Am Schluss wird der Journalistin Olga Herschel klar:
Hinter Leonies Verschwinden, hinter ihrem Leid, stecken nicht Einzelne. Hinter Leonies Verschwinden steckt ein Netzwerk.
So endet die zweite Folge des Podcasts Geteiltes Leid, die heute erschienen ist.
Tatsächlich illustriert diese Episode einmal mehr das, was wir vor einer Woche schrieben:
Niemand stellt „die gesamte Community der TraumatherapeutInnen“ unter Generalverdacht – sondern es sind die immerselben Personen, die uns im Zusammenhang mit der Rituelle Gewalt-Mind-Control-Verschwörungstheorie (RG-MC) begegnen.
In der ersten Folge von Geteiltes Leid („Inside Leonie“) trat zum Beispiel die Psychotherapeutin und Psychiaterin Angelika Eibach-Bialas als „Expertin“ auf und breitete ihr Wissen über „Rituelle Gewalt“ im Satanismus aus:
Satan ist der Gott, Satan freut sich, wenn Menschen leiden, und Satan freut sich insbesondere, wenn die Kinder leiden.
Das sind für eine 75-Jährige erstaunlich infantile Vorstellungen, die mit der Realität von Satanismus praktisch nichts zu tun haben.
Diesselbe Angelika Eibach-Bialas kommt nun auch in der zweiten Folge zu Wort – und zwar unversehens als Ärztin und Kotherapeutin der titelgebenden Protagonistin Leonie, die ein Opfer von ritueller Gewalt sein soll.
Nun ist die Autorin und Host von Geteiltes Leid, Olga Herschel, selbst promovierte Ärztin mit Schwerpunkt Kinder- und Jugendpsychiaterie und kann daher ihre Verwunderung über Frau Eibachs Behandlungsmethoden kaum verbergen. Etwa als diese erklärt, Medikamente wie Benzodiazepam wirkten ohnehin nicht auf alle „Innenpersonen“ der angeblich in mehrere Persönlichkeiten aufgespaltenen Patientin.
Medizinisch gesehen ist das ausgeschlossen. Es gibt ja nur einen Körper,
kommentiert Herschel das kurz und knapp.
Auf kritische Nachfragen reagiert Eibach-Bialas wiederum mit einer höchst eigenwilligen Logik:
Offenbar haben Ihre Recherchen Sie in Täterkreise geführt. Ich hoffe nicht, dass das womöglich Ihre eigentlichen Auftraggeber sind.
Daneben spielen weitere Szene-Protagonisten wie die Berliner Anwältin Ellen Engel, Eva Lauer-von Lüpke von der Emanuelsstifung und eine Freikirche in Bonn eine Rolle. Diese Verbindungen werden im dritten Teil von Geteiltes Leid (29. November) noch weiter herausgearbeitet.
Trotz der langsamen und unspektakulären Erzählweise wird das Anliegen des Podcasts zunehmend deutlich:
Wir wollen zunächst mal eine Debatte anstoßen, die bisher abseits von Fachöffentlichkeiten kaum geführt wird […] Wir nehmen Betroffene in den Blick, die bisher vom System überhaupt nicht gesehen werden: Opfer schädlicher Psychotherapien,
sagt der Produzent Khesrau Behroz in einem Interview.
An der Privatklinik für Psychiatrie und Psychotherapie Clienia Littenheid im Schweizer Kanton Thurgau ist man heute noch „erschüttert“ über den RG-MC-Skandal vor zwei Jahren. Mittlerweile sei der ganze Traumatherapie-Bereich neu aufgegleist worden: „mit einem neuen Therapiekonzept, einer neuen Führung und neuen Verantwortlichen“, berichtet die Thurgauer Zeitung.
Das kam so surreal daher, dass ich zuerst dachte: Das kann doch nicht stimmen,
wird der Thurgauer Regierungsrat Urs Martin in dem Beitrag zitiert:
Wir mussten aber leider feststellen, dass das Fernsehen richtig lag.
In Deutschland merkten die Macher von Geteiltes Leid,
… dass sich Verantwortliche sehr schwertun, sich kritisch mit ihren eigenen Überzeugungen auseinandersetzen und Kritik mit dem Argument abblocken, man würde Betroffenen ihr Leid absprechen. Es scheint, als fehle da manchmal der Mut, kurz innezuhalten und zu fragen: Kann das wirklich so gewesen sein?
Das hätte auch im Fall Leonie eine verheerende Falschtherapie und eine zerstörte Familie verhindern können. Leonie lebt heute in einem Pflegeheim, der Vater sah sich dem Verdacht des rituellen Missbrauchs ausgesetzt.
Erst bei einem persönlichen Termin mit Leonies ungenannter Erstherapeutin (am Ende von Teil 1) realisierte Leonies Mutter schließlich:
Die Frau spinnt. Ich bin einer Betrügerin aufgesessen.
Zum Weiterlesen:
- „It’s always going to be relevant“: Die Verschwörungstheorie über rituelle Gewalt und Mind Control, GWUP-Blog am 14. November 2024
- Berliner Reporter-Team deckt Pseudo-Therapien auf: „Das kann doch alles nicht sein“, berlin-live am 19. November 2024
- Geteiltes Leid: Dieser Doku-Podcast deckt Verschwörungstheorien über sexuelle Gewalt in Psychotherapiepraxen auf, elle am 19. November 2024
- „Geteiltes Leid“: Der neue Investigativ-Podcast enthüllt Verschwörungstheorien in der Psychotherapie, zeitjung am 15. November 2024
- Rituelle Gewalt in Littenheid: Dunkles Kapitel soll bald der Vergangenheit angehören – das ist der Stand der Dinge, Thurgauer Zeitung am 18. November 2024
- Esoterische Parallelwelt, grober Unfug: Auch eine deutsche Therapeutin ist in die Umtriebe an der Klinik Littenheid involviert, GWUP-Blog am 3. Dezember 2022
- Was sind und tun eigentlich Satanisten? Ein Interview, GWUP-Blog am 5. Mai 2014
- Verschwörung und Missbrauch: Khesrau Behroz im Interview zum neuen Undone-Podcast, podcast.de am 14. November 2024
22. November 2024 um 08:55
Hier als Ergänzung ein Artikel aus „Psychologische Rundschau“, online veröffentlicht am 15. April 2024:
„Rituelle sexuelle Gewalt – Eine kritische Auseinandersetzung mit fragwürdigen empirischen Belegen für ein fragliches Phänomen“
https://econtent.hogrefe.com/doi/full/10.1026/0033-3042/a000663
Ein Zitat aus dem Fazit:
„Es ist also nicht nur eine Frage wissenschaftlicher Redlichkeit, sondern es liegt auch im Interesse von Patient_innen, dass Angaben über rituellen sexuellen Missbrauch mit Mind Control und gezielter Persönlichkeitsspaltung nicht als Fakten verbreitet werden, wenn man über keine Informationen verfügt, welche die Faktizität der Angaben stützen, aber Informationen vorhanden sind, die damit schwer in Einklang zu bringen sind.
Wird das fragliche Narrativ der rituellen sexuellen Gewalt durch vertrauenswürdig erscheinende Veröffentlichungen unkritisch (weiter) verbreitet, besteht die reelle Gefahr, dass im Sinne einer Self-Fulfilling Prophecy mehr Menschen irrtümlich annehmen, von ritueller sexueller Gewalt betroffen zu sein (vgl. Lanning, 1991).“
22. November 2024 um 17:29
Berliner Psychotherapeuten totale Schwurbler? Dabei sollten Patienten hellhörig werden
https://www.berlin-live.de/berlin/aktuelles/berlin-psycho-therapie-schwurbler-verschwoerungstheorien-id316361.html
23. November 2024 um 09:56
Im Zusammenhang mit angeblicher ritueller Gewalt, lese ich jetzt öfter von Bonn. Ist das Zufall, lese ich da einfach zu selektiv, oder gibt es da wirklich ein „Ballungsgebiet“?
23. November 2024 um 10:08
@Christine:
Im dritten Teil wird diese freikirchliche Gemeinde in gewisser Weise als Kristallisationspunkt geschildert.
23. November 2024 um 10:29
@Bernd Harder
Danke.
23. November 2024 um 16:20
Korsakow mit 25 Jahren? Wie furchtbar!
Irgendwie fühle ich mich an die Geschichte von Anneliese Michel erinnert. Schon die Aufnahmen von der Taufe hören sich wie ein Exorzismus an.
23. November 2024 um 17:42
Dieser erschütternde zweite Podcast zeigt m.E. klar auf, dass eine zwingende Notwendigkeit besteht, dieses Drama um Leonies Fehl- bzw. Nichtbehandlung juristisch aufzuarbeiten und diese Anwältin, die die rechtliche Betreuung von Leonie innehatte, und diese (fehl)behandelnde Ärztin wegen unterlassener Hilfeleistung anzuklagen und auf Schmerzensgeld zu verklagen.
24. November 2024 um 17:12
Der zweite Teil ist schon ziemlich „krass“.
Ellen Engel ist doch auch beim Fonds für sexuellen Missbrauch, oder?
Bei ihr und auch bei Eva Lauer von Lüpke landet man wieder bei der USBKM.
Ich denke nicht, dass es für die Beteiligten irgendwelche Konsequenzen geben wird (außer die, die Leonie gerade ausbadet).
24. November 2024 um 21:48
Eva Lauer von Lüpke und Ellen Engel waren auch in diesem Fall dabei:
https://openjur.de/u/2347639.html
https://www.spiegel.de/panorama/gesellschaft/familienrichterin-entlarvt-falschen-missbrauchsfall-die-luege-die-immer-monstroeser-wurde-a-fa5b4700-2408-4348-84f6-3dc71c21b1c8
27. November 2024 um 21:18
Der Podcast steht schon jetzt auf Platz eins der Apple Podcasts Charts
https://politische-jugendbildung.blog/weitere-beitraege/neuer-podcast-geteiltes-leid-gefaehrliche-verschwoerungsideologien
https://chartable.com/charts/itunes/de-all-podcasts-podcasts
27. November 2024 um 23:05
@ Bernd Harder
Danke für die Info. Das macht Hoffnung.
Ich möchte nochmal bekräftigen und näher ausführen, was ich schon weiter oben geschrieben hatte:
Ich halte es für dringend geboten, die Anwältin, die die rechtliche Betreuung von Leonie innehatte, und die Ärztin/ Psychiaterin, die Leonie „behandelt“ hat, wegen unterlassener Hilfeleistung anzuklagen.
Dass Leonie jetzt massivste neurologische Schäden hat, als Korsakow-Syndrom diagnostiziert, muss angesichts ihrer Geschichte m.E. nicht verwundern. Jahrelang extrem untergewichtig, dazu wiederkehrend massivster Alkoholkonsum, das hält auf Dauer schlicht keine Hirnsubstanz ohne Schaden aus.
Und dazu als Betreuer und Behandler Personen, die Leonie nicht der Hilfe zuführten, derer sie bedurfte: Schutz vor diesem selbstschädigenden Verhalten Alkoholmissbrauch und Zuführung zu einer Therapie, die diese Essstörung mit dem extremen Untergewicht angeht.
Dieses Nicht-Zuführen zu einer geeigneten Behandlung durch Betreuerin und Behandlerin ist m.e. klar unterlassene Hilfeleistung.
27. November 2024 um 23:11
@Chusa More:
Schwierig. Am Ende der vierten und letzten Folge machen die Eltern sich schwerste Vorwürfe, aber von einer Klage ist keine Rede.
28. November 2024 um 08:40
Ergänzend zu den Links von @Bernd Harder
Neuer Podcast „Geteiltes Leid“ – gefährliche Verschwörungsideologien, Platz eins der Apple Podcasts Charts
https://arbeitundleben.de/aktuelles/neuer-doku-podcast-ueber-rituelle-sexualisierte-gewalt-in-deutschland
„Khesrau Behroz, Co-Gründer von Undone und Story Editor des Podcasts, unterstreicht: „Diese Recherche ist ein eindrucksvolles Beispiel für investigativen Journalismus. Sie beleuchtet ein lange übersehenes Thema und fordert die Politik auf, Verantwortung zu übernehmen.““
28. November 2024 um 09:50
@ Bernd Harder
Danke für die Info. Sehr schade.
29. November 2024 um 08:52
Ein perfider Punkt bei der Geschichte ist, dass nur Betroffene selbst eine Beschwerde bei einer zuständigen Psychotherapeutenkammer einreichen können.
Es kann durchaus möglich sein, dass eine Anzeige über Frau Engel hätte laufen müssen.
Was aus dem Bericht leider nicht hervorgeht ist, bei wem die Gesundheitsfürsorge lag und welche Aufgabenbereiche genau abgegeben wurden. Die Konstellation enthält jedoch das Potential einer kompletten Entmündigung – ohne die Möglichkeit, dagegen notwendige Schritte einleiten zu können.
29. November 2024 um 19:40
@ Sebastian
„Was aus dem Bericht leider nicht hervorgeht ist, bei wem die Gesundheitsfürsorge lag „
Auch wenn es im Podcast nicht erwähnt wurde, liegt es m.E. auf der Hand, wer im rechtlichen Sinne für Leonie die Gesundheitsfürsorge innehatte:
Die Eltern, obwohl sie in der Vergangenheit bewiesen hatten, dass sie für Leonies Gesundheit sehr gut Sorge getragen hatten, scheiden aus wegen der, ich nenne es jetzt mal so, „verschwörungstheoretisch begründeten Intrigen“ gegen sie durch Leonies (damalige) Behandler.
Dass die Aufgabe der Gesundheitsfürsorge bei Leonie selbst belassen worden sein könnte, halte ich für ausgeschlossen, das ist ja einer der Hauptgründe, warum so eine rechtliche Betreuung bei psychisch Kranken überhaupt eingerichtet wird.
Zur Erläuterung hier ein Auszug aus
https://www.bapk.de/fileadmin/user_files/bapk/schwerpunkte/Betreuung/Die_rechtliche_Betreuung.pdf
„Der vom Gericht bestimmte Umfang (einer oder mehrere Aufgabenbereiche) bildet den „Aufgabenkreis“ des Betreuers (§ 1815 Abs. 1). In der Praxis geht es vor allem um die Aufgabenbereiche Personensorge, Vermögenssorge, Gesundheitsfürsorge undAufenthaltsbestimmung…“
und
„Bei psychisch Kranken stehen die Gesundheitsfürsorge (ärztliche Maßnahmen, Zwangsbehandlung) und das Aufenthaltsbestimmungsrecht (Zwangs-einweisung) im Vordergrund“.
Die einzige Person, die die Aufgabe der Gesundheitsfürsorge für Leonie hatte innehaben können, ist m.E. ihre rechtliche Betreuerin Ellen Engel. Und sie hat m.E. in dieser Aufgabe vollständig versagt und sich gemeinsam mit der behandelnden Psychiaterin der unterlassenen Hilfeleistung gegenüber Leonie schuldig gemacht.
Hier ergänzend noch zwei weitere Links zum Betreuungsrecht:
https://www.bmj.de/DE/themen/vorsorge_betreuungsrecht/rechtliche_betreuung/rechtliche_betreuung_node.html
https://www.neurologen-und-psychiater-im-netz.org/recht/betreuungsrecht/
Daraus:
„Wenn große Gefahr besteht, dass der Betroffene seine Gesundheit oder sein Vermögen mit seinen Entscheidungen schädigt, kann das Gericht außerdem einen Einwilligungsvorbehalt für diese Bereiche anordnen. Dann darf die betreute Person nur noch mit Einwilligung des Betreuers entscheiden und handeln.“
Ein solcher Einwilligungsvorbehalt wäre für Leonie sicher sehr fatal gewesen und beschreibt das, was Sie im letzten Satz Ihres Kommentars angedeutet haben.