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Der 11. September und die „Abseits-Gurus“

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Hmm, der weltverschwörungsblog hat heute auf unseren Skeptiker-Blog verlinkt.

Beim Thema „The Secret“ und den daraus Kapital schlagenden Wünschelwichten sind wir also durchaus einer Meinung.

Auch ansonsten präsentiert sich die Seite überraschend humorig und präsentiert etwa den „Wahrheitserkenner Gernot L. Geise“, der sich …

… todesmutig auf einen Weltraumflug begeben [hat], um eigenhändig die angeblichen Mondlandungen des imperialistischen Lügenstaates USA zu widerlegen.“

Daneben werden …

 … angebliche Islamisten als Hollywood-Schauspieler enttarnt

oder „Der Alltag bei den Illuminaten“ geschildert.

Und das am Vorabend des zehnten Jahrestages von 11/9!

Was gibt es zu den „frustrierten Detektiven, Monokausalisten und Abseits-Gurus“ (sprich: Verschwörungstheoretikern) noch zu sagen, nachdem wir uns an WTC 7 abgearbeitet haben?

Wenig.

Außer vielleicht einem Hinweis auf den „Special Report“ des Magazins Popular Mechanics: „Debunking the 9/11 Myths“.

Oder auf die SpiegelTitelgeschichte (2003): „Panoptikum des Absurden“.

Oder auf die Debunking 911-Seiten.

Einen anderen Zugang zu den konspirologischen Versuchungen um den 11. September 2001 wählt der Soziologe Andreas Anton in seinem Buch „Unwirkliche Wirklichkeiten – Zur Wissenssoziologie von Verschwörungstheorien“.

Anton geht es weniger um den Wahrheitsgehalt von Verschwörungstheorien, sondern um ihre Bedeutung als „spezielle Wissensform“, die er als „illegitimes“ oder „unerwünschtes“ Wissen beschreibt.

Dessen Ursachen und Funktionen gelte es zu verstehen „oder gleichsam zu diagnostizieren“.

Und wie lautet Antons Diagnose? Kurz zusammengefasst entstehe die Neigung zur Annahme einer Verschwörung …

… genau dann, wenn sich das Ereignis so besser in das bestehende Sinngefüge eingliedern lässt […] Somit reagieren Verschwörungstheorien nicht auf einen Mangel konsistenter Erklärungs- oder Deutungsangebote, sondern vielmehr auf das Problem, Ereignisse oder Prozesse nicht in diese integrieren zu können.“

Letztendlich gehe es also um die Plausibilität einer Erklärung vor dem Hintergrund spezifischer Weltbilder, Erklärungsmuster, Sinn- oder Wirklichkeitskonzepte.

Der Freiburger Soziologe mag deshalb auch nicht von Verschwörungstheorien sprechen, sondern bevorzugt den Begriff Alltagstheorien „im Sinne von nicht wissenschaftlich begründeten Annahmen“, die jedoch …

… auf einer stillschweigenden, unmerklichen Anpassung an sich verändernde Umstände basieren.“

Und die „nicht gezwungenermaßen einer systematischen Überprüfung ihrer Aussagen unterliegen.“

 Verschwörungstheoretische Deutungen könnten indes nur dann breite Popularität erlangen, wenn sie …

… mit ihren Inhalten am bereits bestehende Mentalitäten, Ressentiments und Vorurteile anknüpfen können.“

Anton spricht sich für einen „realistischen Zugang“ in der wissenschaftlichen wie journalistischen Auseinandersetzung mit verschwörungstheoretischen Deutungen aus, der primär darin besteht,

… die Aussagen der Verschwörungstheorien zunächst einmal neutral zu betrachten, ihre Argumente ernst zu nehmen und da, wo sie falsch sind, im Einzelnen sachlich zu widerlegen.“

Ob es damit wirklich getan ist?

Die aktuellen 9/11-Debatten bei Astrodicticum simplex mit zur Minute 913 Kommentaren und auch hier bei uns mögen dafür ein interessanter Gradmesser sein.

Passend mutet auch das Fazit des 9/11-Kapitels in „Verschwörungen – Die 100 spektakulärsten Fälle“ an:

Sie können die Theorien glauben, ablehnen oder für ein Symptom eines traumatisierten Landes halten. Immerhin haben Sie noch die Freiheit zu wählen. Genießen Sie sie.“

Zum Weiterlesen:

  • Zehn Jahre Verschwörungen zu 9/11, Sebastian-Bartoschek-Blog
  • 11/9: Die Verschwörungstheorien, Video bei n24.de
  • Die absurden Ideen der Verschwörungstheoretiker, Welt-Online am 10. September 2011
  • Verstörendes und Verschwörendes, GeoGraffitico am 13. September 2011

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