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Homöopathen und Dr. med. Dünnbrettbohrer

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In der aktuellen Zeit findet sich ein Artikel über medizinische Doktorarbeiten, überschrieben mit „Flachforscher“.

Ein Auszug:

Historiker, Physiker oder Soziologen verbringen rund drei Jahre in Bibliothek, Labor und Schreibstube. Ärzte dagegen erwerben ihre Doktorehre im Schnitt in zwölf Monaten, oft als Auftragsforschung für den Professor.

Das Ergebnis entspricht vom Umfang und Thema her meist einer – schmalen – Diplomarbeit in den Naturwissenschaften. Viel Zeit zum Lesen haben die Professoren ohnehin nicht: Ein Hochschullehrer in der Medizin betreut laut Statistischem Bundesamt fünfmal so viele Dissertationen wie ein Geisteswissenschaftler.

Dass gerade den Ärzten in der Bevölkerung eine besondere wissenschaftliche Expertise zugesprochen wird („Herr Doktor!“), erscheint anderen Disziplinen deshalb als schlechter Witz.

Hier gelten die Mediziner – promovierte wie habilitierte – oft als Flachforscher, die sich eher für die schmückenden Buchstaben vor dem Namen als für den Wissensfortschritt interessieren.“

Ob das mit ein Grund für die hohe Akzeptanz von homöopathischem und anderem Unsinn innerhalb der Medizinerschaft ist?

Die Sachlage, die jedem Arzt bekannt sein müsste, wird heute in einem Kommentar bei Kritisch gedacht noch einmal so zusammengefasst:

  • Keiner weiß, warum Homöopathie funktionieren soll.
  • Man weiß aber, warum Homöopathie nicht funktionieren kann.
  • Die Studienlage deckt sich mit der Erwartung, dass Homöopathie nicht besser als Placebo wirkt.

Über dieses Thema haben wir für die Skeptiker-Ausgabe 3/2011 (gerade im Versand) mit den beiden Medizin-Professoren Klaus-Dietrich Bock (Kreuth) und Manfred Anlauf (Bremerhaven) gesprochen:

Wie kann das überhaupt sein, dass in einer europäischen Industrienation des 21. Jahrhunderts studierte Mediziner an Homöopathie glauben?

Bock: Weil ihnen in ihrer Ausbildung die theoretischen Grundlagen der wissenschaftlichen Medizin nicht ausreichend deutlich gemacht worden sind.

Man hielt derartige Fragen in der Lehre längst für geklärt. Unkritische, gutgläubige Kollegen fallen auf den terminologischen Schwulst der Alternativen herein: „ganzheitlich“, „integriert den ganzen Menschen“, „altbewährt“, „natürlich“, “keine Chemie“ … Das sind Leerformeln, untauglich zur Beurteilung wissenschaftlicher Theorien.

Dazu kommen in sicher nicht wenigen Fällen materielle Interessen. Die weit verbreitete und durchweg positive Darstellung der Alternativmedizin in den Medien verfehlt ihren Einfluss auf die Patienten nicht. Das wiederum bewirkt einen gewissen Druck auf manchen Arzt.

Was speziell die Homöopathie anbelangt, so ist deren Akzeptanz durch approbierte Ärzte – abgesehen vom fehlenden Wirksamkeitsnachweis – deshalb unbegreiflich, weil die Theorie dieser Methode chemisch-physikalische Vorstellungen umfasst, die den Naturgesetzen widersprechen. Diese aber sind im Medizinstudium in der sogenannten Vorklinik gelehrt und geprüft worden.“

Das heißt, es fehlt gleichermaßen an wissenschaftlichem Verständnis wie es schlicht ums Geldverdienen geht?

Anlauf: Beide Vermutungen treffen wohl zu, in jeweils unterschiedlicher Ausprägung. Für die heutige wissenschaftliche Medizin sind zwei Unterscheidungen wichtig: Erstens differenziert sie zwischen der Beseitigung eines Symptoms und der Heilung einer Krankheit. Und zweitens zwischen den theoretischen Vorstellungen, die wir uns von der Behandlung einer Krankheit machen, und dem Beweis der Wirksamkeit unserer Mittel.

Viele Symptome, die eine Krankheit begleiten, können durch Zuwendung, „soft skills“, die jeder Arzt beherrschen und anwenden sollte, sowie Placebos gemildert werden. Dabei kann die Krankheit selbst, gemessen an ihren objektivierbaren Befunden, unverändert fortbestehen. Dies wurde aktuell noch einmal für die Atemnot beim Asthma bronchiale gezeigt.

Bewiesen wird die Wirksamkeit unserer Mittel nicht durch theoretische Diskussionen, sondern durch statistische Beweisführung, in der Regel an Gruppen von Patienten mit derselben Erkrankung. Nur bei sehr seltenen Fortschritten in der Therapie ist die alleinige Beobachtung des Arztes über allen Zweifel erhaben.“

Das vollständige Interview „Lehre statt Leerformeln“ lesen Sie im aktuellen Skeptiker.

4 Kommentare

  1. Ich kann Herrn Bock insoweit Recht geben: Oft sind es materielle Interessen. Mit der Lehre hat das aber eher wenig zu tun. Denn diejenigen, die tatsächlich daran glauben, haben schon vor dem Studium daran geglaubt. Davon gibt es in jedem Jahrgang welche. Ich bin so frei und befrage die Leute ganz gerne. Es sind nicht viele, aber genug.

    Selbst mitten in den Tempeln der Biowissenschaften finden sich Leute, die glauben, es müsse doch was dran sein. Und das sind nun keine Mediziner.

    Was macht ein Mediziner in der Biochemie, dem die Biologen-Kollegin erklärt sie nehme Homöopathie und leide unter einem Problem mit Geschmacksverstärkern? Er guckt blöd und versucht ihr zu erklären, daß sie ihre Darmprobleme bitte mal fundiert abklären sollte statt Unsinn zu reden.

    Der Glaube an Homöopathie ist offensichtlich eine Mischung aus Genetik und Erziehung – wie so Vieles. Er wird lange vor dem Beginn eines Studiums angelegt und ist dann kaum mehr zu beeinflussen. Genauso wenig wie der Glaube an einen Gott.

    Ältere Mediziner sind schließlich auch nicht alle Homöopathen, obschon sie wesentlich weniger Grundlagen gelernt haben. Ich habe hier ein Bichemie-Standardwerk aus den 70ern. Das würde heute jeden traurig machen, der mehr Grundlagen fordert. Nach über dreißig Jahren Arbeit darf man den Besitzer auch nicht mehr fragen was da drin steht: Das weiß er nur noch rudimentär. Dennoch ist er ein streng wissenschaftlich orientierter Arzt.

    Daß Mediziner Flachforscher sind, hat damit auch wenig zu tun. Wer Medizin studiert erlernt in erster Linie ein Handwerk. Das ist auch gut so, denn von einem Biowissenschaftler wollte sicher auch keiner behandelt werden. Das würde schon an den meist etwas gruseligen Anatomiekenntnissen scheitern ;-).

    Das Erlernen des Handwerks dauert – ohne Doktorarbeit – bereits 12 Semester, die 17 Monate Gratisarbeit in Krankenhäusern beinhaltet (Pflegepraktium, Famuatur, PJ). Es gibt praktisch keine Zeit für eine Doktorarbeit. Diese wird regelmäßig irgendwann in den Abendstunden erledigt. Zudem wird sie nicht bezahlt, wie das bei wissenschaftlichen Doktoranden üblich ist. Eine ordentliche Doktorarbeit ist für Medizinstudenten unbezahlbar.

    Man muß sich überlegen, ob Doktorarbeiten für Mediziner überhaupt nötig sind. Im Prinzip sind sie Quatsch, wenn man Patienten behandelt. Mit einer Doktorarbeit bekommt man niemanden reanimiert. Man macht sie, weil der spätere Chef den „Dr.“ sehen will. Ist man fertig, ist man sowieso automatisch der Doktor, weil einen die Patienten so nennen.

    Ärzte machen ihren „Doktor“ eigentlich in ihrer Facharztausbildung, die nochmal sechs Jahre dauert. Ich meine, das genügt völlig, sofern man als Arzt nicht später wissenschaftlich arbeiten möchte. Diese dreimonatige Abendforschung kann man lassen.

    Gegen den Glauben hilft wissenschaftliches Arbeiten in den seltensten Fällen, denn die Erziehung ist im Alter des Studiums bereits abgeschlossen.

    So einfach darf man sich das nicht machen.

  2. Ja, man konnte der Frau Verteidigungsministerin nicht den Doktortitel nehmen, weil alle anderen Politiker zurücktreten mußten, die ihn verloren und das wäre in der aktuellen Weltlage nicht so einfach möglich.
    Ich fand die Begründung schön, daß zwar plagiiert* wurde, aber nicht mit Absicht…man, eine Frau, die nicht merkt, daß sie abschreibt – kann diese ein wichtiges Amt in der Regierung begleiten?

    *wird so geschrieben, habe gegoogelt und abgeschrieben ;-)

  3. << "Ich bin dafür, die Doktorarbeiten zum Dr. med. für Mediziner, wie sie heute in Deutschland üblich sind, grundlegend zu überdenken und abzuschaffen, um sich an internationalen Standards zu orientieren. << http://www.spiegel.de/unispiegel/studium/promotionen-und-doktor-in-der-medizin-im-inland-und-ausland-a-1081794.html

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