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Kontrovers: Die Debatte über „falsche Ausgewogenheit“ in der Klimaberichterstattung ist auch in Deutschland angekommen

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Im September haben wir hier über eine interne Handreichung der BBC berichtet, mit der die Rundfunkanstalt ihre Redakteure vor „falscher Ausgewogenheit“ bei Wissenschaftsthemen warnt – insbesondere in der Klimadebatte.

Aber wie sieht es eigentlich in Deutschland aus?

Bei der Fachkonferenz „WissensWerte“ vor zwei Wochen in Bremen gab es dazu eine kontroverse Diskussion:

https://www.youtube.com/watch?v=diLksDOLUIw

Einer der Teilnehmer – der Wissenschaftsjournalist Christopher Schrader – fühlt sich von der ZAPP-Berichterstattung über die Veranstaltung falsch dargestellt und hat deshalb seine Position jetzt ausführlich bei den RiffReportern dargelegt.

Schrader betont, dass guter Wissenschaftsjournalismus natürlich die Unsicherheiten der (Klima-)Forschung darzustellen habe. Aber er dürfe nicht in die Falle tappen, durch das Schildern bestimmter Ungewissheiten in Detailfragen des Klimawandels beim breiten (Laien-)Publikum den Eindruck zu erwecken, als wisse die Forschung noch fast gar nichts – und als müsse man vor politischen Entscheidungen für mehr Klimaschutz lieber erst noch abwarten:

Naturwissenschaftliche Fakten haben wir schon genug, das Ausloten oder Schließen von Wissenslücken auf diesem Gebiet ist nicht mehr zentral wichtig.

Um hingegen die Klima*krise* zu erfassen und zu beschreiben, also die Veränderungen im Leben vieler Millionen Menschen und die vollkommen inadäquate Reaktion auf allen Ebenen praktisch aller Gesellschaften, muss man Emotionen verstehen und ansprechen. Hier kann man sich an den Erkenntnissen der Sozialwissenschaften orientieren.

Eine „falsche Ausgewogenheit“ drohe aber nicht nur zwischen Wissenschaftlern und Wissenschaftsleugnern, so Schrader, sondern auch zwischen Leuten, die Ungewissheiten der Klimaforschung verschweigen, und solchen, die Risiken des Klimawandels herunterspielen.

Manche Journalisten wollten zwischen diesen Polen unparteiisch bleiben und kritisieren Verharmloser wie Alarmisten gleichermaßen – doch auch dies sei ein Fall von false balance, schreibt Schrader. Denn die eine Haltung (das Herunterspielen der Risiken) könne verheerende Folgen für die Erde haben, während bei der anderen (dem Herunterspielen von Ungewissheiten) höchstens zu hohe und vielleicht unnötige Ausgaben für Klimaschutz drohen.

Im Zweifel sei es deshalb besser, bestehende Unsicherheiten nicht in den Vordergrund zu schieben, lautet Schraders Fazit:

Für mich ist die Schlussfolgerung evident: Die Klimawandelleugner gewähren zu lassen ist eine größere Gefahr, als die Unsicherheitverschweiger davonkommen zu lassen.

Der Deutschlandfunk schreibt zum Thema:

In Qualitätsmedien geht es mittlerweile vor allem um die Frage, wie über den Klimawandel und seine Folgen berichtet wird. Und Klimawandel-Leugner müssen ihre Thesen anders verbreiten.

Immerhin.

Denn wie virulent diese Debatte ist, zeigt ein weiterer Deutschlandfunk-Beitrag über „Das Dilemma der Klimaforscher“:

Es wird zunehmend versucht, so zu tun, als ob wissenschaftliche Befunde oder Schlussfolgerungen daraus eine Frage politischer Meinung sind, des Lagers, in dem man steht. Es wird als Teil des politischen Prozesses verstanden.

Aber so ist es nicht. Am Ende sind die Wahrheiten schon die Wahrheiten, und um die wird man sich nicht beliebig rummogeln können […]

Seit die AfD im Parlament ist, gibt es eine Tendenz, die Leugnung des Klimawandels als legitimen Standpunkt zu diskutieren und dabei den Klimaschutz als das andere Extrem zu charakterisieren […]

Demokratie ist kein Wettbewerb zwischen alternativen Wahrheiten. Fakten zu etablieren, ist die Aufgabe der Wissenschaft, die als gesellschaftliche Institution genau dafür zuständig ist: Tatsachen herauszufinden.

Daneben weist klimafakten.de auf zwei neue Publikationen hin:

Erhältlich ist das Buch für fünf Euro hier.

  • Das Themenheft „Klimakommunikation“ von Promet (Fachjournal des Deutschen Wetterdienstes) versammelt 16 Beiträge vom Kongress zu Klimawandel, Kommunikation und Gesellschaft, der im September 2017 in Salzburg stattfand.

Es kann zum Preis von 18,90 € im DWD-Shop bestellt werden.

Zum Weiterlesen:

  • Neutralität mit Nebenwirkungen: Wer in der Debatte über die Klimakrise partout keinem Lager angehören will, gerät womöglich gerade damit auf eine Seite, Riffreporter am 27. November 2018
  • Berichterstattung über Klimawandel: Für Leugner ist kein Platz mehr, Deutschlandfunk am 3. Dezember 2018
  • „ManU hat gewonnen – Punkt!“ BBC will keine falsche Ausgewogenheit mehr bei der Klimawandel-Berichterstattung, GWUP-Blog am 11. September 2018
  • Alarmierende Berichte: Klimawandel muss in den Köpfen ankommen, zdf.de am 4. Dezember 2018
  • Zehn Fakten zum Klimawandel, die wirklich stimmen, Zeit-Online am 3. Dezember 2018
  • Gesundheitsgefahren durch den Klimawandel steigen, Süddeutsche am 29. November 2018
  • „Leute werden hellhörig, wenn man die Chancen einer gleichzeitigen Energie- und Verkehrswende erklärt“, klimafakten am 29. November 2018
  • Debatte um Objektivität im Klima-Journalismus: „Neutralität mit Nebenwirkungen“, klimafakten am 28. November 2018
  • Klima retten ohne drastische Verschuldung, Spiegel-Online am 4. Dezember 2018
  • Das Dilemma der Klimaforscher: Wie politisch darf Wissenschaft sein? Deutschlandfunk am 29. November 2018

15 Kommentare

  1. „während bei der anderen (dem Herunterspielen von Ungewissheiten) höchstens zu hohe und vielleicht unnötige Ausgaben für Klimaschutz drohen.“

    Ich möchte nur auf diesen kleinen Punkt eingehen. Das Herunterspielen der Unsicherheiten kann auch in die andere Richtung gehen und zu niedrige Ausgaben verursachen, da man sich in falscher Sicherheit wiegt, dass die Projektionen genau wären, zum Beispiel beim Meeresspiegelanstieg. Unsicherheit geht in beide Richtungen.

    Allerdings ist das eine genuine Herausforderung. Wie kann man vermitteln, dass Unsicherheiten nicht weniger Anstrengungen bedeuten sollten? Da gibt es meiner Meinung nach kein Patentrezept.

    Wichtig ist aber, dass man darstellt was unsicher ist. Die Erwärmung ist sehr sicher. Das Ausmaß der Erwärmung hängt aber zu großen Teilen von den sozialen Aktionen ab und ist mit Unsicherheit behaftet.

    Die direkten Schäden und politischen Reaktionen sind noch unsicherer, aber wie oben gilt das in beide Richtungen, bei hoher Sicherheit, dass mehr Erwärmung mehr Schäden bedeutet.

  2. Zitat im Zitat: „.. Seit die AfD im Parlament ist…“

    Mal ganz unabhängig davon, dass *alle* in Bund, Ländern, Städten und Gemeinden agierenden Parteiungen bestimmte grundsätzliche Technologien nach wie vor politisch fördern (= Verbrennung fossiler Energieträger in allen möglichen Formen), gab es immer schon eine parteiliche Plattform, die ganz explizit sogenannte „Klima(wandel)leugner“, d.h. Aktivisten, die spezifisch öffentlich gegen wissenschaftsbasierte Klimaforschung agitierten, auf politischer Bühne zu Wort kommen liess. Das war und ist die FDP. Dafür gab es genügend Beispiele auch im Zeitraum weit vor 2013 oder 2014 bis hinein in das (Bundes-) Parlament (Fragestunden etc.). Auch wenn sich möglicherweise in den letzten Jahren einiges an Agitation in extremere Parteiungen wie die AfD oder die sogenannte „Die Linke“ oder „Die Grünen“ verschoben haben mag oder noch verschieben wird, bleibt die FDP dem libertären Extraktionismus in der Ökonomie ganz sicher fundamental verbunden und damit auch immer ein dankbares Opfer für libertäre Ideologen.

  3. Lässt sich zwangslos auf die Pseudomedizin und ihre mediale und politische Behandlung übertragen.

    Die BBC hatte vor einiger Zeit eine „Anrufsendung“ im Programm, bei der es zu einer Überflutung mit Pro-Homöopathien-Anrufen kam, die weder moderiert noch etwa von einem Studiogast der wissenschaftlichen Fraktion kommentiert wurden.

    Die Good Thinking Society (die englische GWUP) hatte daraufhin Programmbeschwerde eingelegt und ist auf allen Ebenen voll durchgedrungen – die Fachredaktion wurde mit sehr deutlichen Worten gerügt.

    Die BBC sollte ihr Codex-Paper nicht auf die Klimawandelberichterstattung beschränken, wie mir scheint…

  4. Wir leben in einer Eiszeit.
    Minus 14 (vierzehn) Grad in 10 (zehn) Jahren!

    Ab Minute 8:50 wird deutlich: Die Erderwärmung kann jederzeit schlagartig stoppen.

    https://www.youtube.com/watch?v=EFIxrKMliEI

    Die Durchschnittstemperatur der Ozeane soll
    angeblich nur 4 Grad Celsius betragen („Tiefsee“ in Wikipedia)
    Da ist noch reichlich Platz für Wärme.

  5. @bernd:

    Ich fürchte, da haben Sie das Video nicht so ganz richtig verstanden:

    „Noch gibt es zwar Eis in den Polarregionen. Noch leben wir also in dem Eiszeitalter, das vor rund drei Millionen Jahren begann. Aber das Eis schmilzt dahin. In spätestens 30 Jahren wird das Meer um den Nordpol herum im Sommer eisfrei sein. Die nächste Eiszeit wird wohl ausfallen. Unsere Emissionen von Kohlendioxid haben uns auf eine rasante Reise in ein Heißzeit-Klima geschickt, wie es keiner unserer fernsten Vorfahren je erlebte.“

    https://www.tagesspiegel.de/wissen/klimawandel-die-naechste-eiszeit-wird-wohl-ausfallen/22529384.html

    http://wiki.bildungsserver.de/klimawandel/index.php/Eiszeitalter

    „Die Meere haben ihre Wärmeaufnahme offenbar dramatisch gesteigert. Laut einer neuen Studie haben sie in den letzten 60 Jahren mehr Energie aufgenommen als jemals zuvor in den vergangenen 10.000 Jahren. Die Frage ist: Wann geben sie die Wärme wieder an die Atmosphäre ab?“

    http://www.spiegel.de/wissenschaft/natur/klimawandel-ozeane-haben-waermespeicherung-stark-beschleunigt-a-931264.html

    https://www.weltderphysik.de/gebiet/erde/news/2016/aufheizen-der-ozeane/

    http://wiki.bildungsserver.de/klimawandel/index.php/Erw%C3%A4rmung_des_Ozeans

  6. Heute (6. Dezember) bei „Monitor“ (ARD, 21.45 Uhr):

    „MONITOR zeigt, wie ein weltweites Netzwerk vermeintlicher Experten den wissenschaftlichen Kenntnisstand zum Klimawandel bekämpft.“

    https://www1.wdr.de/daserste/monitor/sendungen/klimaskeptiker-100.html

    Kleiner Vorgeschmack:

    „Wenn man versucht, mit selbsternannten Klimawandelskeptikern von EIKE ins Gespräch zu kommen“:

    https://twitter.com/AchimPollmeier/status/1070429495109304320

  7. Ausgerechnet EIKE. Das ist doch dieses Briefkasteninstitut, deren Vorstände, Experten und Mitglieder aus allen möglichen Fachrichtungen stammen. Nur das Wort Klima kennen diese Herren (gibt es überhaupt Frauen in dem Verein?) bestenfalls aus dem Duden.

  8. Wenn wir schon bei Populisten und Klima sind, wieder mal aktuell, der österreichische Vizekanzler im Interview mit dem Standard…

    „STANDARD: Was will die Regierung gegen den Klimawandel tun?

    Strache: Inwieweit der Mensch das Klima beeinflussen kann, ist eine offene Frage. Klimaveränderungen gibt es seit Jahrtausenden. Die Sahara war einmal die Kornkammer Roms und ist dann zur Wüste geworden. Das hat mit vielen Faktoren zu tun, aber sicher nicht mit Fabriken oder sonstigen Entwicklungen, die es damals gar nicht gab. Es gibt Prozesse, die Erkältung und Erwärmungen herbeiführen in Zackenbewegungen, wo auch die Wissenschaft nicht weiß, wohin wir uns entwickeln.

    STANDARD: Aber das stimmt doch nicht. Es ist wissenschaftlich unumstritten, dass das vom Menschen in die Luft geblasene CO2 die Hauptursache des momentanen Temperaturanstieges ist.

    Strache: Alles, was mit Treibhausgasen zu tun hat, wollen wir reduzieren. Die Frage ist, wie groß der Anteil ist, das zu beeinflussen.“

    Immerhin ist er endlich von der Mär abgekommen die steigende Sonnenaktivität sei schuld am rasanten Klinawandel den wir derzeit erleben, aber Treibhausgase können es noch immer nicht sein, vor allem nicht die von uns freigesetzten …

    Quelle: https://mobil.derstandard.at/2000093340857/Strache-Ich-lebe-mit-diesen-Vorwuerfen-sehr-gut

  9. @ crazyfrog:

    Dann sollen die Klimaexperten und Politiker doch mal anfangen und ihre (Klima)konferenzen online abhalten (was durchaus möglich wäre), anstatt dafür um den halben Globus zu jetten.

    Bevor die das nicht tun, werde ich auch nicht auf meine Urlaubsflüge verzichten.

  10. @noch’n Flo: Das ist natürlich Dein gutes Recht – bloß hat das eine mit dem anderen nichts zu tun. So argumentiert, handelt es sich nur um eine Ausrede, um das Gewissen zu beruhigen.

    Wie Du handelst, stellt eine persönliche, moralische Entscheidung dar. Genau wie beim Wählen gehen. Du wählst nicht, weil Du mit Deiner einzelnen Stimme auch nur das Geringste bewirkst. Du gehts wählen, weil Du es für moralisch richtig hältst (weil Du Demokratie für wichtig hältst).

  11. @ Michael Fischer:

    Genau deshalb gehe ich schon seit 10 Jahren nicht mehr wählen. Und Demokratie funktioniert nicht. Wir haben bislang nur keine bessere Alternative gefunden. (Wobei ich die Technokratie durchaus reizvoll finde…)

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