Dass auch hammerharte Satire (aktuell: „Traurig! Mutter und Kind sterben nach Masern-Impfung“) stets von der absurden Realität der Pseudomedizin überholt wird, ist bekannt.
Diesmal ist es ein siebenjähriger Junge in Italien, der homöopathisch behandelt wurde anstatt mit Antibiotika.
Leider gibt es so dumme Menschen, die nicht leben können, ohne sich einem Dogma zu verschreiben, sei es religiös, meterialistisch, wissenschaftlich, anti-wissenschaftlich, vegan oder fleischliebend“,
schreibt die Zeitung Corriere della Sera.
Das kann in Deutschland nicht passieren?
Ein Blick in die Abstracts des 72. Homöopathischen Weltärztekongresses in Leipzig (LMHI):
So wie im Vortrag CM15/03 „Wirksamkeit der homöopathischen Medizin bei der Behandlung eines akuten Abdomens, beobachtet in einem privaten homöopathischen Zentrum in Indien.“
Beim „akuten Abdomen“ handelt es sich nicht um eine Erkrankung an sich, sondern eine Zustandsbeschreibung. Bei Wikipedia lesen wir, das akute Abdomen zeichne sich durch „meist akut einsetzende Symptomatik (Anm.: u. a. sehr stark ausgeprägter Schmerz) bei vielfach lebensbedrohlichen Erkrankungen im Bauchraum“ aus. Weiter lesen wir, „das akute Abdomen erfordert eine rasche Diagnostik und oft eine notfallmäßige operative Therapie.“
Also im Grunde das perfekte Krankheitsbild, um zu beweisen, dass die Homöopathie auch bei chirurgischen Krankheitsbildern eine tolle alternative Therapie darstellt.“
Oh weh.
Zum Weiterlesen:
- 7-Jähriger tot, weil Eltern Antibiotika verweigerten, heute.at am 28. Mai 2017
- LMHI – Akutes Abdomen, dieausrufer am 27. Mai 2017
- Homeopathy: the NHMRC report revisited, edzardernst am 28. Mai 2017
- „Die Unheiler“ fordern weitere Todesopfer, GWUP-Blog am 18. Dezember 2015
- Pseudomedizin: Die Schäden sind vielfältig und verheerend, GWUP-Blog am 2. Oktober 2015
- Das nächste Opfer der Pseudomedizin: Ryan, 7 Jahre, GWUP-Blog am 1. Dezember 2016
- What’s the harm in homeopathy?
- Use of Homeopathy Kills Child, Science-based pharmacy am 23. November 2013
- Viel Lärm um nichts? Homöopathie-kritischer Review erhitzt die Gemüter, medscape am 18. Mai 2017
- Wie Homöopathie zu Schaden führt, Informationsnetzwerk Homöopathie
28. Mai 2017 um 19:08
https://www.facebook.com/heute/posts/10155296955644402?hc_location=ufi
28. Mai 2017 um 19:43
Nein, nicht jede Otitis muss antibiotisch behandelt werden. Die bestelle ich mir aber schon zum nächsten Tag ein und kontrolliere. Man bedenke, dass es nur Millimeter bis zum Gehirn sind. Dann wird es lebensgefährlich. Die Homöopathie ist ein wirkungsvolles Placebo, dessen Grenzen sollte man aber kennen.
28. Mai 2017 um 19:52
@Vitulus:
In der DEGAM-Leitlinie heißt es:
„Selbst bei Fieber und/oder Erbrechen sei es vertretbar, die ersten 24 bis 48 Stunden unter Beobachtung des Kindes abzuwarten und erst bei einer Verschlechterung der Symptome oder einer ausbleibenden Besserung Antibiotika zu verordnen.“
Insofern haben Sie recht, mit der (wie Sie auch schreiben) Betonung auf: die ersten 1 bis zwei Tage – nicht länger, und auch nur, wenn dabei keine Verschlechterung eintritt.
Aus dem Artikel über den Fall gehen nicht alle Einzelheiten hervor, aber anscheinend waren Arzt und Eltern grundsätzlich gegen Antibiotika, mit einer sinnvollen Watchful-waiting-Strategie hatte das offenbar nichts zu tun.
29. Mai 2017 um 08:12
Wie passen eigentlich „Wissenschaft“ und „Dogma“ zusammen? Wirft der Reporter des Corriere della Sera da nicht etwas zusammen, was nicht zusammengehört?
29. Mai 2017 um 11:30
Wieso ohwe? In Indien gibt es homöopathische Krankenhäuser, wo akute abdomen und sonstige notfälle auch (oder nur?) homöopathisch behandelt werden.
Wäre doch mal etwas für die Kritiker, um zu sehen, ob das funktioniert?
29. Mai 2017 um 11:40
@Leo:
„Homöopathische Ärzte“ sind in Indien das Pendant zum hiesigen Heilpraktiker und werden ausschließlich an homöopathischen Schulen ausgebildet. Diese Leute scheren sich noch weniger um den Nachweis einer Wirksamkeit, als hierzulande. Das liegt u.a. daran, dass Homöopathie in Indien eine Art billige Volksmedizin ist.
„Funktionieren“ tut da gar nichts, aber es gibt aus Traditionsgründen nur vereinzelt Proteste dagegen, z.B.:
https://blog.gwup.net/2016/01/09/indischer-nobelpreistrager-kritisiert-die-homoopathie/
https://www.change.org/p/the-education-health-minister-kerala-stop-homeopathy-courses-do-not-ruin-students-future
29. Mai 2017 um 13:51
Das passiert doch anderswo auch. Da hat ein homöopathischer Arzt ein Kind mit schwerer Immundefizienz außschließlich homöopathisch „behandelt“ bis es entsetzlich zu Grunde gegangen ist.
https://kurier.at/politik/jakob-starb-haft-fuer-eltern-und-arzt/730.649
Der Arzt ist noch immer ärztlich tätig.
29. Mai 2017 um 15:13
@ Vitulus:
ALso ich mache bei V.a. Otitis media immer zuerst BB und CRP, dann weiss ich innert weniger Minuten, ob ich ein AB brauche oder nicht.
29. Mai 2017 um 16:04
@RPGNo1
Leider ist auch in der Wissenschaft Dogma verbreitet, zb goethes Kampf gegen newtons farblehre, die Igonrierung Wegeners Plattentektonik, die Leugnung von Meteoriten von der franz Wissenschaftsakademie, Einsteins Verweigerung von Heisenbachs unschärfe,viele Studien wie zb 7Länderstudie Cholisterin, vwl in Deutschland, ect ect, auch Wissenschaftler glauben oder wollen Weltanschauungen um jeden Preis beweisen und verraten damit die nötige Objektivität und wissenschaftlichkeit.
29. Mai 2017 um 16:24
@ rincewind:
Mal abgesehen davon, dass Deinem Kommentar ein wenig mehr Sorgfalt, vor allem in puncto Gross-/Kleinschreibung, nicht schaden könnte: mir wird nicht so wirklich klar, welche der genannten Punkte Du nun für Dogmen und welche für Opfer von Dogmatismus hältst.
29. Mai 2017 um 18:22
@rincewind
Schau mal hier: http://scienceblogs.de/astrodicticum-simplex/2012/11/09/ist-wissenschaft-dogmatisch/?all=1
30. Mai 2017 um 03:03
@RPGNo1
zum Artikel sag ich: Jein
die wissenschaftsgeschichte beweist eindeutig, das immer wieder dogmas den Fortschritt gewaltig verzögerten, seis aus Prestigegründen, Geldgründen, wunschdenken oder was auch immer -zb der jahrzehntelange deutsche Alleingang im Neptunisten-plutonisten-Krieg 1790-1830 trotz eindeutiger Faktenlage; da gibt es sehr viele Beispiele, und so manch Wissenschaftler wurde verlacht, trotz aller Fakten auf seiner Seite -zb Wegener.
Natürlich ist die wissenschaft per se als ganzes nicht dogmatisch, aber die ausübenden/wissenschaftler manchmal, leider schon. Anspruch und Realität klaffen da auseinander. deswegen ist es wichtig, immer alles zu prüfen. Kritisch prüfen, niemals nur glauben, sollte immer das Leitthema sein.
Anzuerkennen, das in der wissenschaft auch manchmal dogmatisch agiert wird, ist natürlich keine Anerkennung der Pseudowissenschaften
30. Mai 2017 um 09:44
@rincewind
Eine Korrektur zu Wegener. Seine Theorie der Kontinentalverschiebung ist bis in die 60er Jahre hinein abgelehnt worden, da er nicht beweisen konnte, welche Kräfte denn nun die genannte Verschiebung auslösen.
Er hatte mitnichten alle Fakten auf seiner Seite.
https://de.wikipedia.org/wiki/Kontinentaldrift#Alfred_Wegener_und_seine_Gegner
30. Mai 2017 um 09:57
„Jetzt ermittelt die Staatsanwaltschaft im norditalienischen Urbino gegen ihn und die Eltern wegen Mordes.“
http://www.huffingtonpost.de/2017/05/30/junge-homoeopathie-tot_n_16875828.html
1. Juni 2017 um 14:46
Pikant: Der DZVhÄ spricht von einem „bedauerlichen Einzelfall“, während die DZVhÄ-Vorsitzende Bajic selbst mit Globuli gegen Mittelohrentzündung arbeitet:
https://www.netzwerk-homoeopathie.eu/standpunkte/230-totes-kind-in-italien-dzvhae-spricht-von-bedauerlichem-einzelfall