gwup | die skeptiker

… denken kritisch seit 1987.

Psi-Tricks: Neurologen erforschen Hirn und Magie

| 6 Kommentare

Apollo Robbins hat eine erstaunliche Karriere hingelegt: vom talentierten Taschendieb zum professionellen Trickzauberer. Jetzt hat sich der resozialisierte Tunichtgut von Neurowissenschaftlern anheuern lassen, melden Spiegel Online und einige US-Medien: Hirnforscher und Psychologen wollen Robbins ganz genau auf die Finger schauen, wenn er seine Opfer mit geschickten Illusionen verwirrt und täuscht. Dadurch wollen sie mehr darüber erfahren, wie die menschliche Wahrnehmung funktioniert – und wie sie warum ausgetrickst werden kann.

Apollo Robbins‘ PR-Video ist tatsächlich beeindruckend, fragt man sich doch bei jeder Szene: Sind die hier Ausgetricksten einfach nur verdammt dumm – oder würde der Taschendieb mich ach-so-abgebrühten Skeptiker genauso vorführen?! Ich tendiere zu letzterer Annahme.

Wir sprachen mit Dr. Rainer Wolf, Biologe und Wahrnehmungsforscher, über Tricks und Illusionen – und darüber, warum es so wichtig ist, dass wir mehr über unser eigenes Gehirn erfahren. Rainer Wolf ist Mitglied im Wissenschaftsrat der gemeinnützigen Gesellschaft zur wissenschaftlichen Untersuchung von Parawissenschaften (GWUP), der größten und ältesten Skeptiker-Organisation im deutschsprachigen Raum. Er leitet die Psi-Tests der GWUP, in denen die Gesellschaft regelmäßig Menschen mit angeblich paranormalen Fähigkeiten prüft.

Rainer, warum interessieren sich Wissenschaftler überhaupt für die Tricks von Zauberern und Illusionisten?

Rainer Wolf: An der Art der Trickhandlung, die man ja übersehen soll, kann man ablesen, wie das Gehirn des Zuschauers Daten verarbeitet, warum es zu Wahrnehmungstäuschungen kommt und durch welche Reize wir uns von dem wesentlichen Geschehen ablenken lassen. Und das ist aufschlussreich für das Verständnis der Funktionsweise unseres Gehirns!

Was macht diese Forschungen für Skeptiker interessant?

Rainer Wolf: Psychologische Erkenntnisse sind auch für Skeptiker interessant, um zu verstehen, wie Paragläubige und Esoteriker „ticken“, wie sie durch Selbsttäuschungen zu ihren Vorstellungen kommen, warum sich diese Vorstellungen aus ihrer Sicht in der Praxis bestätigen, und warum sie meist unbelehrbare Wissenschafts-Analphabeten sind, also zur „Credomanie“ neigen: Sie halten glaubsüchtig an ihren Ideen fest, selbst dann noch, wenn ihre Behauptungen experimentell widerlegt worden sind. Dieser Dogmatismus, der mit wissenschaftlichem Denken unvereinbar ist, kommt jedoch gelegentlich auch in Skeptiker-Kreisen vor.

Also sind Skeptiker und Wissenschaftler nicht immun gegen Täuschung?

Rainer Wolf: Oh nein, ganz und gar nicht! Von vielen Täuschungen kann man sich grundsätzlich gar nicht frei machen. Es ist schon viel erreicht, wenn wir überhaupt merken, dass wir getäuscht werden oder uns selbst täuschen. Und die höchstmögliche Erkenntnisstufe gewinnen wir, wenn wir herausbekommen, wie die Täuschung funktioniert, warum also unser Gehirn – allen rationalen Erklärungen zum Trotz – nach wie vor einen falschen Wahrnehmungsinhalt konstruiert.

Hast du dich selbst schon einmal gewaltig getäuscht?

Rainer Wolf: Da gibt es unzählige und oft gravierende Beispiele! Täuschungen erlebt jeder von uns – beispielsweise die, dass wir es als absolut freie Entscheidung erleben, einen Finger unserer Hand spontan zu bewegen oder nicht, und dass der bewusst durchgeführte „Willensruck“ die Bewegung ausgelöst. Dabei hat das Gehirn schon mindestens eine halbe Sekunde vorher – ohne unser Wissen! – mit dem Beginn des prämotorischen Bereitschaftspotenzials die Entscheidung getroffen, dass der Finger bewegt werden wird.

Wir fühlen uns frei auch dann, wenn uns Naturgesetze unser Handeln und unsere Wahrnehmung vorschreiben. Reizt man bestimmte Gehirnregionen lokal, haben wir das Erlebnis, uns ganz spontan an bestimmte Ereignisse unseres Lebens zu erinnern. Dabei wird dieses Erinnern per Knopfdruck zwangsweise ausgelöst. Woran das liegt? Einfach daran, dass wir aus nichts als Materie bestehen – Materie, die den Gesetzen der Physik genügt.

Um Missverständnissen vorzubeugen: Weil wir unsere Entscheidungen als frei wahrnehmen, auch wenn sie das neurobiologisch betrachtet nicht sind, sind wir für sie verantwortlich, denn wir haben (irrtümlicherweise) das Gefühl, wir hätten in genau derselben Situation auch anders entscheiden können.

Viele meiner wissenschaftlichen Projekte wurden durch selbst erlebte Wahrnehmungstäuschungen angeregt, deren Analyse sichtbar machte, wie und nach welchen Algorithmen unser Gehirn in solchen Fällen arbeitet. Beispielsweise unterliegen wir alle einer unbewussten Wahrnehmungs-„Zensur“, die es uns oft nicht erlaubt, Dinge wahrzunehmen, die unserer Erfahrung radikal widersprechen – nach schon oben zitierten Motto „weil nicht sein kann was nicht sein darf“. Es ist ein spannendes Erlebnis, sich quasi selbst einen Spiegel vorzuhalten und zu versuchen, solche Wahrnehmungszensuren zu umgehen!

Betrachtet man z.B. ein menschliches Gesicht durch eine Brille, die das rechte Bild ins linke Auge umleitet und das linke Bild ins rechte, melden die Augen dem Gehirn einen Hohlkopf. Die hohle Form kann man aber erst erkennen, wenn man das Gesicht verfremdet, indem man es umkehrt und auf den Kopf gestellt betrachtet.

Wie verhindert ihr Selbst- und Fremdtäuschung bei den Psi-Tests?

Rainer Wolf: Indem wir uns strikt an die strenge wissenschaftliche Methodik halten, also wenn irgend möglich mit doppelter Verblindung arbeiten, sensorische Lecks ausschalten und unser physikalisches Wissen einsetzen, um bewusste oder unbewusste Manipulationen herauszufinden und zu unterbinden.

Wie sicher sind diese Schutzmaßnahmen?

Rainer Wolf: Absolute Sicherheit gibt es dabei nicht, vor allem wenn Bewerber mit neuen, uns unbekannten Zaubertricks arbeiten sollten. In diesem Fall müssten wir uns bei professionellen Trickkünstlern Rat holen. Bisher waren jedoch alle Kandidaten ehrliche „shut-eyes“, also selbst Gläubige, die mit ihrer angeblich paranormalen Fähigkeit nicht nur ihre Klienten täuschten, sondern vor allem auch sich selbst.

Links zum Thema:

Autor: Stefan Kirsch

Stefan Kirsch: Diplom-Germanist und Redakteur, aktiv in der GWUP seit 2000. Studium der Germanistik, Journalistik, Philosophie und Psychologie an der Universität Bamberg, Mitglied im Deutschen Journalisten-Verband (djv). Beruflich ist er in der Unternehmenskommunikation eines deutschen Technologie-Konzerns tätig.

6 Kommentare

  1. Ja, das mit den optischen Täuschungen ist faszinierend und tückisch … fast schon erschreckend zugleich.

    Vor nicht allzu langer Zeit, gab es auf RTL2 eine Episode von „Schau Dich Schlau“, wo dargelegt wurde, wie sehr sich der Mensch täuschen und ablenken lässt. (Hier ist der Link zu der Episodenbeschreibung: Verkehrte Welt – Wie uns unsere Sinne Streiche spielen). Da gab es z.B. eine sehr beeindruckende Täuschung, wo sich die beiden Moderatoren in einem scheinbar normalen Raum befanden. Aber je nachdem, in welche Ecke sie gelaufen sind, sind sie entweder „größer“ oder „kleiner“ geworden. (Ein Bild davon befindet sich auch auf oben erwähnter Seite rechts unten.)

    Das Verrückte dabei war aber … selbst, nachdem man wusste, wie diese optische Täuschung funktioniert, konnte man dem Gehirn nicht „beibringen“, dass es nur eine Illusion ist, was man da sieht. Durch die optisch korrekte Geometrie des Raumes, ist es für das Gehirn offenbar nur plausibel bzw. einfacher, sich darauf einzulassen, dass die Personen wirklich ihre Größe ändern. Diesen Trick fand ich wirklich am Beeindruckendsten! (Leider habe ich im Internet noch keinen Mitschnitt dieser Sendung gefunden. Sie war wirklich sehenswert.)

    Gerade solche Erfahrungen der Täuschung, tragen schön dazu bei, bei diversen Aussagen von Esoterikern noch kritischer zu sein. Besonders kritisch ist man dann in Hinblick auf die Täuschungen, denen man selber erlag.

    Abschließend möchte ich noch ein passendes PDF von Guido Stepken (www.little-idiot.de) nennen, welches wunderbar zu dieser Thematik passt:
    Warum wir meinen Visionen, Deja – Vues zu haben, aber dennoch die Lottozahlen nicht vorhersagen können. Dort wird auch nochmal die Sache mit der 0,5 Sekunden Differenz im Gehirn angeführt.

    mfg

    Christian

  2. @ ChinaFan: Wenn du mal nach Nürnberg kommst, empfehle ich dir einen Besuch im „Turm der Sinne„, dann kannst du die optische Täuschung in diesem speziellen Raum für nur ganz wenig Eintrittsgeld selbst erleben! ;-)

Schreibe einen Kommentar

Pflichtfelder sind mit * markiert.