gwup | die skeptiker

… denken kritisch seit 1987.

Presseschau: Orakeltiere und eine Homöopathie-Vorlesung

| 6 Kommentare

Zum Monatswechsel erst mal eine kleine Presseschau, was in den letzten Tagen andernorts so los war.

  • Im Esowatch-Blog gibt es einen interessanten Beitrag zu der Frage: „Wieviel Medizin ist evidenzbasiert?“

Tatsächlich nur 40 Prozent, wie Geo in seiner Wirrwarr-Story „Die neue Heilkunst“ behauptet hat? Nein, auch diese Zahl ist falsch oder zumindest stark tendenziös, erklärt Prof. Edzard Ernst auf Anfrage.

  • Darüber hinaus haben die Esowatch-Kollegen ein weiteres Interview geführt, und zwar mit dem Schweizer Immunologen Prof. Beda Stadler. Es geht darin unter anderem um die Gründe, warum Menschen abseitigen Überzeugungen anhängen.

Stadler:

Ich weiß es nicht, aber ich vermute, es ist unser Gehirn, das immer noch wie ein Affengehirn funktioniert.

Wir können nicht anders als zwei Dinge, die gleichzeitig auftreten, miteinander zu verbinden und speichern ständig derartige Muster ab. Die meisten Muster, die wir selber erleben, etwa der kindliche Eindruck die Welt sei flach, sind derart überzeugend, dass es geistige Arbeit, Bildung braucht, um einzusehen, dass die Welt rund ist.

Der zweite Grund mag darin liegen, dass man uns von Kindheit an blöde Muster anerzieht, und somit eigentlich anstatt Bildung vor allem Dummheit angedeihen lässt. Die meisten von uns, mich eingeschlossen, müssen sich dann ein Leben lang abplagen, um diese Dummheiten wieder abzulegen. So glauben viele Köche, dass man Fleisch heiß anbraten muss, um die Poren zu schließen, obwohl es nun wirklich erwiesen ist, dass Fleisch keine Poren hat.

Obwohl Dummheit manchmal strafbar ist, etwa im Straßenverkehr, scheint die anerzogene Dummheit im Zusammenhang mit den wichtigen Lebensfragen eher ein Attribut von Leuten zu sein, die von uns sozialen Respekt verlangen. Ist ein Gehirn stark verseucht mit irrationalem Glauben, etwa Religiosität, scheint die allgemeine Urteilskraft zu leiden.

Wer daran glaubt, dass Menschen übers Wasser laufen, oder Schlangen sprechen können, dem helfen womöglich auch Globuli.“

In einem Gastbeitrag antwortet der bayerische Gesundheitswissenschaftler Joseph Kuhn auf einen Artikel im Psychotherapeutenjournal, der gegen wissenschaftlich fundierte Therapiemethoden polemisiert.

Was das bedeuten soll? Nichts weniger als dass es den Placebo-Effekt „definitiv nicht gibt“:

Was allenfalls passiert, ist, dass ein bestimmtes Gesamtszenario, zu dem unter anderem an irgendeiner Stelle ein Zuckerkügelchen gehört, den Leuten das Gefühl vermittelt, etwas Positives sei mit ihnen geschehen. Oftmals ist aber objektiv nichts Positives geschehen — und schon gar nicht kausal wegen der Placebos.“

Der Wahrsagerchecks Blog gibt einen amüsanten Überblick über die Orakeltiere, die bei der Rugby-WM in Neuseeland zum Einsatz kommen, und bescheinigt außerdem jenen Tierhomöopathen einen gepflegten Größenwahn, die ihr Huschi-Fuschi-Fach ernsthaft als Bachelor-Studiengang etablieren wollen.

An der Universität Basel dagegen ist eine Einführungsvorlesung zur Homöopathie gründlich danebengegangen – weil ein Medizinstudent diese akademische Volksverdummung nicht hingenommen und dem Dozenten kritische Fragen gestellt hat.

  • Darüber berichtet der Schweizer skeptiker-blog: „Eine Einführungsvorlesung zum Entwöhnen.“

6 Kommentare

  1. Der Herr Beda M. Stadler sollte am besten anfangen vor seiner eigenen Türe zu kehren:
    „Die meisten Muster, die wir selber erleben, etwa der kindliche Eindruck die Welt sei flach, sind derart überzeugend, dass es geistige Arbeit, Bildung braucht, um einzusehen, dass die Welt rund ist.“

    Hier übt er sich etwa darin einzelne Wirkungen aus dem Gesamtzusammenhang zu reißen:
    http://www.energeticmedizin.com/linksco/rauchengegenparkinsonkrebs/index.html

    „Paradoxerweise wirkt Tabak manchmal sogar gegen Krebs. Raucher erkranken weniger häufig am schwarzen Hautkrebs, wie diesen Monat im British Journal of Dermatology berichtet wurde. Je öfter und je mehr geraucht wurde, umso geringer fiel das Risiko aus, an diesem tödlichen Krebs zu leiden. Trotz all dieser Studien: Die Anti- Raucher-Lobby wird weiterhin die Rosinen aus der wissenschaftlichen Literatur picken, um auf uns Rauchern herumzuhacken.“

    Das bringt mir bei der Datenlage an negativen Wirkungen, die Tabak zur Todesursache Nr. 2 weltweit (WHO, 2009) machen, natürlich enorm viel… Wer hier einzelne Studien pickt, steht wohl außer Frage… Nebenbei hat er sogar aus der genannten Studie (das ist wohl wirklich ein schlechter Witz bei der derzeitigen Datenlage) nur die Rosinen gepickt, denn bei ehemaligen Rauchern ist das Risiko laut dieser erhöht.

    Fazit: Solche Aussagen sind eines Wissenschaftlers und kritisch denkenden Menschen nicht würdig.

  2. Trixi, das was du schreibst, habe ich nicht bezweifelt.

    „was genau wollen Sie damit zum Ausdruck bringen?“

    Das, was ich schrieb… ich fasse es aber gerne noch einmal etwas einfacher zusammen:
    – Herr Beda regt sich über Menschen auf, denen Weitblick fehlt.

    – Selbst jedoch pickt er sich aus einer herausgepickten Studie eine Rosine heraus, um eine Meinung zu rechtfertigen, die in sein Weltbild passt

    War es so verständlicher?

  3. “In der Literatur …” oder “Viele Arbeiten in neuerer Zeit …” -> Wenn ich so mit meinem Prof rede, dann zeigt er mir, wo die Türe ist ;-) Interessieren tut mich, was er zitiert hat und das ist für eine Argumentation Nonsens. Warum, habe ich bereits geschrieben.

    Wenn er diese Studie meinte, dann wird es noch schlimmer. Näheres zum Autor, einem gewissen Enstrom, der stark mit der Tabakindustrie verworren ist: http://www.sourcewatch.org/index.php?title=James_E._Enstrom

    Nebenbei kassierte das British Medical Journal (BMJ) für diese Studie unverzüglich 150 Responses (http://legacy.library.ucsf.edu/tid/iqe07a00), wovon die meisten scharfe Kritik übten. Und zu guter Letzt sind die Ergebnisse heute eindeutig durch Oberg, 2010, Lancet, widerlegt: „Worldwide, 40% of children, 33% of male non-smokers, and 35% of female non-smokers were exposed to second-hand smoke in 2004. This exposure was estimated to have caused 379 000 deaths from ischaemic heart disease, 165 000 from lower respiratory infections, 36 900 from asthma, and 21 400 from lung cancer. 603 000 deaths were attributable to second-hand smoke in 2004, which was about 1·0% of worldwide mortality. 47% of deaths from second-hand smoke occurred in women, 28% in children, and 26% in men.“

    Also bleibt meine Meinung wie sie ist: Dieser Artikel war eines Wissenschaftlers nicht würdig.

  4. Ich will in dieser Diskussion keine Stellung beziehen, aber „This exposure was *estimated* to have caused …“ liest sich für mich auch nicht besonders aussagekräftig (-> „estimate“ = „schätzen“/“einschätzen“)

  5. @007: Natürlich ist es eine Einschätzung, die durch das gewählte Signifikanz Level der Statistik ausgedrückt ist. Das ist aber mit jeder biologischen Studie so. Auch die Wirkung von Antibiotikum kannst du nur einschätzen. Wenn du die Signifikanz erhöhen willst, dann schätze 500 000 Tote für 2004… Die Schädigung durch Passivrauch bleibt eindeutig vorhanden.

    Aber darum ging es mir eigentlich gar nicht… Mir ging es um die Darstellung / Verzerrung dieses Themans durch den Herrn Beda Stadler.

  6. Lasst mal gut sein, der „Wolfgang“ trollt sich momentan durch alle Foren und arbeitet sich an Stadler ab. C&P beherrscht er ausgezeichnet.

Schreibe einen Kommentar

Pflichtfelder sind mit * markiert.