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„Wo hatten die Reviewer ihre fünf Sinne“, als sie diese Arbeit zu Homöopathie und ADHS begutachteten?

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Vor sechs Tagen hat der kanadische Gesundheitswissenschaftler Timothy Caulfield auf einen Artikel in dem Journal Pediatric Research hingewiesen, das von der renommierten Springer Nature Publishing Group herausgegeben wird.

Der „Systematic Review“ zeigt angeblich, dass

… Individualized homeopathy showed a clinically relevant and statistically robust effect in the treatment of ADHD [ADHS].

Als senior author der Arbeit zeichnet Harald Walach.

Caulfield wollte darauf wetten, dass die Reviewer wohl „homeopaths (or parapsychologists?)“ sein müssten, um so etwas durchzuwinken.

Wir wissen es nicht – aber wie auch immer haben die Gutachter eine Menge übersehen. Und nicht nur die Falschbehauptung in der „Introduction“, dass Homöopathie „clinically effective“ sei.

Alles weitere hat das INH zusammengetragen.

Spoiler:

Es bleibt als Fazit, dass dieser Review die Hindernisse für eine Veröffentlichung in einem renommierten Journal nicht hätte nehmen dürfen. Ob dem Journal das vermittelt werden könnte, wäre eine noch zu klärende Frage.

Zum Weiterlesen:

  • ADHS und Homöopathie – ein neuer Review. Was ist dran? INH am 20. Juni 2022
  • Walach’s new meta-analysis of homeopathy revisited, edzardernst am 20. Juni 2022
  • FAS: Globuli ins Süßwarenregal, GWUP-Blog am 14. Juni 2022
  • „Wissenschaftliche Höchststrafe“: Auch Walachs Masken-Studie ist zurückgezogen worden, GWUP-Blog am 16. Juli 2021
  • Harald Walach, der fortgeschrittene Verschwörungstheoretiker, Gesundheits-Check am 12. Juni 2022
  • John Ioannidis und Harald Walach: Wenn zusammenwächst, was nicht zusammengehört, Gesundheits-Check am 19. Juni 2022

10 Kommentare

  1. Die Antwort auf die Frage, wo die Reviewer ihre fünf Sinne hatten, hilft nur bedingt weiter. Mit Sehen, Hören, Riechen, Schmecken und Tasten lässt sich ein Artikel meist nicht begutachten ;-)

    Aber wo hatten sie ihren Sachverstand?

    Nur nebenbei bemerkt: Herr Teut arbeitet an dem Institut, an dem auch Herr Matthes arbeitet:

    https://blog.gwup.net/tag/harald-matthes/

  2. Wie wäre es denn, die Diagnose ADHS in vielen Fällen ebenfalls ins Reich der Pseudomedizin rüberzuschieben?
    Dann passt es nämlich wieder.
    Noch mehr mit Ritalin abgefüllte Kinder und Jugendliche möchte ich eigentlich nicht sehen.
    Und wenn man ihnen dann wirkungslose Mittel verabreicht, sich aber endlich mit ihnen beschäftigt, könnte das tatsächlich m.E. sinnvoll sein.
    Mir ist klar, dass ich damit ein klassisches Argument bringe, das Homöopathiegläubige und -verteidiger nur zu gerne nutzen.
    Dennoch könnte es sich lohnen gerade bei ADHS darüber nachzudenken, ob da im Bereich der wirksamen Medizin nicht einiges grundsätzlich schief gelaufen ist.

  3. @Alisier

    Welches Argument?

  4. Die Diagnose kann man nicht einfach als „Pseudomedizin“ abtun:

    https://www.neurologen-und-psychiater-im-netz.org/kinder-jugendpsychiatrie-psychosomatik-und-psychotherapie/stoerungen-erkrankungen/aufmerksamkeitsdefizit-hyperaktivitaets-stoerung-adhs

    Zum Trend der Methylphenidat-Verordnungen bei Kindern: „The ever-increasing prescription of ADHD medicines stopped some years ago for children“, siehe https://link.springer.com/article/10.1007/s00228-020-02948-3

  5. @Alisier

    Sorry, aber da liegen sie komplett schief. Es gab eine Zeit, da wurde die Diagnose ADHS oft voreilig gestellt und unsachgemäß behandelt, das mag wohl sein. Was aber auch für -zig andere Erkrankungen gilt.

    Aber wussten Sie, dass die Behandlungsleitlinien für AHDS sowohl Diagnostik als auch Therapie nur noch fachlich besonders ausgebildeten Kinder- und Jugendpsychologen und Neurologen mit Zusatzqualifikation ermöglichen, nicht mehr wie früher dem Hausarzt „zwischen Tür und Angel“?

    Dass die Diagnosekriteren nach dem ICM- und dem DSM-Manual außerordentlich streng sind und verlangen, dass die Diagnostik mindestens über ein halbes Jahr beobachtet werden muss?

    Wussten Sie, dass eine allein medikamentöse Therapie (Ritalin, ja, ja) nach den Leitlinien gar nicht zulässig ist, sondern IMMER von einer psychotherapeutischen und sozialtherapeutischen Begleitung flankiert werden muss? (Dass es einzelne Ausnahmen geben mag, ist aber nur dem Mangel an Behandlungsplätzen geschuldet und nicht der „ärztlichen Kunst“.)

    Und dass nur eine Minderheit der mit ADHS diagnostizierten Kinder und Jugendlichen überhaupt eine Medikation erhält? Und selbst diese Gruppe bis zum 21. Lebensjahr auf eine marginale Größenordnung zusammenschrumpft?

    Dass es zwei Typen von kleinen und heranwachsenden ADHS-PatientInnen gibt, von denen eine eher verschlossen und introvertiert ist (wobei es schwierig ist, das von Autismus abzugrenzen, dass es aber Autismus und ADHS durchaus gleichzeitig gibt – übrigens auch bei Erwachsenen)?

    Und dass inzwischen mit einigem Recht vermutet wird, dass ADHS von einem Dopaminmangel im Gehirn herrührt und die hyperaktiven Äußerungen vermutlich ein Versuch des Organismus sind, den Dopaminstoffwechsel durch eine Art Dauererregung zu stimulieren – der Punkt, an dem das Stimulans Ritalin arzneilich ansetzt?

    Nein, ADHS ist weder gar keine noch eine Modediagnose.

    Es ist eine inzwischen gut erforschte psychische Erkrankung, wahrscheinlich mit einer organischen Komponente (Dopaminstörung), die wegen des enormen Leidensdrucks, die sie für Betroffene und ihr Umfeld erzeugen kann, dringend behandlungsbedürftig ist. Natürlich nicht von Scharlatanen, die das mit Homöopathie versuchen.

    Zu all dem siehe auch meinen Artikel zur „Behandlung“ von ADHS mit Homöopathie im „Skeptiker“ 1/2020.

  6. Apotekene tvinges til å selge homøopatimedisiner. Det vil de ikke lenger.

    https://www.nrk.no/trondelag/apotekene-vil-ikke-tvinges-til-a-selge-homoopatimedisiner-lenger-1.16002132

    Heißt:

    Globukalypse Norwegen: Apothekerverband will Ende der Apothekenpflicht für Homöopathie. Pharmazeuten-Verband stimmt zu: „Zucker und Wasser“ zu verkaufen widerspreche ihrer Professionalität. Norwegische Arzneimittelbehörde erwägt Ende der Lieferpflicht.

    https://twitter.com/AnthroBlogger/status/1539940578603012096

  7. @Bernd Harder:

    Neben dem krachenden Scheitern des Versuchs, Homöopathie ins Gesundheitssystem zu bringen, in Schweden sehen wir hier wohl ein weiteres Ergebnis der „Marketingoffensive Skandinavien“, die dem Vernehmen nach vor einiger Zeit von der Homöopathielobby gestartet wurde. Neue Märkte braucht der Zucker…

    In Norwegen sehen wir, was geschieht, wenn nicht Gesetzgebung, Apothekerschaft und Krankenkassen eine Barriere der Desinformation über Homöopathie aufrechterhalten. Die Leute sind nicht dumm. Der Umsatz hat sich binnen zehn Jahren dort völlig marginalisiert (Rückgang von mehr als 80 Prozent).

    Und die Homöopathie-Lobby winkt immer verzweifelter mit ihren Behauptungs-Fähnchen, die nicht dem kleinsten Wind standhalten. Heute wieder bei der DHU zu beobachten.

    https://twitter.com/dhu_de/status/1539882239709876224

  8. Pingback: De linke weekendbijlage (26-2022) - Kloptdatwel?

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