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Wie Verschwörungstheorien die ganze Familie belasten

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Letzte Woche war die Autorin Kati Krause im Morgenmagazin (zirka vier Minuten) zu Gast:

Was tun, wenn die eigene Mutter Corona für eine Glaubensfrage hält? Und wo bekommt man Hilfe? Die Autorin Kati Krause erzählt, wie Verschwörungsideen die Familie belasten.

Ausführlich (zirka 44 Minuten) hat sie ihre Geschichte jetzt im Nachtcafé-Podcast erzählt:

Es beginnt mit einer Leidenschaft für Homöopathie und Esoterik. Doch im Laufe der Jahre werden die Weltanschauungen von Kati Krauses Mutter immer extremer. Heute hortet sie Lebensmittel für den nahestehenden Weltuntergang und glaubt daran, dass im Untergrund des Berliner Flughafens Kinder missbraucht werden.

Über die jahrelange Zerreißprobe, wenn ein Familienmitglied an Verschwörungen glaubt, berichtet Kati Krause im neuen Podcast mit Michael Steinbrecher.

Lesen konnte man Krauses Geschichte bereits im Zeit-Magazin (2/2021). Auf ihrer Homepage stellt die Berlinerin den Beitrag kostenlos zur Verfügung.

In der Süddeutschen Zeitung ist gestern der Artikel

Das Gift der Querdenker

erschienen.

Es geht darin um die neue Beratungsstelle „Veritas“ in der Bundeshauptstadt, über die wir hier berichtet hatten:

Der erste Rat, den Veritas den Betroffenen gibt: niemals in Diskussionen einsteigen.

Zum einen würden Verschwörungsgläubige mit immer neuen Quellen von irgendwoher dagegenhalten. Zum anderen sei es sinnlos, mit Fakten gegen ein geschlossenes Weltbild vorzugehen.

„Das wird als Angriff auf das Selbstbild verstanden. Wir koppeln ganz oft unser Weltbild ans Selbstbild, und wenn man sich Kritik daran eingesteht, würde man sich selbst ja auch herabsetzen.“

Stattdessen wird ein psychologischer Ansatz verfolgt. In der Beratung geht es darum herauszufinden, warum Angehörige abdriften. Während der Pandemie waren es etwa Existenzängste oder das Gefühl von Kontrollverlust, die Leute dazu brachten, Erklärungen in Verschwörungserzählungen zu suchen […]

Hier liegt dann auch die Lösung, sagt Meilicke. Das Bedürfnis nach Wertschätzung oder Kontrolle solle „idealerweise wieder im Umfeld gefunden werden“. Durch andere Themen, Hobbys, Ablenkung in der Familie.

Die Beraterinnen und Berater bei Veritas geben den Angehörigen Anleitungen, wie man sich in Situationen, die zum hundertsten Streit über die Corona-Regeln oder das Impfen führen würden, anders verhält. Indem man Grenzen setzt und Sätze sagt wie: Wir haben schon oft darüber gesprochen, aber wir kommen nicht weiter.

Und indem man nicht auf die Inhalte eingeht, sondern auf die Gefühle dahinter. Das wiederum führe auch beim anderen zu einer Verhaltensänderung. „Man verändert sich nicht aufgrund von Fakten, sondern aufgrund von emotionalen Erfahrungen, und die regen wir an zu machen.“

Ein Ansatz, der sich schon in der Rechtsextremismus- und Islamismusprävention bewährt habe.

Zwei aktuelle Buchtipps:

Zum Weiterlesen:

  • Erfahrungsberichte: Familien leiden massiv unter Mitgliedern der „Querdenker“, DMZ am 5. Oktober 2021
  • Der Goldene Aluhut: Kontroverse mit einem Pandemieleugner
  • Wenn die Familie an Querdenkern zerbricht, Süddeutsche am 11. Oktober 2021
  • Veritas: Acht Tipps für den Umgang mit Verschwörungsgläubigen
  • Sekten-Experte über Umgang mit Verschwörungstheoretiker*innen: „Emotionen treffen auf Fakten“, sonntagsblatt am 7. Oktober 2021
  • Verschwörungstheorien: Die Suche nach Mustern, nd am 8. Oktober 2021
  • Fake News und Verschwörungstheorien: Kommunikation in Zeiten der Pandemie, tagesspiegel am 7. Oktober 2021
  • „How to Talk to a Science Denier“, GWUP-Blog am 11. Oktober 2021
  • Erste Beratungsstelle für Opfer und Betroffene von Verschwörungserzählungen, GWUP-Blog am 6. Juni 2021
  • Corona-Verschwörungsmythen sind praktisch unabhängig vom konkreten Pandemie-Verlauf, GWUP-Blog am 12. Oktober 2021
  • „Unsinn verdient Widerspruch“, Skeptiker 3/2021

2 Kommentare

  1. Der Ansatz auf die Gefühle einzugehen ist einleuchtend, um zumindest Zugang zu der jeweiligen Person zu haben, aber ich denke dass eine inhaltliche Auseinandersetzung zusätzlich unabdingbar ist.

    Lernen Dinge kritisch zu hinterfragen muss Teil des Lernprozesses sein. Es reicht nun mal nicht Behauptungen aufzustellen. Diese Basics, das kleine Einmaleins des Skeptikers müssen erlernt werden. Das geht meiner Ansicht nach am besten, indem man sich ganz konkrete Fälle ansieht und logische Fehlschlüsse aufzeigt.

    Wenn jemand behauptet unter dem Berliner Flughafen gebe es Folterkeller, in denen Kinder misshandelt werden, dann muss es konkrete Hinweise darauf geben.

    Wenn es diese Hinweise gibt, wieso lässt man dann das Unrecht geschehen und ‚berichtet‘ lediglich auf verschiedenen Kanälen darüber, anstatt die Behörden zu alarmieren? Wem gehören diese Kinder, wo sind die Vermisstenanzeigen Usw.usw.

    Alles natürlich ohne den Betroffenen vor den Kopf zu stoßen. Ohne Vorwürfe, Schuldzuweisungen oder persönliche Angriffe. Das Emotionale ist sicher die Ursache und da muss man ansetzen, aber um erfolgreich zu sein muss das rationale Erfassen des Problems das Ziel sein, nämlich dass diese Geschichten schlichtweg Lügen sind, und da muss eben geklärt werden, was Fakt ist und was nicht.

    Wenn jemand die Geschichte vom Gespräch in der Hölle zwischen Montesquieu und Macchiavelli von Maurice Joly liest, und sich das Erscheinungsdatum ansieht, muss einem ein Licht aufgehen und verstehen, wieso Gerichte Anfang des 20. Jahrhunderts schon die Protokolle der Weisen von Zion als das enttarnten, was sie sind: eine Fälschung.

    Dazu muss man aber die Fakten kennen, ohne die gibt es keinen dauerhaften Erfolg, meiner Ansicht nach.

  2. Neben den anderen Deutungsebenen dieses Problems könnte man sagen, die Anfälligen brauchen eine Droge, die man als „Empörium“ bezeichnen könnte.

    Empörium dockt mehr und mehr an jenen Rezeptoren an, die bei einem gesunden Menschen das Erleben einer geglückten Beziehung oder einer erfüllenden beruflichen Situation weiterleiten, also existentiell wichtige Erfahrungen.

    Bald braucht man Empörium forte und Empörium forte plus.

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