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Lichtquanten, Lichtgestalten und Engelsquatsch mit Soße

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Wie schon berichtet schwang sich kurz vor der diesjährigen Verleihung des „Goldenen Bretts“ ein österreichischer Arzt zu einer wortreichen Verteidigung des Finalisten Johannes Huber auf.

Unter anderem meinte der Herr Doktor (übrigens mit einem Psiram-Eintrag), es sei „irrelevant“, dass Huber trotz seiner „weltweiten wissenschaftlichen Reputation“ persönlich an Engel glaube.

Das wäre insoweit korrekt, wenn es tatsächlich um einen a) rein persönlichen b) Glauben ginge.

Geht es aber nicht.

Der „Goldenes Brett“-Laudator und profil-Redakteur Alwin Schönberger greift in einem ausgezeichneten Artikel die Angelegenheit noch einmal auf:

[Huber] postuliert, dass Astronomie zur „Jenseitsforschung“ werde und gemeinsam mit Quantenphysik verblüffende Parallelen zwischen der Welt der Engel und der Teilchenphysik aufzeige.

Hubers Argumentationskette ist so eingängig wie bestechend: „Photonen sind Lichtquanten. Engel sind Lichtgestalten. Engel sind ewig, Photonen sind zeitlos. Photonen sind die Engel der Physik, und beide sind Vermittler der Transzendenz.“

Schon peinlich, wenn man so einen ausgemachten Blödsinn via Presseaussendung zu rechtfertigen versucht, Herr Dr. Fiala.

Schönberger weiter:

Es ist nicht dasselbe, ob Lotte Ingrisch über ihre Unterhaltungen mit Verstorbenen plaudert oder Johannes Huber seine Einfälle über Gemeinsamkeiten von kosmischer Hintergrundstrahlung und „höchsten Himmelsregionen“ zu Papier bringt […]

Von Wissenschaftern darf man faktengestützte, belastbare Argumente erwarten. Außerdem nimmt man an, dass Akademiker auch dann, wenn sie sich zu fachfremden Themen äußern, die gleiche inhaltliche Sorgfalt walten lassen wie in ihrem Kerngebiet, also nicht auf einmal Unsinn ohne sachliche Erdung erzählen […]

Große Wissenschafter mögen Denkmäler ihrer Disziplinen von Thron stoßen und anerkanntes Wissen aushebeln, doch sie bewegen sich dabei innerhalb eines genormten Korsetts, verwenden geeichte Werkzeuge ihrer Fächer, sprechen und zanken mit Kollegen und auch Kritikern in derselben Sprache, betten neue, gängigen Erkenntnissen zuwiderlaufende Ideen immer in einen Konsensrahmen ein.

Nie stellen sie sich einfach hin und postulieren wie aus dem Nichts die Existenz von rosa Aliens. Das ist der Unterschied zwischen streit-und fehlbarer Wissenschaft und blankem Nonsens.“

Zum Weiterlesen:

  • Pseudowissenschaft: Wenn Forscher haarsträubenden Unsinn verbreiten, profil am 27. Dezember 2017
  • Herr Doktor und die Engel, naklar am 12. März 2017
  • Denkst du schon oder glaubst du noch? Weshalb Wissenschaften keine Ersatzreligion sind, watson am 4. November 2017
  • Die Energie von Professur Turturs Vakuum, Relativer Quantenquark am 7. März 2017
  • Mischt euch ein! Neue Zürcher Zeitung am 22. Dezember 2017

10 Kommentare

  1. @crazyfrog:

    Na ja, er schwurbelt eher ziellos vor sich hin.

    Klar darf man „über alles nachdenken“.

    Nur wenn man das in Büchern als Wissenschaft verkauft, sollte man sich zumindest beim Ausarbeiten der Gedanken an die Standards halten, die Schönberger aufzählt.

  2. Daß Prof. Huber den Unterschied zwischen (religiösem) Glauben und naturwissenschaftlicher Erkenntnis nicht kennt, ist ja schon herausgestellt worden.

    Aber Herr Martin Kugler scheint den Unterschied auch nicht zu begreifen. Außerdem: Wenn zweifelsfrei und zuverlässig nachvollziehbar die Existenz von „geflügelten Jahresendfiguren“ (nicht nur als Holzschnitzereien…) nachgewiesen werden sollte, dann gehe ich davon aus, daß ein jeder wissenschaftlich denkender Mensch dies (womöglich zähneknirschend) akzeptieren wird.

    Unabhängig davon gehört der Glaube an Engel in mein christliches Weltbild – aber das ist in der Tat meine Privatsache und mitnichten ein naturwissenschaftlicher Beweis.

    So viel Trennschärfe muß dann doch schon sein…

  3. Kugler beruft sich in seinem Artikel auch zu Unrecht auf Thomas Nagel.

    Dessen Satz „Ich würde darauf wetten wollen, dass der gegenwärtige Konsens, was zu denken richtig ist, in einer oder zwei Generationen lachhaft wirken wird“ gibt schlicht die historische Erfahrung mit dem wissenschaftlichen Fortschritt wieder, sie ist nicht als methodologischer Freibrief gedacht, jeden Unsinn ernst zu nehmen.

    Ob man sich auf Ockhams Razor, Bayessche Statistik oder Russells Teekesselchen besinnt – Vorsicht gegenüber kruden Ideen ist eine wissenschaftliche Tugend.

  4. Die ganze Geschichte erinnert frappierend an Markolf Niemz:

    Auch er ein respektierter Professor (Physik sogar), der nebenbei Bücher über das Leben nach dem Tod schreibt und aus gewissen Ähnlichkeiten zwischen berichteten Nahtodeserfahrungen und (simulierten) Sinneseindrücken bei Beschleunigung auf Lichtgeschwindigkeit messerscharf schließt, dass es nach dem Tod weitergeht und die Seele dabei auf Lichtgeschwindigkeit beschleunigt wird und so in die Ewigkeit eingeht.

  5. Mediziner sind nicht notwendigerweise Naturwissenschaftler. Man kann gute medizinische Forschung betreiben, ohne einen einzigen Hauptsatz, von was auch immer, verstanden zu haben.

    Selbst die Statistik kann man sich von anderen machen lassen, wenn auch nicht unbedingt von Engeln (obwohl viele Statistiker wirklich die reinsten Engel sind!). Es ist daher unzulässig, Herrn Hubers gynäkologisches Renommee auch auf seine Engelstheorien zu übertragen, wie Herr Fiala das tut.

    Dass Huber aber ausgerechnet von einem AIDS-Kritiker verteidigt wird, kann man wohl als friendly fire betrachten.

  6. @ nota.bene:

    „Mediziner sind nicht notwendigerweise Naturwissenschaftler.“

    Aber Naturwissenschaften bilden das Fundament der Medizin.

  7. Zitat:
    „Engel sind ewig, Photonen sind zeitlos. Photonen sind die Engel der Physik, und beide sind Vermittler der Transzendenz.“
    Das ist Blödsinn, denn ewig != zeitlos…zb entstehen und zerstören sich virtuelle Teilchen im Vakuum instantan- sie sind also auch zeitlos, aber eben nicht „ewig“.
    Photonen sind die Engel der Physik – ich habe ja schon einiges gehört, aber das kannte ich noch nicht :-)
    Photonen sind bestimmt keine Vermittler der Transzendenz, denn sie gehören in unser Raum-Zeit-Kontinuum und kommen aus keinem „Jenseits“.

  8. @ Ralf i. V.

    Ich verstehe nur „Bahnhof“;-)

  9. @Pierre Castell
    Vielleicht hilft das weiter ;-)
    https://www.weltderphysik.de/gebiet/teilchen/news/2011/licht-aus-dem-vakuum/
    Eine Vakuumfluktation kann einem virtuellen Teilchen für einen kurzen Zeitraum in einen realen Zustand versetzen, die Hawking Strahlung ist ein Beispiel dafür…aber ansonsten sind sie zeitlos und virtuell.
    Hier glaube ich, versagt aber auch unsere Sprache und Begrifflichkeit – haben wir überhaupt die Möglichkeiten, diese Phänomene zu beschreiben, die soweit außerhalb unserer Erfahrungswelt liegen?

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