Beide [Baba Wanga, Nostradamus] können sich nicht wehren, sie sind längst tot. Die wirklichen Autoren dieses Unsinns bleiben in der Regel anonym, scheinen sich aber über die mediale Aufmerksamkeit zu freuen,
schreibt Michael Kunkel in der Prognosenauswertung der GWUP für das Jahr 2023, die soeben erschienen ist.
Recht hat er.
Von Baba Wanga selbst ist so gut wie nichts authentisch überliefert – nur die Berichte ihrer Nichte Krasimira Stojanowa. Die aktuell kursierenden „Prophezeiungen“ der 1996 gestorbenen Bulgarin sind weitgehend frei erfunden.
Auch was Nostradamus angeht, setzt sich die Tendenz der vergangenen Jahre fort, dass sich fast nichts mehr von seinen behaupteten Voraussagen tatsächlich in den „Centurien“ findet.
So fabulieren dieses Jahr zahlreiche Medien (zum Beispiel Merkur, Pravda TV, Aussiedlerbote etc.) einen „Tanz“ Putins „mit dem Schicksal“ herbei. Wo das in Nostradamus‘ Schriften stehen soll, bleibt rätselhaft.
Immerhin aber tauchen in den Centurien zwei „Leoparden“ auf:
Vers I.,23:
In etwa:
Im dritten Monat erhebt sich die Sonne, Eber und Leopard begeben sich auf das Schlachtfeld. Der müde Leopard richtet sich Auge zum Himmel, dort sieht man einen Adler um die Sonne herumtollen.
Und Vers VI.,20:
In etwa:
Die geheuchelte Union wird nur von kurzer Dauer sein. Die von den Veränderten mit der Mehrheit der Reformierten. In den Schiffen wird das Volk gedeuldet werden, wenn Rom einen neuen Leoparden haben wird.
Der Leopard ist ein häufig verwendetes Wappentier in der Heraldik und verkörperte zu Nostradamus‘ Lebzeiten vermutlich England. Was das nun mit Chinas Aufstieg zur „vorherrschenden Supermacht in der Welt“ anno 2024 zu tun haben soll, bleibt das Geheimnis von Pravda TV, Merkur und Co.
Wenigstens Sky History hat die „Centurien“ mal durchgeblättert und ist dabei auf „A new Pope in 2024?“ gestoßen:
In der Tat heißt es in Vers V.,56:
Beim Tod des sehr alten Pontifex wird ein Römer in gutem Alter gewählt werden. Der, von dem gesagt werden wird, dass er den Heiligen Stuhl schwächt und der diesen dennoch lange innehaben wird.
Der Astrologe Kurt Allgeier sah darin im Jahr 1999 rückblickend Pius XII. , der nach dem Tod des 82-jährigen Pius XI. gewählt wurde und „umstritten“ war wegen seiner Haltung „den Nazis und Faschisten gegenüber“.
Papst Franziskus ist bereits 86 Jahre alt. Mag sein, dass seine Regentschaft bald endet und nach drei Pontifikaten mal wieder ein Italiener zum Papst gewählt wird.
Das wäre dann wenigstens ein Treffer, den die Orakel-Zunft praktisch im Vorbeigehen mitnehmen kann – nachdem sie im zu Ende gehenden Jahr mal wieder ziemlich abgeloost hat.
Übrigens ist heute der 520. Geburtstag von Nostradamus. Dazu gibt es ein Interview mit mir bei Deutschlandfunk Kultur.
Zum Weiterlesen:
- Prognosencheck 2023: Keine Änderung der Erdumlaufbahn, GWUP-News am 14. Dezember 2023
- Prognosen 2022: Die Queen ist tot, die Hellseher hatten recht, GWUP-Blog am 15. Dezember 2022
- Nostradamus und seine Schreckensprophezeiungen für das Jahr 2023, GWUP-Blog am 26. Dezember 2022
- Nostradamus und seine Schreckensprophezeiungen für das Jahr 2022, GWUP-Blog am 15. Januar 2022
- „Die berühmte bulgarische Seherin Baba Wanga“, GWUP-Blog am 2. Januar 2022
- Mühlhiasl, Irlmaier und Co: Die Angstmacher sind wieder da, GWUP-Blog am 11. Juni 2016
- Nostradamus: Das „Wesen, halb Schwein, halb Mensch“ – ein Soldat mit Gasmaske im Ersten Weltkrieg? GWUP-Blog am 2. Juli 2016
- Wie eine Diashow: Besuch bei einer Promi-„Seherin“, GWUP-Blog am 22. März 2023
- Vor 520 Jahren – der Arzt und Astrologe Nostradamus geboren, Deutschlandfunk am 14. Dezember 2023
- Nostradamus: Genie oder Scharlatan? Deutschlandfunk am 14. Dezember 2023
- Mythos Nostradamus – Warum Apokalypse-Vorstellungen boomen, Deutschlandfunk am 14. Dezember 2023
15. Dezember 2023 um 10:57
Warum erscheinen die Zitate aus den Centurien hier auf Englisch?
17. Dezember 2023 um 07:47
Weil die Textquelle in diesem Fall auf Englisch ist.
Das Original (z.B. bei Wikisource) dürften manche Leute nicht verstehen, Englisch ist da zugänglicher.