Und wir haben uns über den christlich-fundamentalistischen Themenpark „Ark Encounter“ in Kentucky oder über den US-Kreationisten Ken Ham oder über „Blondinen mit Dirndl-Figur“ amüsiert, die im türkischen Fernsehen Darwin „widerlegen“.
Bleiben wir mal hier in Deutschland:
Vor einer Woche berichtete extra 3 über Hellenhahn-Schellenberg im Westerwald, wo die Bürgermeisterin als „touristisches Ziel“ einen „Evolutions-Weg“ mit 20 Schildern anlegen wollte, welche die Entwicklung des Lebens auf der Erde zeigen.
Das Material für den Lehrpfad sollte von der Giordano-Bruno-Stiftung (gbs) kommen – doch dagegen machten „einige Gläubige aus der Gemeinde“ mobil:
Sie glauben daran, dass Gott die Welt erschaffen hat,
berichtet der SWR.
Gestern gab es nun einen Bürgerentscheid, bei dem die Kritiker obsiegten:
250 waren dafür, aber 339 dagegen […]
Die Ortsbürgermeisterin von Hellenhahn-Schellenberg, Birgit Schmidt, hätte sich nie im Leben vorstellen können, dass ihre Idee zu einem so großen Problem werden könne. Eigentlich möchte sie dem Westerwaldort damit etwas Gutes tun, damit etwa Familien oder Schulklassen etwas über die Entstehung der Welt aus Sicht der Evolution lernen können.
Eine bezeichnende Note bekommt die Dorfposse durch die Tatsache, dass laut Schmidt die frommen Evolutionsleugner zu keinem Zeitpunkt den offenen Dialog im Gemeinderat suchten, sondern mit Flyern die Bürger aufwiegelten, wobei sich auch eine bizarre „Gemeinschaft um den Schwert-Bischof“ („Neuchristen“) hervortat.
Auf seiner Webseite hetzt der „Schwert-Bischof“ unter anderem gegen Ökumene und gegen die „Darwin’sche Lehre“, die „unmöglich stimmen“ könne, weil:
Wenn diese Theorie wahr wäre, dann würde die Bibel nicht stimmen, die sagt, dass GOTT Adam und Eva erschaffen hat, die ersten Menschen als Krone der Schöpfung.
Ist doch logisch, oder?
Offenbar haben wir in Deutschland doch noch mehr Baustellen als nur Corona-Leugner und Verschwörungsgläubige.
Die Pro-Argumente „Hellenhahn für Evolution“ kann man übrigens hier nachlesen.
Zum Weiterlesen:
- Kein „Evolutions-Weg“ in Westerwaldgemeinde, SWR aktuell am 26. Oktober 2020
- Kritiker siegen: Hellenhahner erteilen Bau des Evolutionsweges eine deutliche Absage, Westerwälder Zeitung am 25. Oktober 2020
- Neu im „Nachgefragt“-Podcast: Evolution und Meinungsmessung (mit Anna Beniermann), GWUP-Blog am 16. November 2019
- Video von Skeptics in the Pub Köln: „Evolutionstheorie – Affengeil oder Holy Shit?!“ GWUP-Blog am 12. Februar 2019
- Videos: „A thirteen-year-old advocate for science education“ – Bailey Harris über Kreationismus und Wissenschaft, GWUP-Blog am 26. Dezember 2019
- Im Lichte der Evolution, hpd am 26. Oktober 2020
- Wissenschaft als Überlebensfrage: Florian Aigner in der „Zeit“, GWUP-Blog am 26. Oktober 2020
26. Oktober 2020 um 21:41
Unsere Art hat noch einen sehr langen Weg vor sich, um sich das „sapiens“ tatsächlich zu verdienen.
26. Oktober 2020 um 23:16
Wie peinlich, Kreationisten mitten unter uns.
26. Oktober 2020 um 23:46
Die Kirchentypen haben doch nur was dagegen, sodass aus Steuergeldern zu finanzieren.
Ich fände witzig ihnen den Evolutionsweg Crowdfunding finanziert vor die Nasezu stellen….
27. Oktober 2020 um 08:59
Das „lustigste“ dabei ist auch, dass sich diese Frömmler dem offenen Dialog verweigerten. Ich bin mir sicher, dass die nur Angst davor hatten, argumentativ zu unterliegen.
Auch Selbstbezeichnungen wie „Neuchristen“ ist meiner Meinung nichts anderes als Etikettenschwindel. Das, was die als „neu“ verkaufen wollen, ist im Grunde so uralt, den Bart könnte man ums ganze Sonnensystem wickeln und das inklusive der Oortschen Wolke = Umfang also mindestens 10 Lichtjahre.
27. Oktober 2020 um 12:32
@ Michael Stängl
Da unterschätzt du die Glaubensfesten. Wozu diskutieren, wenn man sicher ist, die einzige Wahrheit zu besitzen?
27. Oktober 2020 um 13:56
Schlichte Sturheit kann ein Erfolgsrezept sein, wie Nassim Taleb nahe legt.
Ein intolerante Minderheit kann die tolerante Mehrheit schließlich dominieren.
Daher ist es keine Option, Toleranz gegenüber religiösem Fundamentalismus zu üben.
27. Oktober 2020 um 18:15
Ob ein „Schöpfungsweg“ auch so viel Widerstand hervorgerufen hätte?
27. Oktober 2020 um 18:44
also das ist doch keine „Hetze “ !! Das ist m.E. einfach nur dumm und einfältig und das Beste: wenigstens gewaltfrei !!!! Die Franzosen haben gerade eine Warnung an die im Ausland lebenden Landsleute gegeben !
Diese Religioten nimmt doch niemand wirklich ernst.
28. Oktober 2020 um 08:34
@ Michael Stängl
„…den offenen Dialog verweigerten. Ich bin mir sicher, dass die nur Angst davor hatten, argumentativ zu unterliegen!“
Prima ausgedrückt – diese Formulierung gefällt mir sehr gut.
28. Oktober 2020 um 10:20
Um es noch einmal ausdrücklich klarzumachen: Beim Bürgerentscheid am 25. Oktober 2020 in Hellenhahn-Schellenberg ging es nicht um Geld.
Bereits vor über einem Jahr wurde vom Gemeinderat im Rahmen seiner geschäftführenden Tätigkeit für die öffentliche Hand die Errichtung des Evolutionsweges abgesegnet. Die Errichtung wurde allerdings verschoben, bis der Weg, an dem der Evolutionsweg als geringfügigier Kostenanteil errichtet werden sollte, fertig saniert ist. Auf den Schildern wäre von der gbs nichts zulesen gewesen.
Dann kam ein Bürgerbegehren in dem es nur um Top oder Flop ging. Geld war da nicht die entscheidende Rolle.
Jetzt gibt es keinen Weg und der Bürgerentscheid hat auch was gekostet.
28. Oktober 2020 um 12:44
@ Lisa-Marie
Ich wiederhole es gerne noch einmal: Die Dialogverweigerung geschah ziemlich sicher nicht aus der Angst, argumentativ zu unterliegen. Wenn man überzeugt ist, dass man Recht hat (und die Bibel hat immer Recht!), dann sieht man keinen Sinn darin, sich mit Andersdenkenden auseinander zu setzen. Reine Zeitverschwendung.
Es reicht, das erste Kapitel vom Buch Genesis hochzuhalten. Also ist die Verweigerung der Vertreter des hessischen Bible-Belt nur konsequent.
28. Oktober 2020 um 14:23
@ Rainer0
„…dann sieht man keinen Sinn darin, sich mit Andersdenkenden auseinander zu setzen. Reine Zeitverschwendung!“
Das kenne ich doch irgendwoher…
28. Oktober 2020 um 19:27
Ja klar, weil der Mensch die Krone der Schöpfung ist fehlt im nur noch Corona ;-)
28. Oktober 2020 um 19:53
Der Staat sollte endlich aufhören die Kirchen zu subventionieren und den Geldeintreiber zu machen, dann löst sich das Problem von selbst auf.
29. Oktober 2020 um 09:40
@ Rainer0
„…und die Bibel hat immer Recht!“
Das ist doch wohl hoffentlich ironisch gemeint, oder?
29. Oktober 2020 um 10:17
@ Lisa-Marie
Ironisch? Niemals! Irgendjemand muss den engstirnigen Materialisten auf diesem gottlosen Blog doch die einzig gültige Wahrheit näher bringen. Natürlich hat die Bibel immer Recht! Selbst dann, wenn sie sich schon im 1. Mose widerspricht (z.B. was wurde zuerst geschaffen: Mensch oder Tiere).
29. Oktober 2020 um 10:39
@ RainerO: Wozu diskutieren, wenn man sicher ist, die einzige Wahrheit zu besitzen?
Genau so ist es. In diesen Kreisen „weiß“ man, dass „die Welt“ sie sowieso nicht verstehen kann und will.
„Die Welt“ hat Angst vor der göttlichen Wahrheit und flüchtet sich deshalb in irrsinnige Konstrukte wie die Evolutionstheorie. Und wenn der Herr den Menschen nicht die Herzen öffnet, können auch „vollmächtige Brüder“ sie nicht erreichen. Darum gelten Diskussionen mit „der Welt“ allgemein eher als fruchtlos.
Allenfalls kann man den Menschen in Einzelgesprächen einen Blick auf „die Wahrheit“ geben, den die dann annehmen oder verweigern können. Hier hat man vermutlich verhindern wollen, dass die Bürgermeisterin hier gottlose Fakten schafft, die rückzubauen dann sehr schwer gewesen wäre.
@ Jan: dann löst sich das Problem von selbst auf.
Wenn’s denn so einfach wäre. Die tatsächlich strikte Trennung von Kirche und Staat (auch in Hinsicht auf den Religionsunterricht an Schulen!) wäre sehr wünschenswert. Aber diesen Leuten wäre das vermutlich egal, weil sie sowieso nicht in amtskirchlichen Strukturen stecken, sondern in einzelkämpferischen Organisationen und Grüppchen.
@ Lisa-Marie: Das ist doch wohl hoffentlich ironisch gemeint, oder?
Von RainerO sicherlich, von den Neuchristen und vergleichbaren Fundamentalisten sicher nicht, die meinen sowas bitterernst.
29. Oktober 2020 um 11:55
@ gnaddrig
Danke für den lieben Hinweis. Ich war tatsächlich am Überlegen, ob Rainer0 das wirklich ernst meint.
Da trifft wohl leider das „Blond und blöd“ auf mich zu;-)
Wohin das mit Fundamentalisten grundsätzlich in Religionen im schlimmsten Fall führen kann, sieht man ja in Nizza. Schrecklich!
29. Oktober 2020 um 12:30
@ Lisa-Marie
Es scheint, dass meine Überzeichnung nicht überzeichnet genug war. Ich bin Atheist. Jeglicher religiöser Fundamentalismus/Fanatismus ist mir zuwider.
p.s.: es mag nur ein kleiner Unterschied sein, aber mein Nick trägt ein „O“, wie EvOlutiOn am Ende und keine „0“ wie Null. Danke. ;-)
29. Oktober 2020 um 13:32
@ RainerO
„es mag nur ein kleiner Unterschied sein, aber mein Nick trägt ein „O“, wie EvOlutiOn am Ende und keine „0“ wie Null. Danke. ;-)“
Ich bitte um Entschuldigung!
30. Oktober 2020 um 09:29
Egal. Einfach bauen. Oder soll man heutzutage denn auf jeden dahergelaufenen Irren hören?! Ich denke nicht.
30. Oktober 2020 um 16:24
@ William T. Hennessy:
Naja, einen korrekt abgelaufenen Bürgerentscheid kann man aber auch nicht so einfach ignorieren.
Pingback: Dann halt keinen Evolutionsweg und dafür ein schlechtes Image « Omnium Gatherum
10. November 2020 um 17:49
„In einem Bürgerbegehren haben die Bürger der Westerwald-Gemeinde Hellenhahn-Schellenberg die Errichtung eines „Evolutionspfads“ in ihrer Gemeinde abgelehnt. Die Säkularen Humanisten – gbs-Rhein-Neckar haben den Weg entwickelt und waren Projektpartner der Gemeinde. An der Debatte, die zur Ablehnung des Evolutionsweges geführt hatte, waren sie nicht beteiligt. Der hpd veröffentlicht einen Offenen Brief des Vereins.“
https://hpd.de/artikel/kontroverse-um-den-evolutionsweg-18654