In der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung erklärte Hinnerk Feldwisch-Drentrup gestern noch einmal,
Warum Homöopathie als wirksam beworben werden darf
Das liegt daran,
…. dass es in Deutschland keinerlei echte wissenschaftliche Belege braucht, um Präparate der „besonderen Therapierichtungen“ auf den Markt bringen zu können – hierzu zählen die Homöopathie oder die Anthroposophie.
Ermöglicht wird das durch den sogenannten Binnenkonsens, ein juristisches Unding aus den 1970er-Jahren, der bis heute im Arzneimittelgesetz steht und der es den Herstellern dieser Mittel erlaubt, selbst über die Wirksamkeit entscheiden zu dürfen und keinerlei wissenschaftlich belegten Nachweis zur Wirksamkeit erbringen zu müssen.
Wie dieser gesetzliche Schutzzaun um die Homöopathie damals zustande gekommen ist, haben wir hier beschrieben.
Feldwisch-Drentrup verweist auf ein Urteil des Verwaltungsgerichts Köln, demzufolge Homöopathika „Arzneimittel kraft gesetzlicher Erstreckung“ sind.
Anders gesagt:
Ihre Wirksamkeit ist also juristisch, nicht medizinisch belegt.
Medizinisch dagegen ist die Sache eindeutig:
Alle seriösen Untersuchungen, die die gesamte Evidenzlage zur Homöopathie betrachtet haben, zeigen: Es gibt keinen Nachweis einer Wirkung, die über den Placeboeffekt hinausgeht.
In diesem Zusammenhang geht Feldwisch-Drentrup auch auf das Cherry picking von Homöopathie-Anhängern wie der baden-württembergischen Grünen-Landeschefin Lena Schwelling ein, die behauptet, es gebe „eine ganze Reihe klinischer Studien, die die Wirkung der Homöopathie belegen“.
Doch um zu beweisen, dass die vor gut 200 Jahren vom Arzt Samuel Hahnemann erfundene, auf rituellen Verdünnungen basierende und vermeintlich „Ähnliches mit Ähnlichem“ heilende Lehre tatsächlich wirksam ist, sind einzelne Studien nicht aussagekräftig:
Denn generell gilt: Wird in Studien eine Frage untersucht – ob etwa ein Arzneimittel das Überleben von Patienten im Vergleich zur Gabe von Placebos verlängert –, kann es immer auch zu einem falsch-positiven Ergebnis kommen. Mit den Mitteln der Statistik versuchen Forscher zwar, die Wahrscheinlichkeit hierfür klein zu halten, doch ist sie nicht null.
Mit der Zahl der Studien steigt dadurch das Risiko, über eine Wirkung zu berichten, die vermeintlich den Placeboeffekt übertreffe – obwohl es sich dabei aber lediglich um ein statistisches Artefakt handelt.
Wiederholen wir an dieser Stelle noch einmal unsere Frage, die wir schon 2019 den Homöopathen gestellt haben:
Wieso beharren sie einerseits darauf, dass die spezifische Wirksamkeit ihrer potenzierten Mittelchen über Placebo durch zahlreiche Studien belegt sei, halten andererseits aber vehement am Binnenkonsens fest?
Zum Weiterlesen:
- Warum Homöopathie als wirksam beworben werden darf, FAZ+ am 4. September 2022
- Studie: „Erschreckend schlechte wissenschaftliche Standards in der Homöopathie-Forschung“, GWUP-Blog am 16. März 2022
- Die Homöopathie und der „Binnenkonsens“, GWUP-Blog am 15. September 2019
- Homöopedia: Systematische Reviews zur Homöopathie
- „Binnenkonsens“ bei Psiram
- „Besondere Therapierichtungen“ bei Psiram
- INH: Binnenkonsens – Was ist das eigentlich?
- Arzneimittel oder Medizinprodukt? DAZ.online am 30. Oktober 2017
- Streit um Homöopathie bei Ärzteweiterbildung in Baden-Württemberg, SWR 2 am 5. September 2022
8. September 2022 um 15:53
In der TV-Programmzeitschrift „Bild und Funk“ (diese Fernsehzeitschrift ist bis auf die Titelseite zu 100 % absolut identisch mit der TV-Zeitschrift „Gong“, also völlig gleicher Inhalt), Ausgabe 37, ist unter der Überschrift „Gesundwunder Bewegung“ ein eigentlich guter Artikel zum Thema Bewegung zu finden.
Geschrieben von – ich zitiere – „Deutschlands berühmtester Orthopäde“, Dr. Müller-Wohlfahrt. Wie gesagt, ein in meinen Augen guter und motivierender Beitrag, wenn, ja wenn da nicht folgende Aussage wäre, die für mich doch recht befremdlich ist.
Zitat:
„Ich schere mich nicht darum, dass die Homöopathie in Deutschland von der Schulmedizin angefeindet wird. Die Erfolge sind OFFENSICHTLICH und ich halte die endlose Diskussion über die Wirksamkeit von Homöopathie absurd!“ (Anmerkung: „offensichtlich“ wurde von mir hervorgehoben)!
8. September 2022 um 16:07
@Pierre Castell:
Ja, über den Herrn MW gibt es schon länger Diskussionen, z.B.:
https://forum.psiram.com/index.php?topic=8897.0
Ich persönlich vermute, dass MW seinen eigenen Bias nicht erkennt bzw. keinerlei Distanz zu sich und seinen „Erfolgen“ hat (wie vermutlich die meisten Ärzte).
Wenn ich die Auseinandersetzung mit Guardiola damals beim FC Bayern richtig deute, ging es wohl darum, dass der Trainer ihm vorwarf, er würde die Spieler nicht schnell genug wieder hinbekommen.
Ich vermute, dass MW mit seinen Kügelchen den Patienten einfach die Zeit lässt, in der die Beschwerden auch von selbst wieder ausheilen.
Und ebenso vermute ich, dass MW das nicht versteht, worauf sich seine „Erfolge“ gründen.
8. September 2022 um 16:19
@ Bernd Harder
Danke für den Link. Unfassbar, was da an Zitaten zu lesen ist. Man kann nur ungläubig den Kopf schütteln!
Wie kann man nur einen solchen Schwachsinn verbreiten? Hat der „Super-Doc“ (Zitat „Bild und Funk“) zu heiß gebadet?
12. September 2022 um 14:37
„Homöopathie: „Am Anfang wurde ich massiv angegriffen“
https://www.msn.com/de-de/finanzen/top-stories/homöopathie-am-anfang-wurde-ich-massiv-angegriffen/ar-AA11GPzQ