Bei weit über 1000 Kommentaren ist zur Stunde die Forums-Diskussion zum Spiegel-Artikel „Rückfall ins Mittelalter“ angelangt.
Zahlreiche Homöopathie-Fans hätten sich Zeit und Verve für ihre Beiträge sparen können, denn die immergleichen Einwürfe (von „Mir hat’s geholfen“ bis „Das muss doch jeder für sich selbst entscheiden“) werden zum Beispiel bei patientenfragen.net ausführlichst dargestellt und erwidert: „Argumente in der Homöopathie und deren Betrachtung“. Lesenswert.
Eine ähnliche Kommentarschlacht tobt derzeit im Science-Blog Geo Graffitico. Jürgen Schönstein analysiert eine Homöopathie-Studie in dem britischen Fachjournal Rheumatology, die zu dem Ergebnis kommt: „Homöopathie hilft – aber sie wirkt nicht.“ Mit anderen Worten: Die Arbeit hat nichts Spezifisches zur „Behandlung“ mit homöopathischen Mitteln und Methoden gefunden, sondern unterstreicht letztlich nur den Nutzen eines einfühlsamen Umgangs mit Patienten.
Klarer geht’s nicht mehr“,
schreibt Schönstein – was Huschi-Fuschi-Fans naturgemäß keineswegs in ihrem Eifer bremst, „was dazu sagen“ zu müssen. Folge: annähernd 300 Kommentare aktuell. Darunter natürlich auch viel Sinnvolles, etwa:
Wo bliebe die Homöopathie, wenn die Ärzte zuhören würden?“
In der Tat: Warum muss eine „bessere“ Medizin und Patientenversorgung, welche auch die Verbandsfunktionäre im Blog des „Deutschen Zentralvereins homöopathischer Ärzte“ als Reaktion auf den Spiegel-Artikel wortreich anmahnen, sich ausgerechnet auf eine 200 Jahre alte Nonsens-Lehre stützen? Diese Frage zu beantworten, wäre doch mal eine lohnende Beschäftigung für den DZVhÄ, anstatt peinlich-selbstentlarvendes Skeptiker-Bashing zu betreiben a la „Sog. Skeptiker und ihre Angst vor der Forschung“.
Skeptiker haben keinerlei „Angst vor Forschung“ – verspüren aber ein gewisses Unbehagen, wenn Forschung und wissenschaftliche Erkenntnisse dreist ignoriert oder unverstanden vereinnahmt werden, um damit jeden Quatsch zu „belegen“. Dies erklärt der Physiker Prof. Martin Lambeck in der Zeitschrift Versicherungsmedizin (62 [2010] Heft 3). Lambecks Ausführungen dazu folgen im Wesentlichen seinem Gastbeitrag in diesem Blog.
Und wie es Journalisten ergeht, die sich redlich mühen, von Homöopathen und „Komplementärmedizinern“ Einsicht in Studien und Wirksamkeitsbelege zu erlangen, kann man in der Weltwoche nachlesen.
Auch der excanwahn-Blog setzt sich dieser Tage mit der „Homöopathie-Forschung“ auseinander und kommt zu dem Schluss:
Die homöopathische Arznei […] hat allenfalls eine Bedeutung als Fetisch, als eine Art magisches Symbol, das dazu dient, mit der Einnahme die Erinnerung an die als positiv empfundene Zuwendung aufrecht zu erhalten. Dieser Sachverhalt kann und darf besonders klassischen Homöopathen nicht gefallen, und noch viel weniger deren Zulieferungsbetrieben wie DHU, Weleda oder Heel.
Denn die Identifizierung des Milchzuckerkügelchen als pharmakologisches Äquivalent eines Madonnenbildchens aus Lourdes würde die Globuli-Produzenten vom alternativen Pharmazie-Hersteller zum Devotionalienhändler transformieren.“
Der Ratio-Blog wiederum wartet mit einem sinnfälligen Tipp für die beste „Vorgehensweise zur Veröffentlichung von Homöopathie-Studien“ auf:
Hypothese aufstellen, Versuch durchführen, Ergebnisse dokumentieren, Ergebnisse ignorieren, Homöopathie als wirksam deklarieren.“
Und auch unseren eigenen Blog erreichte unlängst ein leicht wirrköpfiger Kommentar zum Spannungsfeld „Schul-“ versus „Alternativmedizin“, kulminierend in der grammatikalisch wie inhaltlich unbeholfenen Behauptung:
Heilung bedeutet ohne Erkundungsoperation, ohne Chemie, ohne Strahlentherapie einfach gesund werden und heil bleiben ist gefordert. So wie es sich die Beitragszahler der GKV wünschen!“
Soso, wünschen sich das die Beitragszahler? Mitnichten, ist der Medizynicus Arzt Blog überzeugt:
Also, eigentlich ist es ja gar keine schlechte Idee, die Patienten nach ihrer Meinung zu fragen. Was wollen sie denn eigentlich wirklich?
- Fernseher im Zimmer mit mindestens siebenundzwanzig Programmen, inklusive drei Pornokanälen?
- Von Spitzenköchen zubereitete Drei-Sterne-Menüs oder lieber jeden Tag Schiessbörgers mit Pommes und vieel Ketschapp dreifach Majo? Oder lieber Eisbein mit Sauerkraut?
- Vollbusige – bevorzugt blonde – Krankenschwestern, welche auch zu… na ja, also gewissen anderen Dienstleistungen zur Verfügung stehen?
- Sofortige Aufhebung aller Rauchverbote und Zigarettenautomaten auf jeder Station? (unten im Kiosk in der Eingangshallen konnte man sich immer schon mit Zichten, Fluppen und Glimmstängeln aller Art eindecken. Mit Bier, Eierlikör und Klosterfrau Melissengeist übrigens auch)
- Und von uns Ärzten: Routinemäßige Verordnung von Massagen (aller Art) sowie Kristall- und Aromatherapie und Psychovoodoohokuspokus?
Oder halt doch etwas ganz anderes? Ich glaube nämlich, die meisten – nicht alle – Patienten sind in Wirklichkeit gar nicht so blöd, wie wir denken.“
Zum Weiterlesen:
- Homöopathische „Überdosierer“ kündigen weltweite Aktion an, GWUP-News vom 3. Dezember 2010
- DZVhÄ-Geplärr, Excanwahn-Blog am 30. November 2010
- Anmerkungen zur Homöopathie, Kritisch gedacht am 29. November 2010
- Wehe! Wehe! Homöopathie, Akupunktur, Ayurveda – der Aberglaube frisst die moderne Medizin, Die Zeit am 13. September 2010
- „Medizin ist keine Naturwissenschaft“, Astrodicticum simplex am 26. November 2010
- „Nieder mit den Apotheken“, Die Wahrheit am 21. November 2010
- Homöopathie ist Schwachsinn in Zucker, Medizin ohne Höflichkeit am 21. Juli 2010
- Warum Pseudomedizin nicht totzukriegen ist, Ratio-Blog am 20. Juli 2010
- Taking on Homeopathy in Germany, Science-based Medicine am 21. Juli 2010
- Homöopathie: Brauchen wir mehr Forschung? GWUP-Blog am 8. August 2010
- Nicht gerade meine Lieblingsfragen, Pharmama’s Blog am 20. Mai 2010
- Die sich wiederholenden Homöopathen-Argumente, Wissenslogs am 27. Juli 2010
- Aberglaube Homöopathie, Kritisch gedacht am 4. Juni 2008
27. November 2010 um 16:42
Schöne Übersicht. Interessant an den Kommentaren ist ja oft, dass einige der Argumente der gläubigen Homöopathieanhänger richtig sind, nur leider nichts mit der Homöopathiekritik zu tun haben.
Bspw.
– Es wird zu viel Antibiotika verschrieben.
– Ärzte nehmen sich zu wenig Zeit für Gespräche, weil diese nicht bezahlt werden.
– Die Pharmaindustrie ist profitorientiert.
– Ohne Medikamente gesund werden ist besser als die falschen oder zu viele Medikamente zu nehmen.
Alles richtig, hat nur nichts mit der Kritik an der Homöopathie zu tun.
Vielleicht ist es wirklich so, dass man sich verloren zwischen Studien und Behauptungen wiederfindet. Die einen sagen, es gibt keine belastbaren Belege, die anderen sagen doch, die einen sagen, 200 Studien haben ergeben … ,die anderen sagen, ja, aber die 100 hier sagen was anderes usw.
In solch einem Dilemmata hat man nur wenige Optionen:
a) man liest mal schnell 50 Bücher über Evidence Based Medicine
b) man liest noch mehr Bücher über Homöopathie
c) man glaubt keinem der beteiligten, horcht in sich hinein und glaubt zu erkennen, dass der natürliche Weg ohne Chemie besser ist und möchte das auch glauben, und dann sucht man nach Belegen in der Wirklichkeit und siehe da, es gibt sie….(Wichtig: Fakten die meiner Theorie widersprechen, müssen konsequent ignoriert werden, sonst droht eine „kognitive Dissonanz“).
Also meine persönliche Meinung:
– Bezahlt die Ärzte gefälligst endlich auch fürs Quatschen und Anfassen
– Schluckt nicht jede Pille oder Globuli, Krankheiten gehen oft auch von alleine weg
28. November 2010 um 00:16
Ich werf mal ganz schamlos meinen Artikel zum Thema in die Runde: „Häufige Naturheiler-Argumente“, dort habe ich versucht, mal eine Liste der beliebtesten Pseudoargumente zum Thema zu sammeln:
http://www.wissenslogs.de/wblogs/blog/detritus/alternativmedizin/2010-11-18/faq-der-naturheiler-argumente
28. November 2010 um 00:30
@skeptikus: Sehr guter Kommentar. Endlich mal eine differenzierte Betrachtung.
Und um es noch ein bisschen stärker zu formulieren: es nützt den Homöopathie-Kritikern doch nichts ständig wie ein Rumpelstilzchen auf und nieder zu hüpfen und zu schreien ‚Aber wissenschaftlich betrachtet kann das doch gar nicht funktionieren!‘ (wie man es hier ständig liest).
Was wir brauchen ist eine Diskussion was (aus Patientensicht) die Gründe sind warum viele lieber zum ‚Alternativmediziner‘ gehen. Es mag ja sein dass der Inhalt der Globuli da absolut keinen Beitrag leistet, aber um so spannender ist doch die Frage: Was dann?
(Und wieder aus wissenschaftlicher Sicht: eine Doppelblindstudie beantwortet diese Frage nicht. Denn sie vergleicht eine ‚alternative‘ Behandlung mit und ohne korrektes Medikament. Interessant wären Studien die die _realen_ Standard- und Alternativ-Behandlungen hinsichtlich ihrer Erfolgsraten je nach Krankheitsbild untersuchen.)
28. November 2010 um 02:27
wenn ich dieses „ohne chemie“ schon lese … zucker, wasser und alkohol sind auch chemie
28. November 2010 um 12:44
@Nachtdenker:
<< Und um es noch ein bisschen stärker zu formulieren: es nützt den Homöopathie-Kritikern doch nichts ständig wie ein Rumpelstilzchen auf und nieder zu hüpfen und zu schreien 'Aber wissenschaftlich betrachtet kann das doch gar nicht funktionieren!' (wie man es hier ständig liest).<<
Sagen wir mal so: Es ist so lange notwendig, darauf hinzuweisen, dass Homöopathie aus wissenschaftlicher Sicht Unsinn ist, wie die Ärzte, die Homöopathie anwenden und/oder propagieren, behaupten, *dass* es funktioniert.
Ich persönlich habe zugegebenermaßen lange Zeit nicht geglaubt (oder besser: für möglich gehalten), dass homöopathische Ärzte das wirklich ernst meinen. Ich hatte lange Zeit angenommen, dass die genau wissen, dass das Ganze blanker Unfug ist, Homöopathie aber trotzdem "anwenden", um den Placebo-Effekt zu verstärken etc.
Bis ich z.B. im neuen Blog des DZVhÄ gelesen habe, dass die Jungs das wirklich und wahrhaftig ernst meinen. Da wird munter vom "Wassergedächtnis" schwadroniert und von allem, was die menschliche Phantasie so hergibt. Absolut erschreckend. Man sollte es wirklich nicht für möglich halten, dass diese Leute im 21. Jahrhundert in einer modernen westlichen Industrienation als Ärzte praktizieren. Ich weiß nicht genau, was in der Mediziner-Ausbildung falsch läuft – aber anscheinend so einiges. Und so lange das der Fall ist, wird unsere – in der Tat ermüdende – Aufklärung wohl leider notwendig sein.
Würden die Homöopathen mal mit einem vernünftigen Vorschlag rüberkommen, wären wir Skeptiker sofort dabei.
Zum Beispiel: "Lasst uns den guten alten Hahnemann und seine Irrtümer und Fehldeutungen begraben, lasst uns endlich die simpelsten Grundlagen unserer modernen Naturwissenschaften als Tatsachen akzeptieren – und dann lasst uns gemeinsam ein Heilverfahren entwickeln und fundieren, das wir z.B. ,Placebo-Medizin‘ o.ä. nennen und das dem Patienten nützt, ohne intellektuell ins Mittelalter zurückzuführen."
*Das* wär doch mal was.
28. November 2010 um 22:40
@Bernd Harder
Diese Placebo-Medizin ist blanker Unfug. Placebos funktionieren nur weil Patienten sie nicht für Placebos halten. (Gegenteilige Studie stets willkommen)
Mediziner die sich Ärzte nennen haben außerdem auf jeden Fall Medizin studiert, selbst wenn sie dann Homöopathie anwenden – dadurch wird meiner Meinung nach sicher gestellt, dass ernsthafte Erkrankungen (z.B. mit potentiellen bleibenden Schäden bei Nicht- oder Homöopathiebehandlung) auch ernsthaft behandelt werden.
Ich denke der Glaube des Patienten an die Homöopathie trägt maßgeblich zu ihrem Erfolg (d.h. zu ihrer Beliebtheit bei Patienten) bei. Der Glaube des Arztes spielt dabei keine große Rolle, es muss nur den Patienten überzeugen dass er an die Therapie glaubt. Warum ein Arzt Homöopath wird ist daher also nicht entscheidend. Aber eine Placebo-Medizin die dem Patienten (bei aller persönlichen Behandlung) die Illusion einer Medizin raubt halte ich für aussichtslos.
Wie gesagt, eine Studie zu einem realen Vergleich, meinetwegen auch mit Patienten die wissen, dass die Placebos Placebos sind, wäre hier der einzige Ausweg.
29. November 2010 um 12:34
@nachtdenker: Gleich mehrere populäre Irrtümer, nur mal zwei davon:
<< Der Glaube des Arztes spielt dabei keine große Rolle <<
Doch, das tut er – das ist z.B. die Erklärung dafür, warum der Placebo-Effekt auch bei Kindern und Tieren wirksam ist, die gar nicht daran „glauben“ können.
<<es muss nur den Patienten überzeugen dass er an die Therapie glaubt. <<
Ob der Patient an die Therapie "glaubt" oder nicht, spielt für den Placebo-Effekt eine allenfalls geringe Rolle:
http://www.welt.de/gesundheit/article8836835/Wie-man-den-Placebo-Effekt-optimiert.html
https://blog.gwup.net/2010/07/23/warum-gibt-es-den-placebo-effekt/
29. November 2010 um 23:22
@Bernd Harder
Also gut, dann schauen wir doch mal auf die Details. Die beiden Studien (von denen wir die zweite als Einzelmeinung und Spekulation wohl nicht allzu ernst nehmen können) weisen doch beide darauf hin, dass es darauf ankommt für wie wirksam der Patient die Medizin/das Placebo hält (75% Erfolg –> gut, 0% –> schlecht).
Ich stimme zu dass der Patient nicht Hahnemanns Phantasien verstehen muss, aber der Arzt vermittelt (sowohl Kind, Hund und Erwachsenem) eine Erfolgsaussicht — und wenn auch nur rein emotional.
Nehmen wir also an, dass das Placebo am besten wirkt wenn der Arzt eine Erfolgsaussicht von 75% vermittelt. Mir ist wichtig dass es völlig egal ist _warum_ der Arzt diese 75% vermittelt, nur _dass_ er es tut und dass der Patient es glaubt/fühlt.
Eine Placebo-Medizin würde jetzt also dem Patienten reinen Wein einschenken und sofort die 0% ansetzten – na da bin ich mal auf die Erfolgsrate gespannt. Ich denke bei den meisten Menschen pendelt sich das Gefühl bei Homöopathie (auch Dank unserer und anderer kleinen Diskussionen zu dem Thema) so bei 60-80% ein. Was will man mehr?
30. November 2010 um 11:32
Homöopathie funktioniert!
Ich habe einen Selbsttest gemacht, der mich sofort überzeugt hat; ihr könnt es auch testen:
Um die richtige Bettschwere zu bekommen brauche ich jeden Abend einige halbe Bier. Das war mir zu aufwendig und ich habe Bier potenziert.
Das geht so:
Mit einer Pipette habe ich ca. drei Tropfen Bier aus einem deutschen Pilsener entnommen.
Diese drei Tropfen kommen dann in ein Becherglas voll homöopathischen Ethanol (das ist der, der für Urtinkturen verwendet wird) und werden verschüttelt. Diesem Glas habe ich wiederum drei Tropfen mit der Pipette entnommen und in ein weiters Becherglas mit Ethanol gegeben. Diesen Vorgang habe ich mehrmals wiederholt und das letzte Gas ausgetrunken.
Die Wirkung war brutal!!! Nach einigen Minuten konnte ich nicht mehr geradeaus laufen, ich war schlagartig im Vollrausch der bis zum nächsten Mittag gedauert hat. Und das nach läppischen drei Tropfen Bier nach drei Potenzierungen.
Einige Bekannte haben es nachgemacht und gleiches erfahren. Sie haben auch schon Untersuchungen gemacht und festgestellt, dass für die ersten Verdünnungen auch Wasser verwendet werden kann, lediglich bei der letzten Potenzierung ist unbedingt homoöpathischer Ethanol zu verwenden; ansonsten schmeckt´s fade und es tritt keine Wirkung ein.
Die Art des Bieres (Pils, Weizen, Bock, Hell, …) oder die Marke (Kulmbacher, EKU, Mönchshof, …) hat keine Auswirkung. Es soll sogar mit alkoholfreiem Bier oder Malzbier funktionieren – hier besteht noch forschungsbedarf.
Jürgen
P.S.: bitte NICHT nachmachen!!!
30. November 2010 um 13:25
@Nachtdenker:
Der Begriff „Palcebo-Medizin“ war auch nur willkürlich, oberflächlich und exemplarisch gewählt – es müsste ja nicht *so* heißen …
30. November 2010 um 13:49
@Bernd Harder
…na dann merken wir uns mal dass ‚die Skeptiker‘ eine Methode Patienten zu verarschen abschaffen wollen um eine neue Methode (dieselben) Patienten zu verarschen einzuführen. Bravo!
30. November 2010 um 13:59
@Nachtdenker: Ich bin mir nicht ganz sicher, wie Sie nach Ihrem sinnvollen letzten Kommentar auf solchen Unsinn kommen – ich nehme mal an, Sie wollen uns missverstehen, um hernach über die „bösen“ Skeptiker schwadronieren zu können, oder?
Ich versuche es noch einmal, auch wenn ich *sehr* sicher bin, dass wir uns genau verstanden haben:
Dass die Berücksichtigung des Placebo-Effekts bei einer medizinischen Maßnahme eine sinnvolle Sache ist, ist völlig unstrittig und hat nicht das Geringste mit „Verarschung“ zu tun. Jede Optimierung dieses Phänomens ist willkommen, deshalb rückt der Placebo-Effekt zunehmend in den Fokus der Medizinwissenschaft.
http://www.journalmed.de/newsview.php?id=31679
Unredlich (wenn Sie so wollen: eine Verarschung) ist es, zur Optimierung des Placebo-Effekts eine Methode zu wählen, deren Grundlagen auf Jahrhunderte alten Irrtümern und Fehldeutungen beruhen und mit der geistige Umweltverschmutzung betrieben wird = Homöopathie.
30. November 2010 um 16:39
@Bernd Harder
Entschuldigen Sie die etwas überspitzte letzte Formulierung, aber ich sehe bei aller Homöopathiekritik (und wie Sie sehen teile ich vieles davon) immer noch keinen konstruktiven Gegenvorschlag.
Wir sind uns doch bei folgenden Punkten einig:
1. Placebos funktionieren
2. Placebos funktionieren am besten, wenn der Patient das Gefühl hat (zu 75%) ein echtes Medikament zu nehmen
3. Nach allen Untersuchungen sofern können wir Homöopathische Medikamente als Placebos betrachten
Sie schlagen nun vor, dass Ärzte sich mit Placebos beschäftigen und flächendeckend Placebos verschreiben — weil sie wissen, dass sie funktionieren. Diese Ärzte geben dem Patienten also (zu 75%) das Gefühl ein echtes Medikament zu bekommen (und zu bezahlen!), nur ist das nicht der Fall. Für mich ist das mindestens Etikettenschwindel.
Sie werden sagen (und sie haben Recht), dass Homöopathie auch Etikettenschwindel ist – also nochmal meine Frage: Wo ist aus Sicht des Patienten der Unterschied zwischen beiden ‚Therapieformen‘?
(Denn auch der Homöopath kann sich im schlimmsten Fall auf die Position zurückziehen: ‚Ich habe den Patienten doch (wirksame!) Placebos verschrieben!‘)
30. November 2010 um 17:11
@Nachtdenker:
<< Entschuldigen Sie die etwas überspitzte letzte Formulierung<<
Gewiss, kein Thema.
<<aber ich sehe bei aller Homöopathiekritik (und wie Sie sehen teile ich vieles davon) immer noch keinen konstruktiven Gegenvorschlag.<<
Sicherlich war mein "Gegenvorschlag" ad hoc und nicht vertieft ausgearbeitet.
<<Sie schlagen nun vor, dass Ärzte sich mit Placebos beschäftigen und flächendeckend Placebos verschreiben <<
Nun ja, ganz so war es eigentlich nicht gemeint. Davor (deshalb sagte ich: "Placebo-Medizin" und nicht "Placebo-Medikamente") müsste man sich sicherlich sehr intensiv mit dem gesamten Phänomen inklusive eines sinnvollen und praktikablen therapeutischen Settings beschäftigen. Mit "flächendeckendem Verschreiben" wäre sicher nix gewonnen.
<< Für mich ist das mindestens Etikettenschwindel.<<
Die ethische Problematik von Placebos im Sinne von "Darf man das überhaupt, ohne den Patienten gewissermaßen zu betrügen?" ist sicherlich richtig von Ihnen aufgezeigt und wird auch in Mediziner-Kreisen hier und da diskutiert. Wäre/ist ganz gewiss mit zu berücksichtigen – bis hin zu der Option, aus diesem Grund das Ganze möglicherweise auch bleiben zu lassen.
<<Sie werden sagen (und sie haben Recht), dass Homöopathie auch Etikettenschwindel ist – also nochmal meine Frage: Wo ist aus Sicht des Patienten der Unterschied zwischen beiden 'Therapieformen'?<<
Meine Ausgangs-Überlegung war die: Wie kann man den – anerkanntermaßen therapeutisch wertvollen – Placebo-Effekt nutzen, ohne den Patienten dabei bewusst zu verdummen bzw. in eine Art magisches Weltbild zurückzuführen, das mit den Erkenntnissen der heutigen Wissenschaft nicht vereinbar ist, so wie die Homöopathie dies tut.
Möglicherweise ist diese Frage sehr viel schwieriger zu beantworten, als ich zunächst dachte.
Mein zweiter Punkt war der, dass – zu meiner eigenen Überraschung – sehr viel mehr ärztliche Homöopathen tatsächlich selbst an diesen Unsinn glauben, als ich es für möglich gehalten hätte. Hier besteht m.E. die Gefahr, dass solche Ärzte die Möglichkeiten und Grenzen der HP erheblich überschätzen, weil ihnen gar nicht klar ist, womit sie es in Wirklichkeit zu tun haben.
Deshalb denke ich, kann unsere Streitfrage nicht alleine und ausschließlich aus "Sicht der Patienten", wie Sie sagen, beantwortet werden. Jedenfalls nicht so lange, wie in jeder TV- und Frauenzeitschrift HP als "Wundermedizin" gefeiert wird, von der angeblich niemand so recht weiß, wie sie funktioniert, weil das alles ganz schrecklich "geheimnisvoll" und "unerklärlich" sei.
Insofern sehe ich in der HP ein erhebliches psychohygienisches Problem für die gesamte Gesellschaft, Patienten und Homöopathen eingeschlossen – aber nicht nur sie allein betreffend.
Wie kriegt man das nun alles irgendwie zusammen? Natürlich haben Sie Recht, dass das eine Idealvorstellung ist, eine wirksame und nützliche Placebo-Medizin in die heutige Medizinwissenschaft zu integrieren und letztendlich sogar für die Arzt-Praxis "anwendbar" zu machen.
Ob das a) ethisch vertretbar und b) überhaupt möglich ist, ohne damit den gewünschten Placebo-Effekt zum Verschwinden zu bringen – das sind zwei Fragen, die ich Ihnen hier so ohne weiteres nicht beantworten kann.
Ich würde es aber gerne zur Diskussion stellen, vielleicht formuliere ich das Ganze in den nächsten Tagen auch nochmal in einem eigenen Beitrag.
30. November 2010 um 18:42
<<Hier besteht m.E. die Gefahr, dass solche Ärzte die Möglichkeiten und Grenzen der HP erheblich überschätzen, weil ihnen gar nicht klar ist, womit sie es in Wirklichkeit zu tun haben.<<
Ja, die Gefahr besteht – auch wenn Fehlbehandlungen bei nicht-Homöopathen auch keine Seltenheit sind und beide die gleiche medizinische Grundausbildung absolvieren.
<<Ob das a) ethisch vertretbar und b) überhaupt möglich ist[…]<<
Das sind die spannenden Fragen.
<<Ich würde es aber gerne zur Diskussion stellen, vielleicht formuliere ich das Ganze in den nächsten Tagen auch nochmal in einem eigenen Beitrag.<<
Ich freue mich darauf und danke für die anregende Diskussion :)