Udo lebt? Oder Joe? Oder Robin?
Natürlich nicht.
Niemand käme auf die Idee, dass Udo Jürgens von Außerirdischen abgeholt wurde, Joe Cocker ins Zeugenschutzprogramm des FBI abgetaucht ist und Robin Williams genug von seinen Fans hatte und ein neues Leben als Burger-Brater führt.
Warum ist das bei Elvis Presley anders?
Diese interessante Frage warf das MD-Magazin „Figaro“ zum 80. Geburtstag des „King of Rock ’n‘ Roll“ auf.
„Elvis lebt!“ – dieses Mantra der Popkultur wurde von dem amerikanischen Jux-Blatt Weekly World News kreiert, das 1988 mit der Story einer Hausfrau namens Louise Welling herauskam, die den King mehr als ein Jahrzehnt nach seinem Tod bei einer Burger-King-Filiale in Kalamazoo/Michigan getroffen haben wollte.
Sogenannte „Alive“-Covergeschichten gehören zum festen Repertoire der laut Untertitel „einzigen vertrauenswürdigen Zeitung der Welt“ und ranken sich um Marilyn Monroe und Adolf Hitler ebenso wie um Pharaonenmumien, prähistorische Lebewesen oder den Weihnachtsmann.
In der Folgezeit wurde die Schlagzeile „Elvis is Alive!“ immer wieder perpetuiert, zuletzt am 28. Mai 2012:
Elvis‘ Tomb is Empty!“
Nach einer CBS-Umfrage sind rund 20 Millionen Amerikaner davon tatsächlich überzeugt.
More Americans believe Elvis lives than new jobs under Obama“,
schrieb der republikanische Politiker John Carter 2010 auf seiner Homepage.
Auch gesehen wird der King noch immer regelmäßig – als Geist wie als leibhaftige Person. Die „zehn verrücktesten Elvis-Verschwörungstheorien“ (Bild) vermuten Presley zum Beispiel in Argentinien oder in Des Moins/Iowa oder in einem Pflegeheim in Texas.
Konspirationsmythen um den Mega-Star kursierten schon lange vor der angeblichen Kalamazoo-Sichtung 1988. Bis zum Weekly World News-Artikel drehten diese sich jedoch vornehmlich um die Todesursache, die bis heute kontrovers diskutiert wird.
Offenbar spielten bei Presleys plötzlichem Herztod am 16. August 1977 weniger Drogen und Medikamente eine entscheidende Rolle, als vielmehr ein Gen-Defekt und eine schwere chronische Darmerkrankung.
Nichts wirklich Mysteriöses also, aber genügend Stoff für die „Sensations“-Doku „The Elvis Cover-Up“, die ABC 1979 ausstrahlte:
Damit tauchte der Name „Elvis Presley“ ins Halbdunkel der Verschwörungstheorien ein, befeuert durch die Tatsache, dass trotz der immensen Popularität des Sängers zeitlebens kaum etwas über ihn bekannt wurde, womit man …
… sich neben seiner Musik ein Bild über seine Person hätte machen können.“
Wer aber suchet, der findet natürlich.
Nämlich jede Menge winziger Vertuschungsfieselchen, die allesamt „beweisen“ sollen, dass der King seinen Tod nur inszeniert hat, vom Anagrammieren des Namens (Elvis = lives) bis hin zum viel zu schweren Sarg bei der Beerdigung (darin lag eine Wachspuppe nebst Klimaanlage).
Ein echtes Faktum weist indes in eine ganz andere Richtung:
Mehr als 85 000 Elvis-Imitatoren weltweit …
… besetzen die immer noch vorhandene kulturelle Präsenz Elvis Presleys und verlängern den Schein des Abendrotes“,
schreibt der Sozialhistoriker Eric Lott in seinem Essay „All the King’s Men“.
Und gleich die nächstbeste Möglichkeit der Idol-Verehrung sind „Elvis-Sichtungen“ sowie die permanente Selbstvergewisserung „Elvis lebt!“
Udo Jürgens und Joe Cocker mögen fraglos exzellente Musiker gewesen sein – aber Elvis Presley verkörperte …
… eine völlig neue soziale Revolution […] Seine Musik das erste Mal zu hören war wie aus dem Gefängnis auszubrechen […] Es war, als ob er jedem einen Traum ins Ohr geflüstert hätte. Und wir alle träumten mit.“
Ein unsterblicher Traum.
In seinem Buch „E: Reflections on the Birth of the Elvis Faith“ nennt der Autor John Strausbaugh Elvis Presley den ersten Religionsstifter des Medienzeitalters, dessen Anhänger sich so verhielten wie gläubige Jünger:
The day Elvis died people were already insisting they would never let his memory die. Instinctively they knew in that instant that they had to preserve his memory and pass it on to future generations.“
Auch der Skeptiker und CSICOP-Investigator Joe Nickell sieht im Mittelpunkt des Elvis-Kultes eine gottähnliche Figur, die zu Vergleichen mit Jesus einlade.
Und deshalb wird Elvis in einer Männertoilette in Coconut Grove, Florida, ebenso gesehen wie im Centerfolds-Club in Rancho Cordova, Kalifornien, an einer Tankstelle im Südwesten Wyomings oder bei Burger King in Duluth, Minnesota.
Banale Schauplätze, möchte man meinen.
Aber genauso wie bei Urban Legends verleihen auch hier die gewohnte Umgebung und eine nachvollziehbare Alltagssituation der unwahrscheinlichen Geschichte mehr Glaubwürdigkeit.
Strausbaughs Fazit:
We cannot let him go, nor can we let go of him!“
Der King ist nicht tot, lang lebe der King – gleichgültig, ob nun Wahrnehmungstäuschungen, Elvis-Doubles, sendungsbewusste Flunkereien oder satirische Scherze („Jokelore“) hinter den zahllosen Augenzeugenberichten stecken.
Zum Weiterlesen:
- Elvis: Sightings and Faith – Making Sense of the Seemingly Absurd, Elvis Information Network
- Elvis Lives! Investigating the Legends and Phenomena, Skeptical Inquirer Volume 19.4, December 2009
- Die Toten sind mausetot, derFreitag am 13. Februar 2014
- Elvis lebt und Paul ist tot: Die neue Folge von Hoaxilla-TV, GWUP-Blog am 14. August 2014
- Elvis lebt: Uwe Ochsenknecht vertont skeptisches Buch, GWUP-Blog am 2. August 2010
12. Januar 2015 um 18:13
Gegenfrage: Warum durfte Jesus nicht sterben?
Das ist einfach das Schicksal von Idolen ;-)
12. Januar 2015 um 19:35
Zitat Artikel:
Voll out Mann…heut hört man in den Liedern, wie man ins Gefängnis kommt :-)
12. Januar 2015 um 20:11
Die haben alle was übersehen. Elvis ist wirklich tot. Ich habe ein Buch, wo’s drinsteht: Peter Schössow: Gehört das so??! Die Geschichte von Elvis.
Sehr liebens- und lesenswert, das.
13. Januar 2015 um 08:47
Elvis tat Dinge, für die die Zeit reif war, es musste nur einer kommen, der ein paar hinfällige Grenzen niederstürmte.
Elvis sang die Lieder seiner schwarzen Zeitgenossen, und, das war vielleicht noch wichtiger: er sang WIE sie. Und: der junge Elvis führte mit Musik und Auftrteten eine neue Mischung aus Virilität und Androgynität vor – er war damit der Prototyp von Mick Jagger, von David Bowie, von Robert Plant, von Frank N. Furter.
So betrachtet kann man auch heute sagen: er lebt immer noch.
Weil das für schlichtere Gemüter auf so einer Ebene etwas zu abstrakt ist, phantasiert man’s eben konkreter, auch wenn’s Unsinn ist.
13. Januar 2015 um 16:10
Geredet wird viel, die Tatsachen kennen nur wenige: Bis vor 10 Jahren lebte Elvis unter dem Pseudonym Rudolf Moshammer in München. Er ist tot.