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Etsy: E-Commerce als „okkulte Einkaufsstraße“ für alle Wünsche

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Als hätte man die Winkelgasse aus Harry Potter auf dem Las Vegas Strip errichtet.

So beschreibt das Zeit-Magazin die okkulten Hinterhöfe der Handelsplattorm Etsy.

Vom „Jackpot-Zauber“ über den „stärksten Schutzzauber“, den „mächtigsten Todeszauber“ („nur noch 5 übrig“), den „Impotenzfluch“ und den „Perfekter Hintern-Zauber“ bis hin zum „Werwolf Transformations-Zauber“ findet sich dort die gesamte Welt der Online-Magie:

Und 25.155 Euro muss einem so ein „seltenes Ritual, ein Zauber, der durch verborgene magische Portale realisiert wird“ doch wert sein:

Für die ganz reale Anziehungskraft von diesem Nonsens hat Zeit-Redakteur Tim Geyer eine durchaus charmante Erklärung:

Begegnet uns Menschen etwas unerwartet Schönes, etwa wenn wir uns verlieben, sprechen wir manchmal von Magie. Wir fühlen uns dann kurz wie losgelöst von den Zwängen der Realität. Dieses Gefühl ist kostbar, weil man es nicht kaufen kann.

Doch weil Etsy-Hexen so tun, als sei das trotzdem möglich, ist es kein Wunder, dass sich Menschen an sie wenden.

Tatsächlich hat Geyer eine Getsy-Kundin aufgetan, die fest davon überzeugt ist, dass der faule Zauber funktioniert – für 15,44 Dollar habe eine Hexe ihren Nachbarn verflucht und ihn dazu gebracht, auszuziehen.

Blöd nur:

Ihre bevorzugte Hexe, die ihr mit dem unliebsamen Nachbar half, habe irgendwann nachgelassen. Wohl, weil sie zu erfolgreich war, deshalb ihre Kräfte auf zu viele Kunden verteilte, wodurch die Wirksamkeit der Zaubersprüche abnahm, glaubt sie.

So wird’s wohl sein.

Aber Moment mal – was ist das hier:

Dazu Tim Geyer:

Etsy will sich nicht konkret dazu äußern, bestätigt auf Anfrage aber das Verkaufsverbot von metaphysischen Dienstleistungen inklusive Zaubersprüchen. Hinweise auf Verstöße gegen diese Richtlinie werde man prüfen.

Heißt wohl übersetzt:

Dem US-Unternehmen ist dieses Voodootreiben völlig egal und es haftet für gar nichts. Im Zweifelsfall zieht sich der E-Commerce-Dienstleister darauf zurück, dass das alles bloß „Unterhaltung“ sei.

Zumal ab morgen (29. Juli) eine neue Richtlinie in Kraft tritt, in der von „Metaphysischen Dienstleistungen“ überhaupt keine Rede mehr ist. Jetzt gelten Einschränkungen nur noch für

… Produkte, die angeblich eine Krankheit oder einen medizinischen Zustand behandeln, verhindern, lindern, heilen oder diagnostizieren.

Wir verwetten trotzdem 12,14 Euro darauf, dass zum Beispiel dieser „Heilzauber“ auch im August noch bei Getsy zu finden sein wird.

Um das Thema „Magie“ geht es am Montagabend auch im WTF-Talk. Zudem beleuchtet das Redaktionsnetzwerk Deutschland (rnd) „das Geschäft mit dem Aberglauben“ beziehungsweise speziell den Heilsteine-Trend.

Zum Weiterlesen:

  • Unhaltbare Gesundheitsversprechen: Das Geschäft mit dem Aberglauben, rnd am 27. Juli 2024
  • Wahrsager-Urteil: Sowohl-als-auch, GWUP-Blog am 13. Januar 2011
  • Wahrsager und Co.: Auch wenn eine Leistung „unmöglich“ ist, kann man Geld dafür verlangen, GWUP-Blog am 15. Januar 2018
  • „Ein Gefühl von Kontrolle“: Die neuen Witchfluencerinnen aus der Hexen-Bubble bei TikTok, GWUP-Blog am 9. Juni 2023
  • Armut als Charakterschwäche: Der alte neue Hype um das „Manifestieren“ von Geld, GWUP-Blog am 2. Mai 2023
  • „Crystal Healing“: der neue Steinzeit-Trend, GWUP-Blog am 2. Mai 2024
  • Esoterik ist in, auch im Pop – aber der Grat zum Schwurbeltum ist schmal, br am 25. Juli 2024
  • Rechtsextreme Esoterik, bpb am 12. Juli 2024

4 Kommentare

  1. Wenn die richtigen Menschen mit dem richtigen Bewusstsein die richtigen Worte sprechen, verändert sich die Welt nicht.

    Magie ist das, was die Anderen tun. Mary Douglas, Reinheit und Gefährdung

  2. Mal eine kontroverse Sendung: der WTF-Talk zum Thema „Magie“ mit Luci van Org und Dirk-Boris Rödel.

    https://www.youtube.com/watch?v=V4-NjABXdkQ

  3. Wenn man einen Kulturwissenschaftler und jemand, die ein Buch geschrieben hat, das gerne gekauft wird und die glaubt, dass das aber auch Magie sei (Welcher Torpfosten wurde gleich zu Beginn verschoben?), in eine Sendung einlädt, wird es kontrovers. WTF

  4. @Carsten Ramsel:

    Ich fand’s gut, aber einige Zuschauer waren wohl etwas irritiert.

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