gwup | die skeptiker

… denken kritisch seit 1987.

Wenn ein Boulevardmagazin einen Mordfall im Sektenmilieu „recherchiert“

| 4 Kommentare

Das „News- und Boulevardmagazin“ hallo deutschland (ZDF) dilettierte gestern (Teil 2) und vorgestern (Teil 1) mit einem Beitrag über den Mord an dem vermögenden Münchner Ärzteehepaar Christine und Wilhelm B. vor vier Jahren in Saint-Cyr-sur-Mer. Tatverdächtig war der Schwiegersohn Klaus Oppermann, der sich in der französischen Untersuchungshaft 2018 das Leben nahm.

Besondere Brisanz bekam die Geschichte durch die Nähe aller Beteiligten zu der „Sekte“ (Chiemgau Gemseneier) „Neuer Yogawille“ von Heinz Grill.

Im April dieses Jahres veröffentlichte die Süddeutsche Zeitung eine umfangreiche Investigativ-Reportage über den Fall (wir berichteten). Darin schrieben die Autoren von einem harten Zerwürfnis der ehemaligen Grill-Anhänger Christine und Wilhelm B. mit der „sektenhaften“ (Psiram) Bewegung, während die gemeinsame Tochter Cornelia und ihr Ehemann Klaus Oppermann dem „Guru“ Heinz Grill weiterhin treu ergeben seien.

Die SZ spekulierte darüber, ob der Mord an dem Arzt-Ehepaar möglicherweise der Schlusspunkt einer Hass- und Rufmord-Kampagne gegen zwei abtrünnige Sektenaussteiger gewesen sein könnte, maßgeblich getriggert von der eigenen Tochter, die dafür ihren Ehemann instrumentalisierte.

Soweit eigentlich ein spannendes Thema für ein „News- und Boulevardmagazin“. Stattdessen lassen sich die Kollegen sehr einseitig für die Sichtweise von Cornelia Oppermann instrumentalisieren, die davon überzeugt sein will, dass es sich bei dem Gewaltverbrechen an ihren Eltern um ein

… unter Hypnose stattgefundenes Todesritual mit unglaublich blutigem Ausgang

gehandelt habe. Konkret soll Klaus Oppermann von Christine B. hypnotisiert und von ihr provoziert worden sein, sie umzubringen, weil sie ihren eigenen Tod als eine Art Höhepunkt einer besonderen spirituellen Mission betrachtet hätte.

Das ist auch auf der Webseite von Heinz Grill so nachzulesen, und zwar in einer Stellungnahme zu dem SZ-Artikel vom 27. Mai 2019.

Und das kolportiert hallo deutschland allen Ernstes so weiter, ohne zu hinterfragen (es sei denn, man betrachtet das Einholen einer wohlwollenden Pseudo-„Expertise“ von Oppermanns Anwalt als „Hinterfragen“).

Ein Bezug zum „Neuen Yogawillen“ und zu Heinz Grill wird nicht mal in einem Nebensatz hergestellt – nur einmal ist ebenso kurz wie vage von dem Verdacht die Rede, dass Klaus Oppermann vielleicht „der Auftragsmörder einer Sekte“ gewesen sein könnte, was vom Anwalt selbstredend als „absurd“ und „lächerlich“ zurückgewiesen wird.

Christine B. sei „fixiert“ gewesen auf indische Gurus, insbesondere auf den Godman Sai Baba, erfährt der Zuschauer nur, und dass die ermordete Ärztin ein „millionenschweres esoterisches Imperium“ aufgebaut habe.

Geld, mit dem sie laut SZ auch den „Neuen Yogawillen“ unterstützt hat – bis es zum Streit mutmaßlich über Gesundheitsfragen kam.

Anscheinend darf man von einem „Boulevardmagazin“ nicht mehr als ein bisschen Gefälligkeitsjournalismus erwarten.

Zum Weiterlesen:

  • Der Fall Klaus Oppermann Teil 1 vom 10. September 2019
  • Der Fall Klaus Oppermann Teil 2 vom 11. September 2019
  • Mord, Hasskampagnen und Justizmissbrauch im Umfeld einer „kleinen, fanatischen“ Esoterik-Gruppe, GWUP-Blog am 23. April 2019
  • Todesfälle in der Nähe zur Sekte „Neuer Yogawillen“ von Heinz Grill, Chiemgau Gemseneier am 16. April 2019
  • Der Guru: ein Kriminalfall und dessen Recherche, SZ-Podcast am 29. Mai 2019

4 Kommentare

  1. Das ist in der Tat furchtbar, was hier zusammengebastelt wird.

    Zuallererst, und das wird nicht erwähnt, sind Grill und Christine B. sehr viele Jahre einen gemeinsamen Weg innerhalb der Sekte „Neuer Yogawille“ gegangen, und dass die Tochter diesem „Verein“ immer noch angehört. Offensichtlich sind das Tode innerhalb des gleichen Millieus, auf beiden Seiten Leute, die sich weit ab von jeder Realität bewegen.

    Ich bin kein Psychologe, aber nach allem was ich zu dem Thema weiß (und das ist doch einiges) ist es nicht möglich, jemand ohne seinen Willen in Hypnose zu versetzen, um ihn dann zu Handlungen zu zwingen, die auch wieder gegen sein Willen wären. Das ist ziemlicher Blödsinn.

    Genauso die Geschichte mit der „letzten Unterschrift“. Alles was ich über den Fall weiß, ist dass man sich nicht so gut vertrug um sich gemeinsam im Urlaub zu treffen. Außerdem holen solche Unterschriften das Gericht oder die Anwälte ein, keine Privatleute.

    Der Punkt das dieses Dokument nicht genauer benannt wird, irritiert sehr. So viel ich weiß, hatte Christine B. die berechtigte Sorge, dass das Ehepaar Oppermann die finanziellen Mittel mit in die Sekte „Neuer Yogawille“ einbringt, das neue Zuhause in den Dolomiten klingt sehr danach, weil das ungefähr der Sitz dieser Sekte ist. Ich kann mir nicht vorstellen, dass das in der Recherche alles übersehen wurde, ich vermute eine Absicht dahinter.

    Ziel war, der Tochter, Frau Oppermann ihren Anteil als eine Art Leibrente auszuzahlen, in regelmäßigen Abständen, um dies zu verhindern. Ich mutmaße jetzt einmal, dass dies mit dem Schriftstück, das Herr Oppermann dabei hatte, ausgehebelt werden sollte?

    Ich kann mir auch nicht vorstellen, das von Lebenden die Herausgabe des Erbes verlangen kann, so wird das aber dargestellt.

    Zu Jenseits, Tod und Übergangsvorstellungen ist die Sekte der Oppermanns sicher nicht viel anders aufgestellt als das Christine B. war. Alle haben sie absurde Reinkarnationsphantasien. Das führt sogar soweit, dass Grill Anhänger Christine B. über 3 postulierte Inkarnationen verfolgen.

    Zum einen stellen sie dass Christine B. aus früheren Inkarnationen ein ganz schlechter Mensch sein muss, danach wurde sie im Realen Leben verfolgt, und jetzt wird sie vor Gericht nach ihrem Ableben immer noch mit einer Prozessflut von Grillfans verfolgt. Auch ein Umstand, dass das Boulevardmagazin vergisst zu erwähnen.

    Für Anhänger des Neuen Yogawillens war Christine B. das Böse in Person, schlimmer als Hitler, und das wird esoterisch begründet. Ob es ein Auftragsmord war, ist schwer zu beurteilen, aber dass bei jemanden in so einer Situation alle Sicherungen durchfliegen, und es zum Äußersten kommt, wissentlich oder in einer durch diese ganze esoterische Manipulation ausgelösten Psychose, ist sehr gut möglich und auch nicht ganz so selten.

    Diese Möglichkeit wird bei diesem „Recherchemagazin“ aus Unwissenheit gar nicht erläutert.

  2. „…sehr einseitig für die Sichtweise von Cornelia Oppermann instrumentalisieren!“

    Das hatte mich auch sehr gewundert..

    Vom ZDF hätte ich da was anderes erwartet.

  3. Natürlich ist „Hallo Deutschland“ nicht bekannt für anspruchsvolle Reportagen, ein Magazin für „human interest“, leicht verdauliche Unterhaltung, aber trotzdem hätte man sich etwas kundig machen können.

    Hat Steffen Ufer, ein wirklich raffinierter Anwalt (meine ich nicht abwertend) hergestellt um Werbung für seine Mandantin zu machen? Hier kam nur die eine Seite zu Wort.

    Auf die Sache mit der Hypnose ist Herr Ufer ja nicht näher eingegangen, hat aber angedeutet, wie er es sich vorstellte. Wenigstens hat er zugegeben, daß es bisher einmalig wäre, daß jemand unter Hypnose etwas tut was ihm eigentlich widerstrebt.

    Seiner Ansicht, und der Ansicht von Frau Oppermann nach, haben die Opfer ihren Schwiegersohn gegen seinen Willen hypnotisiert um ihn dazu zu bringen, sie zu töten? Das klingt nun wirklich nach einem schlechten Horrorfilm. Jeder Experte wird Herrn Ufer gern bestätigen können, daß es quasi unmöglich ist, jemanden schon gegen seinen Willen zu hypnotisieren.

    Daß man jemand scharf ansieht, eine Kette herumschweigt und so in Trance versetzt ist unmöglich.

    Was soll auch die Schelte gegen die französische Polizei? Man kann darüber streiten, ob es noch vertretbar ist, jemanden so lange, ohne Prozeß in Untersuchungshaft zu sperren, aber jede Polizei der Welt wird einen Mann der, vom Blut beschmiert, am Tatort angetroffen wird, und noch dazu ein Motiv hat, für den Hauptverdächtigen halten.

    Auch die Diffamierung des ach so bösen Münchner Kriminalkommissars der Informationen weitergegeben hat (auch die deutsche Polizei nimmt die Amtshilfe von ausländischen Kollegen in Anspruch, wenn Opfer und Täter aus dem Ausland stammen) hielt ich für unnötig.

  4. Das ZDF hat nun wohl doch noch selbst recherchiert und die blutrünstigen Filme entfernt.

Schreibe einen Kommentar

Pflichtfelder sind mit * markiert.