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Wenig Übersinnliches: Besuch bei der Klischee-Wahrsagerin

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Man hat’s schon schwer so als Wahrsagerin, wenn zwei junge Journalistinnen einmal nicht das übliche PR-Spielchen für die Lokalpresse mitmachen, sondern die Sitzung kritisch reflektieren.

Das ist gerade der „medialen Lebensberaterin“ Annatala Natalia Geiger in Amberg widerfahren, die sich bislang stets auf das gnädige Wohlwollen der Medien verlassen konnte.

Bis zu diesem Artikel im Onetz der Oberpfalz Medien von Johanna Siegl und Rebecca Zweigle:

Die 75-Jährige startet mit der Frage nach Johannas Alter. Die Studentin ist 22. Daraus schließt Geiger, dass Johanna nicht verheiratet und kinderlos ist.

Korrekt. Die Wahrscheinlichkeit, dass die Wahrsagerin mit ihrer Aussage richtig liegt, ist hoch. Laut Zahlen des Statistischen Bundesamts sind in Deutschland nur gut ein Prozent der Frauen unter 25 Jahren verheiratet.

Wahrsagerei als „die Vorhersage des Wahrscheinlichen“ – das hat schon Richard Wiseman so festgehalten.

Und wie nach Lehrbuch tastet sich Geiger weiter voran. Als nächstes kommen die offenen Formulierungen à la Barnum, die fast immer stimmen oder schmeichelnd auf eine hohe Zustimmungsbereitschaft zielen:

Auf die Frage, was Johanna in der Zukunft erwartet, antwortet die Hellseherin: „Beruflich hat sie viele Ideen, viele Pläne, die sie verwirklichen will, und in der Liebe bewegt sich was.“

Wow – was für eine eindrucksvolle Prognose für eine 22 Jahre junge Studentin.

Und sogar das Vorhersage-Klischee schlechthin fährt Geiger auf:

Für die nahe Zukunft sieht die Wahrsagerin eine Reise. „Wo wollen Sie hin?“, fragt Geiger.

Pech, daneben. Aber natürlich biegt Geiger ihr Fischen im Trüben sofort wieder sinnfällig hin:

Johanna stottert verdutzt: „Eine Reise?“ Eine große Reise steht nämlich erst einmal nicht an. Lediglich für die Uni ist die Studentin in nächster Zeit unterwegs. „Aber so kleine Reisen sehe ich“, korrigiert Geiger ihre Aussage prompt.

Und so weiter, und so fort.

Am Ende bleibt bei Johanna Siegl und Rebecca Zweigle der Eindruck, dass

… hinter Wahrsagerei vor allem eines steckt: gute Menschenkenntnis und Lebenserfahrung, aber wenig Übersinnliches oder gar Wissenschaft.

Kompliment an die beiden Journalistikstudentinnen, die auch mit der GWUP über das Thema „Wahrsagen“ gesprochen haben.

Daraus ist neben dem Artikel noch ein Podcast entstanden:

In diesem Podcast stellen Johanna Siegl und Rebecca Zweigle sich die Frage, ob wirklich etwas dran ist an Wahrsagerei. Dafür wagt Johanna Siegl den Selbstversuch und lässt sich von Wahrsagerin Annatala Natalia Geiger die Zukunft vorhersagen.

Im Anschluss besuchen die beiden Reporterinnen Bernd Harder von der Gesellschaft zur wissenschaftlichen Untersuchung von Parawissenschaften (GWUP). Auch er hat eine klare Antwort auf die Frage, was hinter Wahrsagerei steckt

Zum Weiterlesen:

  • Die Aura ist der Spiegel zur Seele: Ein Besuch bei einer Wahrsagerin, onetz am 2. April 2024
  • Podcast: „Wahrheit oder Wahnsinn?“ vom 2. April 2024
  • „Disclaimer: Wahrsagerei ist blanker Humbug“, GWUP-Blog am 2. Februar 2024
  • Mein Horoskop stimmt immer!” Ja und? GWUP-Blog am 4. Mai 2013 (mit zahlreichen Links zum Thema Astrologie und Wahrsagen)
  • Besuch bei der Wahrsagerin: „Verwirrende Wortfluten“ und gute Küchenpsychologie, GWUP-Blog am 3. Januar 2019
  • Erstaunlich, was Hellseher so alles über eine Person wissen, die gar nicht existiert, GWUP-Blog am 9. Juni 2015
  • Sind Hellseher sympathisch? GWUP-Blog am 30. September 2012
  • Sind Hellseher seriös? GWUP-Blog am 1. Oktober 2012
  • Sind Hellseher anerkannt? GWUP-Blog am 2. Oktober 2012
  • Sind Hellseher Schwindler? GWUP-Blog am 2. Dezember 2012
  • Wie eine Diashow: Besuch bei einer Promi-„Seherin“, GWUP-Blog am 22. März 2023
  • „Wahrsager“ im WTF-Talk (mit vielen Links), GWUP-Blog am 17. Januar 2024

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