Im Februar ließ die Mittelbayerische Zeitung eine Landwirtin hochleben, die ihre Rinder homöopathisch behandelt und daher bang einer geplanten EU-Verordnung entgegensieht, welche die angeblichen „Alternativen“ zur evidenzbasierten Tiermedizin „stark einschränken“ und „bürokratisieren“ würde.
Natürlich gibt es bereits zahlreiche Petitionen gegen die EU KOM 558, zum Beispiel von den deutschen Tierheilpraktiker-Verbänden.
Und auch Politiker wanzen sich wie immer zuverlässig an die Globuli-Fans heran und drängen auf „Erleichterungen“ für ihre Feinstoff-Klientel – etwa die parlamentarische Staatssekretärin im Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft, Dr. Maria Flachsbarth (CDU).
Die Realität sieht indes völlig anders aus, als die Mittelbayerische mit ihrem herzigen Artikel weismachen will:
Die Bäuerin ist damit seit 15 Jahren erfolgreich und muss den Tierarzt nur rufen, wenn sie mit Homöopathie nicht mehr weiterkommt. Das spart etwa die Hälfte der Tierarztkosten und vermeidet oftmals den Einsatz von Antibiotika.“
Nonsens, schreibt DocCheck heute:
Große Metaanalysen, um Effekte in der Veterinärmedizin zu belegen, fehlen bislang. Klinische Studien zeigten keinen Effekt. Befürworter berufen sich nur auf Anwendungsbeobachtungen.
Paul Enck, Professor für Medizinische Psychologie und Forschungsleiter der Abteilung Psychosomatische Medizin und Psychotherapie am Universitätsklinikum Tübingen, ist um eine Erklärung nicht verlegen:
„Wenn wir ein Medikament nehmen und eine Erwartungshaltung bezüglich seiner Wirkung haben, hat das schon eine Wirkung auf den Gesundungsprozess – das ist der Placeboeffekt“, so Enck. „Das Tier hat diese Erwartungshaltung bezüglich der Pillen natürlich nicht, aber sein Besitzer.“
Er spricht in diesem Zusammenhang vom „Placebo by Proxy“-Effekt. Und nicht zuletzt bleibt das angenehme Gefühl, etwas getan zu haben.“
Des Weiteren berichtet DocCheck über das Projekt „Impro“, bei dem ein Jahr lang ausgewählte Leiden wie Eutererkrankungen und Lahmheiten in mehr als 200 Öko-Betrieben untersucht wurden:
Professor Dr. Albert Sundrum (Uni Kassel) zufolge seien die Ergebnisse ernüchternd. Trotz besserer Haltungsstandards unterschieden sich die Erkrankungsraten auf ökologischen Milchviehbetrieben nicht von Höfen mit konventioneller Milchviehhaltung.“
Zum Weiterlesen:
- Homöobauern: Die mit den Glo-Muh-lis, DocCheck am 7. November 2016
- Argument: Globuli sind eh viel besser als Antibiotika, Informationsnetzwerk Homöopathie
- Homöopathika seien vergleichbar zu Antibiotika, Beweisaufnahme in Sachen Homöopathie, 18. Januar 2015
- Homöopathie bei Tieren: Warten, bis die Zeit vergeht, GWUP-Blog am 14. Oktober 2016
- Argument: “Tierhomöopathie funktioniert”, Informationsnetzwerk Homöopathie
- “Aber bei Kindern und Tieren hilft’s doch auch!”, Informationsnetzwerk Homöopathie
10. November 2016 um 15:44
Aber vielleicht könnten Homöopathaten die Kühe im Stall ersetzen *tztz
Naja. lassen wir das. Ich werde mal wider bösartig, so kurz vor Weihnachten ;)
10. November 2016 um 16:18
Arrrgh! Mir dreht sich schon wieder der lateinische Grammatik-Magen um, wenn ich die Überschrift dieses Zeitungsartikels sehe. „Globuli“ (und somit auch „Glo-Muh-li“) ist bereits Plural, da muss man nicht noch ein „s“ dranhängen. Das ist ja schon fast so schlimm wie der Deppenapostroph.
11. November 2016 um 16:09
Ja, mir als Exlateinlehrer tut das auch immer weh. Furchtbar sind aber auch die Leute, die in die Apotheke kommen und ein Antibioitika von mir wollen.
Fällt mir immer wieder schwer, da nicht korrigierend einzugreifen. Meistens sage ich dann bei der Abgabe noch mal sowas wie „Hier ist ihr Antibiotikum“ – vielleicht sickert’s ja ein. :D
@Thema
Wie immer kommen die Heilpraktiker und Homöoveterinäre aus den Ecken mit Anekdoten und im Falle einer HP und THP nicht mal Ahnung, was die Potenzen eigentlich sind.
Dass man da irgendwas erreicht, unwahrscheinlich – ich bewundere da immer Ute Parsch, wenn sie kommentiert. Scheint eine Engelsgeduld zu haben.
11. November 2016 um 20:24
@ noch’n Flo:
Das ist der Überplural. Nicht so schlimm wie die durchaus übliche Bezeichnung: Ein Globuli. Das ist dann der Übersingular.
11. November 2016 um 22:03
Auch hier nochmal verlinkt wegen des Bezugs zur Homöopathie bei Kühen:
ein Arte-Beitrag „X:enius: Homöopathie – Medizin oder Mogelpackung? Doku (2013)“ jetzt auch auf Youtube https://www.youtube.com/watch?v=2Yvngy3Di5U
und die schön formulierte Besprechung dazu hier im Blog: https://blog.gwup.net/2013/11/08/homoopathie-heilung-oder-humbug-humbug-liebe-redaktionen/
11. November 2016 um 23:47
@ Becker:
Was genau sind noch mal „Antibioitika“? Dass das normale Apothekenbesucher überhaupt aussprechen können :-)
12. November 2016 um 07:38
Ich wär ja sehr dafür, wenn die Tierheilpraktiker sich einer grob vernachlässigten Tierart zuwenden. Und ganz nah drauf schauen, dass sich die Tiere die Globuli langsam im Maul zergehen lassen.
Hier Homöopathie bei Reptilien Kapitel Echte Krokodile Seite 239/40
http://www.narayana-verlag.de/homoeopathie/pdf/Reptilien-in-der-Homoeopathie-Rajan-Sankaran-Meghna-Shah.13242_Leseprobe_.pdf
12. November 2016 um 10:19
@MX
Antiboitika sind Antibiotika mit zusätzlichem i. Die Aussprache ist reine Übungssache und für Altphilologen ein Leichtes… für Apothekenkunden nicht, außer es handelt sich eben um Altphilologen.
Abgesehen davon handelt es sich natürlich um einen Schreibfehler. :D
12. November 2016 um 13:41
@ Christian Becker:
„Furchtbar sind aber auch die Leute, die in die Apotheke kommen und ein Antibioitika von mir wollen.“
Die schicke ich regelmässig aus meiner Praxis zu Dir. ;)
Ich habe schon mal darüber nachgedacht, es zur Grundbedigung für eine ärztliche Verordnung zu machen, dass die Patienten das, was sie haben wollen, auch korrekt benennen können. Das würde mir einige Diskussionen ersparen über Themen wir „Homopathie“, „Anthrosophie“, „Anthropotie“, „Ostopathie“, „tibetisch-chinesische Medizin (TCM)“ (sic!), „Kranosakraltherapie“, „Kran-Sack-Therapie“ (sic!), „Dornentherapie, „Fussflexmassage“, „Mediantherapie“, „Biosonanz“, „Enerergetik“, „Schüsselsalze“, „Metabalangse“, „Bas-Diät“ usw. (alles Beispiele aus meiner Sprechstunde)
12. November 2016 um 15:48
Eine Impfskeptikerin schrieb mal vom Tropfeninstitut statt Tropeninstitut :)
12. November 2016 um 16:05
@noch’n Flo
Meine Favoriten sind:
„tibetisch-chinesische Medizin“, „Kran-Sack-Therapie“ (Portalkran oder Autokran?) und „Dornentherapie“ (welche Dornen nimmt man denn da? Weißdorn oder doch lieber Akazie?) xD
12. November 2016 um 16:48
Mir sind noch ein paar eingefallen, die schon mal in meiner Sprechstunde genannt wurden: „Schlüsselsalze“, „Chirurgpraxis“, „Orthopathie“, „Feldkreis“ bzw. „Felderkreis“, „Otto-Molukular-Medizin“ bzw. „Ott-Okular-Medizin“ sowie „Tragetherapie“.
Ich fürchte ja, dass die Credibility mancher pseudomedizinischer Verfahren in der Bevölkerung allein darauf beruht, dass sich manche Patienten aus deren falsch verstandenen Namen Kunstworte zusammenbasteln, die Wortanteile aus der wissenschaftlichen Medizin enthalten. Beispielsweise „Chirurg“ statt „Chiro“, „Ortho“ statt „Osteo“ usw. Oder zumindest aufgrund der Wortähnlichkeit einen Zusammenhang vermuten, der gar nicht vorhanden ist.
13. November 2016 um 06:46
@Flo
Oder die Credibility liegt darin begründet, dass die Leute sich die richtigen, „hochwissenschaftlichen“ Namen nicht merken können.
Ich hatte auch mal eine Kundin, die wollte was „Hämopadisches“. Padisch statt -pathisch, hier in der Gegend geschenkt.
Bei Hämo dachte ich aber erst, da gäbe es irgendwas mit Blut – erst der zweite Gedanke ging dann in Richtung Homööopathie.
13. November 2016 um 14:37
Wenn es schon um Sprache geht: ist denn die „Homöopathie“ genau genommen nicht eigentlich eine Krankheit? Ich mein‘ ja nur, Psychopathie ist ja auch keine Heilslehre…
14. November 2016 um 12:44
@ Abi: Aber eine „Psychopathie“ ist auch keine Krankheit. Sie war es auch dann nicht, als die Bezeichnung „Psychopathie“ noch offiziell in Verwendung war. :)
14. November 2016 um 15:16
@ Abi:
Ja, eigentlich müsste es wohl „Homöopathetik“ heißen, aber das kommt nicht so gut rüber.
14. November 2016 um 15:50
@ Dalek Sander:
„Aber eine “Psychopathie” ist auch keine Krankheit.“
Moment mal, wenn ich mich richtig an meinen Altgriechisch-Unterricht erinnere, war „pathi“ durchaus das Leiden. Nicht zu verwechseln mit „pathos“, der Leidenschaft. (Und bei Letzterer sollte man das „h“ nicht vergessen, sonst wird daraus „patos“ – die Socke. Was wieder allein deshalb lustig ist, weil praktisch alle Deutschen „pathos“ mit scharfem „t“ aussprechen, statt mit „th“ wie im Englischen…)
16. November 2016 um 07:06
@Flo
Du erinnerst dich falsch. „Pathi“ existiert so nicht (außer man spricht „πάθη“ neugriechisch aus) und die Unterscheidung zu πάθος gibt es nicht. Beide Worte heißen „Leiden“ aber auch „Leidenschaft“ neben anderen Bedeutungen aus dem Wortfeld „Affekte“.
Quelle: Gemoll
Die Aussprache des Theta ist nicht ganz klar. Im Neugriechischen ist ein Theta ganz klar ein dem Englischen entsprechendes „th“; wann es dazu wurde, ist aber unklar. Dass es nicht einfach ein normaler t-Laut war, ergibt sich ja daraus, dass es noch ein τ gibt. Zumindest liegt es nahe, dass man nicht 2 Zeichen für denselben Laut hatte – wenn das den modernen Griechen auch egal ist und man im Zweifelsfall am besten „i“ liest. :D
17. November 2016 um 07:07
@ Christian Becker:
Danke für die Auffrischung – ist bei mir nun auch schon mehr als ein Vierteljahrhundert her. Aber die Aussprache des theta wie das englische „th“ wurde uns damals von unserem Altgriechischlehrer so beigebracht.
24. Januar 2017 um 20:05
Next:
http://derstandard.at/2000051392879/Mit-Huehner-Globuli-durch-die-Grippezeit