Vor zwei Jahren fiel der Vorabend der GWUP-Konferenz auf die „Walpurgisnacht“ vom 30. April auf den 1. Mai. Das gab den Anlass für eine Sonderveranstaltung im Darmstädter Schloss zum Themen Hexen und Hexenverfolgung. Dabei sprachen wir unter anderem mit der Berliner Altgermanistin Henriette Fiebig.
Woher kommt eigentlich die Verbindung von Walpurgisnacht, also dem 30. April, und den Hexen?
Ihren Namen hat die Walpurgisnacht von einer vermutlich um das Jahr 710 geborenen angelsächsischen Adligen namens Walburga. Ein Walburga-Kult ist aber erst seit dem späten neunten Jahrhundert belegbar und in der gleichen Zeit wurde auch ihr Name mit dem 1. Mai in Verbindung gebracht. Ihr Todestag kann allerdings nicht der 30. April oder 1. Mai gewesen sein.
Wir müssen dann einen Sprung in die frühe Neuzeit machen, als in Vernehmungen über Versammlungen auf Bergen, speziell auch Blocksbergen, berichtet wurde – der Name „Blocksberg“ steht übrigens nicht exklusiv für den bekannten Berg im Harz. In keinem Fall allerdings wurden diese Zusammenkünfte mit einem speziellen Datum zusammengebracht. Vermutlich war Johannes Praetorius der Erste, der die Vorstellung des Blocksberges als Hexenversammlungsort mit der Nacht vom 30. April auf den 1. Mai zusammenbrachte. Das geschah im Jahr 1668 in seinem Buch „Blockes-Berges Verrichtung oder ausführlicher geographischer Bericht von den hohen trefflich alt- und berühmten Blockes-Berge …“. Goethe – mit seinem auf Praetorius basierenden „Faust“ – popularisierte die Vorstellung von der Walpurgisnacht als Hexennacht dann endgültig.
Hexen waren rothaarig, hatten eine Kröte als Haustier und beteten den Teufel an?
Manche vielleicht ja, alle ganz sicher nicht. Pauschal kann man das jedenfalls nicht beantworten. Und natürlich waren nicht alle Opfer weiblich! Mit aller Vorsicht kann man wohl von einem Verhältnis von 75 bis 80 Prozent weiblichen und 25 bis 20 Prozent männlichen Opfern ausgehen. Es mag Rothaarige unter den verurteilten Frauen gegeben haben, aber die erhaltenen Prozessakten schweigen sich über solche persönlichen Details aus – tatsächlich wissen wir meist kaum mehr als den Namen und vielleicht noch Alter oder den Tätigkeitsbereich der Opfer. Das Rothaarigkeit ein oder der einzige Grund zur Verhaftung der Frauen gewesen sei, lässt sich keinesfalls aus den Akten herauslesen.
Apropos Tätigkeitsbereich: Es wird hin und wieder behauptet, bei der Hexenverfolgung sei es um die Ausrottung des „Geburtenkontrollwissens“ gegangen, die – weiblichen – Opfer seien also in der Regel Hebammen und „weise Frauen“ gewesen.
Unter den Hingerichteten waren natürlich auch Hebammen – insgesamt gesehen dürfte es kaum eine Gesellschaftsschicht oder Profession geben, die keine Opfer zu beklagen hatte –, aber nirgendwo konnte eine signifikante Anzahl von Hebammen, Heilerinnen oder so genannten „weisen Frauen“ unter den Verurteilten festgestellt werden. Diese von der Hexenforschung schon lange verworfene These der Autoren Gunnar Heinsohn und Otto Steiger wird zwar gern immer wieder ins Spiel gebracht, entbehrt aber immer noch jeder Grundlage in den historischen Prozessakten.
Übrigens ist auch die Auffassung von einer katholischen Inquisition, welche die Triebkraft hinter den frühneuzeitlichen Hexenverfolgen gewesen sei, falsch. Diese weit verbreitete Fehleinschätzung ist als Spätfolge der kirchenfeindlichen Propaganda des Kulturkampfes und des Nationalsozialismus zu sehen.
Die Teufelsbuhlschaft – auch nur eine weitere Legende?
Ob und wie die als Hexen und Hexer verdächtigten Menschen den Teufel angebetet haben, ist schlichtweg nicht zu beantworten. Hier und da scheinen in den Vernehmungsprotokollen durchaus glaubwürdig anmutende volksmagische Glaubensformen und Praktiken auf. Da aber die Geständnisse praktisch durchweg unter Anwendung der Folter erzielt wurden, ist diesen Aussagen mit allergrößter Vorsicht zu begegnen.
Wie sieht es mit den Hexentieren aus – also schwarze Katzen, Kröten, Eulen, Fledermäuse?
Was die Haustiere angeht, so sind wir lediglich über Nutztiere wie Kühe oder Pferde unterrichtet. Passenderweise gibt es aber tatsächlich die Aussage einer als Hexe angeklagten Frau aus Büdingen, die eine Kröte in ihrem Keller gehalten habe: Immer wenn sie Geld brauchte, so die Frau, habe sie mit einer Haselrute auf die Kröte geschlagen und von dieser sei dann Geld abgefallen.
Was waren eigentlich die Ursachen für den neuzeitlichen Hexenwahn?
Von Hexen-„Wahn“ und „Hysterie“ spricht die Forschung nicht mehr; wir haben es bei den frühneuzeitlichen Hexenverfolgungen nicht mit einer Krankheit zu tun – weder bei den Verfolgern, noch bei den Verfolgten. Zudem gibt es natürlich nicht den einen Grund, auf den alle Verfolgungen in allen Territorien gleichermaßen zurückzuführen sind. Die Forschung hat im Wesentlichen die folgenden Erklärungsansätze herausarbeiten können:
- Soziale Gründe wie latente und offen ausbrechende Konflikte unter Dorfbewohnern.
- Gesellschaftliche Spannungen innerhalb der Bürgerschaften von Städten oder politische Gründe wie den Willen zur sozialen Disziplinierung der Bevölkerung.
- Hinzu kommen wirtschaftliche Gründe, denn zwischen cirka 1560 und 1630 herrschte die so genannte „kleine Eiszeit“. Das war eine Periode, die von langen, harten Wintern und kühlen, feuchten Sommern sowie starken Stürmen bestimmt war. Sie zog – in ihren Auswirkungen dramatische – Agrarkrisen mit Ernteausfällen und Hungersnöten nach sich. Im Gefolge wurden Seuchen begünstigt und die Verknappung von Ressourcen führte zu weiteren sozialen Spannungen.
Dieser letzt genannte Erklärungsansatz ist insofern wichtig, als dass gegen die Hexen immer wieder der Vorwurf der magischen Beeinflussung des Wetters erhoben wurde. Eine weitere Ursache könnte das durch die Gegenreformation gespannte geistige Klima gewesen sein. Daneben gibt es noch eine Fülle weiterer Erklärungsmodelle, die in dem einen Territorium sehr zutreffend erscheinen, für das andere jedoch nicht oder kaum zu belegen sind.