Vielleicht hat da jemand einfach nur was falsch verstanden.
Als der Medienjournalist Stefan Niggemeier dieser Tage seine Kolleginnen und Kollegen aufforderte,
… nicht so häufig den Funken [zu] liefern, aus dem die Paranoiker dann ihre lodernden Feuer entfachen […] und sich nicht mit den einfachen Antworten, die in ein vorgegebenes Schema passen, zufriedenzugeben“,
meinte er damit gewiss nicht, Pseudos und Obskuranten eine Bühne zu geben.
Und trotzdem meint die Bundespressekonferenz (ein Verein der in Berlin tätigen Parlamentskorrespondenten), den Bundespresseball 2014 morgen Abend im Flughafen Tempelhof von dem Unternehmen Neutrino Inc. sponsern lassen zu müssen.
Auf der Sponsorenliste der Gala-Veranstaltung firmiert Neutrino Inc. mit dem Slogan „The Energy of the Future“.
Laut Eigendarstellung unterstützt die Firma …
… Wissenschaftler bei einem der visionärsten Energie-Projekte unserer Zeit: Der Nutzbarmachung elektrisch neutraler Elementarteilchen, sogenannter Neutrinos, als nachhaltige Energiequelle.“
Diese vollmundige Behauptung ist Psiram immerhin einen Wiki-Eintrag sowie drei aktuelle Blog-Posts wert, aus denen hervorgeht, dass …
… eine technische Nutzung von Neutrinostrahlung unbekannt und physikalisch nicht plausibel“
sei und der „Neutrino Inc.“-Geschäftsführer auf eine beachtliche Betrugskarriere zurückblicken könne, was ihn indes nicht daran hindert, morgen …
… im Blitzlichtgewitter die Hände der Reichen und Mächtigen beim Bundespresseball auf dem Berliner Tempelhofgelände“
zu schütteln.
Aber vielleicht interessiert es ja den einen oder anderen der 2000 Gäste von Deutschlands „gesellschaftlichem Ereignis Nummer eins“, darunter …
… besonders viele Ministerpräsidenten, Bundestagsabgeordnete, Chefredakteure, Intendanten und Vorstandsmitglieder aus der Wirtschaft“.
Zum Weiterlesen:
- Phantastische Neutrino-Beleuchtung beim Bundespresseball, Psiram am 21. November 2014
- Kühlschränke für Eskimos und Strom aus Neutrinos? Psiram am 20. November 2014
- Der geheimnisvolle Mr. Neutrino, Psiram am 19. November 2014
- Der Bundespresseball, freie Neutrino-Energie und der „Mehrwert“ der journalistischen Recherche, Astrodicticum simplex am 20. November 2014
- Neutrinos vom zentralen schwarzen Loch der Milchstraße nachgewiesen? Astrodicticum simplex am 18. November 2014
- Medienkritik, Paranoia und “Alternativ-Journalismus”, GWUP-Blog am 2. November 2014
- Wie käuflich ist der Bundespresseball? Ruhrbarone am 21. November 2014
- Der geheimnisvolle Sponsor des Bundespresseballs, Tagesspiegel am 21. November 2014
20. November 2014 um 23:37
… und dazu noch British American Tobacco als Sponsor, eine illustre Gesellschaft.
20. November 2014 um 23:57
Vielen Dank für den schönen Artikel. Nun bin ich gespannt, welche Medien morgen über diese Blamage berichten.
@ Joseph Kuhn:
Es läuft wohl nicht mehr so gut mit dem Sponsoring:
http://www.tagesspiegel.de/medien/bundespresseball-contra-bundesmedienball-dem-bundespresseball-laufen-die-sponsoren-weg/10914534.html
21. November 2014 um 08:01
ich hab denen mal eine Anfrage geschickt, mal schauen, ob sie was antworten.
21. November 2014 um 09:18
Also wenn ich ein Betrüger wäre und ein unsinniges Produkt verkaufen wollte, dann würde ich ungefähr so vorgehen: ich schüttele einem ahnungslosen Promi (Politiker, Geschäftsmann, Schauspieler…..egal, hauptsache bekannt) bei so einem Promievent die Hand und lasse mich dabei ablichten.
Das Foto verwende ich dann für mein Infomaterial und meine Broschüren und behaupte, der nichtsahnende Promi sei von dem Produkt überzeugt oder gar ein Geschäftspartner oder Teilhaber.
Damit überzeuge ich dann möglichst viele Leichtgläubige, Geld in mein Produkt zu investieren und auch ihre Freunde und Bekannten von dieser einmaligen Chance zu überzeugen.
Wenn ich genug Geld eingesammelt hab, setz ich mich ab.
Für die Organisatoren des Bundespresseballs hoffe ich, dass die Hauptsponsoren alle Vorkasse geleistet haben……
Just sayin‘
21. November 2014 um 10:14
Dann hoffen wir mal, dass zumindest bei den Vorstandsmitgliedern ein paar Ingenieure dabei sind. Dann dürfte sich das ganz schnell erledigt haben…
21. November 2014 um 11:05
Es ist eine Schande – mir tun alle redlichen Journalisten leid, die ihre Arbeit ernst nehmen.
Danke auch an „Psiram“ und „Ruhrbarone“ …
21. November 2014 um 11:47
@ schnüffelchen
„Das Foto verwende ich dann für mein Infomaterial und meine Broschüren und behaupte, der nichtsahnende Promi sei von dem Produkt überzeugt oder gar ein Geschäftspartner oder Teilhaber.“
Naja, so einfach ist das nicht. Was glauben Sie, wie schnell sich dann die Agenten und Anwälte der Prominenten bei Ihnen melden?
21. November 2014 um 14:30
Wenn es nicht schon zu spät wäre, dann stünde das Goldene Brett der dreifach verblindeten Bundespressekonferenz zu. Das hier ist nämlich der absolute Klopper des Jahres.
22. November 2014 um 07:44
das ist echt ein Skandal. Dieses unreflektierte Sponsoringkonzept ist für Journalisten unwürdig. Die GWUP würde sich ja auch nicht vom Kopp Verlag sponsern lassen.
23. November 2014 um 21:56
@Skeptikus
Der Kopp-Verlag würde aber wohl kaum die GWUP sponsern ;-)
Ich hab‘ auch eine Idee für die „Neutrinoverwertung“ ;-)
Wenn schon nicht das ‚Lichtsegel“ funktioniert.
http://scienceblogs.de/astrodicticum-simplex/2009/11/16/segeln-im-weltall/
Dann könnte man doch „Segelschiffe“ für den Weltraum bauen und den „Neutrinosturm“ der Sonne nutzen, um durch das Sonnensystem zu segeln.
http://www.mpa-garching.mpg.de/mpa/publications/posters/poster_neut_Weiss.pdf
24. November 2014 um 13:42
„Das Sponsoring habe keinen Einfluss auf das Programm: „Man sieht nur das Logo der Firma, mehr nicht.““
Ja klar, einen Schritt weiter zu denken ist ja nicht nötig, vor allem für Journalisten bzw. die Organisation des Bundespresseballs.
Laßt euch doch gleich vom Orion-Versand sponsern, in dem Fall nehme ich das o.g. Argument gerne an!
24. November 2014 um 19:35
o.T. aber SUPER!
Liberia stoppt Globuli-Verteiler!
http://www.spiegel.de/wissenschaft/medizin/angebliche-ebola-therapie-liberia-stoppt-homoeopathen-a-1004553.html
28. November 2014 um 06:35
Schnüffelchen beschreibt ziemlich genau Riester Posieren vor AWD-LOGO und dabei hat er angeblich nie Werbung für die gemacht
Gegen die Verwendung der Bilder hat er aber nicht geklagt.
Schon sehr praktisch solche Bilder, dazu muss man gar nichts sagen