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„Genug geforscht: Akte Homöopathie schließen“ – ein Nachruf im profil-Magazin

| 17 Kommentare

Heute im profil-Magazin:

Alwin Schönberger schildert eingangs den Nürnberger Kochsalzversuch als „erste systematische Studie, um die Wirksamkeit von Homöopathie zu testen“:

Schon 1835, noch zu Lebzeiten des Homöopathie-Erfinders Samuel Hahnemann und weit vor der Ära der hochtechnisierten Medizin, bestanden Zweifel an den hochverdünnten Präparaten, weshalb sie auf die Probe gestellt wurden – und, genau wie in den beiden Jahrhunderten danach, versagten.

Seit 183 Jahren ist somit evident, dass Homöopathie nicht funktioniert.

Und kommt dann zu den aktuellen Entwicklungen:

Es war ein echter Paukenschlag, als Anfang voriger Woche geschah, was kaum jemand für möglich gehalten hätte: Die Meduni kippte das Wahlfach Homöopathie, die Studierenden wurden kurzerhand von der Lehrveranstaltung abgemeldet.

Der radikale Schritt ist wohl darauf zurückzuführen, dass Markus Müller, dem Rektor der Meduni, regelrecht der Kragen platzte. Als Verfechter einer naturwissenschaftlich abgesicherten Medizin vertritt er die Ansicht, dass durch nichts belegbare und jeder Plausibilität widersprechende Methoden nichts an einer Universität verloren haben.

Im Weiteren erklärt der Leiter des profil-Wissenschaftsressorts ausführlich, „warum die jüngste Entscheidung sinnvoll war“:

Denn erstens herrscht immer noch enorm viel Unwissen darüber, was Homöopathie überhaupt ist, welchen Prinzipien sie folgt und was die Wirksamkeit angeht.

Zweitens ist Homöopathie nicht bloß eine von vielen Sparten der Alternativmedizin. Sie ist deren Flaggschiff, in europäischem Maßstab ein milliardenschwerer Wirtschaftszweig, der denselben Gesetzen folgt wie die klassische Pharmabranche (und teils sogar in denselben Interessensverbänden wie diese sitzt, was die wenigsten Menschen wissen).

Vom „Geburtsfehler der Homöopathie“ (Hahnemanns fehlgedeutetes Chinarinden-Experiment) über die „anekdotische Evidenz“ bis zu den „beliebten Mythen“ (Kinder und Tiere) spannt Schönberger den Bogen über neun Seiten, um schlussendlich den Stand der Wissenschaft wiederzugeben:

Genug geforscht: Akte Homöopathie schließen.

Als Fazit zitiert er Univ.Prof. Dr. Oliver Vitouch, Rektor der Universität Klagenfurt:

Vitouch plädierte dafür, in einem Zeitungskommentar vorige Woche, die Homöopathie endlich in der Rumpelkammer der Medizingeschichte zu verfrachten. Hartgesottenen Fans, die durch keine Evidenz zu überzeugen sind, riet er zu einem besonderen Selbsttest: Sie mögen doch mal homöopathische Empfängnisverhütung ausprobieren.

Außerdem formulierte Vitouch einen inspirierenden Gedanken: Was, wenn Hahnemann heute lebte? Wenn er um Atome wüsste und die Verteilung seiner Wirkstoffmoleküle im Universum berechnen könnte? Wenn er jener scharfsinnige Forschergeist war, der die plumpe Medizin seiner Zeit zwar zu Recht kritisierte, aber natürlich nicht ahnen konnte, welche Erkenntnisse sie in den 200 Jahren nach seiner Ära gewinnen würde?

Vielleicht würde er dann sein eigenes Konzept verwerfen.

Zum Weiterlesen:

  • Aberglaubenskrieg, profil 49/2018
  • Homöopathie: Ein Magazin für „Spiegel“-Leser ohne lästigen „Spiegel“-Journalismus, Übermedien am 2. Dezember 2018
  • Zur Neutralisierung fundierter Kritik durch falsche journalistische Ausgewogenheit – Beispiel: Homöopathie, Psiram am 1. Dezember 2018
  • Warum ich Kritik an der Homöopathie wichtig finde – Heute: Dr. Norbert Aust, Onkel Michaels kleine Welt am 1. Dezember 2018
  • Why is it important to tell the truth about homeopathy? edzardernst am 29. November 2018
  • MedUni Wien streicht die Homöopathie-Vorlesung, GWUP-Blog am 23. November 2018
  • Homöopathie: Seelenfängerei an Universitäten, derStandard am 28. November 2018
  • Homöopedia: Der Nürnberger Kochsalzversuch
  • Na sowas: Homöopathie ist ein „Geschäftsfeld der pharmazeutischen Industrie“, GWUP-Blog am 25. Mai 2016
  • Homöopathie: Brauchen wir „mehr Forschung“? GWUP-Blog am 8. August 2010

17 Kommentare

  1. Man hätte die Akte nie eröffnen sollen.

    Um Homöopathie als Quatsch zu bezeichnen reicht schon die Logik, man braucht keine Forschung.

  2. „Hartgesottenen Fans, die durch keine Evidenz zu überzeugen sind, riet er zu einem besonderen Selbsttest: Sie mögen doch mal homöopathische Empfängnisverhütung ausprobieren.“

    Die Feststellung ist so schlicht wie genial.

  3. Mnaja, Prävention ist in der klassischen Homöopathie gar nicht vorgesehen, daher funktioniert Empfängnisverhütung freilich nicht. Denkbar ist hingegen ein Abort mittels Homöopathika aus Urtinkturen wie „kostbares Geschmeide“ oder „Bier“.

  4. @RPGNo1

    Und wie erreicht man dabei das Simile-Prinzip ? Welcher Ausgangsstoff wird denn da Potenziert ? Tote Babys ? Ok… ich will jetzt nicht weiter darüber nachdenken *gg

  5. @ nihil jie:

    Jetzt würde dich jeder Homöopath auslachen.

    Das, was bei der Gesunden die „Symptome“ auslöst (Schwangerschaft), hilft bei der „Kranken“ (Schwangere) gegen diese „Krankheit“. D.h., angesagt als akute „Pille danach“ ist dann wohl Eiaculatum C200.

  6. Man kann jedoch das Symptom „Nicht schwanger“ überwinden mit etwas, was nicht schwanger macht, z.B. Kontrazeptiva. Je hochpotenzierter das Kontrazeptiva, desto wirkmächtiger, also schwangerer. Klappt garantiert, Wirknachweis für Homöopathie erbracht :))

  7. @nihil jie, @SabberTooth

    Es müssten es ja wohl Samen- und/oder Eizellen sein. Denn nur wenn diese beiden zusammenkommen, kommt es auch zur Schwangerschaft. Dem Simile-Prinzip folgend, müssten solcherart zusammengesetzte „Globuli danach“ also eine Schwangerschaft wieder „heilen“ …

  8. @ robert stiller

    Das meinte ich mit „kostbares Geschmeide“, weil dieses dargereicht die Kopulationswahrscheinlichkeit erhöht. :P

    Das Leitsymptom „dicker Bauch“ ist aber auch noch anders zu bewerkstelligen. ;)

  9. Demnächst im Homöopathie-Lehrgang „Globulis färben“ und wenn entsprechende Mengen vorhanden sind, werden die Bälle im Bällebad ausgetauscht!

    https://www.youtube.com/watch?v=cwo3hjYRrtI

  10. der dicke Bauch nach homöopathischer Verhütung ist die Erstverschlechterung! spontane Heilung nach 9 Monaten -> der Wirknachweis wurde somit erbracht!

  11. @alle:

    „der dicke Bauch“

    Jungs, ist aber langsam mal gut jetzt …

  12. Es ist bis dato ungeklärt, ob nun Deutschland oder Österreich der Titel des homöopathieaffinsten europäischen Landes zukommt. Österreich ist gerade etwas nach Punkten zurückgefallen. Warum?

    https://hpd.de/artikel/schon-wieder-homoeopathie-eben-nicht-16247

  13. Na ja, ganz so schnell sollte man die Akte Homöopathie nicht schließen, denn sie taugt immer noch für eine Placebo-Forschung, denn ein Globuli ist ein Placebo par excellence.

    Man sollte die Fragen untersuchen, warum erfreut sich diese „Heilmethode“ solcher Beliebtheit…und warum kann sie sogar „Erfolge“ feiern, die natürlich mit dem Placebo-Effekt zu begründen sind.

    Man sollte die Macht der Selbstheilungskräfte nicht nur den „Alternativmedizinern“ überlassen, sondern sie so gut wie möglich in die Medizin „einbauen“.

    Auch sollte man so gut wie möglich einem Nocebo-Effekt vorbeugen…das ist genau das, was die „Alternativmedizin“ gerne versucht, mit teilweise großem Erfolg.

    Narrative, wie „Pharma-Mafia“ oder „Chemie“, sind hier zu nennen.

  14. Zu Ralf:

    Eine Möglichkeit für einen Placeboeffekt wäre zum Beispiel,dass Ärzte mehr Zeit für einen Patienten bekommen.

    Ich bin in einem kleinen Dorf in der damaligen DDR aufgewachsen. Im Warteraum der Arztpraxis habe ich manchmal ewig gewartet,obwohl nur zwei oder drei Personen vor mir waren.Grund: Manche haben bis zu einer halben Stunde und länger beim Arzt gesessen und ihr „Leid“ geklagt.

    Der Arzt war also auch so etwas wie ein „SeelenHeiler“, obwohl er wahrscheinlich nur zugehört hat. Das Placebo der Empathie und des Zuhörens wird meiner Überzeugung heute unterschätzt und scheint mir oft mehr Wert zu sein als manche Medizin.

    Die Esoteriker haben ,so meine Sicht, dieses Manko wohl erkannt – und nehmen dafür viel Geld.

  15. Besser kann man es kaum ausdrücken:

    „Der Begriff ‚Integrative Medizin‘ wird von medizinischen Esoterikern gerne missbraucht.

    Denn in Wirklichkeit bedeutet der Begriff, dass seriöse Ärzte die Zusammenarbeit mit allen Fachrichtungen (Internisten, Chirurgen, Röntgen, Labor, Psychologen et cetera) suchen und auch nachweislich wirksame Naturheilmittel komplementär verordnen.

    Ganz im Gegensatz dazu verlangen medizinische Esoteriker die Gleichstellung von Scheinmedizin mit der seriösen Medizin und fordern (werbewirksam) eine ‚integrative Medizin‘, in der jeder Unsinn in die wissenschaftlich begründete Medizin miteinbezogen werden soll, also einen ‚Dialog‘ von Hokuspokus-Praktiken mit der seriösen Medizin.“

    https://www.derstandard.de/story/2000093059721/persoenliche-freiheit-und-hokuspokus-die-graeben-in-der-homoeopathie-debatte

  16. Ohne geht es besser: Unser Kolumnist erklärt, wie Globuli hergestellt werden und warum Homöopathie zur Medikamentenabhängigkeit führen kann.

    https://www.tagesspiegel.de/weltspiegel/sonntag/kolumne-der-kinderdok-unedle-tropfen/23700004.html

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