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Münsteraner Memorandum „Anthroposophische Medizin“

| 11 Kommentare

Der Münsteraner Kreis hat ein Memorandum zum Thema

Anthroposophische Medizin

publiziert.

Als Autoren zeichnen Prof. Oliver R. Scholz und Prof. Norbert Schmacke.

In der 17-seitigen Stellungnahme geht es zunächst um den Erfinder der Anthroposophie, Rudolf Steiner, der „bis heute gerne als vielseitig ausgebildeter Wissenschaftler und bedeutender Philosoph dargestellt“ werde:

In den Veröffentlichungen der anthroposophischen Bewegung wird er als einer der bedeutendsten Denker der Menschheit – und zwar nicht nur als der größte Esoteriker des 20. Jahrhunderts, sondern ausdrücklich auch als herausragender Wissenschaftler und Philosoph – ausgegeben.

Dieses Bild ändere sich allerdings, wenn man die Details kenne.

Nüchtern betrachtet sei Steiner weder ein Naturwissenschaftler noch ein Sozialwissenschaftler noch ein Geisteswissenschaftler im allgemein anerkannten Sinne gewesen, „sondern unter dem Strich ein radikaler Wissenschaftsgegner und Wissenschaftsleugner“.

Entsprechend verheerend fällt das Urteil der Autoren über die Anthroposophische Medizin aus:

Die sich auf Steiner berufende Anthroposophische Medizin entbehrt jeder Rationalität und ist mit ihrer wissenschaftsaversen und ausgeprägt esoterischen Grundausrichtung für Kranke und Ratsuchende nutzlos bis gefährlich.

Völlig unverständlich ist daher der gesetzliche Schutzmantel der „Besonderen Therapierichtungen“ um die Steinerschen Wahnideen, dessen Aufhebung Scholz und Schmacke denn auch explizit fordern.

Zum Weiterlesen:

  • Münsteraner Memorandum „Anthroposophische Medizin“ (November 2022)
  • Wider die These vom „Besten beider Welten“: Das neue Münsteraner Memorandum zum Thema Integrative Medizin, GWUP-Blog am 23. November 2022
  • Die „Fakteninquisition“: Jan Böhmermann nimmt sich im ZDF Magazin Royale Anthroposophie und Waldorf-Pädagogik vor, GWUP-Blog am 18. November 2022
  • Anthroposophische Medizin: Natalie Grams zu Gast beim Podcast „Waldorfsalat“, GWUP-Blog am 20. November 2022

11 Kommentare

  1. Gibt es Evidenz zu der Aussage „…bis gefährlich“? Oder ist das einfach eine Mutmaßung. Ich habe da keine Quellen gefunden, die das belegen.

    Hans-Peter Krause-Batz
    GWUP Mitglied und Waldorflehrer im Ruhestand

  2. @Hans-Peter Krause-Batz:

    Soweit ich sehe auf Seite 14.

  3. @ Hans-Peter Krause-Batz:

    Es gibt wenig unabhängige Literatur zu Nutzen und Risiken der anthroposophischen Medizin. Ernst 2008:

    „The effectiveness of single aspects or the total concept of AM has not been scientifically proven. The safety of AM is at least in some areas questionable.“

    Ein gut belegtes Risiko ist die Impfskepsis in anthroposophischen Kreisen.

    Seit langem ist bekannt, dass es in Waldorf-Einrichtungen gehäuft Masernausbrüche gibt, auch solche mit ernsten Folgen, und die Haltung gegenüber Corona ist ebenfalls von Verharmlosung geprägt.

  4. @ Joseph Kuhn:

    „Ein gut belegtes Risiko ist die Impfskepsis in anthroposophischen Kreisen. Seit langem ist bekannt, dass es in Waldorf-Einrichtungen gehäuft Masernausbrüche gibt, auch solche mit ernsten Folgen, und die Haltung gegenüber Corona ist ebenfalls von Verharmlosung geprägt.“

    Dies sehe ich genau so. Seit Jahren argumentiere ich gegen diese Haltung.

    Meine ehemalige Schule hat eine eindeutige Masernimpfempfehlung ausgesprochen. Dies haben wir auch nach außen so vertreten (Gütersloher Waldorfschule). Die Coronaverharmloser waren ein kleiner, aber sehr lauter und nerviger Teil der Anthroposophen.

    Zum Glück hört man so gut wie gar nichts mehr von ihnen.

    @Bernd Harder:

    Danke für den Hinweis. Ich fasse kurz zusammen (Seite 13/14)

    „Am weitesten verbreitet ist die anthroposophische Zahnmedizin vermutlich mit dem Thema der durchbrechenden Zähne. Hier werden vor allem homöopathische Komplexmittel unter Einschluss von Belladonna zum Auftragen auf die Kieferreihen empfohlen,…“ „Die jetzigen Mittel enthielten nach Herstellerangabe Belladonna D6 bzw. D12. In dieser Verdünnung wäre auch bei Überdosierung keine Wirkung/Nebenwirkung mehr möglich gewesen. Am 27. Januar 20 17 bestätigte die FDA jedoch, dass laut ihren Laboranalysen die homöopathischen Präparate erneut „uneinheitliche Mengen an Belladonna […], enthielten, die teilweise die auf dem Etikett angegebene Menge überstiegen“

    Frage: Ist dies auch bei den Weledapräparaten festgestellt worden?

    Diagnose Zahnabszess:

    „Die Behandlung beinhaltet die Entfernung des infizierten Gewebes vom Zahn und die Ableitung des Eiters. Möglicherweise werden Antibiotika benötigt. Die meisten Betroffenen erholen sich nach erfolgter Behandlung gut.“

    Frage: Beinhaltet die anthroposophische Empfehlung das Weglassen der, bei entsprechender Indikation, notwendigen Antibiotika Behandlung?

    Zusatzfragen: Wie viele Patienten sind durch die obige anthroposophische Zahnbehandlung gestorben? Was wäre das zu erwartende Mittelmaß an Toten bei Zahnabszessen?

    Ist meine Zusammenfassung korrekt?

  5. @Hans-Peter Krause-Batz:

    Ist meine Zusammenfassung korrekt?

    Ich bin nicht der Autor des Memorandums. Ich kann versuchen, die Frage dorthin weiterzugeben.

  6. Zur Zahnmedizin s. https://publikum.net/anthroposophische-zahnmedizin-az/

    Zur Gefährlichkeit der AM:

    Es geht hier vor allem um die Nähe zum Rechtsextremismus – eine Assoziation, die vor allem von Frau Lamberty und Frau Nocun gut belegt worden ist („Gefährlicher Glaube“, quadriga Verlag 2022).

    Im engeren Sinne medizinisch gefährlich wie bei Homöopathie % Co -zigfach diskutiert durch Unterlassen nutzenstiftender Medizin.

  7. @Hans-Peter Krause-Batz:

    „Frage: Beinhaltet die anthroposophische Empfehlung das Weglassen der, bei entsprechender Indikation, notwendigen Antibiotika Behandlung?“

    Da zur Behandlung Hochpotenzen, also Homöopathika, vorgeschlagen wurden gelten ja wohl auch alle Regeln einer homöopathischen Behandlung. Die beinhalten das keine konventionellen Medikamente gegeben werden dürfen da diese die „feinstöffliche Wirkung“ beeinträchtigen (laut Hahnemann).

    Aus meiner Sicht die Antwort auf ihre Frage: Ein klares JA.

    „Zusatzfragen: Wie viele Patienten sind durch die obige anthroposophische Zahnbehandlung gestorben?“

    Gefahr muss nicht zwangsweise Tod bedeuten. Wenn man wegen unbehandeltem Abszess unnötig Zähne und Kiefersubstanz verliert, ist das schlimm genug.

  8. Um mal über die Praxis zu reden. Ich bin kein Antrophosoph, noch war ich auf einer Rudolf-Steiner-Schule. Ich kenne zwei Kliniken, die anthroposophisch angehaucht sind. Zum einen das Gemeinschaftskrankenhaus in Herdecke, wo man sich zum Beispiel zur sanften Geburt bekennt und es bei Steißlagen auch schon mal mit der natürlichen Geburt versucht, zum anderen die Universitätszahnklinik in Witten, wo man Zähne lieber rettet als zieht, und die Studenten in Hagen Obdachlose behandeln läßt. Ich empfinde beide Krankenhäuser als überdurchschnittlich menschlich und freundlich, sowie technisch überdurchschnittlich gut.

    Von Weleda kenne ich insbesondere das Arnika-Öl. Das Unternehmen Weleda stellte sich hinter Impfungen und Testungen, und es erlaubte sich nebenbei auch den allgemeinen Hinweis, dass das Überspringen von Seuchen auch ein Problem der Massentierhaltung sei, ferner schrieb man: „Aus dem anthroposophischen Krankenhaus Havelhöhe in Berlin, das ja auch eine Corona-Intensivstation hat, bekommen wir unmittelbar mit, welche schweren Verläufe die Erkrankung nehmen kann.“

    Wenn solche Anthrosophen heimlich an die Wiedergeburt glauben, oder dergleichen, dann hab ich damit jetzt weniger ein Problem. Schamanen und Druiden und Reichsbürger sind mir persönlich da noch nicht begegnet, aber für sachdienliche Hinweise bin ich da immer dankbar.

  9. @Simplicius:

    Ich kenne zwei Kliniken … Von Weleda kenne ich insbesondere das Arnika-Öl …

    Wie schön für Sie. Ich kenne auch einen dm-drogerie markt. Ich habe die Verkäuferin noch nicht gefragt, ob sie an Wiedergeburt glaubt. Vermutlich nicht.

  10. @ Simplicius:

    Man kann vermutlich in anthroposophischen Kliniken so gut oder so schlecht behandelt werden wie z.B. in christlich getragenen Krankenhäusern, ohne die Weltanschauung der Träger akzeptieren zu müssen.

    Aber man sollte darüber die mit diesen Bindungen einhergehenden Probleme nicht übersehen. Im Zusammenhang mit dem Geschäftsführer des anthroposophischen Krankenhauses Havelhöhe z.B. solche Aktivitäten:

    https://blog.gwup.net/2022/05/07/die-schock-studie-der-charitezu-corona-impfschaeden-viel-laerm-um-wenig/

    Was wiederum nicht ausschließt, dass Harald Matthes ein guter Gastroenterologe sein mag, oder ein im Klosterladen gekaufter Schlehenlikör auch einer atheistischen Zunge schmeckt.

    Anders formuliert: Man sollte nicht zu grobkörnig in Schwarz-Weiß einteilen, aber auch nicht alles zur Indifferenz bringen, sondern Probleme, die es gibt, als solche benennen.

  11. @Norbert Schmacke:

    Ich hätte doch die Bitte, die Eingangsformulierung ein wenig zu ändern, anstatt „ist mit ihrer wissenschaftsaversen und ausgeprägt esoterischen Grundausrichtung für Kranke und Ratsuchende nutzlos bis gefährlich.“ in „ist… nutzlos bis möglicherweise gefährlich.“ oder einer ähnlichen Formulierung.

    Begründung: In den letzten drei Jahren habe ich zig Papers bez. der Pandemie gelesen. Bewundert habe ich da die präzise Formulierung.

    Im Gegensatz zur Homöopathie versteht sich die Anthroposophische Medizin als Erweiterung und nicht als Ersatz der normalen Medizin. Gefährlich kann die Anthroposophische Medizin nur werden, wenn die üblichen Therapierichtlinien ignoriert werden und wirksame Therapien unterlassen werden.

    Jetzt ist das Münsteraner Memorandum auch in den Foren auf Facebook angekommen. Die Diskussionen sind da durchaus sachlich. Es wurden die ganzen Links zu anthroposophischen und homöopathischen Forschungen gepostet. Einiges kannte ich schon.

    Was mir auffiel war, dass von homöopathischer Seite der Stil polemischer war als bei den Skeptikern. Auch fehlte mir die bis in Detail gehende Argumentation. Die entsprechenden Ausführungen von Norbert Aust waren für mich vorbildlich.

    In den Papers zur Homöopathie fand ich den öfters gelesenen Satz gut „and suggest that larger sample sizes be used in future homeopathic research to ensure adequate statistical power.“ Das zeigte, dass sich die Autoren durchaus der Problematik der kleinen Kohorten Größe bewusst sind.

    „Es geht hier vor allem um die Nähe zum Rechtsextremismus“ diese Diskussion würde ich hier ungern ausweiten. Nur soviel, ich habe zweimal persönlich mitbekommen wie ein „rechtsextremer“ Waldorflehrer gekündigt wurde. Der Mindener Lehre Schöppe wurde für Waldorfverhältnisse relativ zügig gekündigt.

    Da tat sich der Staat etwas schwerer bei der Kündigung des „Volkslehrer Nerling“. Ansonsten kann ich nur auf Ansgar Martins und Arfst Wagner verweisen, die sich sehr gut mit dem Thema auskennen.

    @Josef Kuhn den Link zu „Corona verstehen – evidenzbasiert“ habe ich in so gut wie allen Anthro Foren gepostet.

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