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Die Heilpraktikerei heute bei Welt-Online: „Fehler im System“

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Heute bei Welt-Online:

Wenn das Landgericht Krefeld am 29. März [gegen den Heilpraktiker Klaus R.] verhandelt, rückt nicht nur ein einzelner Fall in den Fokus der Öffentlichkeit. Sondern ein ganzer Berufsstand […]

Patienten vertrauten darauf, „dass die angewandten Methoden eine Chance auf Heilung bieten, wenn sie Angehörige eines staatlich anerkannten Heilberufs aufsuchen – das ist bei vielen von Heilpraktikern angewandten Methoden erwiesenermaßen nicht der Fall“. Mindestens müsse die staatliche Erlaubnis künftig an eine abgeschlossene Ausbildung in einem Heil- oder Gesundheitsfachberuf gekoppelt sein.

Bezeichnend für die Null-Argumentation der Zunft ist einmal mehr die Einlassung einer Verbandsfunktionärin auf die Reformvorschläge, die im Artikel aufgezählt werden:

Einer umfassenden Reform des Heilpraktikerwesens bedürfe es nicht. Schon jetzt sei das Niveau der Zulassungsprüfung hoch – das zeigten die „hohen Durchfallquoten“.

Har Har …

Darüber hatten wir schon mit Anousch Mueller („Unheilpraktiker“) im Skeptiker-Interview gesprochen:

Mit dem Bestehen der Heilpraktikerprüfung beweist man zunächst einmal nur, dass man in der Lage ist, medizinische Sachverhalte zu begreifen und gut auswendig zu lernen. Über die praktischen Fähigkeiten als Heilkundler ist damit gar nichts gesagt […]

Das Dilemma der Heilpraktikerprüfung liegt also darin, dass sie rein theoretisches Wissen abfragt und die Praxis komplett ausblendet. Da holt die mündliche Prüfung auch nicht mehr viel raus, wo es schon mal vorkommen kann, dass sie etwas Praktisches demonstrieren sollen. Das ist aber kein Muss. Es gibt ja weder ein gesetzlich geregeltes Ausbildungs- noch Prüfungscurriculum.

Oder anders gesagt: Die „hohen Durchfallquoten“ sagen nichts über die Prüfung aus – sondern über die Anwärter und über das ganze absurde System der Heilpraktikerei.

Zum Weiterlesen:

  • Heilpraktiker – die Suche nach dem Fehler im System, Welt-Online am 16. März 2019
  • Der Sinn und Unsinn von Heilpraktikern, verständlich erklärt, Krautreporter am 7. März 2019
  • Saarländischer Verbandschef wütet – und zeigt damit doch nur: Der Heilpraktikerstatus gehört abgeschafft, GWUP-Blog am 5. März 2019
  • Heilpraktikerdebatte: Ein neuer Anfang? Keine Ahnung von Garnix am 1. Februar 2019
  • „Heilpraktiker sollte kein anerkannter Beruf sein“, GWUP-Blog am 6. Oktober 2018
  • „Gefährliche Hybris“: Interview mit Dr. Christian Weymayr zum Heilpraktiker-Unwesen, GWUP-Blog am 24. Januar 2018

14 Kommentare

  1. Heilpraktikerprüfung:

    Das Gesundheitsamt prüft nicht, ob die Verfahren, die Heilpraktiker anwenden, nützlich sind und ob die angehenden Heilpraktiker sie beherrschen. Das Gesundheitsamt prüft nur, ob die Kandidaten so viel medizinisches Basiswissen haben, dass sie keine offenkundige Gefahr für die Bevölkerung erwarten lassen.

    Dieses Prüfungssystem verfehlt seinen Zweck.

  2. Die Prüfung wurde 1939 in der ersten Heilpraktikergesetz-Durchführungsverordnung bewusst nicht inhaltlich ausgestaltet, sondern auf die Feststellung beschränkt, dass der Anwärter keine Gefahr für die Volksgesundheit darstellen dürfe.

    Sinn der Regelung war seinerzeit schlicht und einfach, dass keine fixen, d.h. rechtlich nachprüfbaren Kriterien gewollt waren – man wollte nur eine Möglichkeit schaffen, ohne nähere Begründung unliebsame Kandidaten abzuschmettern. Das ist der Hintergrund der „Heilpraktikerprüfung“, die noch heute nach gleichen „Rechtsgrundsätzen“ durchgeführt wird.

    Unter Juristen gilt die Voraussetzung der „Gefahr für die Volksgesundheit“ als unbestimmter Rechtsbegriff par excellence, ich habe ihn selbst im Unterricht verwendet. Im Grunde ist er eine Unrechtsregel aus dem 3. Reich, die heute mühsam unter rechtsstaatlichen Regeln am Leben gehalten wird. Rechtlich, fachlich und moralisch mehr als fragwürdig.

    Die Sache mit den Durchfallqoten mag stimmen – auf meine Frage hat mir einmal (schon ein paar Jahre her) ein Gesundheitsamtsleiter bestätigt, dass vor und nach den Prüfungen die Besuchertoiletten immer stark frequentiert gewesen seien…

    Übrigens ist die Prüfung ein Lieblingskind der zuständigen Gesundheitsämter… da kommt regelmäßig Freude auf, vor allem auch, wenn ein Vertreter der HP-Gilde mit dabeisitzt (und über die Prüfungsgebühr seine Auslagen gesondert vergütet bekommt).

    Das Ganze ist ein derart grotesker Anachronismus… Was hat der Heilpraktiker mit dem Zitronenfalter gemeinsam? Der Zitronenfalter faltet keine Zitronen, der Heilpraktiker braucht weder heilen können noch Praxis haben, wenn er auf die ahnungslose Menschheit losgelassen wird.

    Nichts gegen wohlmeinende und empathische Heilpraktiker, aber gleichwohl sind die ganzen Äußerungen zu „Reformen“ Beschönigungen, die den Skandal nicht verdecken können, dass der Gesetzgeber eine „zweite Medizin“ imaginiert und ihr durchweg freiere Hand lässt, als das bei der wissenschaftlichen Ärzteschaft irgendwie vorstellbar wäre.

    Und damit die Patientenschaft genauso in die Irre führt wie durch die gesetzliche Imagination, Homöopathika seien wirksame Arzneimittel.

  3. Die Heilpraktikerausbildung ist eine reine Abzocke.

  4. Die Vermarktung von Heilslehren, die ihre Wirksamkeit nicht belegen können, ist die raison d’être des Heilpraktikers – ja, wenn man möchte, kann man das einen Systemfehler nennen.

  5. Viele Heilpraktiker haben medizinische Vorberufe wie Physiotherapeut, Krankenschwester, Arzthelferin, Ergotherapeut etc. Ich denke in die Richtung sollte es gehen.

  6. Ich möchte nicht viel zu ihrer Problematik schreiben. Nur eines, niemand von ihnen würde diese beiden Prüfungen bestehen! Es gibt Ärzte die diesen multiple Choice Test nicht bestehen, alles live gesehen. Und für die Absolventen eine Gesundheitsfachberufes wird es ganz eng. Aus eigenem Erleben weiß ich das diese unterdurchschnittlich abschneiden, da ich viele Krankenpfleger und Krankenschwestern sowie Physiotherapeuten in meinen Kursen hatte, die bis heute ihre Prüfungen nicht bestanden haben. Ich hätte nichts gegen erweiterte Regularien, im Gegenteil. Aber das man diesen Titel geschenkt bekäme ist fern jeder Realität. Einfach mal ausprobieren.

  7. @Michael Rebhan:

    Das wie auch immer „Bestehen“ dieser „Prüfung“ ist gar nicht der Punkt – sondern dass diese reine Auswendiglern-Multiple-Choice-„Prüfung“ vollkommen sinn- und zweckfrei ist.

    Weder vermittelt sie offenkundig ein wirkliches Verständnis von Medizin und Wissenschaft – sonst würden nicht so viele Heilpraktiker so unendlich viel Humbug und Voodoo anbieten.

    Zweitens vermittelt sie keinerlei praktische Fähigkeiten. Man kann diese „Prüfung“ absolvieren und bestehen, ohne jemals auch nur einen einzigen Patienten gesehen zu haben.

  8. @Bernd Harder

    Was möchten sie denn auswendig lernen. Die Fragen werden ständig neu gestellt. Wir sind hier schließlich nicht bei einem billigen Studium, bei dem alle Fragen der Proffessorenschaft bekannt sind. Außerdem haben sie eine mündliche Überprüfung zu bestehen, bei der sie körperlich untersuchen müssen. Es ist ja die Aufgabe der Prüfungskommission die Prüflinge zu bewerten. Und diese besteht in der Regel aus 3 Amstärzten und einem Heilpraktiker. Ich kann nur für mich sprechen, da ich mich zusätzlich in der Osteopathie habe ausbilden lassen und schon in der Ausbildung mindestens 100 verschiedene Leute palpieren konnte, das diese Prüfung keine Spaziergang ist. Ich habe Wirtschaftswissenschaften studiert. Lächerliches Niveau gegenüber dieser Prüfung. Im übrigen sehe ich die Osteopathie als alternatives Heilverfahren nicht als Humbug an, da ich vielen Patienten die von der Medizin abgeschrieben wurden neuen Mut und ein neues Lebensgefühl mitgeben konnte. Nochmal sie können die Ausbildung und die Prüfungen besser strukturieren. Bin ich sogar dafür. Denn Stand heute kann alles überprüft werden, selbst die Psychotherapie ist Bestandteil. Das ist in zwei Prüfungen auf den Punkt kaum leistbar, dieses maximale Wissen parat zu haben. Im übrigen zeigen die Durchfallquoten wie schwer diese Prüfungen sind. Also erwarte ich auch ein bisschen Respekt vor der Leistung und keine Abqualifizierung als Humbug.

  9. @Michael Rebhan:

    Schön um den eigentlichen Punkt herumgeschwurbelt, z.B.:

    palpieren konnte,

    Aber nicht „musste“. Sie wissen genau, dass es auch für Osteopathen keine einheitlichen Ausbildungsvorschriften gibt, sondern nur interne Mindeststandards.

    Im übrigen zeigen die Durchfallquoten wie schwer diese Prüfungen sind.

    Nicht zwingend, das sagt möglicherweise mehr etwas über die Bewerber aus als über die Prüfung.

    Also erwarte ich auch ein bisschen Respekt vor der Leistung und keine Abqualifizierung als Humbug.

    So, „erwarten“ Sie?

    https://www.praktischarzt.de/blog/aufbau-medizinstudium/

  10. @ Michael Rebhahn

    „Also erwarte ich auch ein bisschen Respekt vor der Leistung und keine Abqualifizierung als Humbug.“

    Sie fordern Respekt für einen bestandenen Multiple-Choice-Test und ein wenig freies Labern (etwa 30-60 min)? Respekt für eine kombinierte Prüfung, die Sie beliebig oft wiederholen dürfen?
    https://www.kreawi.de/infos-zur-heilpraktikerpruefung

    Bei mir haben Sie mit dieser Aussage das Gegenteil erreicht, denn wenn ein studierter Mensch (mit oder ohne Abschluss?) so etwas behauptet, dann kann ich nur noch über ihn lachen.

  11. Es gibt Ärzte die diesen multiple Choice Test nicht bestehen, alles live gesehen.

    Nicht weiter verwunderlich. Man muss eben üben, diese Prüfung zu bestehen. Das heißt, man muss sich durchaus darauf vorbereiten. Damit hat man aber nicht mehr geleistet, als ein Arzt während des gesamten Studiums.

    Deshalb besteht ein Medizinstudium auch aus wesentlich mehr als einer Prüfung, auf die man sich autodidaktisch vorbereiten kann.

    Jemand mit einer Ausbildung als KFZ-Mechatroniker kann auch nicht ohne die Fragen zu büffeln eine Führerscheinprüfung bestehen, obwohl er deutlich mehr über Autos weiß als jeder Absolvent der Führerscheinprüfung.

    Die Fähigkeit, eine Prüfung zu bestehen, sagt wenig über die tatsächlich erlangten Fähigkeiten und Fertigkeiten im jeweiligen Fachgebiet aus.

  12. weiter oben: „… sind hier schließlich nicht bei einem billigen Studium, bei dem alle Fragen der Proffessorenschaft bekannt sind. “ (Gemeint sind „Heilpraktiker“-„Ausbildungen“ und „-Prüfungen“, die dann in Gegensatz gestellt werden zu einem „billigen Studium“)

    Komisch. Als ich mich vor ein paar Jahren mal anlässlich irgendeines Vorfalls im Netz rumtrieb, um etwas über die „Prüfungen“ für sog. „Heilpraktiker“ zu erfahren, fand ich sofort diverse offizielle „Prüfungsordnungen“, Fragenkataloge und Ausbildungshilfen aller Art.

    Interessant dabei war der *Umfang* der „offiziellen“ Fragenkataloge (also der Multiple Choice-Tests) im Vergleich zur sog. „Theoretischen Fahrerlaubnisprüfung“: das war nämlich von der reinen Menge der möglichen Fragen her ungefähr ein Drittel (plus) im groben Vergleich.

    Anscheinend ist heutzutags ein „Studium“ gegenüber einer theor. Führerscheinprüfung sozusagen ein Klacks. ;-)

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