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Jeden Tag Weltuntergang: Die Psychologie der Apokalypse

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Und schon wieder sind es nur noch 30 Tage bis zum nächsten Weltuntergang:

Nun ja, wenigstens nimmt diesen Termin niemand ernst (obwohl der Trällersong tatsächlich mal ein Nummer-1-Hit in Deutschland war).

Deutlich humorloser ging es dagegen im Vorfeld des 21. Dezember 2012 zu – neben Dr. Florian Freistetter und uns Skeptikern konnte davon auch die Psychologin Ulrike Schiesser ein Lied singen.

Schiesser ist Mitarbeiterin der Bundesstelle für Sektenfragen in Wien.

Bei Telepolis ist sie jetzt rückblickend zu dem 2012-Hype interviewt worden:

Je mehr Angst Sie machen, desto mehr Geld“

In dem Gespräch fällt ein Satz, der all jenen zu denken geben sollte, die sich auf den Standpunkt stellen, man dürfe sich zu detaillierten Widerlegungen von Nonsens-Büchern à la Dieter Broers oder Nostradamus gar nicht erst herablassen, um das Thema ja nicht „aufzuwerten“.

Dazu sagt Schiesser:

Telepolis: Haben Menschen ihre apokalyptischen Vorstellungen immer in einer Gruppe erworben?

Ulrike Schiesser: Nein, gerade was den Maya-Kalender betrifft, nicht.

Dies hatte eine richtige Lawinenwirkung, es hatte mehr Medienpräsenz als andere Daten davor. Wenn Sie sogar eine Deo-Werbung mit dem Weltuntergang sehen: Das ist losgelöst von bestimmten Ideologien und bekommt den Rang eines wirklichen Ereignisses.

Ich habe auch die Aussage gehört: ,Es gibt so viele Bücher darüber, dann muss doch etwas dran sein.‘ Das hat eine gewisse hypnotische Wirkung.“

Und deshalb fanden (und finden) wir es wichtig, etwas gegen diesen Sog des Irrationalen zu tun.

Das Telepolis-Interview nimmt Bezug auf einen Aufsatz von Ulrike Schiesser im Materialdienst (1/2013) der Evangelischen Zentralstelle für Weltanschauungsfragen, der wiederum an eine Vortragsveranstaltung der Bundesstelle für Sektenanfragen am 21. November 2012 anknüpft:

Flirting with Disaster“

Darin skizziert die Psychologin sieben Gründe für die massentaugliche Faszination von Untergangsszenarien.

1. Apokalypse als Gegenwartsphänomen:

Durch die mediale Vernetzung leben wir heute in einem „globalen Dorf“. Naturkatastrophen, Unfälle in Atomreaktoren, technische Pannen mit bedrohlichen Konsequenzen sind Teil der täglichen Berichterstattung, auch wenn sie an weit entfernten Orten stattfinden.

Dadurch mag der Eindruck entstehen, dass sich menschheitsbedrohende Vorfälle häufen, dass die Bedrohung allgegenwärtig ist. Es gibt keine Garantie mehr für materielle Sicherheit, einen lebenslangen Arbeitsplatz, sichere Pensionsversorgung.

Der Glaube an den technischen Fortschritt ist in eine Krise geraten und schwenkt zuweilen in eine Skepsis gegenüber wissenschaftlichen Erkenntnissen, medizinischen Entwicklungen und in Technologiefeindlichkeit um […]“

2. Die Apokalypse löst jedes Problem:

Die Vorstellung eines Weltuntergangs kann auch entlastend wirken, sowohl in Bezug auf individuelle Nöte als auch auf gesellschaftliche Spannungen. Im Angesicht der Apokalypse werden Alltagssorgen relativiert, und für eine Reihe von Problemen liefert sie eine radikale Lösung […]“

3. Apokalypse vermittelt Sinn:

Apokalyptik, insbesondere in der Auslegung christlicher Theologinnen und Theologen, verharrt nicht nur in einer Stimmung der Weltangst, sondern gibt auch Hoffnung. Der drohende Untergang erscheint als Übergang oder Durchgang, die Katastrophe wird zur Krise, die Neues entstehen lassen kann.

Aus der Angst vor dem Ende und dem Tod wird die Gebärangst, die Angst vor einer schwierigen Zeit des Umbruchs, hinter der aber ein Versprechen auf eine bessere Weltordnung liegt.“

 4. Gemeinsam fällt das Sterben leichter.

In der Angst vor dem Ende der Welt setzt sich der Mensch auch mit seiner Angst vor dem eigenen Tod auseinander […]

Dazu kommt, dass für manche Menschen der eigene Tod leichter zu ertragen scheint, wenn alle gemeinsam sterben. Es bleiben keine trauernden Angehörigen zurück, niemand wird im Stich gelassen. Es scheint leichter, die Welt zu verlassen, wenn sie mit dem eigenen Weggang zu existieren aufhört.“

5. Es kommt nichts Besseres nach.

Vielleicht entspringt die Faszination der Menschen durch Weltuntergangsszenarien auch einem egozentrischen Weltbild […] In der Überzeugung ,Mit mir hat die Welt ihren Höhe- und Schlusspunkt erreicht‘ zeigt sich eine narzisstische Komponente […]“

6. „Ich weiß etwas, was du nicht weißt!“

Der Endzeitprophet kennt das geheime Gesetz, das hinter allem steht […] Die Mitgliedschaft in einer Endzeitgruppe ermöglicht den Ausstieg aus der eigenen Bedeutungslosigkeit in eine aktive Rolle als warnender, wissender, rettender Mensch.“

7. Der Weltuntergang ist Party und Geschäft.

Der Weltuntergang bringt Geld und Quote […]

Wie in der Geisterbahn würzt eine kleine Prise Angst-Lust den Alltag. Und wie bei einem Horrofilm im Kino kann man sich ein wenig vor den ,Was-wäre-wenn-Szenarien‘ gruseln und sich doch dabei (relativ) sicher fühlen […]“

Übrigens hat auch der Skeptical Inquirer noch einen Nachklapp zum Thema

The Psychology of December 21, 2012″

gebracht, und zwar hier.

Zum Weiterlesen:

  • „Je mehr Angst Sie machen, desto mehr Geld“, Telepolis am 14. April 2013

28 Kommentare

  1. Wie auch Geschäfte mit dem Weltuntergang gemacht wurden.

    Auch wenn der nach dem Maya-Kalender vorausgesagte Weltuntergang am 21. Dezember 2012 nicht eingetreten ist, hat dieser Tag doch für einige Partyveranstalter ein böses Nachspiel. Ein findiger Gastronom aus Bayern hat sich nämlich den Begriff „Weltuntergang“ beim Deutschen Patent- und Markenamt als Wortmarke für Gastronomie-Dienstleistungen schützen lassen.

    Aufgrund dieser Marke mahnt er nun andere Gastwirte ab, die am 21. Dezember ebenfalls „Weltuntergangspartys“ veranstaltet haben. Sie sollen 1000 € Schadensersatz plus 850 € Anwaltskosten zahlen.

    http://www.express.de/recht-im-netz/-weltuntergang–rechtlich-geschuetzt-partyveranstalter-sollen-fuer-partys-vom-21-12–zahlen,20964798,21386338.html

    —————————–
    Wie Religionsgruppen Angst machen und andere Theologen beleidigt werden, kann man hier auch lesen. „Die Endzeit nimmt Konturen an“

    http://www.zelem.de/…/BNI%20185%20Die%20Endzeit%20nimmt%20Konturen%20an.pdf

  2. Es fehlt noch:
    8. Die Apokalypse als Survial-Trip
    Zugeben handelt es sich dabei nicht um den totalen Weltuntergang, sondern um eine Katastrophe.
    Besonders lustig ist dies in der Botschaft 135. der Warnung wo „Jesus“ folgendes u.a. empfiehlt:

    […]Kauft Gaskocher, Decken, getrocknete und konservierte Nahrung, Wasserreinigungstabletten, Kerzen samt religiösen Bildern, um euch und eure Familien während der großen Züchtigung, die der „Warnung“ folgen wird, zu versorgen.[…]

    Tja, das waren noch Zeiten, als Moses das Volk Gottes durch die Wüste führte und es Manna regnete; heutzutage empfiehlt ein „Jesus“ nur noch einen Gaskocher zu kaufen…ja so ändern sich die Zeiten :-)

  3. Er litt unter Wahnvorstellungen von Dämonen und dem unmittelbar bevorstehenden Weltuntergang. Als sich seine Frau von ihm scheiden lassen wollte, tötete er sie mit 39 Messerstichen. Er war bekennender Zeuge Jehovas.

    http://www.sektenausstieg.net/read/1609

  4. …gerade eben lese ich folgende Zuschrift zu den „Warnungs-Botschaften“ und welch ein Zufall – dort wird auch auf Botschaft 135. hingewiesen, ein gar „dämonischer“ Zufall :-)
    Zitat Zuschrift 937

    Der Friede sei mit Euch!

    Geliebte, fällt Euch auch auf, dass der jetzige Mann auf dem Stuhl Petri sehr oft vom Teufel redet? Heute z. B. kann man in kath.net von ihm wieder lesen: „Wenn wir wollen, dass die Kirche nicht dem Fürsten dieser Welt in die Hände fällt, müssen wir uns dem Einzigen anvertrauen, der den Fürsten dieser Welt besiegen kann!“ Bereits wenige Tage nach seiner Wahl sagte Franziskus: „Wer nicht betet, betet den Teufel an!“ In der Zwischenzeit konnte man öfters Ähnliches von ihm lesen. Merkt Ihr, dass das die perfekte Tarnung ist? Wie sollte da jemand vermuten, dass er — wie wir durch die Botschaften wissen — mit dem Schwarzen im Bunde steht? Hätte ein früherer Papst so oft vom Teufel geredet —, er wäre beim Klerus nicht gut angekommen. Aber hier scheint es genau umgekehrt zu sein.

    Hitler wird in Botschaft 135 von Jesus als „Jünger Satans“ bezeichnet. Hitler sprach auffallend oft von Gott, vom Allmächtigen, von der Vorsehung und zitierte sogar Bibelverse. Er soll, wie ich einmal las, ständig ein Neues Testament in der Brusttasche getragen haben. Wer würde da auf die Idee kommen, ihn als einen „Jünger Satans“ bezeichnen zu wollen? Doch seine Früchte brachten es unmissverständlich ans Tageslicht. An diesen erkennt man nach dem Evangelium ja auch den Baum! Die Pastorentochter Angela Merkel redet von Gott nicht so oft, wie Hitler es tat.

    Warum bezieht Franziskus nicht die Wohnung von Papst Benedikt, in der wahrscheinlich auch die vorhergehenden Päpste waren? Ich kann mir gut vorstellen, dass die Dämonen ihn davon abhalten. Diese Räume sind durch Segen, Gebet, Fasten und Tränen geheiligt! Einfach ausgedrückt: Franziskus würde es in diesen nicht aushalten! Ich schlief einmal in einem Bett, da hatte ich starke sexuelle Versuchungen, was sonst nicht der Fall war. Vermutlich lag vorher in diesem Bett einer, der in dieser Hinsicht schwer sündigte. Die Kraft der Geister ist eben real und sollte nicht unterschätzt werden.

  5. @Bernd:

    So weit brauchen Sie gar nicht auszuholen.

    Auch wir, die GWUP, sind wegen der Wortmarke „Weltuntergang“ von diesem Typen verklagt worden.

    Allerdings haben wir gute Anwälte, nach einer kurzen Erwiderung haben wir nie wieder etwas von der Sache gehört:

    https://blog.gwup.net/2013/01/03/unglaublich-abkassieren-mit-der-wortmarke-weltuntergang/

  6. Ein Opfer der Weluntergangsmarke hat anstatt sich einen guten Rechstsanwalt zu nehmen, eine Petition in den Bundestag eingebracht.

    https://epetitionen.bundestag.de/petitionen/_2013/_01/_17/Petition_39254.nc.html

    Petition 39254
    Markenrecht –

    Kein Markenschutz für allgemein beschreibende Wörter vom 17.01.2013

    Text der Petition
    Der Deutsche Bundestag möge beschließen, dass Allgemeinwörter wie „Weltuntergang“ oder „Hexenfeuer“ nicht markenrechtlich geschützt werden dürfen.

  7. Eine Ergänzung zur Petition. Der Hauptpetent hat sich noch nie mit dem Markenrecht beschäftigt. Denn, dann wüßte er , dass es heilige lila ( Milka ) Kühe gibt, die sich durch das Markenrecht vermehrt haben und nicht „geschlachtet“ werden dürfen.

  8. @ Ralf

    deine guten ironischen Bemerkungen sind vermutlich das Einzige was der aufgeklärte moderne Mensch machen kann.

    Aber, es ist für Opfer und derem Umfeld schwer zu verstehen, dass Menschen durch Kirchen, Sekten, destruktive Kulte psychisch, finanziell und manchmal auch physich geschädigt werden dürfen.

    Die „Fecris“ , die „Europäische Föderation der Zentren für Forschung und Infomation über das Sektenwesen“ kann auch nur immer wieder auf international Kongressen aufklären, weil sie kein Stimmrecht im Europarat hat.

    Hier eine Vortragsreiihe über “ Apokalyptische Sekten: fehlgeschlagene Utopien und Folgen für die Anhänger“

    http://www.fecris.org/

  9. @Bernd: Die Petition ist vermutlich eine ziemlich naive Idee, denn letztendlich ist das ohnehin eine immer eine individuelle Prüfung beim Patentamt, „ob“ oder „ob nicht“ …

    Außerdem kommt es immer auf die Kategorie an, zum Beispiel kann man sich „Apple“ für einen Computer schützen lassen, aber nicht für eine Obsthandlung etc.pp.

    Es gibt aber – sinnvolle – Bestrebungen, die Wortmarke „Weltuntergang“ beim Patentamt juristisch löschen zu lassen.

    Wie weit diese Initiative sind, weiß ich zur Minute leider nicht.

  10. @Bernd Harder

    die Petition halte ich auch für naiv.

    Schaut man sich die Wortmarken „Weltuntergang “ und Weltuntergangs-Party auf an, findet man Folgende.

    https://register.dpma.de/DPMAregister/marke/register/3020090736731/DE

    https://register.dpma.de/DPMAregister/marke/register/3020120117090/DE

    https://register.dpma.de/DPMAregister/marke/register/3020120194486/DE

  11. Arche Noah: Die Bibel als schwimmender ErlebnisparkSeit zwei Jahren ist Aad Peters mit seinem Nachbau der Arche Noah unterwegs. Pünktlich zum Kirchentag legt das Schiff nun in Hamburg an, um Besuchern die Geschichten der Bibel nahezubringen.

    http://www.abendblatt.de/hamburg/article115641501/Arche-Noah-Die-Bibel-als-schwimmender-Erlebnispark.html

    Sicherlich bin ich ein Ketzer wenn ich das als Volksverdummung sondergleichen sehe.

  12. @ Bernd Harder
    Das “Ja” in Ihrer Antwort versteht sich doch nicht etwa als Bestätigung, dass Bernd ein Ketzer ist, weil er “das als Volksverdummung” sieht?

    Grins;-)

  13. @Pierre Castell:

    Duchaus nicht, nein …

  14. Eine schöne Seite zum apokalyptischen Survival-Trip:
    http://www.krisenvorsorge-zuhause.de/index.html
    Eine weitere Kuriosität, die auf dem Mist der Botschaften der „Warnung“ gewachsen ist. :-)

  15. @ Bernd Harder
    „Außerdem kommt es immer auf die Kategorie an, zum Beispiel kann man sich “Apple” für einen Computer schützen lassen, aber nicht für eine Obsthandlung etc.pp.“

    Interessant in diesem Zusammenhang die folgende Meldung:

    http://www.express.de/bonn/apfelkind-schlaegt-apple-riesen-bonner-caf–darf-logo-weiterhin-nutzen,2860,22676174.html

  16. @Pierre: Gut so, die Frau hat recht.

  17. @ Bernd Harder

    Apple hat – wenn ich das richtig gelesen habe – nach der Besichtigung vom hauseigenen extra angereisten Anwalts das Logo der Frau schon mehr oder weniger stillschweigend zugestimmt. Mal schauen, wie es endgültig ausgeht.

    Leben und leben lassen.

  18. @Pierre:

    << nach der Besichtigung vom hauseigenen extra angereisten Anwalts das Logo der Frau schon mehr oder weniger stillschweigend zugestimmt. << Ja sicher, muss man schon eingehend überprüfen, ob zwischen einer Kneipe und einem Computer eine Verwechslungsgefahr besteht ...

  19. @Ralf:

    Da ist doch Feiertag. Maria Himmelfahrt …

  20. Ja, aber sorry, die Tabelle ist so verwirrend…ich glaube…es ist der 11.09.2019…oh je…nine Eleven…
    Oh man…ich könnte auch noch einen andern schöne Link posten…der das „blaue Buch“ zur Grundlage hätte…muß aber suchen…das blaue Buch der marianischen Priesterbewegung sollte aber den meisten Lesern hier kein Begriff sein ;-)

  21. @Ralf:

    Doch, ich kenne das Teil, ich wusste aktuell nur nicht, dass Don Gobbi schon tot ist.

  22. @Bernd Harder
    Was? – Jetzt bin ich etwas enttäuscht, ich dachte Du wärst da Up-To-Date…;-)

  23. @Ralf:

    Sagen wir mal so: Persönlich und fachlich habe ich das Thema „Religion“ in den letzten Jahren etwas in den Hintergrund geschoben, obwohl es auch GWUP-seitig sicher sinnvoll wäre, das im Fokus zu behalten. Wenn es schon sonst keiner tut, nachdem Hanauer ja auch schon zehn Jahre tot ist http://de.wikipedia.org/wiki/Josef_Hanauer

  24. Nun ja…man sollte dem „Keeper“ da glauben (denn, der bin ich) ;-)
    http://kath-zdw.ch/forum/index.php/topic,196.msg4288.html#msg4288
    Leider lassen sich die Links nicht mehr reproduzieren, aber die waren voller falscher Rechnungen, die auf dem „Blauen Buch“ gründeten…es gab da eine PDF, die vielleicht hundert Seiten hatte, voll von wirren Rechnungen – ähnlich deren, dessen Link ich postete…

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