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„Die Homöopathie-Lüge“ – Ein Interview (Teil 1)

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Der Weltuntergang ist vorüber – die never ending Story „Homöopathie“ geht weiter.

Harald Walach ärgert sich mal wieder über Kritik an dem Unsinns-Verfahren.

Und die Süddeutsche rezensiert ausführlich das Buch „Die Homöopathie-Lüge“:

Weymayr und Heißmann haben ein populärwissenschaftliches Buch über die Homöopathie vorgelegt, in dem sie allen wichtigen Fragen zu diesem „alternativen Heilverfahren“ nachgehen:

  • Sie zeichnen die Geschichte der Homöopathie von ihrer „Erfindung“ durch den deutschen Arzt Samuel Hahnemann bis heute nach.
  • Sie erklären, wieso dessen Ideen zu seiner Zeit auf fruchtbaren Boden fielen. So stellen sie etwa dar, wieso die Behandlung damals für viele Patienten tatsächlich besser – oder weniger nachteilig – war als verbreitete konventionellen Methoden der damaligen Medizin wie etwa der Aderlass.
  • Sie erklären, wieso Hahnemanns Weltbild durch die Erkenntnisse der Naturwissenschaftler heute vollständig widerlegt ist.
  • Sie zeigen auf, dass nach 200 Jahren und etlichen wissenschaftlichen Untersuchungen klar ist, dass die angeblichen Heilerfolge auf den Placebo-Effekt sowie die Betreuung der Patienten durch den Homöopathen zurückgehen. Mit einer angeblichen Wirksamkeit homöopathischer Arzneimittel hat das nichts zu tun.“

Im aktuellen Skeptiker (4/2012) wird „Die Homöopathie-Lüge“ von Dr. Krista Federspiel besprochen.

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Außerdem haben wir ein Interview mit einem der beiden Autoren geführt, nämlich mit Dr. Christian Weymayr, das wir hier in zwei Teilen wiedergeben:

Frage: Sie schreiben in Ihrem Buch, dass „die Medien – wie alle anderen Wirtschaftsbranchen – eine Ware verkaufen, und das können sie nur, wenn sie sich am Konsumenten orientieren“. Wie haben Sie es dennoch geschafft, „Die Homöopathie-Lüge“ bei einem großen Verlag herauszubringen?

Weymayr: Wir – also Nicole Heißmann und ich – hatten das Glück, an eine Literaturagentin zu kommen, die unsere Auffassung in Sachen Homöopathie teilt. Sie wiederum hat dann mit Piper einen Verlag gefunden, der sich traut, das seinen Lesern zuzumuten. Sicherlich hat der Piper-Verlag aber auch ein Streit- und damit Geschäftspotenzial des Buches gesehen.“

Wohl wahr, denn auch für Skeptiker birgt das Buch eine gewisse Brisanz. Sie kritisieren nicht nur die Homöopathie und deren Protagonisten, sondern legen sich auch mit Ihrer eigenen Peergroup an, indem Sie sich gegen die Lehrmeinung der Evidenz-basierten Medizin stellen.

 Es gibt durchaus Studien, die hohen wissenschaftlichen Ansprüchen genügen und trotzdem eine spezifische Wirkung der Homöopathie nahelegen. Wir folgern daraus, dass die Studien methodische Mängel haben müssen oder die Ergebnisse statistische Zufallsprodukte sind.“

Obwohl es sich dabei um den Goldstandard der medizinischen Forschung handelt, um das nachgewiesen beste Studiendesign, nämlich randomisierte kontrollierte Studien.

Ja, selbst im Rahmen der EbM-Methodik und deren inneren Logik finden sich für homöopathische Arzneimittel scheinbar positive Ergebnisse. Es bringt uns daher überhaupt nicht weiter, in Diskussionen zu behaupten, es gäbe keine Belege für die Homöopathie.“

Das hat auch den einen oder anderen Zuschauer bei Ihrem Stern-TV-Auftritt etwa ratlos zurückgelassen.

 Mag sein, dass das für die Skeptiker unbefriedigend war, aber damit würde man sich auf ein Niveau begeben, das nicht angemessen ist. Außerdem wäre die Sendung dann auf eine Studiendiskussion hinausgelaufen – also etwa Shang gegen Linde. Erstens wären da die allermeisten Zuschauer ganz ausgestiegen. Und zweitens beherrschen die Homöopathen solche Debatten mittlerweile ganz gut.

Führt man als Kritiker die vielen Studien an, die zuungunsten der Homöopathie ausgegangen sind, schieben die Homöopathen die Schuld auf widrige Umstände oder betonen trotz insgesamt negativer Ergebnisse einzelne positive Details. Am Ende bleibt dann beim Zuschauer nur hängen: Die einen sagen so, die anderen so.

Diese leidige Studiendiskussion führt zu nichts – ganz im Gegenteil. Sie hat im Grunde dafür gesorgt, dass die Wissenschaft heute die beste Freundin der Homöopathen ist, weil auch sie auf gute Studien verweisen können. Zwar sind das nur einzelne und nicht reproduzierbare, aber dem normalen Hörer, Leser oder Zuschauer kann man das so verkaufen, und oft genug auch Ärzten.

Deshalb ist unser Ansatz, zu betonen, dass alle klinischen Studien zur Wirksamkeit homöopathischer Arzneimittel irrelevant sind.“

Das klingt ein wenig nach „Change the Rules“, nur mit umgekehrten Vorzeichen. Denn man könnte jetzt natürlich einwenden: Kaum gibt es positive Studienergebnisse für die Homöopathie, rütteln die Skeptiker sogar an ihrem eigenen Goldstandard. Es kann eben nicht sein, was nicht sein darf.

 Aus diesem Grund gehen wir einen Schritt weiter und schlagen einen neuen Begriff vor: Scientabilität.

Homöopathische Arzneimittel sind „nicht scientabel“, “, also nicht mit den üblichen Werkzeugen der evidenzbasierten Medizin greif- und erforschbar, weil sie Naturgesetzen widersprechen. Allein schon deswegen ist ihre Untersuchung von vorneherein sinnlos und die Methodik der Evidenz-basierten Medizin nicht anwendbar.“

Bisher galt es bei kritischen Medizinern und Skeptikern als Konsens, dass prinzipiell jedes Therapieverfahren und jedes Heilmittel überprüfbar nach den EbM-Kriterien ist.

 Das halten wir in gewisser Weise für überheblich, denn die Methoden der Evidenz-basierten Medizin – also etwa RCTs – haben definitiv nicht die Macht, Naturgesetze zu bestätigen oder zu widerlegen. Niemand, der sich mit EbM beschäftigt, ist so vermessen zu behaupten, dass es auch nur eine einzige Studie gibt, die frei von Fehlern ist.

Selbst wenn keine Fehlerquellen zu erkennen sind, gibt es den Begriff des „Hidden Bias“, also der verborgenen Verzerrung. Und damit ist eine klinische Studie per se nicht aussagekräftig genug, um etwas so Aberwitziges wie Homöopathie belegen oder widerlegen zu können.“

Das mit dem Widerlegen ist ohnehin so eine Sache, schreiben Sie in Ihrem Buch.

 Ja, nach den Regeln der Evidenz-basierten Medizin ist es weitaus schwieriger, vielleicht auch unmöglich, in einer Studie die Unwirksamkeit eines Verfahrens oder eines Arzneimittels zu belegen, als deren Wirksamkeit nicht zu belegen.“

Was ist der Unterschied?

 Der ist gewaltig. Wenn die Unwirksamkeit überzeugend nachgewiesen ist, ist klar, dass das Verfahren nicht wirkt: Case Closed. Ist aber die Wirksamkeit bloß „nicht belegt“, dann ist der Fall nach wie vor offen. Die Befürworter können in den Medien und in der Öffentlichkeit etwa von einem „methodischen Fehlschlag“ reden und sagen, die Wirksamkeit des Verfahren sei „noch nicht endgültig bewiesen“, ohne das Verfahren selbst in Zweifel ziehen zu müssen. Und damit sind wir wieder bei der Homöopathie …“

… die beständig „weiteren Forschungsbedarf“ für sich reklamiert.

 Genau, und das ist eine unmittelbare Folge der Homöopathie-Studien nach EbM.

Eigentlich müsste die Homöopathie längst dort sein, wo sich Astrologie oder Alchemie befinden, nämlich im Reich der Fabeln, des Voodoo, der Esoterik.

Doch während Astronomen und Chemiker den Ballast des Aberglaubens längst abgeworfen haben, steht Homöopathie bei Medizinern noch immer hoch im Kurs. Und das liegt, wie gesagt, nicht zuletzt auch an den Studien. Das ist ein Trumpf, der immer sticht.

Man behauptet einfach, dass die Studien nur unter bestimmten Umständen für bestimmte Probanden mit bestimmten Erkrankungen und bestimmten Arzneien gelten würden. Für alle anderen Konstellationen hätten die Ergebnisse keinerlei Aussagekraft. Und deshalb muss immer weiter und immer weiter geforscht werden.

So bleibt die Homöopathie dauerhaft im Gespräch und wird in den Medien häufig im Zusammenhang mit „Professor“ und „Universität“ genannt, was natürlich phantastisch fürs Marketing ist.“

Was kann man dagegen tun?

 Bislang spielt in den klinischen Studien der Evidenz-basierten Medizin keine Rolle, ob ein Verfahren plausibel oder unplausibel oder nach den Gesetzen der Physik, der Chemie und der Logik sogar unmöglich ist. Und das ist das Problem. RCTs sind unverzichtbar, um Nutzen und Schaden medizinischer Maßnahmen zu ermitteln – aber sie sind bei Weitem nicht aussagekräftig und fehlerresistent genug, um die Naturgesetze aushebeln oder bestätigen zu können.

Daher unsere Forderung nach Scientabilität“.

Weiter zu Teil 2.

Zum Weiterlesen:

  • Christian Weymayr/Nicole Heißmann: Die Homöopathie-Lüge. Piper-Verlag, München 2012
  • Was hat die GWUP gegen Homöopathie? GWUP-Blog am 1. Februar 2011
  • Erfahrungsfundamentalismus in der Homöopathie, GWUP-Blog am 29. November 2012

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