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„Völlig wirrer Karma-Kosmos“ der Anthroposophen existiert natürlich bloß „scheinbar“

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Das #AnthroBeben geht weiter – so heftig, dass Welt+ sich offenbar dazu berufen fühlt, zur großen Steiner-Apologetik anzuheben.

Den „Vorwurf der Schrulligkeit“ habe es schon zu Lebzeiten des Anthroposophie-Erfinders gegeben, liest man in dem Rechtsfertigungspamphlet „Lieblingsfeind Rudolf Steiner“ von Philip Kovce und Wolfgang Müller.

Dabei habe Steiner doch lediglich „mit unerhörter Konkretion“ das „Geistige“ gedacht und sich gegen einen „eindimensionalen, triumphalen Materialismus“ gewandt.

Bester Satz:

„Ohne jeden Versuch des Verstehens“ könne man natürlich „aus dem Zusammenhang gerissene oder gar entstellte Steiner-Zitate zu einem scheinbar völlig wirren Karma-Kosmos montieren“.

Aha. So vielleicht?

„Wirrer Karma-Kosmos“ trifft das ziemlich gut. Danke für diese schöne Formulierung.

Und ob „die selbsternannten Aufklärer“ (darunter verstehen Kovce und Müller „Vertreter der sogenannten Skeptiker-Bewegung mit ihrem schmalspurigen Szientismus“) dabei wirklich „übersehen, dass der Grundimpuls der Anthroposophie keine Abkehr von der Wissenschaft, sondern deren Erweiterung und Vertiefung bedeutet“, lassen wir mal dahingestellt.

Beziehungsweise schauen wir uns mal diesen „Schulheilpraktiker“ an der Freien Waldorfschule Halle an:

„Wesensglieder“ (Äther- und Astralleibe) und deren „Diagnostik“ als Erweiterung und Vertiefung der Wissenschaft?

Ja ne, is klar. Aber sicher ist auch das jetzt wieder „aus dem Zusammenhang gerissen“ oder „gar entstellt“.

Oder auch nicht, denn die schöne heile Waldorf-Welt bekommt immer mehr Risse, zum Beispiel

Ist Anthroposophie gefährlich?

fragt denn auch detektor.fm in einem aktuellen Podcast (zirka zehn Minuten) mit Oliver Rautenberg

… und Natalie Grams:

Die Anhängerschaft der anthroposophischen Weltanschauung fällt vor allem seit der Corona-Pandemie vermehrt negativ auf. Wie gefährlich ist die Ideologie?

Aber nicht doch. Rudolf Steiner war doch bloß ein bisschen schrullig.

Oder so.

Zum Weiterlesen:

  • Ist Anthroposophie gefährlich? detektor.fm am 3. Januar 2023
  • Die „Fakteninquisition“: Jan Böhmermann nimmt sich im ZDF Magazin Royale Anthroposophie und Waldorf-Pädagogik vor, GWUP-Blog am 18. November 2022
  • Anthroposophen decken die „skeptischen Netzwerke“ auf – zur Belohnung gibt es denen neuen Podcast Waldorfsalat, GWUP-Blog am 3. November 2022
  • Esoterik an Waldorfschulen: Falscher Filz, zeit.de am 13. Dezember 2022
  • Münsteraner Memorandum „Anthroposophische Medizin“, GWUP-Blog am 12. Dezember 2022

5 Kommentare

  1. Business as usual – die üblichen Steiner-Apologie-Plattitüden. Nicht mehr.

    Zudem in einem hilflosen Rechtfertigungs-Duktus vorgetragen, der eigentlich den journalistischen Standards selbst der WELT (ich vermute, sie hat noch ein paar) nicht hätte durchgehen dürfen.

    Jedoch: ein deutliches Zeichen dafür, dass die Anthroposophie beginnt zu realisieren, dass ihre Position als gut getarnte esoterische Weltanschauungsgemeinschaft mit Wirtschaftsimperium (ich formuliere das mal ganz höflich) inzwischen hinterfragt wird.

    Sicher ein ganz neues Erlebnis. Es sei ihnen gegönnt.

    Vielleicht finden sie ja noch mal einen Duktus der Verteidigung, der zumindest als Diskussionsbasis akzeptabel wäre (glaube ich allerdings nicht, nach all den Erfahrungen mit den Homöopathen).

    Aber so wie hier in der WELT? Oder gar, wie wir es auch erleben, in martialischem Duktus gleich mit einer Verschwörungstheorie aufwarten? Auch nicht.

    Zur anthroposophischen Medizin kann man beim „Susannchen“ lesen:

    „Hahnemann versuchte eine naturwissenschaftliche Positionierung unter den Bedingungen seiner Zeit, die esoterischen Anwandlungen in seiner Methode sind Rückgriffe auf frühere Vorstellungen mangels anderer Erklärungsmodelle. Bei der Anthroposophie ist es grundlegend anders. Dort wird aus einem ganz neu entwickelten (na ja, teils auch eklektizistisch zusammengesuchten) okkult-esoterischen Grundbestand an Ideen und Vorstellungen alles mögliche herausentwickelt – auch ein medizinischer ‚Ansatz‘ „.

    Ergo: Steiner ging – 100 Jahre nach diesem – noch weit hinter Hahnemann zurück und bediente sich ganz bewusst in der esoterischen Kramkiste vergangener Zeiten.

    Und das nennen die Anthroposophen heute „Erweiterung der Wissenschaft“.

  2. Ich sehe das positiv. Die Wissenschaft(en) und die Vernunft sind der (einzige) gesellschaftlich akzeptierte Bezugsrahmen, welchen (nicht nur) die anthroposophische Esoterik gerne in ihrem Sinne erweitern möchte.

    So lange sie sich selbst derartig demaskieren, bleibe ich ziemlich gelassen. Öffentlicher Widerspruch bliebt natürlich nötig.

  3. Nur als Randnotiz: Die prokrustierte Überschrift

    „Völlig wirrer Karma-Kosmos“ der Anthroposophen existiert natürlich.

    wäre ein statement, das eindeutig als Reaktion von Anthroposophen auf den (empfundenen) Angriff ‚Völlig wirrer Karma-Kosmos‘ eingeordnet werden kann: den Angriff als Zitat gebracht, das Angegriffene verteidigend als naturgegeben deklariert.

    Das in der Überschrift wohl ausgedrückt werden sollende dürfte eher

    Der „Karma-Kosmos“ der Anthroposophen ist selbstverständlich nur „scheinbar völlig wirr“.

    zu formulieren sein: die beiden Zitate aus dem Artikel mit süffisantem Hinweis, wie erwartet doch diese Reaktion auf den aktuell stärkeren Gegenwind war.

  4. @ Joseph Kuhn

    Danke für das warnende Beispiel! Viel wirrer geht es ja nun kaum mehr…

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