissenschaftlichen Begutachtungsverfahren darüber urteilen, ob die Studie nach wissenschaftlichen Standards ausgeführt wurde.
Tatsächlich wird Peer Briken als ehemaliges Mitglied der UKASK geführt – und zum Beispiel seine Studien „Organisierte und rituelle Gewalt in Deutschland“ (2018) oder „Was erschwert die Aufdeckung organisierter und ritueller Gewaltstrukturen?“ (2020) beziehungsweise ein ganzes „Forschungsprojekt“ des UKE (2017-2019) wurden von der UKASK gefördert/finanziert:
Im „Geteiltes Leid“-Podcast spricht der Rechtspsychologe Andreas Mokros von einem „Skandal, dass so etwas im 21. Jahrhundert publiziert wird“.
Es ist genau so, wie wir in der GWUP-Broschüre „Rituelle Gewalt und Mind Control – Elitenverschwörung oder Verschwörungstheorie?“ kritisieren: Die Auseinandersetzung und Begegnung mit der akademischen Fachwissenschaft (Psychologie, Psychiatrie, Kriminologie) außerhalb der eigenen Kreise wird in der Regel gemieden. Die sogenannte „Forschung“ betreiben RG-MC-Anhänger praktisch im Zirkelschluss, und zwar mittels Umfragen befreundeter Forscher unter selbst identifizierten (oft anonymen) Betroffenen und Therapeuten.
Herschel/Musyal formulieren das so:
Es sind immer die Gleichen, die Dinge erzählen, die längst, zum Teil seit Jahrzehnten, widerlegt sind.
Oder ausführlicher:
Natürlich gibt es organisierte Gewalt an Kindern, Menschenhandel und Ausbeutung. Was es aber nicht gibt: brutalste Folter und Morde, die unsichtbar im Untergrund passieren und an die die Opfer jahrzehntelang keine Erinnerungen haben, weil ihre Persönlichkeiten zersplittert und programmiert sind.
Das, was einige Medien und die UKASK-finanzierten Studien da verbreiten, ist ein jahrzehntealter Mythos. Ein Mythos, der verletzliche Menschen wie Leonie in Pseudotherapien manövriert, und einer, den die UKASK durch ihre Forschungsaufträge aktiv am Leben hält.
Dabei „geben die Forschungsergebnisse der letzten Jahrzehnte schon lange einer Partei recht“ – nämlich uns, den Skeptikern und Kritikern des RG-MC-Verschwörungsnarrativs.
In einem Spiegel-Interview vom 26. Oktober distanziert sich die Unabhängige Beauftragte für Fragen des sexuellen Kindesmissbrauchs (UBSKM), Kerstin Claus, von „Verschwörungstheorien um satanistische Kreise und von Mind Control“. Wann kommt das bei der UKASK an, die von Claus‘ Vorgänger Johannes-Wilhelm Röhrig einberufen wurde?
Wann werden neutrale Untersuchungen in diesem Bereich beauftragt, welche jene speziellen Traumatherapien in den Blick nehmen, die im Umfeld der RG-MC-Theorie propagiert und praktiziert werden – anstatt von „Elitenverschwörungen“ und ähnlichem zu phantasieren?
Wie lange noch müssen sich Staatsanwälte und Richter bei den Opfern von Falschbeschuldigungen entschuldigen (wie zuletzt in Braunschweig), anstatt hanebüchenen Schilderungen von „rituellem Missbrauch“ auch vor Gericht Einhalt zu gebieten?
Eine Hilfestellung dafür bietet die neue Fachpublikation
Praxishinweise zum Verhältnis von Psychotherapie und Glaubhaftigkeit im Strafverfahren
einer vom BMJ eingesetzten interdisziplinären Expertengruppe.
Darin heißt es unter anderem:
- Psychotherapeutische Interventionen, die auf das explizite Aufdecken von bis dahin nicht zugänglichen Erinnerungen an Traumata ausgerichtet sind – mit der Vermutung, die bestehende Symptomatik deute auf eine Traumatisierung hin – sind nicht Teil einer lege artis durchgeführten Psychotherapie.
- Anlass zur Vorsicht bei der Bewertung der Glaubhaftigkeit einer Aussage besteht insbesondere, wenn Zeuginnen und Zeugen im Rahmen von Schilderungen über ritualisierte sexualisierte Gewalt von einer „Programmierung“ oder zielgerichteter „Aufspaltung“ ihrer Persönlichkeit berichten, durch die Erinnerungen verzögert, vielleicht sogar erst im Rahmen einer Psychotherapie zugänglich wurden. Bislang gibt es keine valide wissenschaftliche oder kriminologische Evidenz für die Existenz solcher sogenannter Mind-Control-Techniken.
Am Ende des dritten Teils von „Geteiltes Leid“ kommt eine weitere Betroffene zu Wort, die über diese ganz spezielle „Bubble“ spricht – „ein System aus Psychotherapiepraxen, Krankenhäusern und Beratungsstellen“, um das es in der vierten und letzten Folge am nächsten Freitag (6. Dezember) gehen wird.
Zum Weiterlesen:
- „Die Frau spinnt“: Teil zwei von „Geteiltes Leid“, ein Podcast über die Verschwörungstheorie von der satanisch-rituellen Gewalt, GWUP-Blog am 22. November 2024
- „It’s always going to be relevant“: Die Verschwörungstheorie über rituelle Gewalt und Mind Control, GWUP-Blog am 14. November 2024
- Rituelle Gewalt-Mind Control: Die Autoren der Paradestudie räumen „Missverständnisse“ ein, GWUP-Blog am 26. Mai 2024
- Renommierte Experten nennen die „Satanic Panic“ unverhohlen eine Verschwörungstheorie, GWUP-Blog am 17. April 2024
- War alles gar nicht so gemeint: Renommierte Fachleute treten von der Satanic-Panic-Ideologie zurück – aber nur halbherzig, GWUP-Blog am 19. November 2023
- Ritueller Horror oder Justizirrtum? „Hanebüchenen Schilderungen auch mal Einhalt gebieten“, GWUP-Blog am 3. September 2024
- Vom Missbrauchsopfer zur Missbrauchsbeauftragten: Sie will nicht die Oberbetroffene sein, spiegel.de am 26. Oktober 2024
- „Ich habe gebetet dafür, dass die Wahrheit ans Licht kommt“, spiegel.de am 22. November 2024
- Berliner Psychotherapeuten totale Schwurbler? Dabei sollten Patienten hellhörig werden, berlin-live am 23. November 2024
- Praxishinweise zum Verhältnis von Psychotherapie und Glaubhaftigkeit im Strafverfahren, bmj am 19. November 2024