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Mysteriöse Maya-Schädel: Made in Germany?!

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Stimmt es, dass die geheimnisvollen Kristallschädel von den Maya stammen? Bernd Harder, Journalist und Pressesprecher der GWUP, hat sich für den SKEPTIKER auf die Spur des Mythos gemacht, der den neuen „Indiana Jones“ inspirierte:

Die sagenumwobene Bundeslade hat er ausfindig gemacht, die Sankarasteine aus der Hindu-Mythologie und sogar den heiligen Gral. Im vierten Teil der „Indiana- Jones“-Saga verschlägt es den Super-Archäologen nun ins „Königreich des Kristallschädels„. Kein Zweifel, dass die Filmlegende auch diesen Mythos knackt. Und womöglich findet Dr. Henry „Indiana“ Walton Jones, PhD, nicht nur „den“ Kristallschädel – sondern alle 13, die auf der ganzen Welt verstreut sein sollen, und denen New-Age-Fans magische Kräfte zuschreiben.

Trailer zum neuen „Indiana Jones“:

Einer der Schädel befindet sich im Pariser Musée du Quai Branly, ein anderer im British Museum in London. Gerüchteweise muss das Exponat jeden Abend mit einem Tuch verhüllt werden, weil die Putzkolonne sich sonst weigere, den Ausstellungsraum zu betreten. Ein Schleier des Geheimnisses liegt auch über Alter und Ursprung der kunstvollen Schädelnachbildung aus durchsichtigem Bergkristall: „Probably European, 19th century AD“ heißt es lapidar im Ausstellungskatalog. 1898 hatte das Museum den „rock crystal skull“ für 120 Pfund Sterling vom New Yorker Juwelier Tiffany erworben – ohne Herkunftsnachweis.

Der berühmteste Kristallschädel aber ist der so genannte Mitchell-Hedges- Schädel („Skull of Doom“; „Schädel des Unheils“ oder auch „Lubaantun-Schädel), um den sich ebenfalls das British Museum in den 1940ern vergebens bemühte. Das kostbare Stück befindet sich nach wie vor im Besitz der Familie des Abenteurers und Archäologen Mike Mitchell-Hedges. Dessen Adoptivtochter Anna will den Kristallschädel 1924 bei einer Expedition in die Ruinen der Maya-Stadt Lubaantun in Belize (das frühere Britisch-Honduras an der Ostküste Zentralamerikas) entdeckt haben. Die 300 Indios, die an den Ausgrabungsarbeiten beteiligt waren, seien beim Anblick des Artefakts auf die Knie gefallen und hätten zwei Wochen lang „geweint und gebetet“, behauptete die damals 17-Jährige.

Der kanadische Konservator Frank Dorland untersuchte den Kristallschädel – und berichtete ebenfalls Wundersames: Eine Art Aura oder Heiligenschein habe manchmal den Ausgrabungsgegenstand umgeben, glockenartige Klänge seien zu hören gewesen, und im Inneren des Kristall-Kunstwerks will Dorland seltsame Schleier, Lichter und holographische Bilder erblickt haben.

Auch Spiritisten und „Sensitive“ mit übersinnlicher Begabung lasen in dem Kultgegenstand wie in einer Kristallkugel und förderten angeblich bildhafte Eindrücke aus der Vergangenheit zutage – und auch aus dem versunkenen Atlantis. Eine große deutsche Sonntagszeitung machte ihre Leser mit einer alten Maya-Legende bekannt, nach der es 13 gleiche Schädel gebe, die „sprechen und singen konnten, wenn man sie zusammenbrachte“, und die eines Tages wieder auftauchen sollen, „um den Menschen die Geheimnisse des Wissens zu offenbaren“.

Anderen Überlieferungen zufolge sollen ehedem zwölf „galaktische Rassen“ zur Erde gekommen sein und diese besiedelt haben. „Jede Rasse brachte einen Kristallschädel aus ihrer Heimat mit, womit sie mit dem Ort ihres Ursprungs kommunizieren konnten.“ (Zit. nach www.stefandischer.de)

Die Maya? Die Atlanter? Außerirdische? Keine Frage: Als Kunstobjekt und Projektionsfläche für unsere Fantasie ist der aus einem einzigen Stück Bergkristall meisterhaft geschliffene, 13 Zentimeter hohe und fünf Kilogramm schwere Schädel absolut faszinierend. Welche Mysterien sich nun tatsächlich um den Mitchell-Hedges- und andere Kristallschädel ranken, ist jedoch unklar.

Als Mike Mitchell-Hedges 1954 seine Biografie „Danger My Ally“ veröffentlichte, schwieg sich der Schatzgräber über die Entdeckung des Artefakts beredet aus. Er habe Gründe, „die Umstände, die ihn (den Kristallschädel; Anm. d. Autors) in meinen Besitz brachten, nicht zu enthüllen“. Statt Fakten zu liefern, spekulierte Mitchell-Hedges unverhohlen auf die Sensationslust seiner Leser und „enthüllte“, dass sein Fund mindestens 3600 Jahre alt und von den Hohepriestern der Maya zu magischen Ritualen hergestellt worden sei – genauer gesagt: um damit Todesflüche zu verstärken: „It is said that when he willed death with the help of the skull, death invariably followed.“

Seltsam: In seinen Zeitschriftenaufsätzen und Büchern aus den 1930er-Jahren lässt sich Mitchell-Hedges bloß über vergleichsweise belanglose Funde aus. Nicht aber über den eindrucksvollen „Skull of Doom“, der seiner Adoptivtochter angeblich 1924 in Lubaantun in die Hände gefallen war. Dafür findet sich eine erste schriftliche Erwähnung des Artefakts in der englischen anthropologischen Fachzeitschrift Man aus dem Jahr 1936. Aus dem Artikel geht allerdings hervor, dass der Schädel sich zu diesem Zeitpunkt noch im Besitz eines Kunsthändlers namens Sydney Burney befand. Und genau dieses ist eine der vielen Frag- und Merkwürdigkeiten, die sich um die Kristallschädel ranken: Niemals „wurde ein solches Kunstwerk von Archäologen bei einer wissenschaftlichen Grabung gefunden“, hat auch das Magazin „Welt der Wunder“ recherchiert. „Stattdessen tauchten sie unter mysteriösen Umständen auf dem Kunstmarkt auf.“

Anna Mitchell-Hedges starb 2007 in Chicago, im gesegneten Alter von 100 Jahren. Ihr langes Leben schrieb sie den geheimnisvollen Energien des Lubaantun-Schädels zu – doch konnte sie nie einen hieb- und stichfesten Beweis dafür liefern, dass sie beziehungsweise ihr Adoptivvater wirklich die Finder und ersten Besitzer des Kunstwerks waren. Der Falluntersucher der amerikanischen Skeptikervereinigung CSICOP (heute: CSI), Dr. Joe Nickell, fand heraus, dass Mike Mitchell-Hedges den Schädel wohl 1943 oder 1944 von Sydney Burney gekauft hatte.

Wie alt sind die angeblichen Maya-Kultgegenstände also wirklich?

Die üblichen Analyse-Methoden scheitern an den Köpfen aus Bergkristall. Die Archäometrie, welche mit naturwissenschaftlichen Methoden und Verfahren archäologische Funde untersucht, verwendet zum Beispiel die Thermolumineszenzdatierung, um das Alter von Keramiken zu bestimmen. TL-Datierung basiert auf der Speicherung von Informationen über die absorbierte Energie ionisierender Strahlung in anorganischen Kristallen (Quarz, Feldspat etc.), die in allen Keramiken enthalten sind. Beim erstmaligen Erhitzen (das heißt beim Brennen der Keramik) erfolgt eine Löschung aller gespeicherten Information und somit eine Nullsetzung der „archäologischen Uhr“.

Über die Jahre wird die absorbierte natürliche Strahlungsenergie von natürlichen Radioisotopen im Material selbst und der terrestrischen beziehungsweise kosmischen Umgebungsstrahlung im Artefakt gespeichert. Um nun diese gespeicherte Information auszuwerten, wird die Probe neuerlich erhitzt. Bei diesem Auswertevorgang wird diese Energie in Form von Thermolumineszenzlicht abgegeben. Die abgegebene Lichtemission steht in direktem Zusammenhang zur absorbierten Strahlendosis und somit zum archäologischen Alter der Probe. (Zit. nach http://science.orf.at)

Das Problem: Egal, wie die Kristallschädel hergestellt wurden – man hat sie nicht gebrannt. Zwar kann man darüber hinaus mit der Thermolumineszenzdatierung nicht nur jede Form von gebrannter Keramik oder Ziegeln bestimmen, sondern auch die umgebenden Löss-, Lava- oder Sedimentschichten. Aber auch das ist bei den Kristallschädeln nutzlos, weil man die Fundorte nicht kennt. Die Radiokarbondatierung (C14-Methode) wiederum ermöglicht nur die Altersbestimmung von organischen Stoffen wie Knochen oder Pflanzenteile. In Quarz dagegen findet man den erforderlichen Kohlenstoff nicht.

Außerdem: Das Alter des Quarzkristalls ist eigentlich bedeutungslos – entscheidend ist, wann es bearbeitet wurde. Zu dieser Fragestellung veranlasste das British Museum 1995/96 eine aufwändige Untersuchung seines Kristallschädel-Exponats. Unter einem Elektronenmikroskop zeigten sich an den Zähnen winzige Schnittspuren, die auf ein Stahlwerkzeug hindeuten, möglicherweise den Bohrer eines Juweliers. Oder ein modernes Schleifrad. Das würde bedeuten, dass der Kristallschädel irgendwann in den vergangenen zwei Jahrhunderten gefertigt worden sein muss.

Mike Mitchell-Hedges schreibt in seiner Biografie „Danger My Ally“, dass bei den Maya „Generationen für Generationen, Tag für Tag, mit Sand einen riesigen Kristall-Block geschliffen“ hätten, bis „daraus der perfekte Schädel entstand“. Unmöglich – sagen die Experten vom British Museum. Denn eine Polierung von Hand hätte zu chaotischen Schleifspuren geführt. Das meint auch der ehemalige Leiter der so genannten „Schatzkammer“ des Wiener Kulturhistorischen Museums, Rudolf Distelberger, der schon Anfang der 1980er für einen österreichischen Dokumentarfilm „Das Geheimnis von Lubaantum“ [sic] um ein Statement gebeten worden war.

Neben den Schleifspuren gibt Distelberger zu bedenken, dass der Schädel archäologisch betrachtet viel zu naturalistisch für die Maya-Kultur sei – und also schlicht eine Fälschung, ein Artefakt aus dem ausgehenden 18. oder 19. Jahrhundert. Möglicherweise aus Paris, der damaligen Schleiferhochburg.

Oder auch aus Deutschland. In der rheinland-pfälzischen Edelsteinstadt Idar-Oberstein wurden um 1870 große Mengen von Quarzkristall aus Brasilien zu allerlei Skulpturen verarbeitet. Und noch heute verfügt eine alteingesessene Schleiferfamilie nachweislich über das Wissen und das technische Knowhow (Arbeitsschablonen etc.) zur Fertigung von Lubaantun-identischen Kristallschädeln. Mit öffentlichen Auskünften darüber hält man sich verständlicherweise zurück – wegen der exklusiven Klientel des Unternehmens …

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Autor: Stefan Kirsch

Stefan Kirsch: Diplom-Germanist und Redakteur, aktiv in der GWUP seit 2000. Studium der Germanistik, Journalistik, Philosophie und Psychologie an der Universität Bamberg, Mitglied im Deutschen Journalisten-Verband (djv). Beruflich ist er in der Unternehmenskommunikation eines deutschen Technologie-Konzerns tätig.

2 Kommentare

  1. Pingback: Adventskalender Tür 12: Lubaantun – Die Stadt der kollabierten Pyramiden | Miss Jones

  2. Kristallschädel und Lubaantun. Wenn man mich fragt, ist das ganz klar ein Marketing-Gag gewesen.

    Wie bekommt man Sponsoren für seine Forschung? Über eine große Medienaufmerksamkeit. Das ist heute nicht anders. Nur heute ist das ganze nicht mehr ganz so dreist!

    Man muss sich vor Augen Führen. Archäologie ist oft absolut nicht systemrelevant und deswegen auch in der Finanzierung immer wieder zweitrangig. Sponsoren einzuwerben ist da vor allem über staunen und grusel, kurz durch Aufmerksamkeitsökonomie möglich.

    Und die Bekommt man, wenn man z.B. Sterotype übersteigert bedient. Bei Maya denken wir alle an eine frühe Hochkultur, die auch mit einem gewissen Gruselfaktor über die Erzählungen bezüglich anderer Kulturen z.B. die Atzteken verbunden ist. Erforscht man nun eine Mayastätte, so ist es eine Möglichkeit auf diesem Klischee aufzubauen.

    Die Marketingstrategie hier ist relativ offensichtlich. Lubaantun – Das klingt toll. Die Namensgebung fand danach statt, dass die Pyramiden, die es dort gibt, kollabiert sind. Bei näherer Betrachtung erfüllt eine Stadt mit haufenweise Baumängeln, so wie der Befund das Zeigt aber nicht unbedingt das Weltbild einer Hochkultur. Marketing technisch ein Problem.

    Was will man sagen: In dieser Stadt lebten Menschen deren Häuser andauernd zusammengebrochen sind. Klar das ist witzig, aber nicht innerhalb der Forschungsdiskurse der Zeit der Ausgrabungen. Und auch nicht für so Fragen, die sich Archäologen oft stellen müssen, wie Was haben wir davon?

    Also z.B. Was haben wir davon eine Stadt zu erforschen, die das mit der Statik irgendwie so überhaupt nicht drauf hatte?

    … was bleibt ist Gelder über Aufmerksam gewordene Sponsoren zu bekommen, dann hilft dabei eben auch mal ein Kristallschädel… was nicht heißt, dass ich das gutheiße…

    Zumindest sind das meine Gedanken. Die können aber auch falsch sein (das mit der schlechten Statik stimmt allerdings wirklich). In diesem Sinne herzlichen Dank, für den informativen Artikel.

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