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Das „#Fakebuch“ – und warum an der „Querdenken“-Bewegung so gar nichts zum Lachen ist

| 5 Kommentare

Der Goldene Aluhut empfiehlt das neue Buch

#FAKE – Wie du gefährliche Lügen, Abzocke und Gefahren im Internet erkennst, durchschaust und meidest

des Online-Experten Felix Beilharz.

Es geht darin nicht nur um Fake News und Verschwörunsgtheorien, sondern auch um Shops, Gewinnspiele, gefälschte Profile, Ferienhausanbieter, Kundenbewertungen und vieles mehr.

Die Webseite dazu ist zwar so aufdringlich überladen mit Testimonials, Aktionen, Gewinnspielen etc., dass man sie selbst für einen Fake halten könnte – aber sei’s drum. Vielleicht ist das ja auch Absicht.

Apropos Goldener Aluhut:

Dort ist gerade ein interessanter Artikel über den Umgang mit Verschwörungsgläubigen im unmittelbaren persönlichen Umfeld erschienen:

Mein alter, hochintelligenter Freund ein Pandemieleugner? Wie das? Die Pandemie war doch im wahrsten Sinne des Wortes erfüllt. Hierzu reichte ein Blick auf die weltweiten Neuinfektionszahlen der Johns-Hopkins-Universität (JHU). Und die Auswirkungen der Pandemie wurden in Fernsehen und Presse täglich vor Augen geführt.

Am Ende ist dem Autor „ein Belächeln der Querdenker […] gründlich vergangen“:

Inzwischen reagiere ich schon allergisch, wenn ich auch nur eine milde Form querdenkerischer Thesen höre.

Nichts zum Lachen hat auch CeMAS bei einer Analyse der „Querdenker“-Phantastereien von einer Neuauflage der „Nürnberger Prozesse“ gefunden.

Rufe nach Tribunalen, nach Militärgerichten und einem „Nürnberg 2.0” werden im verschwörungsideologischen Milieu auf Telegram immer lauter – das bestätigen unsere Analysen einschlägiger Kanäle und Gruppen. Damit einher geht oft eine Rachephantasie: Man könne so die Menschen bestrafen, welche man als Schuldige für individuelles oder gesellschaftliches Leiden identifiziert habe.

Die angeblichen Drahtzieher:innen der Verschwörung sollen im Rahmen der Tribunale – eigenmächtig oder mittels Unterstützer:innen – zur Rechenschaft gezogen werden.

Die Aufladung der Gegenseite als das absolut Böse sowie die Darstellung der Maßnahmen zur Eindämmung der Pandemie als „Verbrechen gegen die Menschlichkeit“ rechtfertigen innerhalb des verschwörungsideologischen Milieus ein härteres Vorgehen gegen die vermeintlichen Verschwörer:innen.

Die Forderungen richten sich nicht nach demokratisch legitimierten Gerichtsprozessen, sondern nach selbst initiierten Tribunalen oder einem „Nürnberg 2.0“. Der Vergleich mit den historischen Prozessen ist dabei nicht zufällig gewählt, sondern soll andeuten: Wer sich so verhält, muss auch mit den schlimmsten Konsequenzen rechnen – bis zur Todesstrafe.

Zum Weiterlesen:

  • Kontroverse mit einem Pandemieleugner, Der goldene Aluhut am 5. Juli 2021
  • Nürnberg 2.0 und andere geschichtsrevisionistische Chiffren in verschwörungsideologischen Milieus, cemas am 5. Juli 2021
  • Video: „Im Gespräch bleiben mit Verschwörungsgläubigen“, GWUP-Blog am 21. Juni 2021
  • Schwurbler auf Speed: Jebsen und Schrang im „Interview des Jahres“ und Neues von den „Querdenken“-Klagen, GWUP-Blog am 12. Juni 2021
  • Das Erbe der „Querdenker“, GWUP-Blog am 1. Juli 2021
  • Die verbrannte Erde der Querdenker, Onkel Michael am 30. Juni 2021
  • John Ioannidis und die Möglichkeit des Irrtums, Gesundheits-Check am 4. Juli 2021
  • „Falsche Pandemien“ von Wolfgang Wodarg – eine Rezension in sieben Zeilen, Gesundheits-Check am 26. Juni 2021

5 Kommentare

  1. Der Begriff „Nürnberg 2.0“ ist in jeder Hinsicht unterirdisch:

    https://www.sueddeutsche.de/muenchen/dachau/dachau-rechtsextremismus-internet-1.4871130

    Die Tendenz, dass Querdenker Tribunale wollen, ist unverkennbar: ein Radikalisierungsprozess, der erhöhte Gewaltbereitschaft bei einem Teil einer zerfallenden Bewegung anzeigt, ähnlich wie am Ende der 68er-Bewegung.

  2. Danke für die Empfehlung! Die Landingpage war nur zum Launch „mit Gewinnspielen etc. überladen“, soviel Marketing sei mir gegönnt . Mittlerweile ist sie etwas aufgeräumter

  3. Der Spaß am Abhalten von Tribunalen ist keine Erfindung der Queries.

    Ich erinnere mal an das Glyphosat-Tribunal und seine Sachverständigenanhörungen, für die sich selbst eine doppelt staatsexaminierte Juristin und (ehemalige) Bundesministerin nicht zu schade war.

    Das Sendungsbewusstsein macht den/die Tribunen*in, nicht erst die spezielle quere Denkungsart.

  4. Und so laufen die „Nürnberger Prozesse 2.0“:

    https://twitter.com/querdenkenwatch/status/1411803185828749313

  5. Aus dem Beitrag beim Aluhut:

    „Langfristig muss der Staat in der schulischen Bildung neben der Vermittlung eines breiten Allgemeinwissens auch das Leseverständnis und damit einhergehend die Medienkompetenz verbessern, also das kritische Hinterfragen jedweder Berichte. Eine derart sichergestellte hohe „Herden-Intelligenz“ dürfte den bestmöglichen Schutz vor Volksverführern darstellen.“

    Volle Zustimmung. Seit jeher bin ich der Ansicht, dass wir ein gravierendes Bildungsproblem haben, das sich nicht in wenig Wissen, sondern im Unverständnis und in der Unfähigkeit äußert, Informationen zu bewerten und zusammenzubringen.

    Bulimisches Faktenlernen schützt nicht im Mindesten davor, Rattenfängern auf den Leim zu gehen.

    Es ist hinreichend bekannt und belegt, dass die Neigung zu „Alternativmedizin“ und „Impfskepsis“ in Kreisen mit sogenannter „höherer Bildung“ besonders verbreitet ist – und warum? Weil sie sich selbst für kompetent halten, aber zur kritischen Bewertung und Einordnung von Informationen außerstande sind.

    So kommt ein Überlegenheitsmechanismus in Gang (auch Dunning-Kruger-Effekt genannt), den der Beitrag beim Aluhut höchst eindrucksvoll und bestürzend beschreibt.

    Und was die Nürnberg 2.0-Fantasien angeht – das ist der Abschied vom Rechtsstaat, das unverhüllte Begehren, eine Privatjustiz unter dem Mäntelchen einer „höheren Mission“ zu legitimieren.

    Letztlich ein Fall für den Verfassungsschutz.

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