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Bigfoot: der Gen-Beweis

| 19 Kommentare

Auch deutsche Medien sind an diesem Wochenende voll darauf eingestiegen:

Bigfoot lebt! Endgültig, 100-prozentig, ganz sicher und definitiv wissenschaftlich bewiesen“,

titelte etwa Bild, allerdings in ungewohnt ironisch gebrochener Manier.

Welt-Online, Focus, Süddeutsche und andere berichteten ebenfalls über ein neues Video, das den haarigen Gesellen zeigen soll:

In den USA lief das Filmchen auf allen Nachrichtenkanälen:

In diesem TV-Beitrag ist auch Melba Ketchum zu sehen, die den ganzen Wirbel hervorgerufen hat, und zwar mit einer Pressekonferenz am 1. Oktober in Dallas.

Neben dem obigen …

… never-before-seen, high definition video of Bigfoot subjects inhabiting the forests of North America“

redete Ketchum mal wieder von unwiderlegbaren „DNA-Beweisen“.

Beides ist nichts Neues.

Die ersten Filmaufnahmen des schlafenden Bigfoot „Matilda“ kursierten schon vor acht Jahren – und nicht nur die Huffington Post fragt sich darob:

Why hasn’t the public been allowed to see more of the video? If the videographer was that close to Bigfoot, what happened when the creature woke up? Did it run away or turn to attack?

As with many Bigfoot videos, we’re left with scant evidence instead of irrefutable proof that Bigfoot exists, like the project claimed.“

Auch die angebliche „DNA-Study“ ist eine unendliche Geschichte voller Merkwürdigkeiten, die 2008 ihren Anfang nahm.

Melba Ketchum ist eine Tierärztin (ohne PhD, den wissenschaftlichen Doktorgrad), die ihr eigenes DNA-Labor betreibt.

2008 wurde sie von den Machern der Fernsehsendung Destination Truth gebeten, vermeintliche „Yeti“-Haare aus Buthan zu analysieren. Sie trat zweimal in der Show auf und fand anscheinend Gefallen an dieser Art von Popularität. In der Folgezeit avancierte Ketchums Labor zur zentralen Anlaufstelle der Bigfoot-Fans, die es mit „Beweismaterial“ wie Haare, Blut und Speichel versorgten.

Ohne höhere akademische Weihen, tiefere Kenntnisse in Primatengenetik oder auch nur ausreichende Erfahrung startete Melba Ketchum schließlich „The Sasquatch Genome Project“.

Immer wieder kündigte sie via Social Media sensationelle Ergebnisse an, die jedoch lange auf sich warten ließen.

Im November 2012 berief die Veterinärin eine Pressekonferenz ein und erklärte:

Our study has sequenced 20 whole mitochondrial genomes and utilized next generation sequencing to obtain 3 whole nuclear genomes from purported Sasquatch samples.

The genome sequencing shows that Sasquatch mtDNA is identical to modern Homo sapiens, but Sasquatch nuDNA is a novel, unknown hominin related to Homo sapiens and other primate species.

Our data indicate that the North American Sasquatch is a hybrid species, the result of males of an unknown hominin species crossing with female Homo sapiens.“

Die Übersetzung (bei grenzwissenschaft-aktuell):

Unsere Studie hat insgesamt 20 ganze mitochondriale Genome sequenziert und dazu Sequenzierungsverfahren der nächsten Generation (next generation sequenzing) verwendet ,um 3 vollständige Kerngenome von angeblichen Sasquatch-Proben zu erhalten.

Diese Genom-Sequenzierung zeigt, dass die mitichondriale Sasquatch-DNA mit der des modernen Homo sapiens identisch ist, dass aber die Kern-DNA von Sasquatch neu, unbekannt hominin und verwandt ist mit Homo sapiens und anderen Primatenarten ist.

Unsere Daten legen nahe, dass der nordamerikanische Sasquatch eine Hybridspezies als Ergebnis der Kreuzung zwischen männlichen Exemplaren der unbekannten Art und weiblichen Homo sapiens ist.“

Was Ketchum indes nicht lieferte, waren die dazugehörigen Daten:

Science by press release“,

spotteten die Kritiker.

Das Paper erschien schließlich doch noch, im Februar 2013.

Allerdings nicht, wie von Ketchum versprochen, in einer angesehenen Fachzeitschrift, sondern in einem bis dato gänzlich unbekannten Open-Access-Journal namens DeNovo.

Skeptiker gehen davon aus, dass DeNovo nur und ausschließlich zur Veröffentlichung von Ketchums Bigfoot-Analysen gegründet worden ist.

Wie auch immer: Wieder gab es eine Pressemitteilung dazu, und wieder sprach Melba Ketchum von „Beweisen“ für die Existenz bislang unbekannter Hominini in Nordamerika:

Dies deutet daraufhin, dass es sich bei dieser Art um eine Hybridmischung aus modernen Homo sapiens mütterlicherseits und einem unbekannten homininen männlichen Vorfahren handelt.“

Experten lasen das Paper mit Interesse, zeigten sich aber wenig beeindruckt:

Einsehen kann man Ketchums „DNA-Study“ online hier.

Zudem stellte sich heraus, dass Ketchum in ihren Literaturangaben unter anderem einen April-Scherz als angeblich seriösen Beleg für ihre Arbeit zitiert hatte.

Und so urteilt die amerikanische Wissenschaftsjournalistin Sharon Hill auch über die aktuellen „Erkenntnisse“ der Bigfoot-Forscherin:

A poorly done science report and a fake-looking video.“

Letzteres stammt von dem sogenannten „Erickson-Projekt“ um Projektleiter Adrian Erickson, der erklärtermaßen „mit besseren Videoaufnahmen […] ein für allemal die Existenz von Sasquatchs beweisen“ will, und der mit Melba Ketchum kooperiert.

Kritiker amüsieren sich derweil über die Tatsache, dass Erickson als Design-Element für seine Webseite einen „Bigfoot“ präsentiert, der verblüffende Ähnlichkeit mit Chewbacca aus „Star Wars“ aufweist. Auch deswegen könne man seinen letzte Woche präsentierten „Matilda“-Film kaum ernst nehmen:

Bigfoot Matilda is High Definition grainy: What you would expect from Ketchum-Erickson.“

Im deutschsprachigen Raum scheint bislang nur das Schweizer Newsportal 20 Minuten eine skeptische Haltung gegenüber dieser Story einzunehmen:

Todd Disotell, ein Anthropologe an der New York University, kann über Ketchums Forschungsresultate nur schmunzeln. «Das ist ein Witz», sagt er. «Sie selber macht sich über diese Gemeinde lustig, in der alle nicht ganz dicht sind.»

Was Melba Ketchum behaupte, sei in keiner ernsthaften Publikation zu lesen, so Disotell weiter. «Das ist alles Müll-Wissenschaft und diese Frau missinterpretiert deren Daten. Sie selber würde diese Untersuchungen nie in einer akademischen Zeitschrift veröffentlichen.» Disotell fasst zusammen: «Sie können nicht etwas beweisen, das nicht existiert.“

Zum Weiterlesen:

  • Bigsuit and Bigroot: Not Bigfoot, Huffington Post am 4. Oktober 2013
  • Bigfoot Exists, Claim Researchers Who Present Hi-Def Videos — Did They Deliver The Goods? Huffington Post am 2. Oktober 2013
  • The Ketchum Project: What to Believe about Bigfoot DNA ‘Science’, Skeptical Inquirer Volume 23.1, Spring 2013
  • Another Erickson Project Bigfoot clip released, Doubtful News am 5. Oktober 2013
  • Wissenschaft glaubt an Bigfoot – aber nicht ganz, 20min am 3. Oktober 2013
  • Mythen von Monstern (8): Amerikas mysteriöser Riesenaffe, Süddeutsche am 17. Mai 2010
  • „Orang Pendek“, Hoaxilla-Podcast Nr. 135 vom 29. September 2013
  • „Bigfoot“, Hoaxilla-Podcast Nr. 82 vom 25. März 2012

19 Kommentare

  1. 1.
    Wo ist die Quelle, die beweist, dass diese Frau keinen Doktortitel besitzt?

    2.
    Wie es zur Veröffentlichung im Journal DeNovo kam, wird hier ausführlich erklärt:

    http://grenzwissenschaft-aktuell.blogspot.de/2013/02/weitere-informationen-zur-kontroverse.html

    Warum wurde dieser Link nicht als Quelle angegeben? Er hätte zur Klärung, wie es zu der von Skeptikern kritisierten Veröffentlichung kam, beitragen können.

    Es ist darüber hinaus vollkommen unerheblich, in welchem Journal die Veröffentlichung stattfindet, solange die Studie peer-reviewed wurde. Wie aus der Stellungnahme Ketchums hervorgeht (siehe Link), ist dies geschehen.

  2. @Tim S.:

    << 1. Wo ist die Quelle, die beweist, dass diese Frau keinen Doktortitel besitzt? << Es ist keine Rede vom "Doktortitel", sondern vom PhD: " So yes Dr. Melba Ketchum IS a real Doctor. But her seeming 2 years of post graduate work becoming a Vet is in no way comparable to the time it takes to finish a Ph.D in research ..." (a) Sie haben aber insofern recht, als dass ich von einem "wissenschaftlichen Forschungsdoktorat" (=PhD) hätte schreiben müssen. << 2.Wie es zur Veröffentlichung im Journal DeNovo kam, wird hier ausführlich erklärt. << Danke für den Link. Kommentar von GreWi: "Was auch immer man von der Art und Weise der Veröffentlichung der Studie halten mag - Melba Ketchum hat ihre Ankündigung der Veröffentlichung ihrer Studie wahr gemacht." Klingt anscheinend nicht sehr überzeugend, die Einlassungen von Frau Ketchum, nicht mal für wohlwollende Medien. << Es ist darüber hinaus vollkommen unerheblich, in welchem Journal die Veröffentlichung stattfindet, solange die Studie peer-reviewed wurde. Wie aus der Stellungnahme Ketchums hervorgeht (siehe Link), ist dies geschehen. << Die verschiedenen Probleme des Papers werden hier erläutert: "We do not know what the standards are for review. There are no rules for starting up your own journal and calling it “peer reviewed”." http://doubtfulnews.com/2013/02/ketchum-bigfoot-dna-paper-released-problems-with-questionable-publication/

    (a):

    http://www.webcitation.org/6DBd21lf2

  3. Ein PhD – oder sein europäisches Äquivalent, der Doktorgrad – ist aber ein qualifizierter Nachweis der eigenen wissenschaftlichen Arbeit. Er zeigt, dass jemand in der Lage ist, selbstständig wissenschaftlich tätig zu sein. Ich sehe nicht, wie eine Kritik an Ketchums Bigfoot-Forschung berechtigt sein sollte, wenn man ihre wissenschaftliche Reputation angreift. Die Kritik am Werk von jemandem muss von der Kritik an dessen Person getrennt werden.

    Skeptiker machen sich unglaubwürdig mit solchen Angriffen auf ihre Person. Die Kritik muss substanziell sein, also gerichtet auf die Videobeweise und das Genmaterial.

    Wenn Ketchum schreibt, sie habe mit der Veröffentlichung Probleme gehabt, da kein anerkanntes Journal ihre Studie drucken wollte und manch einer es sogar abgelehnt hat, die Studie zu lesen (Zitat: „Unterschiedliche Fachjournale wollten unser Manuskript noch nicht einmal lesen, als wir ihnen eine Vorabanfrage stellten“), dann liegt die Schuld nicht bei ihr.

  4. @Tim. S.

    << Ich sehe nicht, wie eine Kritik an Ketchums Bigfoot-Forschung berechtigt sein sollte, wenn man ihre wissenschaftliche Reputation angreift. << Ihre "wissenschaftliche Reputation" als Veterinärin ist weit entfernt von spezieller Primatengenetik und von "Forschung" im Allgemeinen, das ist einer der Punkte dabei. << dann liegt die Schuld nicht bei ihr. << Das mag sein, aber verschiedene Experten haben das Paper nach der Veröffentlichung gelesen und waren ebenfalls nicht sonderlich beeindruckt.

  5. @Tim. S.

    Spar Dir die Mühe! GWUP sind ein haufen Dogmatiker denen es nicht um Erkenntnisse geht sondern um die Durchsetzung ihres eigenen Weltbildes.

    Siehe auch diese Quelle, auch Grenzwissenschaft-aktuell:

    http://grenzwissenschaft-aktuell.blogspot.de/2013/06/ersatzreligion-stress-und-furch-erhoht.html

    Ich hoffe das geht in Ordnung die deutsche Übersetzung hier zu posten auch wenn es von Grenzwissenschaft-aktuell ist…ansonsten: wenn nicht erwünscht bitte rauseditieren und dann habe ich die Original-Quelle:

    http://www.ox.ac.uk/media/news_releases_for_journalists/130605.html

  6. @Björn:

    Überweist Du uns bitte 5 Euro fürs Phrasenschwein?

  7. @trixi:

    Spar Dir die Mühe!

    Die Kritiker der Skeptiker sind i.d.R. ein Haufen Dogmatiker, denen es nicht um Erkenntnisse geht, sondern die blind jeden Unsinn glauben wollen:

    http://nesselsetzer.wordpress.com/2013/01/24/die-freiheit-an-jeden-unsinn-zu-glauben-oder-warum-esoteriker-tiefglaubig-sind/

  8. @Bernd

    „Überweist Du uns bitte 5 Euro fürs Phrasenschwein?“

    Ha, ha, haaa…manchmal bist Du richtig süss! ^^

  9. Ach ja, immer wieder wird dieses ominöse „Weltbild“ bemüht.

    Dabei fänden es wohl nur wenige Menschen spannender, „Bigfoot“, Außerirdische, Atlantis, Telepathen etc. wirklich zu finden, als die in den entsprechenden Gebieten tätigen Wissenschaftler.

    Völlig neue Forschungsprojekte, oder um im Duktus der „Aufgeschlossenen“ zu bleiben, mehr an Forschungsgeldern!

    Welcher geldgeile Wissenschaftler würde denn nicht gerne Expeditionen auf Kosten der Steuerzahler unternehmen?

    Mit echten Bigfoot-Funden hätte wahrscheinlich eine ganze Generation von Anthropologen genug zu tun.

    Aber nein, es passt ja nicht ins „Weltbild“…

  10. da hat jj wohl was durcheinandergebracht, dieses ominöse weltbild haben die spinner in die runde geworfen.
    trotzdem bin ich strikt dagegen spinnern geld der steuerzahler in die hand zu drücken um phantasien nachzurennen.

  11. @diabetiker:
    Nein, habe ich nicht.
    Es kam wohl nicht rüber, dass der Teil mit den Forschungsgeldern eher ironisch gemeint war.
    Ich habe ja gerade gegen diese „Weltbild-“ und Dogmatiker-Unterstellung argumentiert.

    Naja, Poe’s Law.

    Außerdem meinte ich nicht Phantasien nachrennen, sondern aufgrund von wirklichen Funden weiter zu forschen.

  12. @JolietJake: Verstehe ich Sie richtig: Geldgeile Wissenschaftler brennen darauf, Expeditionen auf Steuerzahlerkosten zu unternehmen. Aber Bigfoot passt nicht ins Weltbild, und da nicht sein kann was nicht sein darf, streiten sie deren Existenz hartnäckig ab und unternehmen darum keine Expeditionen.

    Sie werfen also den Wissenschaftlern vor, geldgeil zu sein und Steuergelder zu verschwenden, und gleichzeitig sind sie sauer, weil die Wissenschaftler – statt schön geldgeil Steuergelder auf Yeti-Expeditionen zu verschwenden – aus ideologischer Borniertheit die Existenz von Yetis (sicher wider besseres Wissen) abstreiten. So oder so sind diese geldgeilen Wissenschaftler jedenfalls böse, nicht wahr? Da passt doch was nicht.

    Natürlich wären Yetis, wenn ihre Existenz denn zweifelsfrei festgestellt wäre, für esoterisch Geneigte nicht mehr interessant. Mit real existierenden Dingen haben die es ja erfahrungsgemäß nicht so.

    Hübsch finde ich jedenfalls die Videos.

    Eine Kamera auf ein kaum erkennbares Stück Fell eines nicht näher zu identifizierenden im Wald herumrappelnden Tieres zu halten und zu behaupten, da sei ein Yeti oder sonstwas zu sehen, ist schon arg billig.

    Auf die Art könnte man sicher auch einfach nachweisen, dass Hitler noch lebt, Kaiser Barbarossa im Kyffhäuser haust und Dieter Bohlen ein Alien ist.

  13. @JolietJake: Ups, da habe ich in dieselbe Kerbe gehauen. Die Ironie ist mir auch entgangen. Nichts für ungut :/

    Immerhin passen die beiden letzten Absätze (also ab „Natürlich wären Yetis…“) trotzdem, die hätte ich in einen separaten Kommentar schreiben sollen.

  14. Fabeltierforschung!! Das sollte unbedingt auch an unseren Universitäten gelehrt werden. Da kann man ewig dran forschen und ist doch interessanter als drospohila?

  15. Fabeltierforschung drospohila?

    Droben Spoiler, hinten lang?

  16. Äh, ja, drosophila war gemeint. Fabelhaftes Labortier, aber kein Fabeltier.

  17. @Björn
    Im gegensatz zu Grenzwissenschaftlern und Esoterikern brauchen wir kein eigenes Weltbild, sondern wir nutzen jenes, das die Welt uns selbst mit seriöser und fundierter Forschung liefert.

  18. Ha, ha, ha…heute bei WISO…

    Einen guten Bausparvertrag zu finden, ist genauso schwer, wie bei einer Wanderung im Spessart ein Yeti zu finden…

    Nun ja, der betreffende Autor war wohl noch nie Wandern im Spessart, sonst würde er wissen, daß es dort nur so von Yeti-Abkömmlingen wimmelt…
    Oh je, ich stamme auch aus diesem Gen-Pfuhl…nicht das man es merken würde…dieser Pfuhl wurde zuletzt während der Pest gereinigt…;-)

  19. https://mobil.stern.de/panorama/weltgeschehen/bigfoot–kanadisches-gericht-muss-klaeren–ob-es-den-sasquatch-gibt-8347922.html

    … und kommt zu dem Schluss, dass sich eine amtliche Anerkennung von dessen Existenz in BC nicht einklagen lässt. Der Kläger, ein Filmemacher namens Todd Standing, will es aber in anderen Provinzen versuchen.

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