Vor vier Wochen haben wir es vorausgesagt – und recht behalten.
In unserem Blogpost über die sechs neuen „Wunder“-Regeln der katholischen Kirche vermuteten wir, dass es das Hauptziel dieser „Normen für das Verfahren zur Beurteilung mutmaßlicher übernatürlicher Phänomene“ sein könnte, „den unbequemen Fall Medjugorje endlich zu einem Abschluss zu bringen“.
Und tatsächlich hat heute der Vatikan sein Verdikt über die noch immer andauernden „Marienerscheinungen“ in dem kleinen Dorf im Südwesten von Bosnien und Herzegowina gesprochen:
Es ist an der Zeit, eine lange und komplexe Geschichte rund um die geistlichen Phänomene von Medjugorje abzuschließen.
Nur was die Kategorie angeht, lagen wir falsch:
„Nihil obstat“, das bedeutet (wir schrieben es am 19. August):
Keine Gewissheit über die übernatürliche Echtheit, aber doch Anzeichen für ein Wirken des Heiligen Geistes.
Dass der Vatikan keine „Übernatürlichkeit“ anerkennen würde, war klar und steht so auch in der offiziellen Note („keine Erklärung des übernatürlichen Charakters des fraglichen Phänomens“, die Gläubigen sind „nicht verpflichtet, daran zu glauben“).
Trotzdem überrascht die positive Einschätzung der Vorgänge in Medjugorje (zur Erinnerung: Es hätten drei deutlich vorsichtigere Urteilsmöglichkeiten zur Verfügung gestanden.).
Dies umso mehr, da die heutige Verlautbarung durchaus eine Reihe von kritischen Punkten aufzählt, zum Beispiel:
Auch wenn die positiven Früchte dieses geistlichen Phänomens in der ganzen Welt verbreitet sind, wird damit nicht geleugnet, dass es Gruppen oder Personen geben kann, die dieses geistliche Phänomen in unangemessener Weise nutzen und in falscher Weise handeln.
Oder:
Obwohl sich im Ganzen der mit dieser geistlichen Erfahrung verbundenen Botschaften viele positive Elemente finden, die helfen, den Ruf des Evangeliums zu verstehen, würden bestimmte Botschaften – nach der Meinung einiger – Widersprüche darstellen oder Wünsche bzw. Interessen der angeblichen Seher oder anderer Menschen beinhalten.
Oder:
In einigen Fällen scheint die Muttergottes eine gewisse Verstimmung zu zeigen, weil einige ihrer Anweisungen nicht befolgt wurden; sie warnt vor bedrohlichen Zeichen und der Möglichkeit, nicht mehr zu erscheinen, auch wenn die Botschaften danach unvermindert weitergehen.
Oder:
Auch wenn derartige Botschaften in Medjugorje nicht häufig vorkommen, finden wir einige, die sich eindeutig aufgrund der persönlichen Wünsche der angeblichen Seher erklären lassen.
Wie sehr die „Phänomene“ von Medjugorje von recht offenkundig irdischen Interessen und Wünschen geleitet werden, haben wir 2011 in einer fünfteiligen Serie zum 30. Jahrestag der „Erscheinungen“ zusammengefasst:
- 30 Jahre Medjugorje Teil I: Die Vorgeschichte
- 30 Jahre Medjugorje Teil II: Die Seher
- 30 Jahre Medjugorje Teil III: Die Franziskaner
- 30 Jahre Medjugorje Teil IV: Die Botschaften
- 30 Jahre Medjugorje Teil V: Das Fazit
Angesichts dieser Masse von Einwänden, die der Vatikan alle kennt und zum Teil in der Note selbst formuliert, ist ein „Nihil obstat“ (es steht nichts entgegen, praktisch eine Unbedenklichkeitserklärung) für den umstrittenen Erscheinungsort ungewöhnlich.
Noch in der gedruckten Zeit von heute erklärt der Vatikanexperte Andreas Englisch (vor der Veröffentlichung der „Nota“), schon Papst Johannes Paul II. sei skeptisch gewesen, und Benedikt XVI. habe nie an die Erscheinungen von Medjugorje geglaubt. Auch Franziskus habe sich mehrfach abwertend geäußert.
Englisch wörtlich:
Vielleicht geschieht ja das Wunder, und der Papst urteilt barmherzig.
Ein Wunder also?
Nicht unbedingt. Vielleicht hat man gar nicht trotz, sondern wegen all dieser Sonderbarkeiten so entschieden, wie die FAZ nahelegt:
Ungeachtet der anhaltenden Signale der Ablehnung aus Rom entwickelte sich Medjugorje zu einem Magneten für „volksgläubige“ Wallfahrer aus aller Welt. Mehr als 50 Millionen Pilger – zuletzt bis zu drei Millionen jährlich – haben seit 1981 Medjugorje besucht.
Offenbar war der Wallfahrtsort mit seiner signifikanten Bedeutung für die Volkswirtschaft der kargen Gegend „too big to fail“ geworden, als dass ihn der Vatikan länger hätte mit einer Art Bann belegen können.
Auch das ist möglich – und kommt überaus passend:
Die Mitarbeiter der Gemeinde sagen, dass 2024 ein Rekordjahr werden könnte, da die christlichen Pilger wegen des Krieges im Nahen Osten Israel eher meiden und sich stattdessen für Medjugorje entscheiden würden.
Zum Weiterlesen:
- Inszenierte Marienerscheinung und die neuen „Wunder“-Regeln der katholischen Kirche, GWUP-Blog am 19. August 2024
- Wie Medjugorje gegen den Willen des Vatikans zum Wallfahrtsort wurde, faz am 19. September 2024
- Medjugorje: Papst Franziskus gibt sein „Nihil obstat“, vatican-news am 19. September 2024
- Nihil obstat: Vatikan erlaubt öffentliche Verehrung in Medjugorje, katholisch.de am 19. September 2024
- Leuchtende Madonnen – solved, GWUP-Blog am 29. September 2013
- Mysteriöser „Cold spot“: Neues Rätsel um eine Christusstatue in Medjugorje, GWUP-Blog am 26. Dezember 2020
20. September 2024 um 09:20
Sagen wir doch ganz schlicht: „Geld regiert die Welt“. Damit hat die katholische Kirche ja jahrhundertelange gute Erfahrungen.
20. September 2024 um 18:00
wenn ich die Massen betrachte- da keimt in mir der Verdacht auf, dass nicht der Papst oder die Kirche das Problem ist, sondern die Menschen.