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Faktenflucht als Zeitkrankheit

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Trend-Thema „Wissenschaftsfeindlichkeit“:

Nach dem National Geographic und Cicero bringt auch Scientific American eine ähnliche Story:

Why People Fly from Facts“

Dei beiden Autoren, ein Marketingexperte und ein Psychologe, fragen sich, warum beispielsweise Impfgegner trotz aller gegenläufiger Fakten an ihrer Überzeugung festhalten.

Troy Campbell und Justin Friesen erklären schließlich, dass eine zunehmende Zahl von Menschen nicht bloß die Gültigkeit von Fakten infrage stellt, sondern diese grundsätzlich als irrelevant betrachtet – wie Die Zeit schon vor vier Wochen schrieb:

Über die Delegitimierung von Wissenschaft wird versucht, ein allein auf moralischen Werten gründendes rechtskonservatives Weltbild durchzusetzen.

Diesem Weltbild ist es egal, ob Impfungen sinnvoll sind, ob der Mensch den Klimawandel verursacht hat und dass Menschen und Affen gemeinsame Vorfahren haben.

Es will sich generell nicht durch rational hinterfragbare Kriterien überprüfen lassen, sondern sich ausschließlich aus seinen Werten legitimieren.“

Campell/Friesen kommen zu dem Schluss, dass „that bias“ (Kognitive Verzerrungen, also Irrungen, die in unserer Wahrnehmung, Kognition und in unserem Verhalten fest verankert sind) eine Krankheit unserer Zeit sei, deren Symptome mit Fakten lediglich gelindert werden könnten.

Als gesellschaftlich notwendige Antwort empfehlen die Scientific-American-Autoren eine Gegenkultur, die Menschen dazu ermutigt, Mehrdeutigkeiten auszuhalten, Skeptizismus in Form kritischen Denkens anzuwenden und Ideologien mit absolutem Wahrheitsanspruch zurückzuweisen:

We will never eradicate bias – not from others, not from ourselves, and not from society. But we can become a people more free of ideology and less free of facts.“

Nach der ausführlichen und deprimierenden Diagnose klingt die Therapieempfehlung allerdings recht gezwungen zweckoptimistisch.

Zum Weiterlesen:

  • Why People „Fly from Facts“, Scientific American am 3. März 2015
  • “Zeit der Zweifler”: National Geographic zum Thema Wissenschaftsfeindlichkeit, GWUP-Blog am 1. März 2015
  • Immun gegen die Wissenschaft, Cicero am 28. Februar 2015
  • Vince Ebert zu Kreationismus und Wissenschaftsfeindlichkeit, GWUP-Blog am 6. April 2014
  • Die Dummheit der Wissenschaftsignoranz, Der Nesselsetzer am 6. April 2014
  • Droht uns eine Rückkehr ins Mittelalter? Welt-Online am 1. Dezember 2011

5 Kommentare

  1. Da hätte ich jetzt gedacht, es hieße: „Flee from Facts“…
    nun ja, ich glaube nicht, daß Menschen vor den Fakten „fliehen“, sondern die Bewertung ist eine Andere.
    zb Menschen die gläubig sind, übernehmen, wie selbstverständlich, „Fakten“, die zu ihren Gunsten sprechen, egal wie unseriös die Quelle ist – aber sie hinterfragen alle Fakten, die gegen ihren Glauben sprechen könnten.
    Es ist letztendlich die Bewertung der Fakten, die die Auswahl trifft, welche „Wahrheit“ wahr ist.

  2. Ohne Zweckoptimismus ist dieser Irrsinn sonst nicht auszuhalten.

  3. @Ralf: Ja es gibt viele Wahrheiten, aber nur eine Tatsache – und die beruht eben auf Fakten. Deshalb ist „Faktenflucht“ schon die richtige Beschreibung.

  4. Sorry, aber manchmal gibt es fast keine Fakten und es bleiben nur Verschwörungstheorien wie beim Flug MH370! :-(

  5. @NoMan:

    *Noch* gibt es keine Fakten.

    Es bliebe daher, Unsicherheiten und Uneindeutigkeiten auszuhalten, anstatt Informationslücken mit wilden Verschwörungstheorien und Gerüchten zu füllen.

    http://www.spiegel.de/panorama/jahrestag-noch-immer-keine-spur-von-flug-mh370-a-1022325.html

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