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Verschwörung gegen Kate – und die Bienen

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Die Leute vom (Knall-) Kopp-Verlag müssen aufpassen, „dass sie die Marktführerschaft in der Enthüllungsbranche nicht an die Neue Welt verlieren“, schreibt heute die FAZ.

Dieses Fachblatt für „Adel und Prominenz“ nämlich habe …

… eine Verschwörung von solcher Raffinesse aufgedeckt, dass die Umtriebe der Geheimgesellschaft Skull & Bones aus Yale dagegen so subtil wirken wie die Undercover-Mission von Rainer Brüderle in der BDI-Zentrale. Schauplatz des Stücks ist Großbritannien, die Lady Macbeth heißt Camilla Parker-Bowles, und ihre Opfer sind Prinz William und seine Kate.“

Kurz gesagt scheint Mrs. Parker-Bowles (von der FAZ als „Fürstin der Finsternis“ tituliert, von der verblichenen Lady Di nur „The Rottweiler“ genannt) konspirativ darauf hinzuwirken, dass Kate Middleton sich bei der Hochzeit nach Strich und Faden blamiert.

Man muss es gelesen haben, um es zu glauben. Andererseits: Wo steht geschrieben, dass Konspirologen nur an Reptiloide aus dem Sternbild Alpha Draconis denken dürfen, die nach der Weltherrschaft streben?

Offenkundig ist die Phantasie von Verschwörungsfreaks grenzenlos – was man auch an der aktuellen Debatte über das Bienensterben sehen kann.

Dass schon Nostradamus diese Katastrophe apokalyptischen Ausmaßes vorhergesehen hat, daüber haben wir hier schon berichtet. Mittlerweile assimilieren Wirrköpfe jedweder Couleur das Thema, zum Beispiel im Kommentarbereich von Welt-Online. Von „Funkstrahlen“ über Chemtrails, von HAARP bis hin zur Gentechnik werden die üblichen Verdächtigen vom Japan-Beben einfach zum Bienensterben durchgereicht.

Was geht in Verschwörungstheoretikern eigentlich vor?

Darüber haben wir für die aktuelle Skeptiker-Ausgabe mit dem Psychologen Sebastian Bartoschek gesprochen. Ein paar Auszüge aus dem Interview:

Der Historiker Dieter Groh meint, dass Verschwörungstheorien „für uns alle eine ständige Versuchung darstellen“. Teilen Sie diese Ansicht?

Den Begriff „Versuchung“ mag ich in diesem Zusammenhang nicht – er impliziert eine negative Konnotation von „Verschwörungstheorien“. Ich denke, letztendlich haben wir es hier mit einem Wahrnehmungsphänomen zu tun, das evolutionspsychologischen Ursprungs ist. Richard Dawkins führt das im „Gotteswahn“ ganz gut aus.

Was uns als Menschen auszeichnet, ist die Fähigkeit, unsere Umwelt zu strukturieren. Wir sind hervorragende Musterdetektoren. Ab und an allerdings zu gute. Wir finden Muster, wo keine sind, da wir Einzelbeobachtungen sinnvoll verknüpfen, die aber nicht notwendigerweise zusammenhängen. Was dabei rauskommt, sind oft Glaubenssysteme: Religionen und Verschwörungstheorien. Gläubige Menschen stimmen Verschwörungstheorien stärker zu – ein gutes Indiz für meine These.

Außerdem sollte man den Wunsch nach Wissensvorsprung nicht unterschätzen. Niemand will Opfer einer gegen ihn gerichteten Verschwörung werden. Hätte Julius Cäsar auf Verschwörungstheoretiker gehört, wäre er vielleicht nicht an den Iden des Märzes gestorben.“

Verschwörungsseiten im Internet heißen zum Beispiel „Infokrieger“, „Wahrheitsbewegung“ oder „Anti-Zensur-Koalition“. Die Betreiber sehen in dem Begriff „Verschwörungstheoretiker“ erklärtermaßen einen „Kampfbegriff“, der dazu diene, ein „Kritikverbot“ auszusprechen beziehungsweise eine „alternative, kritische Sichtweisen in die Nähe von Geisteskrankheiten zu rücken“.
Sind Verschwörungstheoretiker also lediglich „Kritiker“, die hier und da übers Ziel hinausschießen?

Kritiker benennen Schwachstellen eines Systems oder einer Aussage. Sie beurteilen damit Verbundenes und melden Zweifel an einer Darstellungsart an. Idealerweise tun sie dies anhand nachvollziehbarer Kriterien. Dabei müssen sie kein alternatives und erschöpfendes Erklärungsmodell anbieten.

Verschwörungstheoretiker gehen aber einen wesentlichen Schritt weiter. Sie benennen nicht nur Fehler, sie verknüpfen all ihre Kritikpunkte und Beobachtungen zu der Annahme über eine gezielte Verschwörung miteinander. Dabei gilt dann oft: Bestimmte Fehler hätten nicht einfach so passieren können, da muss mehr dahinterstecken.“

So wie bei der Beurteilung der Ereignisse des 11. September 2001 in der „Szene“?

Ja. Ein Beispiel aus dem 9/11-Umfeld: Der Luftraum über dem Pentagon war einer der bestgeschützten der Welt. Nun schlug hier trotzdem ein Flugzeug ein. Ein Kritiker wird auf all die Schwachstellen dieses Tages verweisen. Er wird benennen, welche Fehler die Luftraumüberwachung gemacht hat, und wie ineffektiv die Terrorabwehr funktionierte, als es darauf ankam. Vielleicht wird er einzelnen Beamten auch Versäumnisse nachweisen können.

Der Verschwörungstheoretiker dagegen wird sich damit nicht einfach abfinden. Er wird hinter den Fehlern ein größeres System von Absprachen vermuten, so dass die Fehler letztendlich zu geplanten Handlungen werden.“

Erweitern Verschwörungstheorien unsere Sichtweise – oder verengen sie diese?

Ich denke, das ist zweigeteilt zu sehen: Zunächst erweitern Verschwörungstheorien unser Weltbild. Und später verengen sie es. Verschwörungstheorien werfen Fragen auf, weisen auf Ungereimtheiten und Überraschendes hin und fordern zum Hinterfragen einer offiziellen Wahrheit auf. Zu diesem Zeitpunkt erweitern sie den Horizont.

Wenn jemand dann dogmatisch an die Verschwörungstheorie glaubt und in der Informationssuche nur noch selektiv das wahrnimmt, was die Theorie unterstützt, und nicht in der Lage ist, bei Widersprüchen diese aufzugeben, dann schränken Verschwörungstheorien unser Denken ein.“

Wenn es heißt, die Mondlandung sei im Filmstudio gedreht worden, lachen wir. Wenn wir dann aber Aufnahmen sehen, auf denen eine flatternde Fahne auf dem Mond zu sehen ist, geraten wir durchaus ins Grübeln. Wie können wir dissonante Fakten sachlich validieren?

 Letztendlich gar nicht. Wirklichkeits- und Wahrheitsentwürfe sind immer subjektiv, wodurch auch die Bewertung von dissonanten Fakten individuell unterschiedlich ist.

Ich persönlich gehe nach dem Prinzip „Was ist wahrscheinlicher?“ vor und frage mich, welche Falsifikation ich für mein Modell zulasse. Nicht falsifizierbare Gedankenmodelle lehne ich persönlich grundsätzlich ab, was aber nur ein Kunstgriff bleibt, um irgendeine Art stabiler Struktur in meine Weltsicht zu bringen.

Vielleicht ist meine Weltsicht aber auch schief. Möglicherweise werden wir seit Jahrtausenden von Reptilien-Aliens kontrolliert, die mittlerweile unser Bewusstsein so manipulieren, dass wir dies gar nicht mehr zu erkennen in der Lage sind. Das ist nicht falsifizierbar und äußerst unwahrscheinlich – deswegen halte ich es für falsch, will anderen aber nicht notwendigerweise dieselbe Bewertung aufzwingen.“

Immerhin wenden sich heute sogar die Frömmler von kath.net gegen „die Übernahme von Verschwörungstheorien in bibeltreuen Kreisen“.

Das ist einigermaßen verwunderlich, denn gerade in religiösen Grenzgänger-Foren wie kath.net und kreuz.net sind Konspirationsmythen – allen voran die „Weltverschwörung der Freimaurer“ – bislang ein offenkundig unverzichtbares Mittel gegen kognitive Dissonanzen aller Art. Wie man prompt auch an einigen Kommentaren zu dem aktuellen Beitrag ablesen kann:

Typisch intellektuell verblendet, alle Zusammenhänge des Bösen mit dem Schimpfwort Verschwörungstheorie abwiegelnd zu betiteln!“

Zum Weiterlesen:

  • GWUP-Infos: Verschwörungstheorien
  • Jetzt im Kino: Die Mondverschwörung, GWUP-Blog am 25. März 2011
  • Bienensterben hat viele Ursachen, Geograffitico am 3. Mai 2013

Ein Kommentar

  1. …übrigens: 93% (N=1101) kennen die Theorie von der Ermordung Lady Dis, aber nur 31 % (N=788) stimmen dem zu… wird die Bosheit Camillas einfach nicht erkannt? ;)

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