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Das Problem mit den schrecklich netten Bildern: Die FAS über den Film „Eingeimpft“

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Und weiter geht’s mit der Kritik an „Eingeimpft“– heute auch in der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung:

Die FAZ-Wissenschaftsredakteurin Sonja Kastilan schreibt:

Der Bayerische Rundfunk, Arte und der Rundfunk Berlin-Brandenburg gehörten zu den Förderern. Damit erhält „Eingeimpft“ nicht nur aktuelle Aufmerksamkeit, sondern erreicht ein großes Publikum. Das lernt nun dank öffentlicher Gelder allerhand Verschwörungstheorien und Argumente kennen, die immer wieder gegen offiziell empfohlene Impfungen ins Feld geführt werden, ohne dass der Film Falschaussagen und Klischees zurechtrückt oder sich auf berechtigte Einwände konzentriert.

Längst widerlegte Behauptungen erhalten ein Forum, das Misstrauen schürt und Skandale heraufbeschwört, wo bei näherem Hinsehen keine sind. Nicht den Fachgremien und Behörden schenkt der Film Glauben, wenn Nutzen und Risiken abgewogen werden, sondern ihren Kritikern […]

Vor diesem Hintergrund macht es sich der Autor zu leicht, wenn er sich auf Ausgewogenheit beruft und behauptet, „ich lasse die Leute sprechen“. Von dieser Herangehensweise mögen Sievekings bisherige Projekte profitiert haben. Da es nun aber um Impfungen geht, könnte diese Scheinobjektivität fatale Folgen haben. Insbesondere dann, wenn Meinungen über Fakten triumphieren […]

Mit seinem Status des medizinischen Laien wird sich David Sieveking nicht der Verantwortung für das entziehen können, was die Filmsequenzen in 95 Minuten beziehungsweise 320 Buchseiten möglicherweise anrichten.

Und was sagt Sieveking dazu?

In einem Interview mit der Hessenschau inszeniert er sich unverdrossen als großer Aufklärer, der „nur mit seriösen Experten gesprochen“ haben will.

Dass das Unfug ist, hat bereits die Süddeutsche Zeitung herausgearbeitet, und zu den Forschungen von Sievekings Helden Peter Aaby ist in der Spiegel-Rezension einiges zu lesen.

An die Adresse der zahlreichen Kritiker sagt der Filmemacher:

Sie sollten den Film als das nehmen, was er ist: Ein autobiografischer Bericht einer individuellen Impfentscheidung eines Elternpaars, das versucht, zu einer vernünftigen und für beide Seiten akzeptablen Lösung zu kommen.

Der Filmdienst kommt dieser Aufforderung tatsächlich nach – und rezensiert den Doku-Streifen unter nahezu vollständiger Ausklammerung des Impf-Themas als „humorvolle soziologische wie psychologische Bestandsaufnahme junger akademischer Mittelschichtsfamilien in der deutschen Hauptstadt“.

Tja, wenn da nur nicht „diese leidige Impfgeschichte“ wäre.

„Eingeimpft“ ist weder Science-Fiction noch ein harmloser Familienfilm. Es ist auch nicht irgendein Berliner Paar, das charmant unbedarft wirkt und sich prima zur Identifikation eignet,

stellt die FAS klar:

Gesunde Widerstandskräfte sind […] jedem Zuschauer zu wünschen, die ihn hoffentlich vor den Nebenwirkungen schrecklich netter Bilder schützen.

Zum Weiterlesen:

  • „Eingeimpft“-Macher fragen sich, warum ihr Film kritisiert wird. Hier eine Antwort – von vielen, GWUP-Blog am 9. September 2018
  • Neue Kino-Doku von Regisseur David Sieveking: „Impfen wird wie eine heilige Kuh behandelt“, Hessenschau am 9. April 2018
  • „Eingeimpft“ bei epd-film
  • „Eingeimpft“ beim filmdienst

14 Kommentare

  1. Fazit: Herr Sieveking lebt in seiner Hipster-Echokammer. Und aus der kommt er nicht mehr raus, so laut er auch „autobiographisch“ und „individuell“ schreit.

  2. „Selbstironisch, teils belustigt, gewährt er bei seinen Recherchen auch Einblicke in das Berlin-Kreuzberger Hipster-Leben, dessen Sorgen der Filmemacher anscheinend selbst manchmal nicht ganz ernst nehmen kann.“

    Wäre er besser mal dabei geblieben.

    http://www.fnp.de/ratgeber/familieundlebensart/Eine-Doku-versucht-sich-an-der-Klaerung-der-Impffrage;art289,3098321

  3. Ich sehe das so: Er wollte „Impfskandal“ brüllen, gebar aber eine kleinbürgerliche Selbstbeschau.

  4. @ Bernd Harder:

    Ob Selbstironie und Belustigung auch bei vermeidbaren Masern-Todesfällen gut kommen? Müsste man doch gerade in Kreuzberg gut ausprobieren können…

    Herr Sieveking, wie wäre es mit einem zweiten Teil, so ganz aus dem Leben von Hipster-Familien, denen gerade ein Kind an einer impfprävenablen Erkrankung verstorben ist… (und deren Sorgen man ja auch nicht so wirklich ernst nehmen muss)… dafür gibt es sicherlich auch jede Menge Fördergelder und ein Prädikat „gaaaanz, gaaaaaaanz wertvoll (ehrlich!)“…

  5. @Flo

    Viele Hipster ziehen gerade massiv von Friedrichshain und Kreuzberg nach Neukölln, weil dort gerade die Mieten auch für das Mamasöhnchen und des Väterchens Töchterchen zu teuer werden. In das Haus in dem ich wohne sind vor kurzem auch einige Langbart-Hippies eingezogen.

  6. @Bernd Harder:

    so schlimm fand ich das Geschwafel in dem Interview nun nicht. Bspw. das mit den Nebenwirkungen oder der fehlenden Aufklärung durch Ärzte sind ja Bedenken, die man als medizinisch und wissenschaftlich Ungebildeter durchaus haben kann.

    Und dass Ärzte auch nicht immer auf einem wissenschaftlich-kritischem Fundament stehen und einige sich aufgrund ihrer „Erfahrungen“ auf Alternativmedizin oder nicht wissenschaftlich gesicherte Ansätze berufen, ist ja auch bekannt – das erklärt vielleicht auch die nicht durchgängig vorhandene gute Qualität zur Impfaufklärung.

    Dass der Film natürlich völlig falsche Signale setzt – geschenkt.

  7. @sinister:

    “ fehlenden Aufklärung durch Ärzte sind ja Bedenken, die man als medizinisch und wissenschaftlich Ungebildeter durchaus haben kann.“

    Ja – aber wenn er z.B. die „Packungsbeilage“ der Impfung haben will – warum fragt er nicht danach?

    Habe ich vom Arzt auf konkrete Anfrage immer bekommen und ist auch online leicht zu finden.

    Aber der Herr Sieveking gondelt lieber auf Kosten der staatlichen Filmförderung wochenlang in der Weltgeschichte rum, als sich erst mal um banalste Basics zu kümmern.

  8. „Aber der Herr Sieveking gondelt lieber auf Kosten der staatlichen Filmförderung wochenlang in der Weltgeschichte rum, als sich erst mal um banalste Basics zu kümmern.“

    Da geb ich dir recht – aber mit den banalen Basics wäre ja kein Film gefüllt worden.

    Ich vermute, ihm ging es hauptsächlich um den Film an sich und nicht um’s Impfen. Und was er damit bewirkt, ist bzw. war ihm auch nicht wirklich bewusst.

  9. @sinister, wenn dem herrn sieveking nicht bewust ist wie dämlich er ist, muß man dies ja nicht unbedingt auf kosten der allgemeinheit mittels film breittreten.
    und noch andere die sowas glauben noch bestärken.

  10. @RPGNo1 – Einen Clickbait-Titel konnte sich Spiegel-Online nicht verkneifen: „Unspezifische Effekte – Wie eine provokante These die Sicht aufs Impfen ändern könnte“

  11. @Diabetiker:
    „wenn dem herrn sieveking nicht bewust ist wie dämlich er ist, muß man dies ja nicht unbedingt auf kosten der allgemeinheit mittels film breittreten. und noch andere die sowas glauben noch bestärken.“

    Ach, Filme und sonstige Werke kann er machen wie er lustig ist. Fatal finde ich allerdings die Ver(sch)wendung öffentlicher Fördergelder dafür, die dem ganzen auch noch einen scheinbar seriösen Anstrich geben.

    Aber vermutlich wusste man das vorher nicht, wie der Inhalt bzw. die Message des ganzen wirklich aussieht.

    Ach.. alles doof irgendwie.

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