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Kortizes-Podcast: Michael Butter über echte Verschwörungen und Verschwörungstheorien

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Vor dem Auftritt von Prof. Michael Butter im vergangenen Jahr bei Kortizes in Nürnberg hat Jürgen Hübner sich mit ihm unterhalten. Der 30-minütige Podcast ist jetzt veröffentlicht worden und passt gut zur aktuellen Situation:

Ab Minute 23 geht es um die Frage, was eine Verschwörungstheorie von realen Verschwörungen unterscheidet:

Echte Verschwörungen fokussieren sich auf ein singuläres Ereignis, zum Beispiel ein Staatsstreich oder ein Attentat. Da geht es nicht darum, über Jahrzehnte die Weltherrschaft zu erlangen oder zu verteidigen.

Dann sind bei realen Verschwörungen eine überschaubare Zahl von Leuten daran beteiligt. Auch das ist ein Unterschied zu einem singulären Ereignis wie 9/11 oder der Mondlandung, wo man sich mal überlegen kann, wie viele Hunderte oder Tausende daran hätten beteiligt sein müssen.

Und dann lässt sich an realen Verschwörungen oft sehr gut beobachten, was Karl Popper schon schrieb, nämlich dass die Verschwörer selten dazu kommen, die Früchte ihrer Verschwörung zu genießen, weil soziale Systeme viel zu komplex sind. Da passiert immer irgendetwas, was man nicht vorhergesehen hat.

Die Ermordung von Caesar zum Beispiel, was war der Sinn und Zweck? Die römische Republik zu bewahren. Was ist tatsächlich passiert? Caesar war tot, insoweit klappte es, aber es gab einen Bürgerkrieg, und danach begann das römische Kaiserreich und die Republik kam nie wieder.

Wir können uns auch 9/11 anschauen. Natürlich hat die Bush-Regierung 9/11 genutzt, um in den Irak einzumarschieren. Dafür die Unterstützung zu bekommen, wäre ohne diese Anschläge, glaube ich, nur sehr viel schwerer möglich gewesen. Aber die desaströsen Auswirkungen, auch auf die Politiker, die das zu verantworten hatten und die bei den Umfragen völlig in den Boden gegangen sind – also wenn es eine Verschwörung gewesen wäre, wäre das sicher nicht Teil des Plans gewesen.

Eine klare Antwort hat Butter auch für alle Verschwörungstheoretiker, die sich als „Aufklärer“ und „Wahrheitssucher“ betrachten:

Mir ist kein Fall bekannt, bei dem eine Verschwörungstheorie geholfen hätte, eine echte Verschwörung aufzudecken. Weil sich die Argumentation von Verschwörungstheoretikern sehr stark unterscheidet von der Art und Weise, wie etwa Journalisten Dinge angehen oder wie Untersuchungskommissionen in der Politik arbeiten.

Das sieht man zum Beispiel bei Watergate. Woodward und Bernstein dachten nicht vom Ende her („Cui bono?“), sondern haben die Affäre Schicht um Schicht abgetragen und eben nicht die Dinge einfach so passend gemacht, wie Verschwörungstheoretiker das tun.

Zum Weiterlesen:

  • Warum wir an Verschwörungstheorien glauben, denkatelier am 20. April 2020
  • Verschwörungstheorien: Datenlücken und Unsicherheiten sind Fakt – gezielte Komplotte und Marionetten nicht, GWUP-Blog am 11. April 2020
  • Verschwörungstheorien: Was ist eine legitime wissenschaftliche Position und was ist Nonsens? GWUP-Blog am 2. April 2020
  • Verschwörungstheorien: „Toxischer“ vs. gesunder Zweifel, GWUP-Blog am 29. April 2019

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