Im Januar hatten wir hier auf dem Blog einen Artikel des Standard zur Tempelritter-Forschung. Darin ging es um die unsaubere Quellenarbeit in einer Doktorarbeit an der Universität Salzburg unter der Leitung von Daniele Mattiangeli. Die Dissertation hinterfragt die Auflösung des Tempelordens durch Papst Clemens V. im Jahr 1312. Unter anderem übte Andreas Zajic von der ÖAW Kritik an dieser Doktorarbeit. Zur Erinnerung:
Im vergangenen November erklärte die Salzburger Paris-Lodron-Universität in einer sensationalistischen Aussendung, die Auflösung des Templerordens sei „ungültig“. Dies habe eine Dissertantin der rechtswissenschaftlichen Fakultät herausgefunden. An der Salzburger Universität hat der italienische Rechtshistoriker Daniele Mattiangeli das „Salzburg International Templar Studies Network“ ins Leben gerufen. Diese „historische Rekonstruktion“ des päpstlichen Rechtsakts „könnte die rechtliche Stellung des Templerordens wiederherstellen und der Papst den Orden rehabilitieren“, werden die Dissertantin und ihr Betreuer in der Aussendung zitiert.
Nun hat der YouTube-Kanal MDVAL die Angelegenheit aufgearbeitet und liefert zusätzliche Informationen über das International Templar Studies Network der Universität Salzburg.
Aufhänger für das Video war ein auf dem Instagram-Kanal des Netzwerks gezeigter Zeitungsartikel, der behauptet:
Der Orden wurde höchstwahrscheinlich nie aufgelöst. Das zeigt Salzburger Forschung.
Der Betreiber des YouTube-Kanals sagt dazu:
Der Artikel bezieht sich auf die Forschungsergebnisse einer Mitarbeiterin des Netzwerks und des Leiters Mattiangeli selbst, wonach beide behaupten, dass die Auflösung des Templerordens nicht rechtskräftig war, weil es diese letztgenannte Bulle, nämlich Vox in excelso, in der eben diese Aufhebung der Templer rechtsfest gemacht wird, angeblich nie gegeben habe.
Diese Argumentation, vom Fehlen der Bulle auf die Unrechtmäßigkeit der Auflösung des Ordens zu schließen, sei aus wissenschaftlicher Sicht nicht haltbar:
(Erstens:) In der Forschung ist seit Langem klar, dass die Bulle im Original nicht erhalten ist. Was hier als große Erkenntnis verkauft wird, ist seit Langem bekannt.
(Zweitens:) Außer Mattiangeli und seiner Doktorandin zweifelt deshalb allerdings kein ernstzunehmender Wissenschaftler an der grundsätzlichen Existenz und damit Rechtswirksamkeit der Bulle Vox in excelso. Und warum zweifelt niemand daran? Weil …
(Drittens:) es unglaublich häufig vorkommt, dass Schriftstücke dieser Art verschwunden sind. Es gibt unsäglich viele Beispiele, in denen wir nur über Kopien, Empfängerabschriften oder Papstregister überhaupt von der Existenz von Papsturkunden unterrichtet sind.
Daraus zu folgern, die Auflösung des Tempelordens sei ungültig, sei schlicht unseriös.
MDVAL zeigt in seinem Video weitere fragwürdige Methoden des Netzwerks auf. Es handelt sich keineswegs um ergebnisoffene Forschung. Stattdessen gibt es Verstrickungen in die Parawissenschaftlichen und Kontakte zu Gruppen, die sich von dieser Forschung erhoffen, als rechtmäßige Nachfolger der Tempelritter gelten zu dürfen.
Am Ende zieht er das Fazit:
Meiner Einschätzung nach handelt es sich beim Salzburg Templar Studies Network und seinen Verbindungen im Grunde um eine mit sehr üppigen Geldmitteln ausgestattete Gruppe an Abenteurern auf der Suche nach Geheimnissen und Mysteriösem. Die Online-Präsenz des Netzwerks und leider auch die Publikationen zeichnen eine Welt, in der hinter jedem Kreuz ein Hinweis stecken könnte; jedes Fresko könnte ein verstecktes Symbol des eigentlich nie aufgelösten Templerordens sein. Das Problem: Das Netzwerk ist Teil universitärer Strukturen und beansprucht damit eine Form wissenschaftlicher Exzellenz und Glaubwürdigkeit, die sich in der Arbeitsweise und den Forschungsergebnissen nicht widerspiegelt. In der Folge werden die spektakulären, aber völlig irreführenden Meldungen des Netzwerks von seriösen Medien für bare Münze genommen, weil eben niemand an der Glaubwürdigkeit zweifelt, wenn die Forschungsgruppe einer Universität solche Ergebnisse verkündet.
Was ebenfalls schockierend ist, ist, dass einige der Akteure des Netzwerks einer konkreten Agenda folgen, die zu objektiver und ergebnisoffener Forschung in direkter Konkurrenz steht. Stattdessen scheinen universitätsfremde Akteure nicht nur mitzumischen, sondern tatsächlich auch tonangebend zu sein, die eigene Interessen verfolgen und damit die Reputation der Universität Salzburg letztendlich für sich kapern.
Passend dazu veröffentlichte Onkel Michael vergangene Woche einen Beitrag zur Templerthematik, der die gängigen Mythen zusammenstellt und beleuchtet: Was ist mit dem Heiligen Gral? Gibt es eine Verbindung zu den Freimaurern? Welche Bedeutung haben die Rituale und Symbole? Existiert ein Templerschatz?
Den lesenswerten Artikel findest Du hier.
Zum Thema:
- Artikel: Mythen und Legenden um die Tempelherren, Onkel Michales Kleine Welt vom 20.03.2025
- Artikel: Die Angst vor Freitag, dem 13. und die Templer von heute, GWUP-Blog vom 12.10.2023
- Video: Esoterik und Neue Rechte – Die große Templerverschwörung Teil 1, MDVAL vom 23.11.2022
- Artikel: Freitag, der 13., die Templer und die alten Märchen, GWUP-Blog vom 13.11.2009
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