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Kein „Wassergedächtnis“

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„Wundersames Wasser“ ist die Titelgeschichte im aktuellen Skeptiker überschrieben:

Glaubt man den Heilsversprechen der Angebote, gibt es keine gängige Krankheit, von Kopfschmerzen bis Krebs, die nicht mit irgendeinem Wunderwässerchen geheilt werden könnte. Geht man eher skeptisch als gläubig in die Details solcher Werbung, wird man zwar viele vollmundige Behauptungen finden, nicht aber nachvollziehbare Beweise. Dieser Mangel wird häufig durch pseudowissenschaftliche Erklärungen versteckt.“

In der Wochenendausgabe vom Neuen Deutschland findet sich nun eine interessante Besprechung des zugrunde liegenden Buches von Dr. Helge Bergmann:

Das Prinzip aller Dinge ist das Wasser. Aus Wasser ist alles, ins Wasser kehrt alles zurück.“ – Dieser dem griechischen Philosophen Thales zugeschriebene Gedanke war auch den Verfassern der Bibel nicht fremd, die den Geist Gottes noch vor aller Erschaffung des Lebens ahnungsvoll „über den Wassern“ schweben ließen.

Zwar sieht man in der Naturforschung die Sache traditionell etwas nüchterner. Aber auch hier gilt: Wasser ist ein Stoff mit außergewöhnlichen Eigenschaften, die in der Tat so anmuten, als wären sie eigens für die Entstehung des Lebens in der berühmten Ursuppe „designt“ worden. Dabei hat Wasser eine auf den ersten Blick simple molekulare Struktur. Zwei Atome Wasserstoff (H) sind an ein Sauerstoffatom (O) so gekoppelt, dass der Winkel zwischen beiden H-O-Bindungen ca. 105 Grad beträgt.

Allein, diese geometrische Anordnung hat es in sich. Weil darin auf der Seite des Sauerstoffs eine negative und auf der Seite der Wasserstoffatome eine positive Polarität entsteht, verfügt jedesWassermolekül über ein permanentes elektrisches Dipolmoment.

Dank dieser Eigenschaft ist Wasser ein hervorragendes Lösungsmittel und damit zugleich ein geeignetes Medium für die biochemischen Grundprozesse des Lebens. Außerdem ziehen sich die Wassermoleküle auf Grund ihres Dipolcharakters gegenseitig an und können sich über Wasserstoffbrückenbindungen zu sogenannten Clustern (engl.: Haufen) vereinigen. Weil dadurch das Verdampfen erschwert wird, hat Wasser einen für seine Molekülgröße hohen Siedepunkt von 100 °C. Zum Vergleich: Das ähnlich schwere Methan siedet unter Normaldruck bei minus 164 °C.

Besäße Wasser kein Dipolmoment, würde es bereits bei minus 100 °C vom festen in den flüssigen und bei minus 80 °C vom flüssigen in den gasförmigen Aggregatzustand übergehen. In einem solchen Fall läge alles Wasser auf der Erde in Gasform vor, was wiederum für die Entwicklung des Lebens in der uns bekannten Gestalt kaum eine zweckmäßige Grundlage wäre.

Dass Wasser zahlreiche anomale Eigenschaften besitzt, ist unbestritten. Darüber hinaus werden ihm aber auch Fähigkeiten zugesprochen, die ins Reich der Fantasie gehören, wie der Chemiker Helge Bergmann jetzt in einem Buch überzeugend darlegt. So kann man etwa für teures Geld Geräte kaufen, die angeblich krankmachendes linksdrehendes in gesundes rechtsdrehendes Wasser verwandeln.

Dass man zur Begründung dieses Rotationsunterschieds gern die Quantenphysik bemüht, hört sich zwar pompös an, ist aber Unfug, da sich, wie Bergmann betont, die Begriffe rechts- und linksdrehend in Bezug auf Wasser gar nicht sinnvoll definieren lassen.

Auch andere esoterische Heilslehren gehen direkt oder indirekt von der Voraussetzung aus, dass Wasser langfristig Informationen speichern kann. Ähnlich denken überdies die meisten Homöopathen. Die von ihnen verordneten Arzneien werden häufig so stark verdünnt, dass sie praktisch kein Wirkstoffmolekül mehr enthalten. Das sei auch gar nicht nötig, hatte schon Homöopathie-Erfinder Samuel Hahnemann erklärt, da der Arzneistoff zuvor sein „geistartiges Wesen“ an das wässrige Verdünnungsmittel übertragen habe.

Obwohl kein chemischer Mechanismus denkbar ist, der so etwas leisten könnte, wird im Labor weiter nach dem „Gedächtnis des Wassers“ geforscht. Für weltweites Aufsehen sorgte 2003 die Leipziger Pharmazeutin Karen Nieber mit der Behauptung, sie habe die Wirkung von homöopathischen Belladonna (Tollkirsche)-Lösungen auf Gewebe aus dem Magen-Darm-Trakt von Ratten nachgewiesen. Dafür erhielt sie den mit 10 000 Euro dotierten alternativen Hans-Heinrich-Reckeweg-Preis, den sie allerdings zwei Jahre später wieder zurückgab. Denn die Nachprüfung ihrer Arbeit hatte deutliche methodische Mängel offenbart.

Eine andere Spur verfolgt seit Längerem der Schweizer Chemiker Louis Rey. Er untersucht im Experiment die homöopathische Verdünnung von Kochsalz und ist dabei zu dem Schluss gelangt, dass die anfangs noch vorhandenen Salzmoleküle gleichsam einen Abdruck in den Wasserstoffbrückenbindungen des Wassers hinterlassen und die Bildung von speziellen Clustern anregen. Streng genommen wäre das die einzige Möglichkeit, um überhaupt Informationen im Wasser speichern zu können.

Doch die von Rey entwickelte „Theorie“ steht wissenschaftlich auf schwachen Füßen. Die Wasserstoffbrückenbindungen sind nämlich nicht stabil, sondern brechen immer wieder auf. Dabei lösen sich die Moleküle voneinander, um kurz darauf mit anderen Molekülen eine neue Verbindung einzugehen. Dieser Vorgang, bei dem unentwegt variable Cluster entstehen, vollzieht sich in einem Zeitfenster von 50 Billiardstel Sekunden.

Wasser hat mithin kein Gedächtnis, sondern ist, wenn man so will, eine recht vergessliche Flüssigkeit. Wäre das Gegenteil der Fall und Wasser in der Lage, Informationen zu speichern, dann, so darf man spekulieren, hätte das Jahrmilliarden nur im Ozean beheimatete Leben wohl einen Weg gefunden, um diese Informationen für sich nutzbar zu machen.

Erwartungsgemäß ist auch die Euphorie über Reys Cluster-Experimente inzwischen merklich abgeklungen. Denn als andere Wissenschaftler versuchten, diese im  eigenen Labor zu wiederholen, mussten sie feststellen, dass sich damit das homöopathische Wirkprinzip selbst bei bester Absicht nicht bestätigen ließ.“

Zum Weiterlesen:

3 Kommentare

  1. Nachdem ich Helge Bergmanns Buch etwa zur Hälfte gelesen habe, kann ich mich es guten Gewissens weiterempfehlen. Zwar sind die einzelnen Abschnitte allesamt ziemlich knapp gehalten, aber insgesamt findet man zu ziemlich jeder pseudowissenschaftlichen Behauptung rund um H2O Material. Auch für langjährige Skeptiker dürfte einiges dabei sein, dass sie noch nicht kennen.
    Ergänzend lohnt sich auch „H2O“ von Philip Ball, darin wird der wissenschaftliche Stand der Dinge (2001) sehr ausführlich beschrieben.

  2. <<Wasser hat mithin kein Gedächtnis, sondern ist, wenn man so will, eine recht vergessliche Flüssigkeit.<<
    Gottseidank hat das Wasser kein Gedächtnis…seine Reinheit und Klarheit ist sein Vorteil. Wenn ein so hervorragendes Lösungsmittel* wie das Wasser ein Gedächtnis hätte und demnach auch destruktive Informationen weitergeben könnte, wäre vielleicht Leben gar nicht erst möglich gewesen.
    *durch diese Lösungsfähigkeit würden etliche Informationen in dem "Wassergedächtnis" gespeichert werden.

  3. Das Wassergedächtnis ist in einigen Köpfen schon so tief verankert, dass in einer Primarschule in Winterthur ein Film dazu gezeigt wurde, ohne kritisch zu hinterfragen.

    Schlimmer noch: Das Thema war Forschen! Und, wie das bei uns in der Provinz so ist: Glauben hat noch immer einen höheren Stellenwert, als selbst ausprobieren.

    Natürlich wollten wir es genauer wissen und haben hier zum X-ten Male eine weitere Studie zum Thema Wassergedächtnis gemacht und auch gleich hier veröffentlicht:

    http://www.gress.ly/wg

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