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Neuerscheinung: Natalie Grams über ihre Long Covid-Erkrankung

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Es war wie eine Blockade. Mein Körper ist wie gelähmt. Ich kriege Schmerzen, wenn ich zu viel mache. Eines meiner Kardinalsymptome ist PEM (Anm. der Red.: Post-Exertional Malaise), bei der man nach geringfügiger Anstrengung völlig erschöpft ist.

Normalerweise laufe ich zwischen acht- und zehntausend Schritte, auch bei zehn Stunden Arbeit am Tag. Laufen ist mein Ding, ich mache Yoga, gehe wandern. Jetzt komme ich nicht aus dem Bett, und bei jeder kleinen Anstrengung bekommt mein Körper überall Schmerzen. In den Fingern, in den Augen, im Kopf.

Als würde das Gehirn wehtun. Als wären die kleinen Blutgefäße alle blockiert.

So schilderte Dr. Natalie Grams in einem FAZ-Interview vom Februar ihre Long Covid-Erkrankung.

Aktuell schreibt sie:

Long COVID kann den Körper echt langfristig massiv runterziehen und schädigen. Bei mir ist der Zustand vor allem mit einer ausgeprägtem Belastungsintoleranz, POTS (dem posturalen Tachykardiesyndrom (das bedeutet, dass man in aufrechter Position einen deutlichen Anstieg der Herzfrequenz erlebt, weil der Kreislauf massiv instabil geworden ist), Fatigue, Muskelschwäche, Atemnot, schweren Schlafstörungen und Brainfog verbunden.

Ich muss ungefähr 80-90 Prozent des Tages liegen, kann draußen nur noch sehr kurze Strecken am Rollator gehen, sitzen geht fast gar nicht mehr, vor allem nicht länger, und tiny Belastungen wie ein paar Treppen werden zur krassen Herausforderung.

Bei mir hat sich daraus nach 6 Monaten ME/CFS entwickelt, was eine chronische Krankheit ist, für die es noch keine Heilung gibt. Allenfalls kann man symptomatisch behandeln.

Jetzt hat die Ärztin ein Buch darüber publiziert:

Dieses Buch lässt sich nicht so richtig in ein Genre pressen. Genau wie die Krankheit ME/CFS bricht es mit vielen Gewissheiten und Tabus. Es ist ein Erlebnis- und Gedankentagebuch, das Persönlichste, was ich je geschrieben habe.

Es enthält aber auch (hoffentlich!) den aktuellen wissenschaftlichen Kenntnisstand, es ist ein Sachbuch und im Hauptteil in kürzeren Snippets verfasst, damit es vor allem auch Betroffene gut lesen können, die keine langen Texte schaffen.

Hier geht es zur Bestellseite.

Update vom 30. August

Auch das ZDF Magazin Royale berichtet über das Thema (Mediathek und Youtube).

Zum Weiterlesen:

  • Long Covid: Staffelpause auf unbestimmte Zeit, detektor.fm am 15. Februar 2024
  • Ärztin mit Long Covid : „Das ist kein Psychokram“, faz+ am 24. Februar 2024
  • Von wegen heißer Tee und gut! Böhmermann thematisiert Long-Covid-Ignoranz, web.de am 31. August 2024

120 Kommentare

  1. Danke für dieses Buch über MECFS. Eine Krankheit, die so viele Leben zerstört und doch bislang viel zu wenig Beachtung findet zum Beispiel im Medizinstudium und in der Forschung.

  2. Hallo, als Betroffene möchte ich mich erstmal für die Arbeit der GWUP bedanken.

    ME/CFS wurde bisher nicht in den Lehrplänen behandelt, dementsprechend ist sie unter Medizinern wenig bekannt bzw. hart umstritten, da oft trotz gegenteiliger Erkenntnisse immer noch die Psychosomatik-Hypothese vertreten und in Folge dessen Patienten falsch behandelt werden, was leider auch zu dauerhafter Verschlechterung führen kann.

    Aus derselben Unkenntnis werden von Gutachtern Pflegegrade und Versicherungsleistungen verweigert, weil Krankheitsgewinn und Rentenbegehren unterstellt werden.

    In dieser Situation sind Betroffene auf sich selbst angewiesen, auch weil es bisher keine zugelassenen Medikamente oder Therapien gibt.

    „Mild“ Erkrankte sind in der Regel arbeitsunfähig, schwer Erkrankte bettlägerig, die härtesten Fälle müssen künstlich ernährt werden.

    In dieser Situation klammern sich manche Erkrankte an Geräte wie den Healy für 4.522 €, der das „bioenergetische Feld harmonisieren“ soll.

    Natürlich sind Aurachirurgie, Homöopathie und anderer Unfug regelmäßig Themen in den Selbsthilfeforen der ME/CFS-Kranken.

    Und an dieser Stelle bin ich immer wieder froh, wenn ich mit Hilfe der GWUP eine fundierte Argumentationshilfe habe.

  3. Das neue Buch von Natalie Grams (diktiert, nicht geschrieben, über Monate hinweg) richtet den Fokus zum einen auf eine der großen Versorgungslücken in unserem Gesundheits- und Sozialsystem und zum anderen auf eine schwere systemische, als unheilbar geltende Erkrankung, die noch vor nicht allzu langer Zeit unter dem Begriff „Fatigue“ in einem Spektrum von „Einbildung“ bis zum „Simulatenverdacht“ wahrgenommen – und mit viel Glück als Burnout diagnostiziert wurde.

    Wobei das mit dem Glück sehr relativ war. Im Buch erfährt man, dass und warum dies eine glatte Fehldiagnose war (und ist) und therapeutisch daraus schwere Fehler folgten.

    Prof. Dr. Carmen Scheibenbogen, die führende ME/CFS-Forscherin hierzulande, schreibt in ihrem Vorwort zum Buch, dass sie selbst noch 2007 mit der Krankheit konfrontiert worden sei, von der sie bislang gedacht hatte, es gebe sie gar nicht.

    Die Forschung zu ME/CFS, so kann man im Buch nachlesen, hinkt in Deutschland / Europa gut und gerne 40 Jahre zurück: ME/CFS ist schon 1969 in der International Classification of Diseases (ICD) als neuroimmunologische, also physiologisch zu erklärende Erkrankung eingestuft worden.

    In den Fokus rückte ME/CFS unter anderem durch die steigenden Inzidenzen, die sich nach der Pandemie durch eine Vielzahl von sich aus Long COVID entwickelnden Krankheitsfällen ergab.

    Und das Buch von Natalie Grams wiederum rückt die Konsequenzen für die Betroffenen ins Licht, die aus dem bisherigen „Vergessen“ dieser Krankheit und ihrer weit verbreiteten psychosomatischen Fehldeutung ergeben. Diese sind oft hochdramatisch – auch in ihrem eigenen Fall hat sich ihr Leben und ihre Perspektive für die Zukunft drastisch verändert.

    Das Buch verbindet die persönliche, teils sehr bewegende, aber auch manchmal augenzwinkernd daherkommende Geschichte von Dr. Grams mit den wissenschaftlichen Erkenntnissen und den gesundheitspolitischen Aspekten auf sehr gut lesbare Weise.

    Und wer sich für das Thema als solches trotz seiner Bedeutung nicht interessiert, dem hat Natalie Grams bereits auf Instagram einen guten Tipp gegeben: Das Buch lasse sich auch sehr gut als Horrorstory lesen.

    Alle Achtung für diese enorme Leistung von Natalie Grams, die der gleichen Motivation entspringt wie ihre langjährige Aufklärung über Pseudomedizin: dem Eintreten für eine bessere, patientenorientierte Medizin.

  4. Gute Besserung! Das möchte man wirklich nicht haben.

  5. Puhh, eine Nachricht zur Gesundheit von Natalie Grams, die mit unbekannt war. Und die mich betroffen macht, obwohl ich sie persönlich gar nicht kenne.

  6. Eine Arbeitskollegin leidet seit 8 Jahren an ME/CFS der leichten Variante, die sich nach einer schweren Infektionskrankheit ausgebildet hat.

    Was bedeutet, dass sie nicht bettlägerig ist und mit Unterstützung ihrer Eltern ein halbwegs normales Leben führen und sich um ihre Kinder kümmern kann. Denn tragischerweise hat die Krankheit ihre Ehe zerstört.

    Die Diagnose nach einer längeren Ärzteodyssee wurde übrigens an der Charité gestellt.

  7. PS: Ich weiß nicht, ob Nathalie Grams hier mitliest, aber ich wünsche ihr viel Kraft, Stärke und Unterstützung, um die Lebenssituation halbwegs in den Griff zu bekommen.

  8. „Die Forschung zu ME/CFS, so kann man im Buch nachlesen, hinkt in Deutschland / Europa gut und gerne 40 Jahre zurück: ME/CFS ist schon 1969 in der International Classification of Diseases (ICD) als neuroimmunologische, also physiologisch zu erklärende Erkrankung eingestuft worden.“ –

    Ich finde solche Formulierungen, wie soll ich sagen, verdächtig. Sie implizieren, dass man in Deutschland / Europa die Wahrheit ignoriert oder gar unterdrückt, jedenfalls ein anderes als ein wissenschaftliches Interesse hinter den Fachmeinungen steht, die sich mit der völligen Akzeptanz der Organo- oder Immunogenese der Krankheit/Störung schwer tun. Der Verweis auf die ICD ersetzt kein validiertes Kriterium. Das „PEM“ fällt jedenfalls durch, und von anerkannten, von verschiedenen Arbeitsgruppen reproduzierten Laborparametern, die auch nur in der Mehrzahl der Patienten gefunden werden, habe ich auch noch nichts gelesen.

  9. Im Spiegel ist ein Interview mit Natalie Grams erschienen.

    Als Ärztin kannte Natalie Grams ME/CFS schon vor der Pandemie. Berichte über die Krankheit erschütterten sie, ließen sie aber auch leicht zweifeln: Kann das stimmen? Heute leidet sie selbst an Long Covid – und kritisiert Ärzte.

    https://www.spiegel.de/gesundheit/diagnose/natalie-grams-ueber-long-covid-sind-nicht-alle-frauen-erschoepft-das-verkennt-krass-die-schwere-der-krankheit-a-21f58783-f7f1-4cd9-a2a9-67debded756a

  10. @ pelacani:

    Formulierungen, dass Deutschland international Jahre hinterher ist, zielen oft darauf ab, politisch Bewegung in eine Sache bringen. Vielleicht auch hier. Das macht sie natürlich in der Sache nicht richtiger.

    Falls nicht eh bekannt, vielleicht von Interesse, ein relativ neuer Sachstandsbericht des IQWIG:

    https://www.bundesgesundheitsministerium.de/service/publikationen/details/myalgische-enzephalomyelitis-chronic-fatigue-syndrome-me-cfs

    Fehlende Laborparameter bedeuten nicht unbedingt, dass da organisch nichts ist.

    Bei Depressionen beispielsweise sieht es damit auch nicht gut aus, aber ob Depressionen deswegen stets „nur“ psychogen sind? Ganz davon abgesehen, dass alles Leiden unabhängig von seiner Genese irgendwie organisch repräsentiert sein muss, böse Geister im Körper gibt es schließlich nicht.

  11. @Joseph,

    „Falls nicht eh bekannt,“ –

    Ja, ist bekannt.

    „ob Depressionen deswegen stets „nur“ psychogen sind?“ – ich denke, der Vergleich geht fehl. Niemand wird auf die Idee kommen, psychoreaktive Anteile bei Depressionen rundweg zu bestreiten.

    Was den klinischen Aspekt angeht: für Depression gibt es immerhin so etwas wie Kriterienlisten, einen Haufen validierter Fragebögen usw., aber das Kernsymptom des „ME/CFS“ (die „PEM“) ist so umstritten wie der Krankheitsname gehyped ist.

    Die Proponenten berufen sich auf den NICE-Bericht. Wir haben diesen Bericht nach einer praktisch brauchbaren Definition und nach dem Nachweis der Spezifität abgesucht, aber wir sind nicht fündig geworden.

    Vielleicht hast Du da mehr Glück, Joseph.

    Vgl. unseren Faden „MECFS ist keine erfundene Krankheit“
    https://forum.psiram.com/index.php?topic=18345.0
    insbesondere #2, #4, #23

  12. Interdisziplinäres, kollaboratives D-A-CH Konsensus-Statement zur Diagnostik und Behandlung von Myalgischer Enzephalomyelitis/Chronischem Fatigue-Syndrom

    https://link.springer.com/article/10.1007/s00508-024-02372-y

  13. @ pelacani:

    So fehl geht der Vergleich mit der Depression m.E. nicht. Auch wenn die Diagnostik klarer ist, also der Weg zur Diagnose: womit man es ätiologisch zu tun hat, ist trotzdem unklar.

    Mit einer guten Definition oder definierenden Symptomliste zu ME/CFS kann ich nicht dienen. Das IQWIG auch nicht:

    „Die Definition und Diagnose von ME/CFS ist aus verschiedenen Gründen schwierig. Dazu zählen die vielschichtige Symptomatik und das Fehlen eines etablierten Biomarkers.“

    Diese Schwierigkeiten übertragen sich naheliegenderweise auf den Umgang mit Menschen mit Symptomen, die manche als Ausdruck von ME/CFS sehen, andere anders verorten.

    Vielleicht hilft da irgendwann mal die KI?

  14. @Joseph

    „Vielleicht hilft da irgendwann mal die KI?“
    Das glaube ich nicht. Sie kann bekannte Informationen in eine gefällige grammatische Form bringen und mit sanften Floskeln aufhübschen, aber keine neuen Erkenntnisse erzeugen. Ihre sog. Halluzinationen sind dabei unausweichlich, denn die Software hat, vermute ich, keine innere Repräsentanz der Außenwelt und kann ihre „Meinung“ nicht kritisch an den Fakten prüfen. Sie kann kein Korrespondenzmodell der Wahrheit haben.

    @ Bernd Harder, erster Link:

    Der Einleitungssatz ist:
    „Myalgische Enzephalomyelitis/Chronisches Fatigue-Syndrom (ME/CFS) ist eine schwere, chronische Multisystemerkrankung, die je nach Ausprägung zu erheblichen körperlichen und kognitiven Einschränkungen, zum Verlust der Arbeitsfähigkeit bis hin zur Pflegebedürftigkeit einschließlich künstlicher Ernährung und in sehr schweren Fällen sogar zum Tod führen kann.“

    Welche Studien, die das belegen, werden angeführt?
    (Vgl #10 in unserem Faden)
    https://forum.psiram.com/index.php?topic=18345.msg275056#msg275056

    @ Bernd Harder, viele Links:

    Solche Listen lassen sich beliebig verlängern. Was not tut, sind aber nicht sich gegenseitig zitierende Leitlinien und empirische Forschung unter einem bestimmten Paradigma, die von gewissen Voraussetzungen ausgeht und Zirkelschlüssen unterliegt (wem dabei Gender Medicine einfällt, dem geht es wie mir), sondern Stellungnahmen zu den konkreten Kritikpunkten, z. B. den in #10 und #11 genannten.
    Wenn es schwer fällt, diese Kritikpunkte zu finden, kann ich sie gerne auch hier noch einmal anführen. Falls Stellungnahmen zu diesen Kritikpunkten in den Links zu finden sind, dann bitte ich um das entsprechende Zitat.

  15. @ Joseph

    „“So fehl geht der Vergleich mit der Depression m.E. nicht. Auch wenn die Diagnostik klarer ist, also der Weg zur Diagnose: womit man es ätiologisch zu tun hat, ist trotzdem unklar.““

    Das stimmt so nicht.
    Es werden seit Jahren genetische Faktoren, ja sogar genetischen Variationen (Genvarianten) diskutiert.

    Es ist auch seit langem hinreichend belegter Erkenntnisstand, dass Depressionen mit anderen psychischen Störungen assoziiert sind. Diese werden auch benannt. Und die Zusammenhänge in den einzelnen Disziplinen bzw auch interdisziplinär weiter erforscht.

    Ja, es gibt sogar Annahmen, dass es sich bei depressiven Störungen ähnlich wie bei Schizophrenie um dysfunktionale Nebenprodukte der Evolution handeln könnte, wobei bei Depressionen auch der Überlebens- bzw Selektionsvorteil diskutiert wird (u.a. Kontinuitätsmodell).

    Es gibt zahlreiche Hypothesen über Ursachen, die alle recht plausibel klingen und denen in der Gesamtheit eine gewisse Konsistenz innewohnt.
    Ich sehe auch, dass man heute beim Henne-Ei-Problem, bei dem ich vor ein paar Jahren sogar ein bisschen in der Erforschung mitgewirkt hatte, noch immer nicht weiter ist.

    Tja, mit der Widerspruchsfreiheit hapert es stark bei all diesen Fatigue-Phänomenen.
    Ich hoffe, es ist in Ordnung, hier eine skeptische Position einzunehmen. Natürlich bleiben wir immer erbegnisoffen ;)

    Ich werde mir das Buch von Natalie Grams besorgen, da ich neugierig bin, wie sie mit dem Thema insgesamt umgeht und wie sie einzelne Aspekte behandelt und betrachtet.

    Psychotheraphie scheint sie übrigens abzulehnen und es als Diffamierung zu betrachten, sowas überhaupt in Betracht zu ziehen.

    Auch die mehrfach öffentlich in großen Medien getätigte Aussage, die auch hier wiederholt wird:

    „Das ist kein Psychokram!“

    finde ich sehr problematisch.
    Aus mehrerer Hinsicht, aber hauptsächlich, weil das sehr abwertend klingt – ja man könnte fast die rote Diskriminierungskarte ziehen.

    Hier ist noch etwas Futter zu Kritik an der Grundlagenforschung zu Long- und Post-Covid:

    https://www.sciencemediacenter.de/alle-angebote/research-in-context/details/news/methodische-fallstricke-bei-long-covid-forschung/

    Ich hatte zuerst die verlinkte „Primärquelle“ gelesen, habe dazu jetzt aber auch diese darauf bezogene deutsche Stellungnahme(n) gefunden.

    Es sollte und müsste legitim sein, den Formenkreis dieser Fatigue-Erkrankungen aus allen Blickwinkeln zu betrachten.
    Und sich nicht auf ein „organisch, basta!“ von vornherein festzulegen.

    Ich bin ja neugierig, wie ergebnisoffen Natalie Grams die Forschung und Behandlungsoptionen in ihrem Buch sieht…..

    … und die bis heute nicht gefundenen Biomarker sind schon eine Hausnummer, bei einer Erkrankung, die durch Viren ausgelöst worden sein und einen immunologischen Hintergrund haben soll.
    Dass man sie für ziemlich relevant hält, ist auch an der Forschungsintensität an diesem Kriterium/Laborparameter erkennbar.

  16. @Bernd Harder
    Unkommentierte Linklisten haben Nachteile. Irgendwie zweifelhafte Aussagen wird es immer geben, und die Geier werden sich auf sie stürzen. Beispiele.

    Nehmen wir den ersten Link,
    https://www.mecfs.de/richtlinie-des-g-ba-zu-long-covid/
    Darin heißt es nach der Hälfte:
    „Kritische Anmerkungen. Unverständlich bleibt, weshalb ME/CFS nicht in den Titel der Richtlinie aufgenommen wurde.“
    Daran ist überhaupt nicht Unverständliches. Erst wenn man an dieser Stelle ist, dann stellt man fest, dass der vorangehende Text nicht der Originaltext der G-BA-Richtlinie ist, sondern der einer Interessengruppe, die ein akzentuierendes und kritisierendes Referat abliefert. Klartext: der Link ist irreführend, weil er sich den Mantel einer Autorität umhängt, die er nicht hat.

    Oder nehmen wir den letzten Link, den zur Gelben Liste. Die Liste der pathophysiologischen Auffälligkeiten lässt stark an die „Vegetative Dystonie“ denken. Das ist eine Diagnose, die die klinisch-internistische Forschung bis vor einigen Jahrzehnten endlos beschäftigt hat, aber heute nicht mehr gestellt wird. Ich vermute, dass die Durchführenden der Studie den Begriff der vegetativen Dystonie nicht kennen und von dem der Neurasthenie oder dem der larvierten Depression allenfalls mal gehört haben. Jede Generation von Forschern ist verurteilt, die Fehler früherer zu wiederholen.

  17. @Zimtspinne:

    Psychotheraphie scheint sie übrigens abzulehnen und es als Diffamierung zu betrachten, sowas überhaupt in Betracht zu ziehen.

    Das ist falsch.

    Im Buch wird sogar ein Auszug aus dem Therapieprotokoll wiedergegeben:

    Als Psychotherapeutin sehe ich bei Frau Dr. Grams keinerlei Hinweise die die Annahme einer psychischen (Mit-) Verursachung ihrer massiven körperlichen Beschwerden etwa im Sinne einer Somatisierungsstörung oder einer Depression begründen könnten. Dass sie sich dennoch für Aufnahme einer Psychotherapie entschieden hatte, steht dazu keineswegs im Widerspruch: ihre chronische Erkrankung ist mit schwersten Einschränkungen verbunden, die einen weitgehenden Verzicht auf eine altersentsprechende Lebensgestaltung und die Zurücknahme ganz normaler Lebensprojekte/-ziele erforderlich machen die täglichen Anforderungen im Umgang mit ihrer Erkrankung sind enorm und äußerst belastend.

  18. @pelacani:

    Welche Studien, die das belegen, werden angeführt?

    Im zweiten Link

    https://link.springer.com/article/10.1007/s00508-024-02372-y

    werden drei Quellen für diesen Satz angeführt.

  19. @ pelacani:

    Bei KI geht es ja nicht nur um Large Language Models wie ChatGPT, ich dachte eher an mustererkennende Tools, wie sie in der Medizin schon eingesetzt werden.

    @ zimtspinne:

    „Diskutiert“ wird bei Depressionen vieles, von der Serotoninhypothese bis zur Genetik. Dass die Genetik irgendwie beiträgt, ist mehr oder weniger Konsens.

    Das hilft aber, wenn sich jemand mit konkreten Symptomen beim Arzt vorstellt, gar nichts, zumindest bisher. Die mutmaßlich beteiligten Gene wurden z.B. mit genomweiten Assoziationsstudien an sehr großen Stichproben ausfindig gemacht.

    Wenn Gene identifiziert werden, die statistisch mit Depressionen zusammenhängen, bedeutet das auch nicht, dass damit die Pathogenese aufgeklärt wäre, erst recht nicht, dass diese Gene Depressionen „verursachen“.

    Die Aussage von Natalie Grams „Das ist kein Psychokram“ ist sicher etwas salopp, aber sie will damit sicher nicht eine Ablehnung von Psychotherapie an sich zum Ausdruck bringen. Ob Psychotherapie in ihrem konkreten Fall ursächlich (!) hilft, ist wieder eine andere Frage.

    Ich verstehe Grams‘ Aussage so, dass sie sich dagegen verwehrt, solche Beschwerden einfach als „eingebildet“ abzutun und den Betroffenen nahezulegen, sich nicht so anzustellen. Siehe dazu auch

    https://scienceblogs.de/gesundheits-check/2019/01/20/stell-dich-nicht-so-an-das-problem-mit-den-psychischen-problemen/

    Und was die Zulässigkeit eines Rückschlusses vom Fehlen von Biomarkern auf eine ursächliche Rolle von Infektionen bei anhaltenden postinfektiösen Beschwerden angeht, empfehle ich, mal zum Thema PANDAS nachzulesen.

  20. @Joseph Kuhn:

    Ich verstehe Grams‘ Aussage so, dass sie sich dagegen verwehrt, solche Beschwerden einfach als „eingebildet“ abzutun und den Betroffenen nahezulegen, sich nicht so anzustellen.

    So ist es.

    Ich weiß, dass das unwissenschaftlich ist, aber seit ich erstmals mit ME/CFS konfrontiert worden bin (das war in den 1990ern), hat sich ein simpler Satz immer wieder bewahrheitet:

    „Depressive können alles, wollen aber nicht. CFS-Kranke wollen alles, können aber nicht.“

    Im Kern geht es darum auch in dem Buch von Frau Grams. Das, was da geschildert wird, hat nicht im Entferntesten irgendwas mit Depressionen oder Psychosomatik zu tun.

  21. @Bernd Harder
    „drei Quellen für diesen Satz“

    Ich hatte nach Studien gefragt, aber angeführt werden 3 Reviews/Statements. Die Suche ist dann ein bisschen wie die nach dem Urtext der Bibel; es gilt, sich durch sich überlagernde Textschichten zu quälen. Gut, versuchen wir’s. Ich habe die 3 Quellen nach „death“, „dead“ und „mortal*“ abgesucht. In [2] (NICE-Guidelines) und in [3] (U.S. ME/CFS Clinician Coalition) kommen diese Wörter nicht vor.

    In [1] (Nacul et al) wird erwähnt „, there has been a small number of studies reviewing mortality among people with ME/CFS. These are consistent in demonstrating increases in mortality from suicide, in the UK [8] and in the US [9,10]. One American study demonstrated increased cardiovascular and cancer mortality [11], but this has not been confirmed by other studies.“

    Nehmen wir daraus wieder „UK [8]“, dann heißt es da: „We did not note increased all-cause mortality in people with chronic fatigue syndrome, but our findings show a substantial increase in mortality from suicide“; etwas, das nicht unerwartet sein wird, weil es für Depression zweifellos ähnlich ist.
    Aber als Beleg für die Aussage, „eine schwere, chronische Multisystemerkrankung, die … in sehr schweren Fällen sogar zum Tod führen kann“ hätte man etwas anderes erwartet.

    Es gibt ihn nicht, den Urtext der Bibel.

  22. @pelacani:

    die … in sehr schweren Fällen sogar zum Tod führen kann

    Wenn man darunter auch Suizid fasst, gibt es hier einige Hinweise:

    https://pubmed.ncbi.nlm.nih.gov/38434357/

  23. „hat sich ein simpler Satz immer wieder bewahrheitet: „Depressive können alles, wollen aber nicht. CFS-Kranke wollen alles, können aber nicht.“

    Klingt überzeugend, ist es aber nicht, weil es erstens auch für schwer Depressive falsch ist und zweitens, weil es an einen alten Witz denken lässt. Im Religionsunterricht wird Exodus Kapitel 2, Moses im Schilfrohr, erläutert. „… denn sie [die Tochter des Pharao] sprach: Ich habe ihn aus dem Wasser gezogen“ (Ex 2, 10). Die kleine Rebecca erwidert nach ein bisschen Überlegen: „Sagt sie!“ ;-) .

  24. @Joseph Kuhn
    „mustererkennende Tools, wie sie in der Medizin schon eingesetzt werden“
    Das Problem ist nicht so sehr die Mustererkennung, sondern die Validierung der Ergebnisse.

    @Bernd Harder
    „hier einige Hinweise“
    Ich sehe nicht, dass das der Beleg für „eine schwere Systemkrankheit, … die zum Tode führt“ sein kann. Noch einmal: eine erhöhte Suizidalität ist komplett plausibel, beweist aber nichts für die organische Genese der Erkrankung, die auch ein Bernd Harder apodiktisch behauptet („hat nicht im Entferntesten irgendwas mit Depressionen oder Psychosomatik zu tun“). Im Übrigen handelt es sich nicht um eine vergleichende Untersuchung, wie sie von Berlit gefordert wird (Link bei Zimtspinne oben):
    „Die unzureichenden Kontrollgruppen in vielen Untersuchungen haben sicherlich dazu beitragen, dass das Krankheitsrisiko heute überschätzt wird.“

  25. @pelacani:

    … die organische Genese der Erkrankung, die auch ein Bernd Harder apodiktisch behauptet.

    Ich beziehe mich auf das, was Frau Grams beschreibt – nicht mehr, nicht weniger.

  26. Jedenfalls ist ihr baldige Genesung zu wünschen.

  27. @pelacani:

    Dem schließen wir uns alle gerne an.

  28. @palacani scheint die Sichtweise zu vertreten, dass ME/CFS ein psychisches oder psychosomatisches Problem wäre.

    Genau diese Annahme führt dazu, dass Betroffene falsch oder gar nicht behandelt werden.

    Passend dazu heute in der FAZ:

    https://www.faz.net/aktuell/wissen/medizin-ernaehrung/long-covid-patienten-werden-mangelhaft-versorgt-und-stigmatisiert-19901761.html

    Als Altfall überrascht mich gar nichts an diesem Artikel.

    Das wirklich gemeine an ME/CFS ist, dass PEM zu dauerhafter Gesundheitsverschlechterung führen kann. Während Depressiven Aktivierungstherapie helfen kann, kann es den ME/CFS-Kranken im Extremfall tatsächlich in den Rollstuhl oder in die Bettlägerigkeit bringen.

    Frau Grams wird solche Fälle sicherlich auch im Buch beschreiben.

    Den einen Biomarker, der zweifelsfrei immer und für alle gilt, gibt es bei einer Multisystemerkrankung logischerweise nicht.

    ME/CFS hat viele Auslöser, dementsprechend gibt es viele versch. Krankheitszeichen. Fatigue und Brainfog sind nur die beiden häufigsten. Aber viele spezifische Beschwerden lassen sich nachweisen, z. B. durch Muskelbiopsie, Schellong-Test, best. Antikörper u. a.

    Was alle Betroffenen gemeinsam haben ist die Post Exertional Malaise PEM oder Post-Exertional Neuroimmune Exhaustion PENE, also die Verschlechterung nach Belastung. Ohne PEM kein ME/CFS.

    Unter #PEMistnichtverhandelbar lassen sich unzählige Beispiele finden, in denen auch positive (!) Erlebnisse zur PEM geführt haben.

    Dass bei Depressionen die gleichen positiven Erlebnisse ebenfalls zur Krankheitsverschlimmerung führen könnten, wird wohl kaum jemand annehmen.
    Hier lässt sich also ME/CFS klar von Depressionen abgrenzen.

    Wie Herr Harder bereits beschrieben hat, fehlt es den ME/CFS-Kranken nicht an Antrieb. Dementsprechend kann man ME/CFS- und Depressionskranke auch mit der einfachen Frage „was haben Sie gegen Ihre Beschwerden bereits unternommen“ rel. gut unterscheiden.

    Die ME/CFS-Leute können hier oftmals eine ganze Liste aufzählen: NEM, Sport, Psychotherapie, Gedächtnistraining, kognitives Training, Nahrungsumstellung, Medikamente, Allergietests, Ausschluss anderer Krankheiten uvm, und leider testet man auch irgendwann Hokus Pokus.

    Leider wird ärztlicherseits ME/CFS oftmals mit Depression verwechselt: Die Kranken werden falsch behandelt. Gutachter negieren die Erkrankung, unterstellen Krankheitsgewinn oder Rentenbegehren mit der Folge, dass zur Fehlbehandlung auch noch die Versicherungsleistungen vorenthalten werden.

    Ich hatte Glück. Mein Auslöser war eine Gehirnblutung.

    Und nicht so etwas schwer nachzuweisendes wie eine länger zurückliegende Virusinfektion.

    Ich kann Ihnen bestätigen, damit wird man im Gesundheitssystem wirklich ganz anders behandelt.

    Denn die Erfahrungen, die fast alle ME/CFS-Betroffenen machen, machte ich erst, als ich nicht hinnehmen wollte, dass Fatigue, Muskel- und Nervenschmerzen, Schwindel, Gedächtnisprobleme und kognitive Beschwerden nicht „verbesserungsfähig“ sein sollten.

    Nachdem G93.3 gesichert war, passierte etwas wirklich merkwürdiges: Aus meiner irreversiblen Gehirnschädigung wurde plötzlich eine behandelbare Krankheit:

    Gegen Gedächtnisprobleme, kognitive Einschränkungen, sogar gegen Schwindel und Muskelschwäche hilft mir schnödes Ritalin.

    Ein Antidepressivum, auf das meine Ärztin Jahre vorher bestand, hatte übrigens keinerlei Wirkung.

    Um es klar zu sagen:

    Ein Medikament, welches spottbillig ist und Grundschülern mit allergrößter Selbstverständlichkeit verschrieben wird, wird Schwerkranken vorenthalten, weil ME/CFS nicht jedem behandelnden Mediziner bekannt ist. Weil ME/CFS angeblich ein psychosomatisches Problem ist. Weil „wir alle mal ein bisschen müde sind“. Weil es erst seit kurzem überhaupt Leitlinien gibt.

    Auf die Off-Label-Medikamentenliste, die bereits Anfang 2024 vorliegen sollte, wird übrigens immer noch gewartet.

    Natürlich wird Ritalin nicht jedem ME/CFSler helfen. Das sollte nur ein Beispiel sein, dass der Fehler im System liegt. Und dass ME/CFS prinzipiell behandelbar wäre.

    Das sind jetzt natürlich auch nur meine Erfahrungen gewesen. Aber vieles davon können andere Betroffene Ihnen bestätigen. Ich wette, einiges davon deckt sich mit dem, was Frau Grams in ihrem Buch beschreibt.

    @palacani, wenn Sie verlässliche Aussagen von anderen Medizinern wollen, möchte ich Sie auf zwei Veranstaltungen mit namenhaften Medizinern hinweisen:

    Die Fachtagung des Fatigatio. e. V. in Fulda am 14.09.24:

    https://www.fatigatio.de/wir-fuer-sie/tagungen-/-workshops/me/cfs-ft-2024

    Die Online-Konferenz Unite-to-fight, welche von Betroffenen anlässlich eines weiteren Suizids organisiert wurde. Mit 17 CME-Punkten!

    https://unitetofight2024.world/

    https://taz.de/Long-Covid/!6007816/

    Zum Thesenstreit „organisch/nicht-organisch“ möchte ich abschließend darauf hinweisen, dass es nach wie vor KEINEN Nachweis gibt, dass es sich um eine psychische bzw. psychosomatische Krankheit handelt.

    Die PACE-Studie wurde bereits als methodisch absolut mangelhaft auseinander genommen und dient heute als Negativbeispiel.

    Übrigens wehren sich Psychologen inzwischen, dass ihnen immer wieder Patienten überwiesen werden, denen sie dann doch nicht helfen können. Bettina und Tillmann Grande möchte ich hier beispielhaft nennen, sowie Prof. Georg Schomerus.

    MfG
    Eine Betroffene, die sieben Jahre bis zur korrekten Diagnose gebraucht hat.

  29. „@palacani scheint die Sichtweise zu vertreten, dass ME/CFS ein psychisches oder psychosomatisches Problem wäre.“

    – Nur implizit, und ganz sicher bin ich damit nicht. Ich kann mich dabei nicht auf empirische Studien, sondern nur auf – allerdings zahlreiche – Analogien und instruktive Parallelen in der Medizingeschichte stützen. Das ist sicher nicht der Vollbeweis.

    Explizit vertrete ich die Sichtweise, dass das „Krankheitskonzept“ derart eklatante Widersprüchlichkeiten und Übertreibungen aufweist, dass man außermedizinische Triebkräfte dahinter vermuten muss. In unserem Faden (man sehe mir meine Penetranz nach)

    https://forum.psiram.com/index.php?topic=18345.0

    sind einige davon aufgezählt. Der [generisches Masculinum] Protagonist des „MECFS“, der die Diskussion angestoßen hat (sicher ein Arzt), hat uns entweder als unbelehrbar aufgegeben oder ihm ist dazu nichts eingefallen.

    „Passend dazu heute in der FAZ:“

    Es handelt sich um eine Befragung, die „264 ‚inhaltlich repräsentative‘ Berichte“ ermittelt. Die Art und Weise der Erhebung ist weder vergleichend noch weiß man, wofür sie repräsentativ ist, und sie ist auch noch nicht publiziert. Auf völlig die gleiche Weise kann man unendlich viele Impfschäden diagnostizieren.

    „Unter #PEMistnichtverhandelbar lassen sich unzählige Beispiele finden“

    Es sind 36.

    „Dementsprechend kann man ME/CFS- und Depressionskranke auch mit der einfachen Frage „was haben Sie gegen Ihre Beschwerden bereits unternommen“ rel. gut unterscheiden“

    Nein, das kann man nicht. Selbstverständlich können auch Depressive aufzählen, was sie schon unternommen haben.

    „@palacani, wenn Sie verlässliche Aussagen von anderen Medizinern wollen“

    Dann lese ich peer reviewed Journals, und selbst da denke ich mir noch meinen Teil.

    „Übrigens wehren sich Psychologen inzwischen, dass ihnen immer wieder Patienten überwiesen werden, denen sie dann doch nicht helfen können.“

    Es fällt leicht, sich Hypothesen dazu zu überlegen. Eine Psychotherapie ist im Gegensatz zur Pharmakotherapie an die innere Bereitschaft des Patienten gebunden, sich zu ändern. Wer komplett davon überzeugt ist, rein körperlich krank zu sein, sieht keinen Grund dafür. Er ist ok, nur eben sein Körper (oder die Umwelt, die Ärzte – s. den FAZ-Artikel – oder sonstwer) nicht.

    Daran wird jeder Psychotherapeut scheitern, genauso wie jede Physiotherapie an der Überzeugung, ein „PEM“ zu haben.

  30. @ Pelacani:

    ME/CFS und Psychotherapie:

    Bei der Frage nach dem Sinn kommt es (ein Stück weit unabhängig davon, ob man es für eine somatische, psychosomatische oder psychische Krankheit hält) auf die spezifischen patientenrelevanten Endpunkte an, siehe dazu auch im IQWIG-Bericht.

    ME/CFS und Mortalität:

    Mal schnell in Pubmed geschaut, es gibt Artikel, die nicht auf Suizidalität abheben, siehe z.B.

    https://pubmed.ncbi.nlm.nih.gov/20010505/

    https://pubmed.ncbi.nlm.nih.gov/20038921/

    Beides ältere Artikel, vielleicht nicht mehr up to date. Ich habe aber nicht systematisch gesucht, evtl. gibt es auch Neueres.

  31. Noch ein Nachtrag:

    Es gibt einige Fälle in der Medizingeschichte, die lehren, nicht voreilig zwischen somatisch und psychisch differenzieren zu wollen.

    Einer, der mir in meiner beruflichen Anfangszeit selbst noch begegnet ist, ist die „Malerkrankheit“ – so nannte man damals Befindlichkeitsstörungen z.B. bei Malern, die viel mit Lösemitteln zu tun hatten.

    Vor 30 Jahren wurde das von prominenten Arbeitsmedizinern (männlich) in Deutschland als psychische Reaktion einsortiert und damit die Diskussion um eine eventuelle Berufskrankheit abgewürgt, bis der neurotoxische Hintergrund der „Malerkrankheit“ auch in Deutschland nicht mehr zu bestreiten war.

  32. @Joseph Kuhn

    Ich verstehe ehrlich gesagt nicht, warum du mir eine biochemische Hypothese von 2009 anbietest, die einen Befund von 2006 erklären will, welcher im Review von 2021 durchgefallen ist, s. o. bei den „3 Quellen“. Außerdem ist Coenzyme Q eine Lösung auf der Suche nach ihrem Problem.

    Die Sterblichkeit unter Ausschluss der Suizidalität hat eine grundsätzliche Schwierigkeit definitorischer Art, wie wie sie in #4 angesprochen und in #8 in einer Art Gish-Galopp beantwortet wird. Mehr Details bei Roberts et al, v. a. im Einleitungsteil.

    http://dx.doi.org/10.1016/S0140-6736(15)01223-4

    Ich wäre dir also verbunden, wenn du nicht allein einen Beleg herbeischaffst, sondern auch noch die These aufstellst, die von ihm eigentlich gestützt werden soll.

    Und was die Psychotherapie im IQWiG-Bericht angeht, der ist wohl genau gelesen eher auf meiner Seite. ;-)

  33. Lest einfach das Buch.

    ME/CFS wurde schon 1969 (!) in die damalige ICD-Fassung als neuroimmunologische Erkrankung aufgenommen – und steht auch heute noch so drin.

    Im (psychiatrischen) Diagnose-Manual DSM-5 ist ME/CFS als Ursache und Auslöser psychischer Erkrankungen wie Depression angesprochen, aber nicht als eigenständige psychische oder psychisch bedingte Erkrankung.

    Was eine „Psychosomatisierung“ von ME/CFS im Laufe der Zeit an Unheil angerichtet hat und immer noch anrichtet, daran darf ich gar nicht denken. Dass psychotherapeutische Unterstützung von schwer belasteten Erkrankten legitim und notwendig ist und die These einer psychosomatischen Basis von ME/CFS daher NICHT unterstützt, sollte klar sein.

    „Die Forschung zu ME/CFS hinkt in Deutschland (und Europa) um 40 Jahre hinterher“. So Prof. Dr. Carmen Scheibenbogen, die ein bemerkenswertes Vorwort zum Buch von Dr. Grams verfasst hat.

    Das Mortalitätsrisiko spricht Dr. Grams im Buch „nur“ im Zusammenhang mit Suizidalität an, was erschreckend genug ist.

  34. „Es gibt einige Fälle in der Medizingeschichte, die lehren, nicht voreilig zwischen somatisch und psychisch differenzieren zu wollen. „

    In der Praxis ist es genau umgekehrt. Weil solche Fälle der Alptraum eines jeden Allgemeinmediziners sind, wird im Regelfall endlos somatische Diagnostik betrieben und das im Kern psychische Problem letztlich organisch verfestigt, vgl. #11.

    Das hat mehrere Gründe. Niemand möchte seinem Patienten Unrecht tun. Einen Herzinfarkt zu übersehen ist deutlich bedrückender als einen Flitz zu übersehen, und da wird man Dinge tun, von denen man eigentlich weiß, dass sie sinnlos sind (Defensivmedizin). 99% der Bevölkerung und 98% der Ärzte unterscheiden nicht zwischen Psychiatrie, Neurologie und Psychotherapie, was nicht für eine intime Kenntnis der Fachgebiete spricht. Die Medizin schafft Fehlanreize (ich würde z. B. Stilllegungsprämien für Herzkatheterlabore zahlen) usw. usf.

    Und wenn es für die Malerkrankheit keine ausreichenden wissenschaftlich akzeptablen Nachweise gegeben hat, dann war es korrekt, sie (vorläufig) als psychisch bedingt aufzufassen. Der Klassiker dazu ist das Magengeschwür, einst eine der sieben Säulen der Psychosomatik, heute eine mit Antibiotika zu heilende Krankheit. Das ist der Lauf der Welt.

  35. @ pelacani:

    Sterblichkeit:

    Die These zu den beiden Artikel war, dass es Literatur zu nichtsuizidalen Risiken für eine erhöhte Sterblichkeit gibt. Dass die beiden Artikel schon älter sind und ich nicht systematisch gesucht habe, hatte ich ja dazu geschrieben.

    Ergo: Sofern sie fachlich überholt sind – ich habe keinen Überblick über die Literatur oder den Forschungsstand -, forget it.

    Psychotherapie:

    Da ich nicht weiß, was „deine Seite“ ist, weiß ich auch nicht, ob das IQWIG auf deiner Seite ist. Wenn dem so ist, umso besser.

    Ich vertrete keine Seite, mir ging es nur darum, dass man bei der Frage nach der Wirksamkeit von Psychotherapie bei ME/CFS unterschiedliche Endpunkte in Betracht ziehen sollte, wie es das IQWIG z.B. in den Tabellen 5 und 6 für die kognitive Verhaltenstherapie getan hat.

    #4 und #8:

    Worauf bezieht sich das? Auf die Kommentare hier erkennbar nicht.

  36. @Udo Endruscheit:

    Das Mortalitätsrisiko spricht Dr. Grams im Buch „nur“ im Zusammenhang mit Suizidalität an, was erschreckend genug ist.

    In einem Nebensatz geht es noch um „Komplikationen durch ME/CFS (z. B. Infektionen, Medikamentenunverträglichkeit, Organversagen (v. a. Nierenversagen, Atemschwäche (Ateminsuffizienz)).“

  37. #4 und #8:
    Worauf bezieht sich das? Auf die Kommentare hier erkennbar nicht.

    Das bezieht sich auf den Faden im Psiram-Forum,

    https://forum.psiram.com/index.php?topic=18345.0

    den ich der geschätzten Öffentlichkeit jetzt zum 3. Mal unterbreite. Ich verlinke nicht jeden Post, weil es a) die Lesbarkeit beeinträchtigt, b) vielleicht ein Spam-Limit aktiviert und c) mir die Syntax der Kommentare nicht klar ist (es scheint sich um ein abgespecktes HTML zu handeln).

    „ME/CFS wurde schon 1969 (!) in die damalige ICD-Fassung als neuroimmunologische Erkrankung aufgenommen – und steht auch heute noch so drin.“

    „Das ist alles schon so alt, dass es aussieht wie eine leibhaftige Wahrheit“ (Johannes Bobrowski)

    Vgl. #13, den ich hier, der eben aufgestellten Regel zum Trotz, noch extra verlinke:
    https://forum.psiram.com/index.php?topic=18345.msg275269#msg275269

    „Lest einfach das Buch.“
    Da hast Du mir etwas voraus, zweifellos. Lies einfach den Faden und zitiere aus dem Buch, wo auf die dort geäußerte Kritik geantwortet wird. Ich will offen sein: ich vermute, ich werde die Antworten nicht finden, z. B. auf die Frage, warum etwas mit dem furchtgebietenden Namen „muskelschmerzhafte Entzündung des Gehirns und des Rückenmarks“ bezeichnet wird, wenn seit Jahrzehnten jeder Nachweis einer Hirnentzündung (klinisch, Liquor, Bildgebung) misslungen ist.
    Vgl noch #4, :gaehn:

    In einem Nebensatz geht es noch um „Komplikationen durch ME/CFS (z. B. Infektionen, Medikamentenunverträglichkeit, Organversagen (v. a. Nierenversagen, Atemschwäche (Ateminsuffizienz)).“

    Wenn ich mich konsequent körperlich nicht belaste, dann wird der Atem schwächer, einleuchtend. Doch das ist keine Folge der „Erkrankung“, sondern eine Folge der fehlenden Belastung, unabhängig von deren Ursache. Das sind keine „Komplikationen von ME/CFS“, sondern per definitionem andere Erkrankungen. Solange das als „Komplikation“ nicht mit wissenschaftlicher Literatur unterlegt ist, handelt es sich um „Erfahrungen“, mit andern Worten Schaumschlägerei für die Öffentlichkeit, Einwerbung von Aufmerksamkeit. Andere könnten andere Erfahrungen haben (vgl. #11, Mitte), z. B.:

    „Ich habe schon Stellungnahmen einer universitären Spezialambulanz für Post-Covid gesehen, die den einfachsten Regeln einer good clinical practice ins Gesicht geschlagen haben (exzessive Labordiagnostik, völlig vage Begründungen, aber nicht die simpelsten Fakten aus der Vorgeschichte des Patienten eruiert).“ (#14)

  38. @pelacani:

    Wenn ich mich konsequent körperlich nicht belaste, dann wird der Atem schwächer, einleuchtend.

    Sorry, aber das kommt mir jetzt auch laienhaft bisschen zu einfach vor.

    Also Sie gehen davon aus, ich (oder andere – auch Frau Grams war sehr sportlich) könnten nicht unterscheiden, ob eine Atemschwäche von einer monatelangen Trainingspause (was halt manchmal so ist) herrührt – oder von etwas anderem?

    In dem Buch heißt es zu diesem Punkt:

    In der Spirometrie (Lungenfunktionstestung) zeigt sich dann zunächst auch eine krasse Einschränkung der „Vitalkapazität“ („vital capacity“, VC) meiner Lunge. In der Spirometrie bezieht sich die VC auf das maximale Luftvolumen, das nach einer maximalen Einatmung wieder ausgeatmet werden kann. Eine Restriktion mit 46 Prozent VC deutete zunächst darauf hin, dass meine Vitalkapazität nur 46 Prozent des normalen oder erwartbaren Wertes beträgt.

    Erst eine Bodyplethysmographie (eine spezielle Kammer, mit der weitere Funktionen der Lunge besser beurteilt werden können) gibt mir die Erklärung: In der Messung der Atemarbeitsleistung wird festgestellt, dass ich viel mehr Kraft als üblich aufbringen muss, um ganz normal in Ruhe zu atmen. Wenn ich mich richtig erinnere, sagte mir der Lungenfacharzt, dass ich sechsmal mehr Anstrengung für die Atmung in Ruhe aufbringen muss als eine gesunde Person meines Alters. Ich habe also einfach nicht die (Muskel-)Kraft, um zu atmen.

    Befund der Long-COVID-Ärztin:

    Lungenfunktion: Restriktion mit 46% VC, FEV1 normal mit 89%, Tiffenau Index normal mit 102%.

    Auszug aus dem Befund des Lungenfacharztes:

    Lungenfunktionell zeigen sich keine Auffälligkeiten, insbesondere keine restriktive Ventilationsstörungen, welche spirometrisch vermutet werden konnten. Im bereits erfolgten CT-Thorax zeigten sich lediglich geringe orthostatische Verdichtungen, somit ergibt sich kein Anhalt auf eine interstitielle Lungenerkrankung (Fibrose). In der ergänzenden Atemmuskelkraftmessung lässt sich bei sehr guter Mitarbeit eine erheblich reduzierte Atemmuskelkraft bei erhöhter Last nachweisen. Die Befunde passen typisch zu dem vorliegenden, ausgeprägten Post-Covid-Syndrom.

  39. @Bernd Harder

    Bei Frau G. handelt es sich um eine Kasuistik, eine anekdotische Evidenz.

    Also Sie gehen davon aus, ich (oder andere – auch Frau Grams war sehr sportlich) könnten nicht unterscheiden, ob eine Atemschwäche von einer monatelangen Trainingspause (was halt manchmal so ist) herrührt – oder von etwas anderem?

    Ich bin kein Pulmologe, aber ich habe in der Tat vorab Zweifel. Sie stützen sich z. B. auf die Ergebnisse der psychologischen Hirnleistungsdiagnostik, die ebenso keine spezifisch organische Genese sichern kann. Überzeugen würden mich wissenschaftliche Arbeiten, die diese Unterscheidung sicher ermöglichen.

    Was sind die Parameter, die eine motivationsabhängige oder inaktivitätsbedingte Minderung der Muskelkraft sicher von einer anderswie organisch bedingten unterscheiden? Im Regelfall wird das der Nachweis dieser anderen Erkrankung sein, die zu einer Schwäche der rumpfnahen Muskulatur führt, z. B. einer critical-illness-Neuropathie oder eines Guillain-Barre-Syndroms. Was sagt die wissenschaftliche Literatur dazu?

    Berlit referiert:

    „Wenn wir uns wirklich gut gemachte Studien anschauen, in denen COVID-19-Patienten mit Patienten verglichen werden, die ähnlich schwer an anderen Atemwegsinfektionen erkrankt waren, sieht man, dass es für langanhaltende Symptome bei COVID-19 kaum eine erhöhte Frequenz gibt. Die häufig bei Long COVID beschriebenen Symptome sind meist überhaupt nicht COVID-19-spezifisch.“

    https://www.sciencemediacenter.de/alle-angebote/research-in-context/details/news/methodische-fallstricke-bei-long-covid-forschung/
    (Thanks to Zimtspinne; der Link ist aus ihrem Post, s. o.).

  40. Noch ein Nachtrag: der Befundbericht des Pulmologen unterstellt, Zitat, „bei sehr guter Mitarbeit eine erheblich reduzierte Atemmuskelkraft“, das heißt in diesem Zusammenhang eine lokale/regionale Myopathie, eher noch eine Myositis. Für Muskelerkrankungen gibt es spezifische Laborparameter (CK u. v. a.), und die diagnostische Methode der Wahl wäre ein EMG. Ich glaube kaum, dass der Pulmologe ein EMG der interkostalen Muskulatur durchgeführt hat – wenn so etwas überhaupt je geschieht, dann ist das kein Routinevorgang (Gefahr des Pneumothorax). Auch aus diesem Grund sollte seine Diagnose, mit wieviel Selbstvertrauen sie auch vorgetragen wird, in der Luft hängen.

  41. @pelacani:

    Bei Frau G. handelt es sich um eine Kasuistik, eine anekdotische Evidenz.

    Ja – und?

    Ich schätze, irgendwo müssen wir ja mal anfangen. Warum nicht bei einer Ärztin, die eigentlich gelernt (und in puncto Homöopathie bewiesen) hat, dass sie persönliche Erfahrungen kritisch reflektieren und Sinn von Unsinn unterscheiden kann?

    Das als „Schaumschlägerei“ abzutun, finde ich schon bisschen seltsam.

    Von heute:

    https://www.faz.net/aktuell/feuilleton/debatten/erfahrung-mit-long-covid-es-ist-kein-herumliegen-ich-bin-ans-bett-gefesselt-19905054.html

  42. Ja – und?

    Ich bin ein wenig verwundert, dass mir in einem Forum, dass sich die Wissenschaft auf die Fahnen geschrieben hat, diese Frage gestellt wird. Es handelt sich um die zweitniedrigste von sieben Stufen der Evidenz. Feuilleton-Beiträge in Tageszeitungen, persönliche Eindrücke von der subjektiven Ehrlichkeit und bisherige Verdienste heben die Stufe nicht an.
    https://en.wikipedia.org/wiki/Hierarchy_of_evidence

    Manchmal ist es auch günstig, jemanden nicht von Angesicht zu kennen. Hans Albert hat mal ein Buch geschrieben, was genau drinsteht weiß ich nicht mehr, aber den schönen Titel habe ich noch parat: Die Wissenschaft und die Fehlbarkeit der Vernunft. Wir sind alle Menschen.

  43. @pelanci:

    Es handelt sich um die zweitniedrigste von sieben Stufen der Evidenz.

    Weiß ich. Und von da kann man sich ja weiterarbeiten.

    Ich bin ein wenig verwundert, dass Sie das anscheinend nicht mal erwägen, sondern komplett alles an „persönlichen Eindrücken“ per se zurückweisen. Wo sollen die Evidenz und die Studien denn herkommen, wenn wir nicht bereit sind, persönliche Erfahrungen zu diskutieren und zu überprüfen?

  44. Wo sollen die Evidenz und die Studien denn herkommen, wenn wir nicht bereit sind, persönliche Erfahrungen zu diskutieren

    Ich behalte jetzt mal für mich, wo einem diese Art von Rhetorik regelhaft begegnet und zitiere nur Mark Crislip von SBM, schon ein wenig älter aber von zeitloser Relevanz:

    In. My. Experience.
    They remain the three most dangerous words in medicine

    https://sciencebasedmedicine.org/guiding-lights/#more-22736

  45. Und auch dies sollte nicht unwidersprochen bleiben:

    „persönliche Erfahrungen kritisch reflektieren und Sinn von Unsinn unterscheiden kann?
    Das als „Schaumschlägerei“ abzutun, finde ich schon bisschen seltsam.“

    Ich habe nicht die persönlichen Erfahrungen von Frau G., sondern das Wedeln mit dem Leichentuch als Schaumschlägerei bezeichnet. Bitte auch noch mal zurückblättern zu dem Part, als es um die Sterblichkeit ging.

  46. @pelacani:

    There is a reality independent of human existence

    Reality is defined by the basic sciences

    Plausibility within the context of known reality is important in evaluating the truthiness of new medical phenomena

    Und das trifft Ihrer Aufassung nach nicht nur auf „SCAM“ zu, sondern auch auf ein Krankheitsbild, von dem Sie selbst schreiben, dass Sie sich dabei „nicht auf empirische Studien“ stützen können, „sondern nur auf – allerdings zahlreiche – Analogien und instruktive Parallelen in der Medizingeschichte. Das ist sicher nicht der Vollbeweis“.?

  47. @ pelacani:

    Die Relevanz von Evidenzstufen ist bei der Genese von Forschungsbefunden anders zu bewerten als bei der Geltung von Forschungsbefunden. Vermutlich standen am Anfang der meisten mit RCTs gut gesicherten Befunde einmal Kasuistiken bzw. Erfahrungsberichte.

    Des Weiteren sollte man Forschungsmethodik und die Diagnostik individueller Beschwerden auseinanderhalten.

    Und mir scheint, die Diskussion hier ist inzwischen etwas aufgesplissen. Haben wir noch eine zentrale Fragestellung?

    „#4 und #8“, Bezug auf psiram-Faden: Danke, eine Verwirrung weniger.

  48. @Joseph Kuhn:

    Ich denke, die zentrale Fragestellung ist, ob ME/CFS eine psychische oder somatische Erkrankung ist.

    Dazu gibt es zwei Vorschläge:

    pelacani schlägt vor, die Kritik in dem genannten Psiram-Faden mit den Argumenten in dem Buch von Frau Grams abzugleichen.

    Udo Endruscheit schlägt (m.E.) vor, dass pelacani das Buch liest und dann konkrete Kritik daran formuliert.

    Letzteres hätte allerdings den Nachteil, dass Frau Grams derzeit und absehbar nicht zu einer öffentlichen Diskussion in der Lage sein wird.

    Man könnte eventuell die besagte Professorin aus dem Vorwort anfragen, ob sie dann darauf eingehen möchte.

    Letztendlich obliegt das aber den hier Beteiligten, ob sie das Thema derart weiterbearbeiten wollen.

  49. Und das trifft Ihrer Aufassung nach nicht nur auf „SCAM“ zu

    Mir ist nicht klar, ob die Frage eine Anklage ist, aber so allgemein finde ich die zitierten Sätze konsensfähig, und wenn jemand bestreitet, dass es eine Realität unabhängig von der menschlichen Erfahrung gibt, dann hat er das Reich der Wissenschaft verlassen und das des Idealismus oder Konstruktivismus betreten.

    Wenn ich zustimme, dass die Realität ungenügend bekannt ist, dann kann das doch nicht bedeuten, dass ich Hypothesen zustimme, die in sich widersprüchlich sind oder die bisher bekanntem Wissen widersprechen.

    Vermutlich standen am Anfang der meisten mit RCTs gut gesicherten Befunde einmal Kasuistiken

    Ich erinnere mich dunkel, Joseph, dass wir das Thema früher schon einmal berührt hatten. ;-)

    Nur mal ein Eindruck: „long covid“ hat bei Pubmed (Stand soeben) 34,662 results, die nächste Stufe der Evidenzhierarchie sollte also schon in Reichweite sein.

    Udo Endruscheit schlägt (m.E.) vor, dass pelacani das Buch liest und dann konkrete Kritik daran formuliert.

    Nein, das werde ich nicht tun, denn was soll dabei herauskommen. Eine Totalkritik steht im Aufwand in keinem Verhältnis zum erwarteten Nutzen, und sie wird bei persönlichen Erfahrungen stets dem Vorwurf der Rachsucht (wofür auch immer) ausgesetzt sein. Darin genau besteht ja einer der wissenschaftlichen Nachteile der Kasuistik: sie ist eigentlich nicht kritisierbar. Einzelne Fakten, die hier, in dieser Diskussion, vorgetragen werden, kann ich kommentieren, so wie ich das bisher auch getan habe.

    Man könnte eventuell die besagte Professorin aus dem Vorwort anfragen, ob sie dann darauf eingehen möchte.

    Da wäre ich sehr dafür, aber auch darauf kann man realistischerweise nicht hoffen (es gibt keine akademischen Meriten bei Blogdiskussionen zu gewinnen).

  50. @pelacani:

    Mir ist nicht klar, ob die Frage eine Anklage ist

    Durchaus nicht, ich möchte es nur wissen.

    und wenn jemand bestreitet, dass es eine Realität unabhängig von der menschlichen Erfahrung gibt,

    Darum geht es doch nicht, sondern darum, ob Sie nicht eventuell einen Unterschied in der Bewertung (und damit auch des Forschungsbedarfs) von zum Beispiel Homöopathie und ME/CFS sehen?

    dass ich Hypothesen zustimme,

    Es ging auch nicht um „Zustimmung“, sondern um Überprüfung.

    (es gibt keine akademischen Meriten bei Blogdiskussionen zu gewinnen).

    Das ist leider richtig.

  51. ob Sie nicht eventuell einen Unterschied in der Bewertung (und damit auch des Forschungsbedarfs) von zum Beispiel Homöopathie und ME/CFS sehen?

    Natürlich. Die Homöopathie ist eine komplette Chimäre, aber die Patienten, die als „ME/CFS“ diagnostiziert werden, sind real. Die Frage ist, ob dieses Etikett richtig ist (richtig in dem Sinn, dass es eine Aussicht auf eine vernünftige Therapie eröffnet), und da habe ich ernste Zweifel.

    Das heißt nicht, dass ich eine klare Kennung habe, was zu tun ist. „Defätismus, das Hobby des Skeptikers“, #13, und vgl. #14, unten.

    Es ging auch nicht um „Zustimmung“, sondern um Überprüfung.

    Was ist hier gemeint mit „Überprüfung“?

  52. @pelacani:

    Was ist hier gemeint mit „Überprüfung“?

    Nun ja, ich hatte ein wenig den Eindruck, dass Sie die „persönlichen Eindrücke“ von Frau Grams komplett als Unbrauchbar verwerfen (wenn ich Ihnen damit Unrecht tue, bitte ich um Verzeihung).

    Ich frage mich halt, ob es nicht „wissenschaftlicher“ wäre, persönliche Erfahrungen dieser Art zu untersuchen/zu überprüfen – jedenfalls dann, wenn es sich nicht von Vorneherein belegbar um eine „komplette Chimäre“ handelt wie Homöopathie, worin wir uns ja völlig einig sind.

  53. Ich frage mich halt, ob es nicht „wissenschaftlicher“ wäre, persönliche Erfahrungen dieser Art zu untersuchen/zu überprüfen

    Wie könnte denn eine „Überprüfung“ aussehen, die über einen Kommentar eines Einzelbefundes (wie dem pulmologischen) aus medizinischer Sicht hinausgeht? Ich habe das Gefühl, Ihnen schwebt so etwas wie eine persönliche Begegnung vor.

    Abgesehen davon, dass auch dies unrealistisch ist: ich würde einen Menschen in welcher Kondition auch immer sehen, aber alle theoretischen Konzepte, wie ein solcher Zustand zu erklären wäre, würden Schlussfolgerung bleiben, d. h. nicht direkt beobachtbar sein. Bekehrungen gibt es nur in der Religion.

  54. @pelacani:

    Ihnen schwebt so etwas wie eine persönliche Begegnung vor.

    Nein, durchaus nicht – das wäre auch gar nicht möglich. Und „bekehren“ möchte ich Sie keinesfalls, zu was auch immer.

    Wie diese „Überprüfung“ aussehen könnte – da habe ich auch keine „klare Kennung, was zu tun ist“.

    Ich würde mir nur wünschen, es gäbe eine Möglichkeit, mit solchen Erfahrungsberichten (und allein hier bei diesem Artikel haben sich ja bereits drei weitere Betroffene zu Wort gemeldet) sinnvoll umzugehen.

    Letztendlich ist das auch das Anliegen des Buches:

    In der Medizin gibt es immer wieder Tendenzen, medizinisch nicht erklärliche körperliche Symptome als Fehlwahrnehmungen der Patient*innen kleinzureden oder umzudeuten. Manchmal mag das durchaus zutreffen, der Nocebo-Effekt, die Auswirkung der negativen Erwartung, ist mächtig und der Einfluss der Psyche auf den Körper gut bekannt (Body and mind Medicine, Psychosomatik). Allerdings hat es sich auch schon so manche Weichenstellung der Diagnose hin zur Somatisierungsstörung als Trugschluss erwiesen […] Selbst wenn das im Einzelfall durchaus zutreffend sein könnte, verstehe ich nicht, wie man ein ganzes Patient*innenkollektiv in diese Schublade pressen kann, wo es doch längst mehr als genug Hinweise auf teilweise bereits klare Belege für körperliche Ursachen und Fehlsteuerungen gibt.

    Darauf wollte ich hinweisen, und das soll es von mir auch dazu gewesen sein. Ich bin kein ME/CFS-Betroffenen-„Anwalt“ oder sonst etwas.

  55. Was die Verkennung als psychisch i. Allg. angeht, die hatten wir schon berührt:

    https://blog.gwup.net/2024/08/03/neuerscheinung-natalie-grams-ueber-ihre-long-covid-erkrankung/#comment-144115188075968592

    Und wir hatten auch schon berührt, dass persönliche Erfahrungen kaum kritisierbar sind. Insofern sollte es auch aus meiner Sicht nun genug sein.

  56. Ich denke, die zentrale Fragestellung ist, ob ME/CFS eine psychische oder somatische Erkrankung ist.

    Muss es denn eines von beiden sein? Somatisch oder psychisch, also dualistisch? Kann ME/CFS nicht beides beeinhalten? Die Psychosomatik ist nicht umsonst ein Teilgebiet der Medizin, welches immer noch mit erheblichen Widrigkeiten zu kämpfen hat.

  57. @ pelacani:

    „Und wenn es für die Malerkrankheit keine ausreichenden wissenschaftlich akzeptablen Nachweise gegeben hat, dann war es korrekt, sie (vorläufig) als psychisch bedingt aufzufassen.“

    Die Logik erschließt sich mir nicht. Warum spricht nicht ein fehlender Nachweis einer psychischen Verursachung bei starken Hinweisen auf einen neurotoxischen Hintergrund für eine körperliche Erkrankung?

    Und warum das Magengeschwür der „Klassiker“ dafür sein soll, verstehe ich auch nicht. Das ist doch eher ein Beispiel dafür, dass man nicht gleich auf „psychisch“ schließen sollte?

    Aber sei es drum: Bei der Malerkrankheit war es definitiv nicht „korrekt“, es ging maßgeblichen Herren der Arbeitsmedizin darum, Arbeitsschutzpflichten und die Aufnahme in die Berufskrankheitenliste zu verhindern.

    In Dänemark war die „Malerkrankheit“ schon Jahre früher als Berufskrankheit anerkannt.

  58. Die Logik erschließt sich mir nicht. Warum spricht nicht ein fehlender Nachweis einer psychischen Verursachung bei starken Hinweisen auf einen neurotoxischen Hintergrund für eine körperliche Erkrankung?

    Weil ein „Nachweis einer psychischen Verursachung“ leicht zu fordern, aber kaum je positiv zu erbringen ist.

    Die Malerkrankheit zerfällt in 2 Anteile: eine distal-symmetrische Polyneuropathie, für die der Nachweis, dass sie da ist, höchst einfach ist (schwierig ist nur der Nachweis, dass sie aus den Lösungsmitteln stammt), und eine Enzephalopathie, die prinzipiell unspezifische Befunde aufweist, die in ihrer leichten Form von anderen leichten kognitiven Störungen, einschließlich psychogener (depressive Pseudodemenz), kaum abgrenzbar sein dürften.

    Bei schwereren stehen wir dann vor dem gleichen Problem wie bei der Polyneuropathie: sie sind klar organisch, aber kommen sie wirklich aus den Lösungsmitteln?

    Und warum das Magengeschwür der „Klassiker“ dafür sein soll, verstehe ich auch nicht. Das ist doch eher ein Beispiel dafür, dass man nicht gleich auf „psychisch“ schließen sollte?

    Es war Stand der Wissenschaft. Wir irren uns voran. Statisch bleibt nur die Pseudowissenschaft.

    es ging maßgeblichen Herren der Arbeitsmedizin darum, Arbeitsschutzpflichten und die Aufnahme in die Berufskrankheitenliste zu verhindern.

    Der eigentliche Zweck eines guten Beamten ist zu verhindern, dass etwas geschieht. Wir wollen doch alle nicht, dass Volksvermögen aufgrund halbseidener Datenlage verschleudert wird? Und die Umweltmedizin gehört (neben z. B. der Sportmedizin) zu den, sagen wir mal, vulnerablen Fachrichtungen.
    ;-)

    Wir müssen das nicht ausdiskutieren, denn das ist reichlich OT und nicht von allgemeinen Interesse. Ich schlage vor, Du machst einen Faden im Psiram-Forum dafür auf, wenn nötig.

  59. @ pelacani:

    Interessante Sichtweise auf das Beamtentum und auf beamtete Professoren ;-)

    Diskussionsende: Gerne. War mir wie immer ein Vergnügen.

  60. Aus der SZ vom Feb 2023

    Viel mehr als nur Biologie: Bei der Therapie von Syndromen wie Long Covid könnte Psychosomatik wichtige Beiträge leisten – wenn man sie denn ließe.

    Peter Henningsen ist Direktor der Klinik für Psychosomatische Medizin und Psychotherapie am Universitätsklinikum Rechts der Isar der Technischen Universität München

    https://www.sueddeutsche.de/kultur/long-covid-psychsomatik-therapie-1.5751788

  61. @RPGNo!:

    Genau diese Stimme eines vorgeblichen Experten, der nur durch die Brille seines Fachgebietes schaut, illustriert das ganze Elend des Umgang mit ME/CFS. Herr Henningsen ist auch in der aktuellen Diskussion kein Unbekannter.

    Ich formuliere mal bewusst hart: Beim jetzigen Kenntnisstand ist die Psychologisierung eines ohne weiteres physiologisch diagnostizierbaren ME/CFS unterlassene Hilfeleistung, mindestens.

  62. ohne weiteres physiologisch diagnostizierbaren ME/CFS

    Tatsächlich? Wie?

  63. @Udo Endruscheit

    „Ich formuliere mal bewusst hart: Beim jetzigen Kenntnisstand ist die Psychologisierung eines ohne weiteres physiologisch diagnostizierbaren ME/CFS unterlassene Hilfeleistung, mindestens.“

    Die Frage ist, auf wessen Kenntnisstand das fußt; medizinischer Konsens ist das jedenfalls nicht. Es ist darüber hinaus dringend ideologieverdächtig, wissenschaftlichen Kontrahenten faktenfrei moralisches Versagen zu unterstellen. Das gleiche gilt für ad hominems („vorgeblicher Experte“ „in der aktuellen Diskussion kein Unbekannter“).

    Im Übrigen gab es gerade eine Tagesschau-Meldung über eine Liegenddemo.

    https://www.tagesschau.de/inland/gesellschaft/mecfs-demonstration-100.html

    Dort wird über eine Patientin berichtet, die seit 2001 leide. „Erst 2017 bekommt sie in der Berliner Charité die Diagnose Myalgische Enzephalomyelitis/Chronisches Fatigue Syndrom“ aber seit 2018 geht es ihr schlechter, und sie muss „pro Tag 22 bis 23 Stunden“ im Bett verbringen, sagt sie.

    Um bei Kasuistiken zu bleiben, was, Herr Endruscheit, hat die Hilfeleistung der Charite (d. i. Fr. Prof. Scheibenbogen) gebracht, die hier nicht unterlassen wurde?

  64. Zu Long Covid und ME/CFS im letzten Jahr in den „Blättern für deutsche und internationale Politik“:

    https://www.blaetter.de/ausgabe/2023/dezember/die-krankheit-nach-der-krankheit

    Der Autor plädiert dafür, dieses Thema bei der allerorten geforderten Aufarbeitung der Pandemiepolitik nicht untergehen zu lassen.

    Hilfen für die Betroffenen sind notwendig, auch wenn sich die Ursache für Erkrankungen, bei denen man Infektionen als Auslöser für plausibel hält, nicht immer zweifelsfrei aufklären lassen, siehe z.B. die Europoäische Schlafkrankheit, die durch Oliver Sacks Buch „Zeit des Erwachsens“ bekannt geworden ist:

    https://de.wikipedia.org/wiki/Europ%C3%A4ische_Schlafkrankheit

  65. @Udo Endruscheit

    Der Aussage widerspreche ich.

    Peter Henningsen behauptet nicht, dass Long Covid bzw. ME/CFS nur psychisch sei. Sondern er plädiert dafür, für die genannten Krankheiten nicht ausschließlich die somatische/biologische Komponente in den Mittelpunkt zu stellen, sondern auch andere Faktoren zu berücksichtigen.

    Somit sind wir also in der Psychosomatik angekommen, wie ich bereits hier in den Raum gestellt habe.

    Diese ökumenische und durchaus biologische, aber nicht verengt biologistische Sicht macht verständlich, warum es im Umgang mit Körperbeschwerdesyndromen wie bei Long Covid so wichtig ist, nicht nur die notwendige Erforschung immunologischer und anderer biologischer Krankheitsfaktoren voranzutreiben. Genauso wichtig ist es, Vorerfahrungen, Erwartungen, das Selbsterleben insgesamt der Betroffenen zu erheben und klinisch wie forschend zu berücksichtigen. […]

    Denn bei der Therapie geht es ja grundsätzlich darum, das belastende subjektive Erleben von Erschöpfung und Schmerzen und die damit einhergehende Funktionsbeeinträchtigung positiv zu beeinflussen. Wenn dazu künftig immunmodulierende Medikamente beitragen, ist das genauso gut, wie wenn das durch die psychotherapeutische Modifikation von Erwartungen und Gefühlen gelingt.

    Die oben erwähnte Arbeitskollegin hat eine Besserung der Symptome erfahren, weil sie u.a. auch eine Psychotherapie in Anspruch genommen hat. Sie war vorher eine Powerfrau, sportlich, energisch und immer auf Achse. Die Therapie hat sie dahin gebracht, auch einfach mal zu relaxen und entspannen und das Leben nicht nur mir Fullspeed zu fahern.

    Es hat eine längere Zeit gedauert, bis sie umstellen konnte. Es ist ihr schwer gefallen, wie sie mir mal erzählte. Aber es hat ihr ihr Leben positiv beeinflusst und ihren körperlichen Beschwerden Linderung verschafft.

  66. @Joseph Kuhn

    Zu Long Covid und ME/CFS im letzten Jahr in den „Blättern für deutsche und internationale Politik“

    Ich finde ja, in diesem Artikel wimmelt es von missverständlichen, fehlinterpretierenden und zweifelhaften Formulierungen. Ich will das jetzt nicht ohne Not aufräufeln, aber doch eine einzelne herausgreifen:

    „Wer Long Covid bekommen kann, das hat die britische Spezialistin für Atemwegserkrankungen, Rachael Evans, bereits vor einem Jahr beim ersten Long-Covid-Ärztekongress am Universitätsklinikum Jena in ernüchternder Klarheit beantwortet: „Anyone“, jede und jeder.“

    Mag sein, aber woher nimmt die Spezialistin eigentlich ihre Sicherheit. Es scheint Risikofaktoren zu geben, die bisher wenig erforscht sind, z. B.

    “Too much focus on your health might be bad for your health: Reddit user’s communication style predicts their Long COVID likelihood”

    https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pmc/articles/PMC11302924/

    Was die Encephalitis lethargica angeht, sie hat bei näherem Hinsehen keinerlei Ähnlichkeit mit „MECFS“ oder long covid, obwohl im Beginn der Corona-Epidemie durchaus vergleichbare Komplikationen befürchtet werden konnten (es gab im Juli 2020 ein kurzes Editorial im Lancet dazu).

  67. @ pelacani:

    Ich fand deinen Vorschlag, dass wir unsere Diskussion beenden, gut. Vielleicht kannst du dir sogar denken, warum. Gute Nacht!

  68. Vielleicht kannst du dir sogar denken, warum.

    Natürlich kann ich das, LOL, und so sehe ich mich gezwungen, noch eine Rechtfertigung hinterherzuschicken.

    Das Konzept ist eine Sackgasse. Es kann nicht gut für die Betroffenen sein, jeden Gedanken an Psyche zu denunzieren und systematisch jeden Ansatz zur Selbstwirksamkeit zu bekämpfen.

    Daran werden auch Millionenbeträge für die Forschung nichts ändern. Übrigens gibt es keinen Grund anzunehmen, dass die psychiatrischen Fachkenntnisse von Pulmologen und Immunologie-Professorinnen über diejenigen des durchschnittlichen Arztes oder des mittleren Skeptikers hinausragen. Empathie kann nicht an die Bedingung geknüpft sein, die Kritikfähigkeit auszuschalten.

  69. Ich appelliere an die Diskutanten, DAS BUCH VON DR. GRAMS AUFMERKSAM ZU LESEN.

    Es ist weder das Ausbreiten anekdotischer Evidenz noch eine dogmatische Verfestigung einer bestimmten Sichtweise. Es ist klug und differenziert und setzt den persönlichen Erlebnisbericht stets in Bezug auf den aktuellen Stand der Wissenschaft (den sie ausdrücklich mit „Anfang Juli“ definiert).

    Und immerhin lautet eine der Kapitelüberschriften:

    „SO SCHWER ES MIR FÄLLT:
    AUF EVIDENZ KANN ICH MICH (NOCH) NICHT VERLASSEN“

    Das Buch ist hochdifferenziert geschrieben, wofür u.a. diese Kapitelüberschrift steht. Dogmatismus fehlt darin völlig, vorhanden ist dagegen das Bewusstsein, sich nach wie vor auf noch zu dünnem Eis zu bewegen.

    Wie das geht, wo die Leitplanken sind und wie sie zu begründen sind: DAS BUCH LESEN!

  70. In der FAZ ein Artikel von Natalie Grams

    https://www.faz.net/aktuell/feuilleton/debatten/erfahrung-mit-long-covid-es-ist-kein-herumliegen-ich-bin-ans-bett-gefesselt-19905054.html. (Paywall)

    Daraus:

    „Man sieht kaum, wie wir Betroffenen kämpfen. Meist sieht man uns überhaupt nicht, oder nur dann, wenn es uns gut genug geht, dass wir Bett und Haus verlassen können. Wir sind keine Krebs-Überlebende oder MS-Kämpferinnen, man hat kaum Mitleid für uns, sondern skeptische, zweifelnde Gedanken. Wir dürfen uns nicht rühmen, für die Aufklärung einer fancy Krankheit einzutreten, wir nerven einfach nur, weil wir alle an Corona erinnern. Wir sind die, die die Pandemie nicht loslassen und den anderen ihre Freiheit und Unbeschwertheit nicht gönnen. Deswegen der Buchtitel: Bitte entschuldigen Sie, dass ich störe …“

  71. Erstaunlich finde ich, wie man einerseits das Geschwurbel um Homöopathie und Placeboeffekt verurteilen, aber gleichzeitig die Psychosomatik zum „state of the art“ der Wissenschaft hochjubeln kann.

  72. @ Stefan Maier

    Ich verstehe ich Aussage nicht. Da ich nicht spekulieren will, was sie bedeuten soll, bitte ich um eine etwas genauere Formulierung. Danke.

  73. @Udo Endruscheit

    Was dabei herauskommt, wenn man versucht, Ihrem Rat zu folgen, können Sie hier sehen. #42, wie passend.

  74. @Bernhard Harder

    Sie erwähnten, „dass Frau Grams derzeit und absehbar nicht zu einer öffentlichen Diskussion in der Lage sein wird“. Das muss man natürlich akzeptieren.

    Andererseits ist sie immerhin in der Lage gewesen, der FAZ gerade ein Interview zu geben. Völlig aussichtslos ist meine Bitte also nicht. Könnten Sie Frau Grams fragen, welche Quelle hinter der Angabe aus dem Buch:

    Die häufigsten Todesursachen bei ME/CFS-Patient*innen sind [20]: […] ca. 11 Prozent: Komplikationen durch ME/CFS (z. B. Infektionen, Medikamentenunverträglichkeit, Organversagen (v. a. Nierenversagen, Atemschwäche (Ateminsuffizienz)).

    steht? Die Quelle [20] (König et al.) ist es nicht.

  75. @pelacani:

    In der Tat bin ich darüber auch gestolpert und habe schon mal rumgeschaut. Müsste das hier sein:

    https://www.researchgate.net/figure/Causes-of-Death-in-Individuals-With-Chronic-Fatigue-Syndrome_tbl1_6940506

  76. @Bernd Harder

    Müsste das hier sein:

    Eine Verwechslung; kann vorkommen. Würden Sie bitte nachfragen, ob das stimmt?

  77. @ Bernd Harder:

    Danke. Wenn ich es recht sehe, haben Jason et al. nur die Todesursachen einer selektiven Liste von ME/CFS-Patient:innen kategorisiert, ohne adäquate Vergleichsgruppe.

    Damit ist es nicht möglich, eventuelle Risikoerhöhungen durch ME/CFS zu identifizieren. Bei den Limitationen der Studie sprechen die Autor:innen mögliche Fehlklassifikationen bei den Todesursachen an, aber seltsamerweise nicht die offene Kausalitätsfrage.

  78. Wenn es von Frau Grams dazu keine Antwort gibt, bleibt zu konstatieren: das Buch steht außerhalb der Kritik, nicht nur weil es eine Kasuistik ist, sondern auch, weil es sich in entscheidenden Punkten auf nicht prüfbare Quellen beruft. Herr Endruscheit, wie kann es dann den Stand der Wissenschaft repräsentieren?

    Wenn die Vermutung von Herrn Harder richtig ist, dann sind folgende Anmerkungen am Platz:

    • Es handelt sich um die Auswertung einer „memorial list“ einer „MECFS“-Patientenorganisation; einer solchen Quelle wird man kein zwanghaftes Bemühen um Genauigkeit unterstellen.

    • Die Methodik dieser Untersuchung ist generellen Zweifeln ausgesetzt; vgl. #35.

    • Die „tödlichen Komplikationen“ sind weder aufgeschlüsselt noch werden sie in der Diskussion auch nur erwähnt. Mit anderen Worten: Jason et al selber haben dieser Angabe keinen Erkenntniswert beigemessen; und sie wird auch in der wissenschaftlichen Folgeliteratur nicht erwähnt, soweit ich das überblicke.

    • Der Anteil der Komplikationen (11% [Grams], 11,1% [Jason]) stimmt überein. Das ist suggestiv, aber damit hört die Übereinstimmung schon auf. Bei Jason werden „,infections, accidents/murder, liver and/or spleen, kidney failure“ neben den Komplikationen genannt, Grams zählt „z. B. Infektionen, Medikamentenunverträglichkeit, Organversagen (v. a. Nierenversagen, Atemschwäche (Ateminsuffizienz)“ unter den tödlichen Komplikationen auf.

    Der folgende Schluss liegt nahe: die Arbeit von Jason et al, die überdies weder den Stand der Forschung wiederspiegelt noch in sich völlig konsistent ist, wurde fehlerhaft aus dem Gedächtnis zitiert und mit dramatischen aber unplausiblen Details angereichert („Ateminsuffizienz“ z. B. war 2006 noch kein Thema, weil es noch kein Long Covid gab).

    Darüber hinaus wurde sie nicht referenziert, sondern statt dessen eine Quelle angegeben, die mit ihr nichts zu tun hat, und das bei einem zentralen Detail.

    Wie auch immer man das interpretiert, Herr Endruscheit, ich sehe Sie deutlich in der Pflicht, ihre Auffassung, das Buch von Frau G. entspräche dem Stand der Wissenschaft, näher zu begründen.

  79. @ Bernd Harder:

    Möge es ihr gelingen, mehr Aufmerksamkeit für das Thema zu schaffen, und vor allem, selbst zumindest halbwegs wieder auf die Beine zu kommen.

  80. @Joseph Kuhn:

    Wir werden im nächsten Skeptiker auch ein kurzes Interview mit ihr haben.

  81. Bei Spiegel+:

    ME/CFS-Patientin erstreitet sich Therapie

    Da das Umgehen einer Bezahlschranke zumindest eine rechtliche Grauzone ist, sei das jedem selbst überlassen.

    Kurze Zusammenfassung:

    Eine 49 Jahre alte ME/CFS-Patientin hat vor dem Sozialgericht Heilbronn die Kostenübernahme der Krankenkasse für Infusionen mit Immunglobulinen erstritten. Der Medizinische Dienst hatte in einem Gutachten eine „kognitive Verhaltenstherapie“ und eine „Trainingstherapie“ empfohlen. Das Gericht nannte bestimmte Ausführungen der Krankenkasse vor dem Hintergrund der ärztlichen Schilderungen [zum Zustand der Patientin] „geradezu zynisch“.

    Die Beleglage für die [von der Patientin genutzte] Therapie ist bisher dürftig. Aber das gilt im Prinzip für alle Therapieoptionen. Die Krankheit ist einfach noch zu wenig erforscht. Aber trotzdem muss den jetzt Erkrankten geholfen werden, bevor Ergebnisse großer Studien vorliegen.

  82. @Bernd Harder

    Back to the future. Die verdiente Speerspitze der klinischen Forschung, der Herr Professor Harald Walach, wird den Gedankengängen des Gerichts zustimmen. Er ist schon lange der gleichen Ansicht, ich zitiere:

    Was heisst das methodisch? Die vielbeschworene EBM-Pyramide funktioniert in der Praxis gar nicht. Zum einen sind die Studien nicht so zahlreich, wie man denkt. Zum anderen werden die Ergebnisse dann, wenn sie einem nicht in den Kram passen, offenbar ignoriert. Warum ist das so? Vielleicht auch deswegen, weil es andere Informationsquellen gibt, die Ärzte und Patienten nutzen, die sie implizit wichtig finden, und die in den formalisierten Studien nicht abgebildet sind.
    usw. usw.

  83. PS. Der Text bei Spiegel+ sagt:


    Dabei stelle das Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWiG) fest, dass keine Studiendaten für Betroffene mit schwerem ME/CFS vorliegen, um mögliche Vor- und Nachteile dieser Therapien [kogn. Verhaltenstherapie, indiv. Angepasstes Training] bewerten zu können. Zudem gebe es keine Daten, um einen Nachteil durch schwerwiegende Nebenwirkungen einer Trainingstherapie auszuschließen.

    Tatsächlich sagt das IQWiG, dass das Risiko einer Verschlechterung aufgrund fehlender Daten nicht ausgeschlossen werden konnte. Nun, für den naiven Leser ist das kontraintuitiv, denn auf die Idee, dass kognitive Verhaltenstherapie und angepasstes Training eine Krankheit verschlechtern könnten, muss man erst mal kommen. Der nicht-naive Leser weiß aber, dass diese Idee von den Aktivisten und ihren Unterstützern als bewiesener Fakt dargestellt wird (vgl. #23).

    Nebenbei, in dem prominent erwähnten D-A-CH-Konsensus heißt es wie selbstverständlich, dass das „PEM“ spezifisch sei, mit Quellenangabe [6]. Quelle 6 ist aber ein Review von Renz-Polster und Scheibenbogen 2022, der keinen Beleg dafür erwähnt. Wieder kein Urtext.

    Spiegel+ fährt nahtlos fort:

    Die Therapie kann das erwähnte PEM auslösen und könnte so zu einer anhaltenden Verschlechterung führen.

    Und genau das sagt das IQWiG nicht mehr, sondern geradezu das Gegenteil: eine solche Verschlechterung ist nicht nachgewiesen.

  84. Am 25.9. organisiert ein Verein namens „ME-Hilfe e.V.“ eine Veranstaltung „Volksvertreter*innen for me“ mit Bundestagsabgeordneten: https://www.instagram.com/me_hilfe_ev/

  85. Böhmermann ist Stammtisch und stolz darauf. Nicht ein einziges Detail hat er wirklich gegengecheckt. Statt dessen erzählt er krasse Märchen, wie z. B. seinen MS-Vergleich. Es ist einfach falsch zu behaupten, erst mit dem MRT habe man sie diagnostizieren können. Das ist die Grundvoraussetzung für einen solchen johlenden, flachköpfigen Entlarver.

  86. Ich wollte eben auch in die Runde fragen, wie ihr den Böhmermann-Beitrag im ZDF fandet?

    Rundum positiv oder gibt es auch etwas zu kritisieren?

    Den Stand der Wissenschaft findet man hier:

    https://www.mecfs.de/bericht-von-der-2-internationalen-me-cfs-conference-am-charite-fatigue-center/

    Es ist eine Zusammenfassung – etwas aktuelleres hatte ich aber auch nicht gefunden.

    Geladen war offenbar niemand mit ‚abweichender‘ (toxischer) Sichtweise auf die Erkrankung.

  87. @pelacani:

    Ich habe die Böhmermann-Sendung nicht deswegen verlinkt, weil dort die medizinische Wahrheit über ME/CFS zu finden wäre, sondern weil ich das Grundanliegen des Beitrags so verstanden habe, überhaupt mal auf das Thema aufmerksam zu machen – also so etwa wie „Hirschhausen auf Intensiv“ in der Corona-Zeit, der dann kurze Zeit später mit seiner Blutwäsche-Therapie ebenfalls weit übers Ziel hinausgeschossen ist und veritablen Unsinn verbreitet hat.

    Gut gemeint – schlecht gemacht, könnte man wohl in beiden Fällen sagen.

    Trotzdem ist mir nicht ganz klar, warum „gestandene“ Skeptiker wie Grams, Kuhn, Endruscheit, Harder bei einem bestimmten Thema nicht mal eine andere Auffassung vertreten dürfen, als sie z.B. im Psiram-Forum vorherrscht?

    Warum ist das gleich ein „Niveauverlust“, wenn vielleicht mal einer von mehr als 500 Artikeln im Jahr, die hier erscheinen, nicht exakt der eigenen Überzeugung entspricht? Jedenfalls solange das Thema nicht auf Homöopathie-Niveau ist, also eindeutig widerlegt. Und Sie hatten mir, glaube ich, darin zugestimmt, dass Homöopathie und ME/CFS nicht vergleichbar seien.

    Ich bin, schon lange vor dem Fall Grams, vor mehr als 20 Jahren mit ME/CFS konfrontiert worden, und das, was ich mit Betroffenen hautnah erlebt habe, deckt sich eins zu eins mit den Schilderungen von Frau Grams, sodass es mir persönlich schwerfällt, hier an eine Depression oder andere psychische Erkrankung zu denken.

    Ich hänge aber nicht an dieser Auffassung – ich habe Ihnen z.B. gesagt, dass auch mir die falsche Literaturstelle in dem Buch von Frau Grams sofort aufgefallen ist.

    Die ÄrzteZeitung schrieb mal, dass Skeptizismus bedeute, ungewöhnliche Behauptungen nicht vorschnell abzulehnen – im konkreten Fall eine mögliche somatische Ursache von ME/CFS.

    Nur das habe ich versucht, hier zu vertreten – ein „Schwarz-Weiß-Denken“ kann ich dabei eigentlich nicht erkennen.

    Letztendlich geht es doch nicht ums Rechthaben, sondern den Betroffenen bestmöglich zu helfen.

    Wenn sich die psychische Verursachung von ME/CFS als richtig erweisen sollte – prima. Ich sehe die eine oder andere Option ziemlich leidenschaftslos, ich finde nur, dass man alles diskutieren kann und sollte, solange es keinen endgültigen Beleg gibt.

  88. @zimtspinne:

    Verbindlichsten Dank – gerade habe ich @pelacani diesbezüglich geantwortet.

    Klar kann man die Sendung schlecht finden – es steht doch jedem frei, das hier darzulegen.

  89. @zimtspinne:

    Ich habe gerade mal die Abstracts überflogen.

    Verstehe ich das richtig, dass – zumindest in Session 1, 4 und 6 – als Stand der Wissenschaft eine somatische Ursache präferiert wird (z.B. Autoimmunität, chronische Entzündung)?

    Wäre dann die „toxische/abweichende Sichtweise“ auf die Erkrankung eine psychosomatische?

  90. “warum „gestandene“ Skeptiker wie Grams, Kuhn, Endruscheit, Harder bei einem bestimmten Thema nicht mal eine andere Auffassung vertreten dürfen”

    Aber dürfen sie doch, wer sollte das verbieten? Schon rein technisch könnte ich das hier nicht ;-). Das Recht auf die eigene Ansicht kann doch nicht das Recht bedeuten, von Gegenwind verschont zu bleiben.

    “Warum ist das gleich ein „Niveauverlust“

    Weil einem schon die Diktion von Böhmermann zu denken geben sollte. Es färbt ab, wenn man den kommentarlos verlinkt.

  91. @pelacani:

    Die Diktion von Böhmermann ist m.E. allgemein bekannt und war z.B. in der Astrologie- oder Homöopathie-Sendung genauso.

  92. O-Ton Böhmermann, bei ca min 9:10:

    Könnte es sein, dass sich viele Ärztinnen und Ärzte, jetzt gerade, in einer guten GAGA-Show im ZDF, zum ersten mal gedanklich länger damit beschäftigen? … Ich denke wahrscheinlich schon.

    Nein, LOL.

  93. @ pelacani

    Dein Semmelweiß-Reflex ist wie aus dem Lehrbuch:

    „Als Semmelweis-Reflex wird die Vorstellung beschrieben, dass das wissenschaftliche Establishment eine neue Entdeckung quasi „reflexhaft“ ohne ausreichende Überprüfung erst einmal ablehne und den Urheber eher bekämpfe als unterstütze, wenn sie weit verbreiteten Normen oder Überzeugungen widerspricht.“

    https://de.wikipedia.org/wiki/Semmelweis-Reflex

  94. weil ich das Grundanliegen des Beitrags so verstanden habe, überhaupt mal auf das Thema aufmerksam zu machen

    Böhmermanns Sendung als Erstkontakt mit diesem Thema halte ich für einen denkbar schlechten Start.

  95. Da ich mich als Skeptiker verstehe, fühle ich mich weder Herrn Böhmermann (obwohl ihm in Sachen Homöopathie Meriten zukommen) noch dem Psiram-Forum verpflichtet. Und ich bin sicher, dass ich nicht der einzige bin.

    Tatsächlich bin ich bei beiden, wenn überhaupt, eher sporadischer Konsument. Ganz sicher stellen beide für mich keine Autoritäten dar, falls das jemand womöglich annehmen sollte.

    Da ich inzwischen mit vielen Betroffenen, die allein gelassen wurden, und auch mit Therapeauten und Forschenden selbst Kontakt hatte und auch im Entstehungsprozess des Buches von Dr. Grams ein wenig eingebunden war, ist für mich jedenfalls der Stand der Wissenschaft, dass der „Shift“ weg von der psychosomatischen Einordnung hin zu physiologischen Ursachen von ME/CFS inzwischen recht eindeutig und mit wachsender Evidenz belegt ist.

    Und dass es daher schon an eine ethische Problematik grenzt (vorsichtig ausgedrückt), sich dem im therapeutischen Bereich zu verweigern.

    Eine „Offenheit“ in der Therapie für „beides“ ist nur eine besonders krasse Form von false balance.

    Wenn wir warten würden, bis medizinische Interventionen vollständig evidenzgesichert wären (und so lange an früherem Wissen festhalten), stünde die Praxis vor gewaltigen Problemen.

    Und bitte: Das bedeutet überhaupt keine Relativierung der Forderungen nach evidenzbasierter Medizin.

    Das ist nur die Weigerung, Wissenschaft mit einem „hundertprozentigen“ Anspruch zu versehen, was eine Zeitlang bei den Corona-Impfkritikern (Arvay, Kron) zu beobachten war.

    I rest my case.

  96. @Jens
    „Semmelweiß-Reflex … eine neue Entdeckung quasi „reflexhaft“ ohne ausreichende Überprüfung erst einmal ablehne“

    Man nennt das auch Galileo-Gambit. Aber was soll an „ME/CFS” jetzt neu sein?

  97. @Udo Endruscheit
    „Wenn wir warten würden, bis medizinische Interventionen vollständig evidenzgesichert wären (und so lange an früherem Wissen festhalten), stünde die Praxis vor gewaltigen Problemen.“

    „Nur 15% der medizinischen Interventionen sind evidenzbasiert“ – hört man öfter, insbesondere von den Verkäufern zweifelhafter Interventionen. Wenn keine ausreichende Evidenz vorliegt, dann ist nach Plausibilität zu entscheiden. Das mag ein wenig schlicht klingen, aber mit „plausibel“ ist gemeint, dass es gesichertem Wissen nicht widerspricht oder dass keine begründete Erwägungen entgegen stehen.

    Es gibt aber Erwägungen, die einer reinen Affirmation doch sehr im Wege sind; ich hatte sie angerissen (hier u. ö.).

    Das Versprechen organisch begründeter Heilung ist ein Wechsel auf die Zukunft, der nicht zur Deckung moralischer Empörung taugt.

    The poor acceptance of ME/CFS in the scientific community is due to a lack of convincing evidence that ME/CFS is a distinct syndrome that can be delimited from other similar syndromes.

    https://jamanetwork.com/journals/jama/article-abstract/2382969

  98. Eine „Offenheit“ in der Therapie für „beides“ ist nur eine besonders krasse Form von false balance.

    Also doch wieder nur „entweder/oder“? Warum? Wieso ist es so undenkbar, dass es eine Mischung verschiedener Faktoren ist. Ich verstehe unter false balance etwas anderes.

    Sie haben weiter oben behauptet, ME/CFS wäre „ohne weiteres physiologisch diagnostizierbar“. Ich frage erneut: Wie? Wenn das so wäre, könnten wir uns den Diskurs sparen.

  99. „Eine „Offenheit“ in der Therapie für „beides“ ist nur eine besonders krasse Form von false balance.“

    Herr Endruscheit – in der Therapie?

    Sie meinten doch sicher „in der Diagnostik“, oder?

    (Grundsätzlich bin ich vollkommen ihrer Meinung, es ist keine psychosomatische oder „eingebildete“ Krankheit.)

    Bislang ging es hier doch darum, ob Long Covid evtl. „nur“ Psychosomatisch sei, also keine somatische Ursache vorläge, weil man diese noch nicht lokalisieren konnte.

    Das hat aber ja nichts damit zu tun, dass jede somatische Ursache auf den ganzen Menschen und damit auch seine Psyche wirkt.

    Es ist für Betroffene selbst ja auch sehr schwer, auf Training, bzw. die Perspektive, die man beim Trainieren hat, zu verzichten. Sie müssen dies nicht nur vor anderen rechtfertigen, sie müssen diese Untätigkeit auch selber aushalten.

    Neben dieser unsäglichen Diskussion, in der sie meist als Simulanten abgestempelt werden, ist da ja auch ihr Wunsch nach Normalität/Gesundheit. Und dabei kann eine psychologische Unterstützung durchaus helfen.

    Eine „kognitive Verhaltenstherapie“ (o.ä.) muss sich ja nicht unbedingt darum drehen, den „inneren Schweinehund“ zu besiegen; Thema kann auch sein, dass, bzw. warum man sich ausgeschlossen fühlt, wenn die Anforderungen unserer Leistungsgesellschaft plötzlich kontraproduktiv sind.

    Ein Mind-set, mit dem man es 24/7 im Bett aushält, ist ja nicht wirklich typisch für unsere westliche Zivilisation.

    Man könnte also sagen, dass eine gute psychologische Unterstützung darin besteht, das Aushalten der Untätigkeit als „Aufgabe“ sehen zu können:

    „Bei Bestehen einer PEM nach COVID-19 sollte ein individualisiertes Behandlungskonzept unter Berücksichtigung von Pacing-Strategien angeboten werden, das insbesondere darauf ausgerichtet ist, Patient*innen im Umgang mit der Erkrankung zu schulen, Anleitung zum Pacing und Selbstmanagement zu geben und die soziale Teilhabe zu fördern (modifiziert; starker Konsens).“

    (Quelle: https://register.awmf.org/assets/guidelines/080-008l_S2k_COVID-19-und-Frueh-Rehabilitation_2024-01.pdf
    Seite 9, Kernaussagen Pkt.9)

    „Das Konzept ist eine Sackgasse. Es kann nicht gut für die Betroffenen sein, jeden Gedanken an Psyche zu denunzieren und systematisch jeden Ansatz zur Selbstwirksamkeit zu bekämpfen.“ (Pelacani)

    Paradoxerweise ist es für viele der Betroffenen so, dass der nötige „Ansatz zur Selbstwirksamkeit“ darin besteht, auf eine normale Teilhabe am Leben zu verzichten.

    Ihnen die dafür nötige Unterstützung vorzuenthalten (nur weil die Bevölkerung an einem stigmatisierenden Bild der Psychosomatik festhält) ist erst recht eine Sackgasse.

  100. https://www.spektrum.de/podcast/riffreporter-ist-long-covid-psychosomatisch/2230159

    Bei Spektrum Podcast Riffreporter zur Frage inwieweit Long/Postcovid psychosomatisch ist.

  101. @Viktualia

    „Paradoxerweise ist es für viele der Betroffenen so, dass der nötige „Ansatz zur Selbstwirksamkeit“ darin besteht, auf eine normale Teilhabe am Leben zu verzichten.“

    Nein, das wäre die Umkehrung aller Begriffe, im Kern eine perverse Ideologie von schon religiöser Qualität (was Spaß macht oder Freude bringt, kann nicht gottgefällig sein). Es ist der Weg in ein verpfuschtes Leben, denn es ist gut möglich, dass es für die Mehrzahl der Menschen in dieser Zwickmühle einen point of no return gibt.

    Ihnen die dafür nötige Unterstützung vorzuenthalten (nur weil die Bevölkerung an einem stigmatisierenden Bild der Psychosomatik festhält) ist erst recht eine Sackgasse.

    Falsch. Es ist völlig verfehlt, dieses Vorgehen für empirisch gesichert angemessen zu halten. Das NICE hat sich bei der Sichtung der Evidenz als Instrument der Aktivisten bewiesen, vgl. #23.

    Es gibt Anhaltspunkte dafür, dass die Prognose beim affirmativen Ansatz schlechter ist (s. die eben genannte Leitlinie, S. 6), und das ist auch ohne weiteres plausibel.

    Auf S. 7 dieser Leitlinie steht:

    Soziale Isolation, sensorische Deprivation und katastrophisierende Bewertungen der eigenen Erkrankung können auch zur Chronifizierung der Symptomatik beitragen (Oslo Cronic Fatigue Consortium, 2023).

  102. @Pelacani –

    „(was Spaß macht oder Freude bringt, kann nicht gottgefällig sein). Es ist der Weg in ein verpfuschtes Leben“

    So wie in „Müßiggang ist aller Laster Anfang“?

    Oder doch eher die „sensorische Deprivation“?

    Mir ist das hier aufgefallen:

    „Es fehlt mir z. B. an Vorstellungskraft, welche Art von überdauernden körperlichen Folgen eine rein geistige Anstrengung haben kann, und was genau das überhaupt ist, eine geistige Anstrengung.“

    Das Gehirn macht etwa zwei Prozent unseres Körpergewichts aus, verbraucht jedoch ungefähr 20 Prozent unserer Energie.

    Weiß man ja schon länger, den „Grund“ hat man anscheinend inzwischen auch entdeckt – https://www.forschung-und-wissen.de/nachrichten/medizin/deshalb-braucht-das-gehirn-des-menschen-so-viel-energie-13375620

    Noch nie während einer Prüfungsphase abgenommen, obwohl man „nur gesessen und gelernt“ hat?

    Und „geistige Anstrengung“ (also Neuronenfeuer im Hirn) ist es auch, z.B. die propriozeptiven Reize während einer Autofahrt zu verarbeiten. Die „Fahrt in den Urlaub“ als Stressfaktor.

    (Mir ist auch nicht verwunderlich, wie „brain fog“ das Schreiben können einer mail verhindert. Es sind dazu sehr verschiedene Denkleistungen erforderlich, die normalerweise nicht „bewusst gemacht“ oder gar koordiniert werden müssen, sondern automatisiert sind. Einen solchen Automatismus zu rekonstruieren, wenn er einem grade verloren ging, ist an sich ja schon höchst verwirrend.)

    Bei allem Respekt, aber ein „nicht affirmativen Ansatz“ z.B. bei der Rekonstruktion einer solchen Fähigkeit ist schlicht Unsinn. Ein Therapeut, der die „Aufgabe: mail schreiben“ für den Patienten kleinschrittig gestaltet, treibt ihn damit nicht in die Verdammnis.

    „denn es ist gut möglich, dass es für die Mehrzahl der Menschen in dieser Zwickmühle einen point of no return gibt.“

    – Ja, natürlich. Aber die Zwickmühle besteht ja gerade darin, dass das Training, bzw. jedes „zu viel“ auch zu einem „Point of no return“ führen kann, nicht nur das Pausieren.

    (Muss ich für „die Aktivisten“ einen Beleg fordern, oder reicht die Bitte, auf derartige Polemik zu verzichten?)
    Wenn ich schon „affirmativer Ansatz“ (im Kontext von Aktivismus) höre –

    Punkt ist, dass es angesagt sein kann, gerade durch eine Pause, bzw. dem Trainieren von Pausen eine Verbesserung zu erreichen.

    Oder besser gesagt, das Einteilen der verbliebenen Kräfte zu erlernen ist keine leichte Aufgabe.

    (Natürlich habe ich keinen Beleg dafür, dass „Pausieren heilt“, das ist aber auch nicht der Punkt. Wie bei „Training“ kommt es auf das richtige Maß an.

    Und dass das hoch sein kann, ist belegbar, auch wenn es bei den Ursachen anders aussieht.)

    „Seite 7“ – Natürlich sind das Faktoren, die zu Chronifizierung (von allem möglichen) beitragen.

    Aber zu behaupten, eine Hilfe beim Einteilen nur noch sehr geringer Kräfte würde automatisch zu „sozialer Vereinsamung“ etc. führen, ist überzogen. (So stell ich mir „aktivistisch“ vor…)

    Ein „affirmativer Ansatz“ verpflichtet keinen Therapeuten, die „katastrophisierenden Bewertungen“ des Patienten stehen zu lassen. Im Gegenteil.

    Es bedeutet lediglich, ihn nicht dafür abzustempeln, dass er mit dem Verlust seines bisherigen Lebens noch nicht ganz klarkommt.

    Und zum Beispiel darüber zu informieren, wie so ein Hirnstoffwechsel funktioniert – und dass die Fahrt in den Urlaub halt unter Umständen eine Erholung erforderlich machen kann.

    Oder wie das Hirn das mit dem mailen macht. (Auf motorischer, sensorischer, kognitiver und emotionaler/sozialer Ebene.)

    Ich finde es ziemlich unverschämt, Frau Grams im Zuge dieses angeblichen Aktivismus zu besprechen.

    Die Begriffe „Affirmativ“ oder auch „sensorische Deprivation“ erscheinen mir missinterpretiert, werter Pelacani.

  103. So wie in „Müßiggang ist aller Laster Anfang“?
    Nein.
    https://de.wikipedia.org/wiki/Kasteiung

    Das Gehirn … verbraucht jedoch ungefähr 20 Prozent unserer Energie.
    Das hat mit dem Denken nichts zu tun, der Umsatz des Gehirns ist konstant. Das steht übrigens auch in dem verlinkten Text.

    Noch nie während einer Prüfungsphase abgenommen?
    Nein.

    Bei allem Respekt, aber ein „nicht affirmativen Ansatz“ z.B. bei der Rekonstruktion einer solchen Fähigkeit ist schlicht Unsinn.
    Ich habe gerade die folgende Geschichte aus der Psychotherapie einer long-Covid-Patientin gehört. Sie machte bis vor zwei Wochen leichte Fortschritte, konnte sich zunehmend besser belasten. Dann hat sie vor einer Woche einen Podcast gehört, dass es gefährlich sei, sich zu viel zuzumuten. Danach ist ihr aufgefallen, dass sie sich sonntags immer ganz schlecht fühlt. Sie ist sich nicht ganz sicher, aber doch fast, dass das mit ihrer Physiotherapie (20 min) am Freitag zusammenhängt. Darauf hat sie die geringen Alltagsaktivitäten, die sie wieder aufgenommen hatte, komplett zurückgedreht. Sich ihren eigentlichen Problemen zu stellen (die sind für den Außenstehenden offensichtlich) lehnt sie empört ab.

    eine Hilfe beim Einteilen nur noch sehr geringer Kräfte würde automatisch zu „sozialer Vereinsamung“ etc. führen, ist überzogen
    Lesen Sie keine Kasuistiken? Die Zeitungen sind voll davon.

  104. @Pelacani – „Kasuistiken“ –

    In der, die ich da oben gerade gelesen habe, fehlt mir die Angabe, ob die Dame jetzt auch die Physio gestrichen hat, oder nur die „geringen Alltagsaktivitäten“ (die ich eigentlich auch gerne genauer wüsste).

    Und natürlich würde mich besonders interessieren, wie die Übungen der Physiotherapie überhaupt aussahen. (Wurden „Pausen trainiert“, also Selbstwahrnehmung in dem Bereich, oder nicht? Achsengerechte Bewegung oder Konditionstraining?)

    Ihre Aussage nimmt keinerlei direkten Bezug zu einer „kleinschrittigen Aufgabenstellung mit Pausen“ – und darum ging es doch, oder?

    So klingt es nur – aktivistisch.

    Interessant wäre natürlich auch, wie es zu den „leichten Fortschritten bis vor zwei Wochen“ kam, also wie, bzw. wodurch und wie weit diese Belastungsgrenze bereits gestiegen war.

    (Die körperliche Belastungsgrenze? Die geistige, brain-fog? Oder mental, ob sie Gesellschaft besser verarbeiten konnte?)

    Mir scheint, dass der Begriff „sensorische Deprivation“ von ihnen immer noch höchst undifferenziert gebraucht wird.

    (Und es ist schlicht unverschämt, Therapeuten vorzuwerfen, die Patienten „kasteien“, also Leiden lassen zu wollen. In einem Kontext, wo es darum geht, wie viel diese Leute überhaupt aushalten.)

    Es fehlt übrigens auch eine Aussage darüber, ob die Psychotherapeutin, die dies erzählte, den Entschluss der Patientin – kritiklos angenommen oder scharf, bzw. sanft kritisiert hat,

    bzw. – ob darüber geredet wurde, dies zu testen, also auszuprobieren, ob ein Wegfall von Alltagsaktivitäten/Physiotherapie für ein/zwei/drei Wochen einen Unterschied bringt.

    Spoiler: ich erwarte letzteres, ansonsten hätte ich gerne auch noch gewusst, was das überhaupt für eine Art von Psychotherapie ist…
    (Ob die Therapeutin erfragt hat, ob sie an den Sonntagen besonders wenig macht und sich darum vielleicht unausgelastet fühlt wäre übrigens auch interessant gewesen.)

    Nur weil sie hier ein Bild von „bösen Aktivisten“ transportieren wollen, bedeutet „affirmativ“ noch lange nicht das, was sie suggerieren.

    Es geht nicht darum, jeden Pups des Patienten zu feiern.

    Es geht darum, Respekt für diese Person zu haben.

    Denn diese müssen die Aufgabe stemmen; nicht der Therapeut.

    Wenn sie schon so unverschämt Frau Grams gegenüber sind, sollten sie es fundierter begründen können.

    P.S.: „Das hat mit dem Denken nichts zu Tun“ (Das Hirn!)

    Aua. Im verlinkten Text steht, dass der Kalorienverbrauch während des Schlafs, bzw. im Koma nicht viel geringer ist; nicht, dass „Denken“ kaum Kalorien verbrauchen würde.

    Bei 20% Energieumsatz von einer Struktur, die nur 2% der Gesamtmasse ausmacht – und die bekannt dafür ist, Probleme eher zu lösen, wenn sie effektiv eingesetzt werden kann.

    In ihrer Rechnung taucht weder die Selektion der Wahrnehmung auf, noch die Koordination der Hirnleistungen. Bzw. wie schwer das Leben wird, wenn diese plötzlich nicht mehr zur Verfügung stehen (brain fog).

  105. Und natürlich würde mich besonders interessieren,

    Keine Chance. Die Schilderung der (skurrilen) Details würde den Fall plastischer, aber gleichzeitig kenntlich machen. Was soll das. Ansonsten finde ich noch impertinente Wiederholungen, die keinen Schimmer von realer Psychodynamik verraten und die keine Antwort verdienen.

  106. @Pelacani – “ die keinen Schimmer von realer Psychodynamik verraten“

    Aha – die „reale Psychodynamik“ des genannten Beispiels lässt aber auch zu wünschen übrig.

    Und ich bezweifle, dass die „skurrilen Details“ die Patientin wirklich kenntlich machen würden, immerhin habe ich auch nach dem evtl. skurrilen Verhalten der Therapeutin (war es nun ein Test oder bleibt die Dame bei ihrem Ansinnen?) und dem Arbeiten des Physiotherapeuten (Konditionstraining oder Selbstwahrnehmung?) gefragt.

    Auch eine Antwort darauf, ob die Dame (insgesamt) eher unter brain fog oder mangelnder Kraft litt ist, zumindest in meinen Augen, nicht allzu persönlich.
    (Oder wollten sie etwa die Persönlichkeit der Therapeutin schützen, indem sie nicht verraten, wie es zu dem kleinen Fortschritt kam?)

    „Was soll das“

    Mit „skurrile Details“ eine Beleidigung aussprechen ist o.k., aber die Information, ob die Psychotherapie wegen brain fog und die Physio wegen etwas anderem erfolgte, ist „zu persönlich“?

    Was war mit dem Punkt der „sensorischen Deprivation“, oder dem bashing von „affirmativer Behandlung“ und was soll das Scheinargument „alles Aktivisten!“?

    Und vor allem – was ist mit der Entschuldigung, die sie Frau Grams für diese beleidigende und unterkomplexe Argumentation schulden?

  107. Nach allem, was man so liest oder hört, scheint die Krankheit die folgenden Charakteristika aufzuweisen:
    • Die Symptome sind ganz unspezifisch („brain fog“ z. B. ist nichts als ein hochtrabender Name für Konzentrationsstörung)
    • Anstrengungs- und Erschöpfungszeichen (huffing and puffing sign)
    • Der Verlauf ist unvorhersehbar fluktuierend, das Ausmaß der Behinderung kann sich innerhalb von Stunden ändern.
    • Die Prognose ist insgesamt schlecht.
    • Begleitender Affekt: zu Recht oder zu Unrecht erbost.
    • Trotz der reklamierten Schwere der Erkrankung lässt sich weder im Labor noch in der Bildgebung ein Substrat erkennen.

  108. @Pelacani –

    – „brain -fog“ – für jemanden, der öffentlich zugibt, sich keine Vorstellung davon machen zu können, wie „Denken“ (das Gegenteil „sensorischer Deprivation“, also Verarbeitung der Wahrnehmung) funktioniert, lehnen sie sich ganz schön aus dem Fenster.

    Nein, es ist kein „hochtrabender Name für Konzentrationsstörung“, es ist eher eine komplexe Konzentrationsstörung, da es nicht einfach nur darum geht, seine Aufmerksamkeit auf eine bestimmte Aufgabe zu fokussieren.

    „Typisch für die kognitiven Einschränkungen bei ME/CFS sind eine verlangsamte Informationsverarbeitung, erhebliche Wortfindungs- und Sprachstörungen, ein gestörtes Kurzzeitgedächtnis sowie eine eingeschränkte Konzentrationsfähigkeit.“

    https://www.mecfs.de/was-ist-me-cfs/brain-fog/

    Ihnen scheint der Unterschied zwischen Wahrnehmung/Informationsverarbeitung/Kurzzeitgedächtnis/Aufmerksamkeitslenkung nicht bekannt zu sein – dennoch beleidigen sie Betroffene schamlos durch ihre Wortwahl.

    Das ist peinlich, aber nicht „skeptisch“.

    – „Huffing and puffing sign“ – Schnaufen und keuchen?

    Wenn das hier unsachlich wird, liegt es nicht an mir…

    – „unvorhersehbar fluktuierend “

    Darf ich an unser Thema erinnern? Akute Verschlechterung bei Überlastung, darum ging es.

    – „Prognose/Affekt“ – Prognose schlecht, Ruf im Eimer, aber Wut sei unangebracht? Peinlich.

    – „reklamierte Schwere“ – warum erlauben sie es sich ständig, trotz nachweisbarer somatischer Schäden nur wegen des Fehlens einer nachweislichen Ursache die Patienten zu beleidigen?

    Was für eine Art Skeptiker sind sie, dass sie die Verantwortung für den Stand der Forschung bei den Patienten lokalisieren? Das ist absurd.

    Sollen die ihr Leid klaglos ertragen, bis klar ist, ob die Ursache mehr mit Entzündungen, bzw. dem Endothel zu tun hat (https://translational-medicine.biomedcentral.com/articles/10.1186/s12967-022-03346-2), den Mitochondrien oder einem anderen entzündlichen/autoimmunen Faktor?
    Wer sind sie, das in einer solchen Lautstärke zu fordern?

    Ihre Abwertung einer Therapie, die mit Pausen (und affirmativem Ansatz) das Leid der Betroffenen reduziert – und damit die Chance auf Heilung erhöht – ist bislang vollkommen unfundiert gewesen.

    Sie weichen aus, beleidigen und bezeichnen die Betroffenen als das Problem. Sie stigmatisieren.

    Aber sie argumentieren nicht praxisorientiert, da ihnen der „Rückhalt der Forschung“ fehlt. Nun, das haben sie mit den Betroffenen gemeinsam.

    Sie leugnen den Konsens, der über die Vorteile des „Pacings“ – der Eigenermächtigung durch das Einhalten/Erlernen von Pausen – besteht. Und genieren sich nicht, ihr Unwissen öffentlich zu machen („Kasteiung“…)

    Das können wir uns sparen; hier geht es offensichtlich nicht um Erkenntnisgewinn, hier geht es um die Enttäuschung darüber, dass Frau Grams angeblich vom Glauben abgefallen sei.

    Peinlich.

  109. Moin,

    ich bin durchaus erstaunt, dass hier von „beiden Seiten“ der eigentlich überkommene Dualismus psychogen/somatisch vertreten wird.

    Die Vertreter der Enzephalitis-Hypothese fühlen sich in die „Psycho-Ecke abgeschoben“ (warum eigentlich nicht in die „Neuro-Ecke“…?), die Gegenseite erklärt, ohne Labor- oder Bildgebungsbefunde könne es keine organische Komponente geben und es müsse daher psychosomatisch sein.

    Bei der Schizophrenie, beispielsweise, ist ja auch ziemlich klar, dass die Symptomatik nicht ausschließlich psychogen erklärbar ist, dennoch gibt es keine spezifischen (f)MRT- oder Laborbefunde, die diagnostisch wegweisend wären. Bei der Schizophrenie ist die primäre Therapie trotzdem die Psychopharmakotherapie. Hinzu kommen psychoedukative und gezielte psychotherapeutische Maßnahmen.

    Bei Erschöpfungssyndromen (die Bezeichnung „ME“ ist sicher falsch) gibt es offenbar eine Gruppe von Pat., die von Training profitiert, eine andere profitiert vom Pacing. Hinweise, wer zu welcher Gruppe gehört, kann bspw. die Handkraftmessung liefern (1).

    Unabhängig von der Genese ist aber sowohl für das Training als auch das Pacing und die Bewältigung derzeit die psychotherapeutische Begleitung die sinnvollste, die wir ggw. haben.

    1. Jäkel B, Kedor C, Grabowski P, Wittke K, Thiel S, Scherbakov N, Doehner W, Scheibenbogen C, Freitag H. Hand grip strength and fatigability: correlation with clinical parameters and diagnostic suitability in ME/CFS. J Transl Med. 2021 Apr 19;19(1):159.

    https://pubmed.ncbi.nlm.nih.gov/33874961/

  110. @flydoc

    Moin,

    ich bin durchaus erstaunt, dass hier von „beiden Seiten“ der eigentlich überkommene Dualismus psychogen/somatisch vertreten wird.

    Ich habe mich bereits ähnlich geäußert, und zwar hier und hier. :)

  111. Die hier genannten Punkte sind die übergreifenden Charakteristika auch für funktionelle Störungen (nachzulesen z.B. in Hallet M et al: Functional Neurologic Disorders, Handbook of Clinical Neurology 3rd Series, Vol. 139, Elsevier 2016, oder Popkirow S: Funktionelle neurologische Störungen: Erkennen, verstehen, behandeln, Springer 2020). Ich glaube nicht, dass die Ähnlichkeiten zufällig sind.

    Noch zum „PEM“: es ist unvorhersehbar, es kann ausgelöst werden durch jeglichen banalen Reiz, die Latenz kann ganz unterschiedlich sein, und es ist auch in der Dauer unvorhersehbar (bis zu Monaten). Wenn ein Patient also sagt, es geht ihm schlecht, weil er vor 8 Wochen einmal schlecht geschlafen hat (einer der Trigger: „decreased sleep quantity/quality“), dann ist der Beweis eines „PEM“ erbracht. Aber für ein solches Symptom ist keine organische Basis mehr vorstellbar. Die Grundvoraussetzung dafür, ein Phänomen wissenschaftlich zu untersuchen, ist seine Reproduzierbarkeit und seine Abgrenzbarkeit (was gehört nicht mehr dazu). Die „MECFS“-Vertreter (bezeichnend, dass sie nicht auf die „Enzephalomyelitis“ verzichten) lassen diesbezüglich keinerlei Anstrengung erkennen. Ihr Ziel scheint die Hypergeneralisierung zu sein. Pacing ist keine Therapie, sondern nur die Aufforderung, sich zu schonen.
    https://www.mecfs.de/was-ist-me-cfs/pacing/

  112. @flyDoc – „Dualismus“ (i.S.v. „Entweder/Oder“)

    Da fühle ich mich jetzt missinterpretiert – ich bin durchaus für eine psychologische Unterstützung der Betroffenen, auch wenn ich es für eine somatische und keine psychiatrische/psychosomatische Krankheit halte.

    (Es wirkt sich auf die Betroffenen aus, dass ihnen nicht geglaubt wird, bzw. dass normale Anstrengungen es verschlimmern können. Daraus kann sich eine Krankheit aus dem psychosomatischen Formenkreis entwickeln. Die ist dann aber zusätzlich da und nicht die immer noch unbekannte Ursache für die ursprünglich belastende Symptomatik.)

    Wir leben in einer Leistungsgesellschaft und wenn man plötzlich darauf angewiesen ist, mit nur noch einem Bruchteil seiner normalen Kraft hauszuhalten, ist dies eine gigantische Belastung.

    Dafür braucht es Anleitung und Unterstützung, von Ärzten, Ergo-, Physio- und Psychotherapeuten.

    „Unabhängig von der Genese ist aber sowohl für das Training als auch das Pacing und die Bewältigung derzeit die psychotherapeutische Begleitung die sinnvollste, die wir ggw. haben.“

    Abgesehen davon, dass auch Ergotherapeuten mit auf die Liste gehören (Hirnleistungstraining) und Physios (denn weder Ärzte noch Psychotherapeuten trainieren mit Patienten, wie man Achsengerecht eine Treppe bewältigen kann), stimme ich dem voll zu.

  113. Gehört Pacing mittlerweile eigentlich zur Standardtherapie?
    Bei den gecheckten Kliniken, Tageskliniken, Reheeinrichtungen war es mal unter den angebotenen Therapieoptionen, mal nicht. Mal nur in einem Nebensatz.
    Ich verstehe das als Instrument der Selbstbehandlung. Auf der Grundlage von Selbstwahrnehmung und Selbsteinschätzung – da hat auch kein Außenstehender reinzureden. Zu viel Schaden könnte angerichtet werden mit einem Schubs oder einem Wort zuviel.

    Wo ich gerade dabei bin: für die Ermittlung der Pflegegrade gibt es bei dieser Krankheit auch noch keine Systematik.

  114. @Pelacani – „Pacing ist keine Therapie, sondern nur die Aufforderung, sich zu schonen.“

    Sie haben sehr offensichtlich nicht begriffen, was mit Pacing eigentlich gemeint ist.Und sie bemühen sich auch nicht im geringsten um eine angemessene Argumentation.

    „PEM ist vage, also ist Pacing Mist“ – was ist das für eine Aussage?

    Und dann ein link, den sie entweder nicht gelesen, oder nicht verstanden haben –

    „Ein Dilemma für Erkrankte ist, dass ihr Antrieb – anders als etwa beim Burnout oder der Depression – trotz körperlicher und kognitiver Einschränkungen nicht vermindert ist, sodass Überlastungen leicht passieren.“

    Der Antrieb ist nicht(!) verringert.

    Wie kann man gleichzeitig auf „affirmative Aktivisten“ (die müssten das Leistungsstreben doch dann befürworten?) schimpfen, aber Pacing als „nur die Aufforderung, sich zu schonen“ bezeichnen? Das macht doch gar keinen Sinn.

    Es geht beim Pacing nicht um eine „Anleitung zum Faul sein“. Es geht darum, Warnzeichen des Körpers frühzeitig wahrnehmen zu können, die Tätigkeiten, die man macht, auf eine für den Körper schonende Weise zu erledigen (achsengerechte Bewegung) und delegieren zu lernen.

    Mit dem Ziel, früher wieder auf ein höheres Leistungsniveau zu kommen. Und es wirkt.

    Diese Menschen wollen oft nicht im Bett liegen, sie wollen ihre Spülmaschine ausräumen können. Und „Pacing“ gibt genau für solche Fälle Hilfestellungen. (Maschine in verschiedenen Etappen ausräumen, sich dabei auf einen Hocker setzen, das Ausgeräumte erst sammeln und nicht einzeln einräumen…).

    Es geht nicht um Faulheit, es geht darum, nach dem Ausräumen der Spülmaschine die nächste Mahlzeit am Tisch – und nicht im Bett – einnehmen zu können.

  115. Ich schwöre, ich bin unschuldig. Ich habe nichts getan als nur das Orakel mecfs.de zu zitieren:

    Das Pacing selbst ist jedoch keine Therapie.14

    Und was ist es dann sonst als die Aufforderung, sich zu schonen?

    „Es geht nicht um Faulheit“

    Sondern um sich selbst erfüllende Prophezeiungen.

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