Heute hat Zeit-Online einen Artikel aus der aktuellen Ausgabe von Zeit Verbrechen (17/2022) veröffentlicht:
Es geht darin um einen ehemaligen Waldorflehrer aus Schwäbisch Hall, der 2021 wegen schweren sexuellen Missbrauchs von Schülerinnen zu einer mehrjährigen Haftstrafe verurteilt wurde.
Einen Thread zu den Vorfällen kann man beim Anthroblogger nachlesen:
Natürlich gibt es sexuellen Missbrauch auch an staatlichen und konfessionellen sowie Schulen in freier Trägerschaft.
Und dennoch scheinen in dem Bericht einige Besonderheiten der Waldorfschulen auf, die sowohl die Ereignisse begünstigt als auch die Aufklärung erschwert haben:
Jahrzehntelang brachte niemand die Taten von Andreas S. zur Anzeige. Weil nicht sein kann, was nicht sein darf.
Ehemalige Schülerinnen und Schüler der Waldorfschule in Schwäbisch Hall berichten Zeit Verbrechen gegenüber von „zahlreichen schrecklichen Anekdoten aus dem eigenen Schulalltag“. Darin geht es zum Beispiel um
… wütende Lehrer, die auf Tafeln und Türen einschlugen, Schulbücher der Kinder zerrissen und die Einzelteile nach ihnen warfen.
Um einen
… tagelangen Marsch über Berge, bei dem die Jugendlichen im Wald schlafen mussten. Waren die Kinder erschöpft, seien ihnen von den Reisebegleitern irgendwelche Spritzen in den Hintern gejagt worden.
Um
… eine angeblich sexualisierte Beziehung einer Lehrkraft zu einer Schülerin.
Um einen ehemaligen Schulleiter, bei dem
… mehrere Partys stattgefunden [hätten], auf denen minderjährige Kinder Drogen konsumierten. Er habe sich außerdem an Wochenenden mit Schülern zum Nacktbaden am Starkholzbacher See getroffen.
Und so weiter, und so fort.
Wie konnten sich „diese schlimmen Vorfälle jahrelang zutragen?“, fragt sich die Zeit-Autorin. Dass der verurteilte Lehrer
… Schülerinnen mit einem Stift heimlich filmte, war schulintern und extern bekannt, bestätigt der Schulleiter, sowie auch, dass der Lehrer Kinder im Unterricht oder bei den Zirkusproben auf den Schoß nahm, sie kitzelte, sich in einem Fall sogar auf ein Mädchen drauflegte.
Aber:
Wer im Umkreis der Waldorfschule Antworten darauf sucht […], stößt auf eisernes Schweigen.
Die vielleicht entscheidende Passage:
Alles an der Waldorfschule in Schwäbisch Hall sei eng miteinander verzahnt. Die Menschen deckten einander. Sie sähen weg.
So sehen dann die „differenzierte Ausbildung des Willens“, das „Streben nach eigener Lebensgestaltung und Urteilsbildung“ und die „sozialen Kompetenzen“ in der Praxis aus, von denen der Bund der Freien Waldorfschulen auf seiner Webseite salbadert?
Update vom 18. November
- Verzögert das System Waldorf die Aufklärung von Gewalttaten?
Zum Weiterlesen:
- Missbrauch an Waldorfschule: Eine von vielen, Zeit+ am 16. Oktober 2022
- Südwest Presse: Sexueller Missbrauch an der Waldorfschule in Schwäbisch Hall
- Schülerinnen sexuell missbraucht, Neckar-Chronik am 25. März 2021
- Nach Missbrauch an Schülerinnen: Urteil gegen Schwäbisch Haller Waldorflehrer gefallen, echo 24 am 25. März 2021
- 40 Jahre Missbrauch durch Waldorflehrer: Kollegen haben Mitleid – mit dem Täter, Anthroposophie.blog am 13. Februar 2019
- „Wir konnten uns nicht darauf einigen, dass wir gewaltfrei unterrichten“, Anthroposophie.blog am 4. Dezember 2020
- „Kräftige Ohrfeigen“ – Über Gewalt an Waldorfschulen, Anthroposophie.blog am 14. Mai 2019
- Waldorfpädagogik: Wenn der „Ätherleib“ umgeworded wird, GWUP-Blog am 14. September 2022
- #AnthroMeToo bei Twitter
17. Oktober 2022 um 05:39
Die Besonderheiten der Verbrechen als auch die Umstände, welche die Verbrechen ermöglichen, sind meines bescheidenen Wissens der „Normalfall“. Leider!