Zuletzt hatten wir zum Jahreswechsel über die Langzeitstudie (HBS-Panel-Erwerbspersonenbefragung) der gewerkschaftsnahen Hans-Böckler-Stiftung berichtet und dabei einen deutlichen Rückgang des Corona-Verschwörungsglaubens zwischen Juni 2020 (40 Prozent) und November 2020 (28 Prozent) konstatiert:
Im Sommer ist dieser Wert wieder leicht gestiegen, auf nunmehr 32 Prozent:
Das schreibt der Sozialwissenschaftler Andreas Hövermann im fünften Update.
- Die insgesamt 32 Prozent Befürworter („Voll und ganz“ sowie „eher“) entsprechen praktisch dem Stand der „Mitte-Studie“ von 2019, die bei der Aussage
PolitikerInnen und andere Führungspersönlichkeiten sind nur Marionetten dahinterstehender Mächte
auf 32,7 Prozent Zustimmung kam. Auch die Leipziger „Autoritarismus-Studie“ 2020 förderte bei rund einem Drittel der Bundesbürger eine „manifeste Verschwörungsmentalität“ zutage.
Zudem stieg in der aktuellen Böckler-Erhebung die Zustimmung zu der stärkeren Behauptung
Ich kann mir vorstellen, dass hinter der Pandemie eine Elite steht, die eine neue Weltordnung schaffen will
um ein Prozent.
- Diese 20 Prozent entsprechen der Zustimmung zu Verschwörungserzählungen („Corona ist ein Schwindel, ist menschengemacht“), wie sie auch in der neuesten COSMO-Studie (Juli/August 2021) gemessen wurde.
Als Ursache macht Hövermann aus:
Überdurchschnittlich verbreitet ist eine starke Zustimmung zu Corona-Zweifeln und Verschwörungsmythen unter Befragten mit niedrigem Einkommen oder niedrigem Schulabschluss, bei jüngeren Befragten und solchen, die bislang keine Corona-Infektionen in ihrem näheren Umfeld hatten, in Ostdeutschland, sowie bei Menschen, die unter der Corona-Krise finanziell gelitten haben.
Diese Muster deuteten darauf hin, dass sowohl Gefühle von „Ohnmacht und Kontrollverlust“ eine Hinwendung zu Corona-Zweifeln und Verschwörungsmythen begünstigen können als auch der Eindruck, persönlich nicht oder weniger stark vom Virus bedroht zu sein.
Ein weiterer Faktor sei das „deutlich höhere politische Institutionenmisstrauen“ in Ostdeutschland.
Im Fazit hält der Soziologe fest:
- Zweifel und Mythen orientieren sich nicht unbedingt an dem Verlauf der Pandemie.
- Verschwörungsmythen und Corona-Skepsis sind kein Randphänomen, sondern reichen bis weit in die Mitte der Gesellschaft.
- Kern von Verschwörungsmythen ist es, immun gegen Beweise zu sein, da sie erklärtermaßen abgeschottet sind. Dies macht es plausibel, dass selbst große Fortschritte in der Bewältigung der Pandemie, wie die Entwicklung und Verimpfung eines Vakzins und die Senkung von Fall- und Todeszahlen, kaum zu einer Revidierung der Ansichten führen.
- Der Verschwörungsglaube wirkt unabhängig von der Pandemie und findet wahrscheinlich auch nach der Pandemie ein geeignetes Mobilisierungsthema.
- In der Studie wurde nochmal deutlich, wie gering die Bindung von Verschwörungsmythiker:innen an demokratische Parteien ist: AfD ist einzige Partei im deutschen Bundestag, die diese Klientel anspricht. Ansonsten wird hier vor allem nicht oder ungültig gewählt.
- Unter Impfunwilligen ist das Ausmaß an Mythen und Zweifeln […] enorm: Unter ihnen stimmen 82 Prozent im Schnitt den sechs Aussagen zu.
Zum Weiterlesen:
- Neue Zahlen zum Corona-Verschwörungsglauben, GWUP-Blog am 19. Juli 2020
- Neue Umfragen: Ist der Verschwörungsglaube rückläufig? GWUP-Blog am 29. Dezember 2020
- Monster und Ufos kommen – der große Plan hat immer Recht, GWUP-Blog am 11. Oktober 2021
- Verschwörungstheorien: Die Suche nach Mustern, nd am 8. Oktober 2021
- Knapp ein Fünftel der Erwerbspersonen teilen Corona-Zweifel und Verschwörungsmythen in hohem Maße – Neigung zu riskantem Verhalten, boeckler.de am 7. Oktober 2021