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Das Goldene Brett 2017: Die Finalisten stehen fest

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Unter 230 Nominierungen hat die Jury drei Kandidaten für das Goldene Brett 2017 ausgewählt.

Ins Finale geschafft hat es Andrew Wakefield – ein britischer Arzt, der auch im deutschen Sprachraum zu einer Galionsfigur der Impfkritiker-Bewegung geworden ist.

1998 erregte er mit einer Publikation im Fachmagazin The Lancet Aufsehen, in der er einen Zusammenhang zwischen der Impfung mit dem MMR-Kombinationsimpfstoff gegen Mumps, Masern und Röteln und Autismus behauptete. Später wurde bekannt, dass Wakefield von Anwälten, die Eltern autistischer Kinder vertraten, bezahlt worden war.

The Lancet zog die Studie zurück, ein Berufsverbot gegen ihn wurde ausgesprochen.

Trotzdem ist Wakefield bis heute eine Ikone der Impfgegnerszene – selbst zu US-Präsident Donald Trump hatte er Kontakt, um seine impfkritische Haltung zu propagieren. Im vergangenen Jahr wurde er insbesondere durch seinen Impfgegnerfilm „Vaxxed“ bekannt.

Durch Personen wie Wakefield wird das Impfen – eine der erfolgreichsten Errungenschaften der Medizingeschichte – als etwas Gefährliches und Bekämpfenswertes dargestellt, mit potenziell lebensgefährlichen Folgen.

Ebenfalls unter die Top 3 kommt Peter Fitzek, Esoterikautor und Führungspersönlichkeit der sogenannten „Reichsbürgerbewegung“, von der die Existenz der Bundesrepublik Deutschland geleugnet wird.

Auch in Österreich hat sich inzwischen eine derartige Gruppe gebildet. Die Reichsbürger behaupten, Deutschland sei kein legitimer souveräner Staat, daher müsse man sich auch nicht an seine Regeln und Gesetze halten.

Häufig wird Deutschland als „Firma“ oder „GmbH“ bezeichnet, deren Forderungen keine legale Bedeutung hätten.

Fitzek rief das „Königreich Deutschland“ aus und ließ sich selbst zum „König von Deutschland“ beziehungsweise zum „Imperator Fiduziar“ krönen. Er gründete eine „Königliche Reichsbank“, in die seine Anhänger Geld einzahlten und erfand sogar eine eigene Währung – das sogenannte „Engelgeld“.

Als Fitzek beim Übertreten einer Geschwindigkeitsbegrenzung erwischt wurde, zeigte er einen selbst ausgestellten „Führerschein des Königreichs Deutschland“ vor. Wegen Veruntreuung der in die Bank eingelegten Gelder und unerlaubter Bankgeschäfte wurde Fitzek schließlich zu einer Haftstrafe verurteilt.

Der dritte Finalist ist Prof. Johannes Huber. Der Gynäkologe, der in den Medien gerne als „Hormonpapst“ tituliert wird, sorgte mit antiwissenschaftlichen Behauptungen für Aufsehen.

Sein Buch „Es existiert“ wurde zum Bestseller, im Oktober 2017 legte er mit „Der holistische Mensch“ nach. In beiden Büchern präsentiert er eine Vielzahl esoterischer Ideen – von Schutzengeln über magische Aura bis hin zu übersinnlicher Informationsübertragung und die Bedeutung früherer Leben für unser zukünftiges Schicksal.

Gerade deshalb, weil man Johannes Huber medizinische Fachkompetenz nicht absprechen kann und er bei vielen Menschen hohes Ansehen genießt, sind seine oft wirren Argumentationsketten bedenklich.

Wenn ein scheinbar vertrauenswürdiger Wissenschaftler den Glauben an Übersinnliches öffentlich als „methodisch richtig“ bezeichnet, dann wird der Geist des rationalen Denkens und der Aufklärung rascher beschädigt, als ihn viele andere Wissenschaftler, die sich für Wissenschaftskommunikation engagieren, in mühevoller Arbeit aufbauen können.

Auch ein Preis für das Lebenswerk wird wieder vergeben. Er geht dieses Jahr an die Homöopathin Cornelia Bajic, stellvertretend für den Deutschen Zentralverein homöopathischer Ärzte (DZVhÄ).

Ihre völlige Ahnungslosigkeit und Unbelehrbarkeit hat Bajic gerade erst wieder mit einem Posting auf der Facebook-Seite von Natalie Grams demonstriert.

Die öffentliche Verleihungsfeier für „Das Goldene Brett vorm Kopf“ findet am 23. November um 20:15 Uhr in der Urania in Wien (Uraniastraße 1) und gleichzeitig bei einer Parallelveranstaltung in Hamburg im Schulterblatt 73 statt.

Zum Weiterlesen:

  • Herr Doktor und die Engel, naklar am 12. März 2017
  • Die Spinnereien des “Königs von Deutschland”, Welt-Online am 24. Februar 2016
  • Weitere Haftstrafe für Peter Fitzek, mdr am 10. August 2017
  • 16 Jahre Wakefields Fake-Studie, GWUP-Blog am 11. Juni 2015
  • Vaxxed“ im Kino, Fakefield und sein angeblicher Whistleblower, GWUP-Blog am 4. April 2017
  • Das Anti-Impf-Machwerk „Vaxxed“ auf Propagandatour in Deutschland, GWUP-Blog am 16. Februar 2017

16 Kommentare

  1. Frau Bajic ist ein beeindruckender „Health-Illiteracy-Fall“. Dass sie das Buch von Natalie Grams kritisiert und dann ganz ungeniert zugibt, dass sie nur ins erste Kapitel reingeschaut hat, hat schon was. Und dann fragt sie auch noch nach den Seitenzahlen der diskutierten einschlägigen Textpassagen („Der Einfachheit halber, nennen Sie mir doch kurz die Textstellen“), gibt also kund, es gar nicht lesen zu wollen.

    Wenn sie so mit Literatur auf ihrem Spezialgebiet umgeht, will man gar nicht wissen, wie sie medizinische Fachliteratur liest. Schon etwas gruselig.

    Vielleicht steckt hinter manchen Widerständen gegen die „Schulmedizin“ einfach nur Schulangst?

  2. Kurzes Feedback

    Andrew Wakefield – der Impfgegner
    Da bekommt die Verleihung des Goldenen Bretts sogar internationales Flair. Ein würdiger Kandidat.

    Peter Fitzek – der König von Deutschland
    Eine interessante Wahl aufgrund der großen medialen Präsenz. Mein Kritikpunkt ist, dass Fitzeks Stern stark gesunken ist. Eventuell wäre eine Auszeichnung zum Lebenswerk passender gewesen.

    Johannes Huber – der Professor mit den Schutzengeln
    Der Professor vermengt Wissenschaft mit Esoterik und Aberglauben. Passt also. Ansonsten weiß ich zu wenig von ihm, um ein besseres Urteil abzugeben.

    Lebenswerk – Homöopathie:
    Daumen hoch! :)

  3. Unter diesen Kandidaten ist in meiner Augen eindeutig Wakefield der „würdigste“ Preisträger. Eines der wichtigsten Nominierungskriterien ist das Schadenspotential. Und das ist bei ihm definitiv sehr hoch.

    Mich würde es wundern, wenn den Preis eines der anderen eher kleineren Lichter bekommen würde. Aber launige Laudationes lassen sich über diese beide Herren sicher halten.

  4. Na, da ist ja mit Wakefield einer meiner beiden Vorschläge durchgekommen, sehr schön. Wird sicherlich eine interessante Verleihung, mit einem spannenden Finale. Mal gucken, ob ich Zeit habe, den Stream zu verfolgen.

  5. Sicherlich alles würdige Kandidaten.

    Ich hätte aber öffentlichkeitswirksamere Kandidaten gewählt,Greenpeace oder Gerda Rodgers (Ö3-Sternstunden)zum Beispiel.

  6. Vielleicht verstehe ich nach wie vor nicht wirklich, wofür die „Auszeichnung“ eigentlich genau stehen soll.

    Klar ist dieser Wakefield (global) sowas wie ein Influencer in der Antivaxxer-Szene, die auch im deutschsprachigen Raum zahlreiche Anhänger hat, die dementsprechend die Wakefield-Panschereien nach wie vor für zitabel halten (ähnlich wie man etlichen Leuten einfach nicht klar machen kann, warum Séralini nicht zitationsfähig ist).

    Aber ein Brett vor dem Kopp hat der sicher nicht – der wußte und weiß immer genau, was und warum er es tat und tut. Und dann: warum in die Ferne schweifen..

    Fitzek liegt zwar nahe, denn obwohl er glaubt er wisse was er tut, blickt er nichts. Allerdings würde er es auch nicht verstehen können, wenn man ihn „auszeichnen“ würde. Er würde es einfach als weiteren Publicity-Erfolg ansehen – danach strebt er, egal ob andere meinen, diese Form der Publizität sei zu vermeiden.

    Der „passendste“ ist wohl für den deutschsprachigen Raum der werte Eso-Professor. Bei dem könnte eine derartige „Auszeichnung“ theoretisch dazu führen, dass er sich mehr zurücknimmt – und ein paar seiner Kunden könnten auch nachdenklich werden. (klar ist das unwahrscheinlich…)

    Statt der Person „Bajic“ wäre wohl eher der gesamte Verein für sein Unterwanderungswerk zu nominieren. Oder die Carstens-Stiftung…

  7. Psiram hat einen Artikel zu Johannes Huber:

    https://www.psiram.com/de/index.php/Johannes_Huber

  8. @ajki
    Zitat: „•Lebenswerk – Homöopathie
    Er geht dieses Jahr an die Homöopathin Cornelia Bajic, stellvertretend für den Deutschen Zentralverein homöopathischer Ärzte (DZVhÄ).“

    Das passt doch. Irgendeine Person aus dem ganzen Homöopathen-Dschungel mussste sich die GWUP rauspicken. Und Frau Bajic ist aufgrund ihrer Stellung als Vorsitzende des DZVhÄ eine der bekanntesten öffentlichen Gesichter dieser Zunft.

  9. Frau Bajic hat sich wirklich blamiert und der Zentralverein muss sich fragen lassen, ob er sich weiterhin in der Gestalt nach außen repräsentieren lassen möchte:
    https://onkelmichael.wordpress.com/2017/11/18/cornelia-bajic-ein-phaenomen-kehrt-zurueck/

  10. @Onkel Michael
    Volltreffer! Frau Bajic wurde sehr elegant versenkt. :)

  11. Apropos Wakefield und die Antivaxxer-Bewegung:
    Vaccination science is ‚crystal clear‘
    http://www.abc.net.au/news/2017-11-15/child-vaccination-exemption-letters-from-gps-no-longer-accepted/9151768

  12. @ Catweazle:

    Eine gute Massnahme, allerdings fürchte ich, dass Ärzte, die kein Problem damit hatten, solche Blanko-Bescheinigungen abzugeben, auch wenig Skrupel haben werden, nicht durchgeführte Impfungen in den Impfausweis einzutragen.

    Das eine ist nicht strafbarer als das andere.

  13. @ noch’n Flo: Die bringen’s dann noch soweit, dass Impfungen im Beisein eines Notars ausgeführt werden müssen…

  14. @ gnaddrig:

    Hey, das wäre doch mal ein sinnvolles Betätigungsfeld für chronisch unausgelastete Rechtsanwälte. Dann müssten die nicht aus lauter Verzweiflung zu dubiosen Massenabmahnungen greifen, um ein paar lausige Kröten zu verdienen. Eine klassische Win-Win-Situation.

  15. Aus-ge-zeichnet! – wie Chef-Ottifant Walkes sagen würde. Ganz ausgezeichnet!
    Zumindest die jetzt schon feststehende Prämierung der Frau Bajic und deren Fähnlein der Verwirrten mit Hochschulabschluss. Dazu zuerst einmal Glückwunsch an die Preisträgerin.

    Sich einzureihen zwischen dem Beglaubiger für Unglaubliches, Harald „Wolle Doktor werden?“ Walach oder Ruediger „Schwachsinn als Weg“ Dahlke, dazu braucht es schon ein erhebliches Beharrungsvermögen, was das unbeirrte Festhalten an liebgewonnenen fixen Ideen angeht.
    Neben der schwer defizitären Fähigkeit zur kritischen Selbstbetrachtung ist aber auch missionarischer Eifer hilfreich, eben die Bereitschaft, die Leute immer und immer wieder mit dem gleichen Sermon zu belästigen.

    Zwar haben uns unsere Altvorderen schon vor Äonen völlig zurecht darauf hingewiesen, dass Wiederholungen langweilen, andererseits erwähnten sie aber auch, dass es keine noch so absurde Meinung gibt, die die Menschen nicht leicht zu der ihrigen machten, sobald es gelungen ist, sie zu überreden, diese sei allgemein akzeptiert.

    Dafür muss man den Unfug eben nur oft genug wiederholen. Besonders erfolgsträchtig ist dabei, wenn man auf eine maßgebliche Autorität verweisen kann. Noch besser ist es, wenn diese aus dem „anderen“ Lager stammt, wie beispielweise ein Präses der Bundesärztekammer. Und am allerbesten ist, wenn der für Nachfragen und Auskünfte nicht mehr zur Verfügung steht…

    Hoppe! Hoppe, der 2011 verstorbene Ärztefunktionär, ist ein idealer Kandidat. Jörg-Dietrich Hoppe und seine Feststellung „Medizin ist eine Erfahrungswissenschaft, die sich unter anderem naturwissenschaftlicher Methoden bedient…“.

    Nun könnte man, zusammen mit der Erwähnung des Begriffs „Bestätigungsfehler“, darauf hinweisen, dass die alternative Heilerschaft, wie schon so oft, immer dann aufhört zu lesen, wenn sie an eine Stelle gerät, die ihre Weltsicht zu belegen geeignet erscheint – in diesem Fall an der Stelle Erfahrung – swissenschaft wurde schon ausgeblendet. Damit wäre die Angelegenheit eigentlich asureichend kommentiert.

    Leider ist es aber so, dass Hoppes Sentenz mittlerweile zum universellen Hoffnungs-Mantra der akademischen Renegaten verkommen ist, und bei jeder passenden Gelegenheit gebetsmühlenhaft zitiert wird.

    Was Hoppe damals geritten hat, als er sein Sätzchen absonderte, kann man nur erahnen. Wohlmöglich waren es Hoppes dem Zeitgeist der 1980er oder ´90er Jahre geschuldeten Befürchtungen, dass sich, ausgerechnet unter seiner Egide, ein Schisma in der Medizin ereignen könnte. Vielleicht war es aber auch nur die gerade aufgehende Sonne der evidenzbasierten Medizin, deren Licht das hilflos auf dem Eis schlitternde Goldenen Kalb „Ärztliche Therapiefreiheit“ allzu gut beleuchtete. Wohlmöglich ist es da auch dem einen oder anderen konventionell therapierenden Mediziner ein wenig mulmig geworden…

    Das allein rechtfertigt aber nicht den sinnlosen Versuch Hoppes, den in Witten/Herdecke siedelnden versteinerten Schamanen, federführend in Sachen Lobbyismus für Absurdmedizin, die Hand in der Hoffnung auf Wiedereingliederung zu reichen, auf das Peter Matthiessen und Konsorten möglicherweise etwas weniger hoch über gesichertem Grund schweben würden.

    Was für eine überaus abwegige Erwartung.

    Das zeigt schon die Zusammensetzung des dann zur Institution geronnenen Hoffnungs-Mantras, das üble „Dialogforum Pluralismus in der Medizin“.

    Selbstverständlich kann man von dem dort versammelten Who´s Who der Trittbrettfahrer-Mediziner halten, was man will: Aber niemals nie nicht war das „Dialogforum Pluralismus in der Medizin“ ein Forum für Dialoge; dafür fehlten die, sagen wir mal, alternativen Meinungen.

    Es war immer nur ein Monologforum für die Säulenheiligen der Heilerei jenseits des Verstandes, ein Laberschwör-Thing der Chefdruiden verschiedenster Spielarten des medizinischen Aberglaubens, dominiert von den Anhängern des ätherisch mehrfachgehüllten Rudis.

    Rückblickend kann man aber dankbar sein, dass Hoppes Ausflug nach Absurdistan für die Entwicklung der modernen Medizin annähernd die gleiche Bedeutung hatte, wie die Arbeit der WissHom. Also überhaupt keine. (Wobei ich das im Grund nicht erwähnen müsste.)

    Womit wir wieder bei der Homöopathie sind.

    Die nämlich ist letztlich Nachweis dafür, wie sehr der selbsternannte Integrationsbeauftrage Hoppe mit seiner Feststellung daneben lag, dass Medizin in erster Linie auf „Erfahrung“ und nur so nebenher auf „wissenschaftlich validierter Methodik“ beruht.

    Im Grunde gibt´s kaum ein überzeugenderes Argument gegen Hoppes Sentenz, als das mehrfach geschüttelte Nichts auf Zucker und dessen in endlosen Einzelfall-Kasuistiken dargestellten wunderbaren Erfolge, die bei genauerer Betrachtung allerdings nur eins belegen, nämlich die vielfältigen Irrtümer und Fehleinschätzungen seitens Behandler und Patient, die sich bei der Beurteilung medizinischer Interventionen so ereignen können.

    Aber als selbst Claudia Witt, die einstmalige Hoffnungsträgerin der Homöopathen, anhub, William Edwards Deming wörtlich zu zitieren: „In God we trust, all others must bring data.“, hätte selbst den Homöopathen klar sein müssen, dass sich Hoppes Aussetzer überholt hatte. Lassen wir ihn also in Frieden ruhen und wenden uns anderen Abwegigkeiten zu.

    Beispielweise der von der Oberhomöopathin ebenfalls gerne vertretenen Idee, dass sich, mittels der Patientenpräferenzen, selbst bei vollumfänglicher Fehlbewertung des Heilgeschehens durch den gerade von einer selbstlimitierenden Erkrankung per Anwendung eines Placebos aus dem Fundus des jeweilig präferierten Aberglaubens Genesenen, ein ernstzunehmender Anspruch auf Aufnahme dieses Placebos in den Reigen der erstattungsfähigen Heilmittel ableiten lässt.

    Gut, aus Sicht der Homöopathie bleibt Frau Bajic kaum anderes, als sich auf anekdotische Evidenz zu berufen, andere gibt´s ja nicht.

    Aber bei Anwendung dieser Art Wirksamkeitsbeleg müssten unsere Kassen eigentlich auch Wasser aus Lourdes erstatten.
    Die Marketingabteilungen sollten mal darüber nachdenken.

    Jedoch, bei allem Verständnis für die prekäre Situation der Homöopathie in Sachen Wirksamkeitsnachweis: anekdotische
    Evidenz ist bekanntlich die Basis praktizierter Kurpfuscherei und deswegen auch das Kernelement homöopathischer Rechtfertigungen. Doch haben auch homöopathisch arbeitende Ärzte sich durch Ihre Berufswahl dazu verpflichtet, nicht nur die Freiheits- und Wahlrechte des Patienten zu respektieren, sondern darüber hinaus zu gewährleisten, dass der Patient ausführlich und ausreichend über die Krankheit, die möglichen Behandlungen und ihre Folgen informiert wird, damit er an der Therapieentscheidung und dem Therapieverlauf aktiv mitwirken kann.

    Und das bedeutet zu allererst, gesicherte Erkenntnisse auch dann dem Patienten mitzuteilen, wenn diese nicht der persönlichen Weltanschauung des Therapeuten entsprechen – beispielsweise, dass für wegverdünntes Gewölle auf Zucker nur solche Evidenzen existieren, wie die, mit denen auch die Heilwirkung von Lourdes-Wasser belegt wird.

    Genau das passiert aber in den Kreisen der Homöopathen nicht. Denn die zur Überlebensstrategie avancierte Unaufrichtigkeit gegenüber dem hilfesuchenden Patienten gehört zum Grundprinzip der Zuckerkugelheiler – bekanntlich ist das Wissen über die Placeboeigenschaft der Therapie genauso alt, wie die Therapie selbst.

    Ob Hoppe, wenn er Frau Bajic – und vor allem deren Auffassung von ärztlicher Ethik – begegnet wäre, seinen Satz wohl so gesagt, und nicht doch eher die dringend nötigen Aufräumungsarbeit im Gerümpel der besonderen Therapierichtungen auf seine Agenda gesetzt hätte?

    Kommen wir aber noch zu einer weiteren abwegigen Annahme der Frau Bajic und ihrer zentralvereinten Homöopathen, nämlich dass die auf äußerst subjektiven Erfahrungen beruhende Patientenpräferenz durch die vermeintlich objektive Evidenz der klinischen, also ärztlichen Erfahrungen, bestätigt sei.

    Würde es so sein, dass solche Erfahrungen tatsächlich so objektiv wären, wie Frau Bajic versucht es glaubhaft zu machen, so wäre es mal wieder an der Zeit, einen der großen Wissenschaftler unserer Zeit, den Physiker und Nobelpreisträger Richard Feynman zu zitieren. Denn der hat uns einen mahnenden Satz hinterlassen:

    „The first principle is that you must not fool yourself — and you are the easiest person to fool.“

    Und das aus einem einzigen Grund: Unsere Fehlleistungen beim Wahrnehmen, Urteilen und Bewerten sind Legion.

    Die Unfähigkeit des Menschen, therapeutische Wirksamkeit objektiv, also ohne Verzerrungen, zu bewerten, ist so enorm groß, dass man sich bei der Konstruktion von medizinischen Testverfahren mit allen Mitteln darum bemüht, die subjektive Sichtweise des Menschen aus der Beurteilung zu eliminieren. Das allein ist aber nicht tragisch, sondern menschlich. Tragisch ist es nur, wenn wir die Tatsache unserer Unzulänglichkeit nicht einsehen wollen und die Möglichkeit eines Irrtums kategorisch ausschließen.

    Aber wenn man sich die klinischen Erfahrungen, auf die sich Frau Bajic beruft, mal etwas genauer anschaut, braucht man überhaupt nicht auf die Notwendigkeit der kritischen Distanz des Erkunders zu den Ergebnissen seiner Erkundungen hinzuweisen.

    Die klinische Erfahrung, die Frau Bajic meint, die hat mit dem, was man darunter üblicherweise versteht, so gut wie nichts zu tun.
    Die klinischen Erfahrungen, die Frau Bajic präferiert, sind vielmehr der ärztliche Part der sozialen Evidenz, bei der sich Arzt und Patienten in ihren kognitiven Fehlleistungen bestätigen:

    >>>Und, Patient? Offenbar geht es Ihnen deutlich besser, oder täusche ich mich?
    >>>Oh ja, und gleichzeitig, oh nein, Frau Doktor, die Nase läuft tatsächlich deutlich weniger.
    >>>Na sehen Sie, Gemuffte Kreuzschlitzschraube C30 wirkt Wunder.

    (Kurze Notiz: Fall als Vortrag vormerken für Homöopathie-Kongress: Die Gemuffte Kreuzschlitzschraube, klinische Erfahrungen mit einem neuen Mittel gegen Rhinitis…)

    Hört sich lächerlich und übertrieben an. Lächerlich stimmt. Übertrieben ist es leider nicht, und zynisch ist es obendrein, dass, basierend auf solchen Wirksamkeitsnachweisen mit einer gegen Null gehenden Aussagekraft, immer noch dieses Schauspiel Homöopathie aufgeführt wird.

    Mit Tausenden von Akteuren, die sinnlose Anamnesen durchführen, die sinnlose „Arzneien“ herstellen, die sinnlose Forschung betreiben und sich auf überflüssigen Kongressen über die Ergebnisse ihre sinnlosen Forschungen unterrichten, die vor allem aber Tag für Tag der lausigen Beschäftigung nachgehen, sich selbst und ihre Patienten zu täuschen.

    Es ist bitter, das festzustellen, aber in unserem Gesundheitssystem reichen die Selbstreinigungskräfte offensichtlich nicht aus, diesem Zauber ein Ende zu bereiten. Und wo solche Regulationsmechanismen nicht funktionieren, da ist dann der Staat gefordert,gesetzgeberische Maßnahmen zu ergreifen. Australien macht uns gerade vor, wie so etwas geht.

    Aber vielleicht ist das Goldene Brett 2017 ja das Steinchen, das dann eine Lawine auslöst. Wer weiß?

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